Autor Thema: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang  (Gelesen 12552 mal)

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Argamae

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #30 am: 04. März 2008, 19:01:28 »
Zitat von: "Arldwulf"
Ich verstehe da deinen Standpunkt durchaus Argamae. Ich frage mich nur ob er zielführend ist.

Kommt auf das Ziel an, und im Falle dieses Threads ist das wohl: Überzeugen, das Regeln für Charakterspiel notwendig sind. Davon bin ich nicht überzeugt. Mein Standpunkt macht dies klar.

Zitat von: "Arldwulf"
Nimm zum Beispiel klettern, einen sehr simplen Skill.
Brauche ich diesen? Eigentlich nicht - jeder Spieler sollte für seinen Char selbst einschätzen können ob er gut klettern kann oder nicht. Trotzdem ist es hilfreich damit Spieler sich über die Stärken und Schwächen ihrer Charaktere Gedanken machen einen solchen Skill anzubieten. Er regt die Spieler dazu an schon vor einer solchen Situation sich Gedanken darüber zu machen ob sie gut klettern können. Genauso ist es mit dem Einschüchtern, Diplomatie oder Bluffen.
Ein solcher Skill regt Spieler dazu an darüber nachzudenken ob ihre Chars gut oder nicht in solcherlei Dingen sind. Und das halt nicht erst dann wenn ihr Leben davon abhängen könnte, oder ihr Erfolg, sondern zu einem neutralerem Zeitpunkt.

Das steht a) doch völlig außer Frage, und ist b) grundlegender Bestandteil aller Rollenspiele, die Charakterfähigkeiten numerisch (oder sonstwie) quantifizieren. Damit rennst du offene Türen ein. Aber worauf willst Du jetzt hinaus?
Ich habe also mit meinem Charakter einen Wert von +11 in "Leise bewegen". Okay. Das sagt mir etwas über bestimmte Wahrscheinlichkeiten - ob ich abschätzen kann, dieses oder jenes Geschleiche mit einiger Gewißheit auf Erfolg zu bewerkstelligen. Aber es sagt mir doch NICHTS über die dahinter stehenden Motivationen aus, auf die Du dich im vorigen Posting beziehst. Nur, weil ich etwas KANN, will ich es nicht notwendigerweise auch tun. Und nur, weil ich etwas NICHT kann, heißt das ja nicht, daß ich es nicht tun WILL. Viele Leute können nicht singen. Sie tun es aber trotzdem.
Etwas weniger versponnen und mehr in Richtung Topic: ich könnte zwar aus einem geringen Diplomatie-Wert ableiten, daß mein Charakter nicht sonderlich geübt in konversationellen Dingen ist, aber trotzdem mag ich doch als Spieler entscheiden (vielleicht noch in Zusammenhang mit einem geringen Weisheitswert), das der Charakter trotzdem eine absolute Labertasche ist, die sich überall einmischt und ihren unqualifizierten Senf dazu gibt. Und dieser Umstand geht einer Menge NSC (und ggfls. SC) gehörig auf die Nüsse. Soll man nun eine Spielmechanik zurate ziehen, die ermittelt, wann bei einem NSC das Maß voll ist und er mir eine ballert bzw. mich von Wachen "entfernen" läßt? Soll ich daß via den "Diplomatie"-Wert ermitteln, wenn sich der Charakter doch gar nicht bemüht, einsichtig zu sein? Und wie steht es mit SC in der Gruppe? Soll ich als SL da auch Würfelwürfe durchführen (eventuell RW gegen Willen) und dann bestimmen, "So, Adalbert Düsterbart - dir reicht es jetzt. Du haust der nervigen Tratschtante jetzt eine rein!". Wie würde sich wohl Adalbert Düsterbart's Spieler fühlen? Vielleicht wollte er der Quasselstrippe ja gar keine ballern? Muß er jetzt, weil eine Spielmechanik regelt, wann sein Geduldsfaden reißt?

Mein Punkt ist: soziale Situationen sind mitunter so vielschichtig, daß eine Spielmechanik ihnen einen Bärendienst erweisen würde. Da ist einfach SL-Willkür gefragt.
In Memoriam E. Gary Gygax (1938-2008)

Arldwulf

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #31 am: 04. März 2008, 19:16:54 »
Ich denke wir sind doch gar nicht so weit auseinander mit unserer Meinung.

Natürlich lässt sich über ein Regelsystem nicht jeder Aspekt des Charakterrollenspiels regeln.

Ungeachtet dessen kann es aber bei manchen Aspekten helfen.

Ganz allgemein ziehe ich aber (siehe auch das System weiter oben) vor wenn die Würfelwürfe nur Hinweise auf das richtige Verhalten geben, nicht aber über Erfolg oder Misserfolg bestimmen. Da ist dann nicht die Handlung des Charakters oder NPC vorbestimmt - aber der Wurf beeinflusst den Ausgang dennoch.

Für das Einschüchtern Beispiel könnte das heissen:

Barbar: "Wage es nicht noch einmal über meine Schwester zu lästern!" *baut sich bedrohlich vor dem Barden auf*
Barbar würfelt Intimidate - es klappt
SL zum Barden: Du merkst das es ihm ernst ist.

Es kann dem Barbar auch ernst sein, wenn er den Barden nicht einschüchtert. Oder auch wenn er ihn Einschüchtert kann es dennoch nur ein bluff sein. Der Würfelwurf definiert nicht die Handlung. Nur wie es für den Barden herüberkommt.
1st Edition Nekromantentöter
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Ich hab nichts gegen niedrige Wahlbeteiligung. Irgendwann regier ich den Laden eben alleine. ;-)

TheRaven

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #32 am: 04. März 2008, 19:40:29 »
Zitat
Soll ich als SL da auch Würfelwürfe durchführen (eventuell RW gegen Willen) und dann bestimmen, "So, Adalbert Düsterbart - dir reicht es jetzt. Du haust der nervigen Tratschtante jetzt eine rein!". Wie würde sich wohl Adalbert Düsterbart's Spieler fühlen? Vielleicht wollte er der Quasselstrippe ja gar keine ballern? Muß er jetzt, weil eine Spielmechanik regelt, wann sein Geduldsfaden reißt?

Leute, informiert euch doch am Besten mal wie Rollenspielmechaniken und Regeln in Konkurrenzprodukten wirklich funktionieren. Eure hier veräusserten Ideen dazu sind ziemlich weit von der Realität entfernt. Nur soviel dazu: Bei diesen Mechaniken geht es praktisch nie darum die Handlungen zu steuern, sondern Aktionen, welche mit im Voraus festgelegten Charakteraspekten einhergehen, zu belohnen. Jeder kann so spielen wie er will aber spielt jemand seinen Charakter entsprechend der vorher festgelegten Persönlichkeit, dann wird dies belohnt.
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Tzelzix

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #33 am: 04. März 2008, 22:15:39 »
Mechaniken, die zur Konfliktlösung dienen sind auch keine "Mind-Control" Instrumente, sondern beinhalten für gewöhnlich, dass alle Teilnehmer ihren Einsatz abstecken und damit genau wissen,  worauf sie sich einlassen.
Never attribute to malice that which can be adequately explained by stupidity.

Berandor

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #34 am: 05. März 2008, 00:12:52 »
Ich hoffe, ihr versteht, dass ich jetzt nicht auf alle Fragen eingehen kann. Wenn es ein dringendes Problem gibt, einfach noch mal fragen.

Zunächst einmal möchte ich etwas vorausschicken: selbst wenn (!) die Mechanik für einen bestimmten Fall Geistesbeeinflussung gleich kommt, wie handhabt ihr den Geistesbeeinflussung in D&D? Also Suggestion, Dominate Person, ...?

Und dann hat Raven richtig gesagt, dass die genannten Beispiele etwas an den Haaren herbeigezogen sind, Allerdings will ich nicht verleugnen, dass ich die Notwendigkeit für soziale Mechanismen auch für taskbasierte Systeme sehe. In Konflitklösungssystemen stellt sich das Problem einer guten Umsetzung von Spieltischaktionen noch viel weniger.

Zunächst einmal bedeutet das Vorhandensein von sozialen Mechaniken keine gleichwertige Behandlung seitens NSC und SC: Um als SL den Spielern regelmäßig Superdiplomaten vorzusetzen, die einen zum Freund machen, muss man schon ein kleines Arschloch sein.

Zitat von: "Argamae"

Aber was nun, wenn der Spieler in Rolle einen dermaßen schönen, runden und mitreißenden Monolog (oder auch Dialog, falls der Adelige durch den SL einbezogen wird) abliefert, daß sogar die anderen, nicht beteiligten Spieler gefesselt und unterhalten werden? Willst Du dann immer noch einen sachlichen Gradmesser haben, ob dieser Einsatz des Barden erfolgreich war? Willst du am Ende sagen: "würfel' mal auf Diplomatie" oder wie auch immer nun die Charakterspiel-Mechanik aussehen soll?

Das ist natürlich auch eine Frage des Spiestils, aber: Ich halte es für die Pflicht des Spielers, zu versuchen, nicht nur seine eigenen Eier zu schaukeln, sondern auch die der Mitspieler. Also für alle unterhaltsam zu sein, gerade, wenn man alleine im Rampenlicht steht.  Eine einfach nur "fesselnde" Rede wäre also nicht unbedingt ein Grund, um eine Ausnahme zu machen. So etwas wird dann von anderen Mechaniken (z.B. artha) abgedeckt.

Zweitens gibt es, wenn gewürfelt wird, eine Möglichkeit zu scheitern. Sonst würfele ich nicht. Das bedeutet einerseits, dass ich einen Wurf verlange, um zu sehen, ob die Rede beim Baron angekommen ist. Ich bin nämlich nicht der Baron. Wenn der Barde wirkliche Diplomatie bis unter den Haaransatz hat, wird die Wahrscheinlichkeit zu Scheitern auch gering genug sein, dass erstens er die Rede erfolgreich halten wird und er zweitens, wenn er doch patzt, daraus eine tolle kleine Storyline entwickeln kann.

Drittens, wenn der Typ so eine geile Rede hält, dass die Spieler von den Sitzen fliegen und ich selbst geneigt bin, meine Unterlagen auszuhändigen und zu den Spielern überzulaufen, dann lass den Barden verdammt noch mal die Probe schaffen. Scheiß drauf. Das ist aber genauso eine Ausnahme wie das von Terroristen entführte Flugzeug, dass rechtzeitig präventiv abgeschossen werden muss. Das muss man nicht regeln.

Zitat
Im zweiten Beispiel sehe ich nicht, wie eine Charakterspiel-Mechanik einen gruppeninternen Disput zu lösen imstande sein soll. Wie Du ja selbst sagst, lassen sich Spieler ungern etwas befehlen. Nichts anderes täte da doch auch eine Spielmechanik, die vorschriebe, zu welchen Ergebnissen nun ein gruppeninterner Charakterzwist führt. Solche Situationen, wie die aus diesem Beispiel, gibt es häufig und es bringt imho nix, den Ausgang solcher durch eine Spielmechanik zu ermitteln.


Es ist ein Unterschied, ob man diskutiert, bis einer entweder nichts mehr sagt und sich mit gekreuzten Armen in die Ecke hockt, oder bis Paul wieder seinen Willen bekommen hat, oder ob man sagt: ”Lasst die Würfel sprechen!" und dann in einem "fairen" Wettstreit entscheidet, wer gewinnt. Du täuschst dich gewaltig, wenn du das gleichsetzt, da ist eine ganz andere psychologische Rechtfertigung hinter.

Zitat
Im dritten Beispiel schließlich bedarf es doch insbesondere des selbstkritischen, reflektierenden Rollenspiels aller Gruppenmitglieder. Bereits im Vorfeld müssen diese bereit sein, sich auf eine solche Rollenverteilung mit einem klar definierten Anführer einzulassen. Das widerspenstige Spieler mittels eines Würfelswurfs (oder einer sonstwie gearteten Spielmechanik) dazu gebracht werden, fügsame Befehlsempfänger zu werden, sehe ich nicht.


Natürlich gehört das dazu. Aber auch, wenn solche Charakterkonzepte akzeptiert werden, stoßen sie sehr schnell an ihre Grenzen, da die Anführerschaft eben nicht unterstützt werden kann.

Ich möchte auch noch mal sagen, dass dies alles noch eine homogene Gruppe unterstellt, also keine Charaktere mit widerstreitenden Zielen.

Zitat
Nicht nur sähe ich dadurch den Spielfluß gestört sondern auch einen guten Teil der Spielleiterrolle als "Erzähler" und "Regisseur" eliminiert. Absolute Simulationisten mögen mir da widersprechen, aber ich bin froh, daß ich als SL erzählerische Willkür walten lassen kann. Nur so kann ich flexibel genug reagieren.


Dein Denken ist in d20 festgefahren. Befrei dich von diesem Mist, dass erzählerische Willkür nötig sei. Wormy oben hats auch richtig gesehen – es ist toll, wenn die Spieler so was versuchen, dann sind sie nämlich interessiert und nicht nur passive Konsumenten deiner Ideen. Übrigens sind viele Spiele mit CRP-Regeln sehr narrativistisch ausgelegt und eben nicht simulationistisch veranlagt.

Andererseits stimme ich dir zu: Wenn du erzählerische SL-Willkür brauchst, dann können CRP-Regeln dir in die Quere kommen.

Zitat von: "Arldwulf"

1. Der Einsatz von Diplomatie bei dem NPC.

Effektiv ist hier das Problem dass beide klassischen Vorgehensweisen ("erst würfeln, dann ausspielen" oder "erst ausspielen, dann würfeln") einen hier zu keinem gutem Ergebniss bringen.


Nicht unbedingt. Du gehst von einem falschen Ansatz aus. Richtig ist natürlich "ausspielen, dann würfeln". Allerdings setzt du dann dich gleich dem NSC bzw. mehreren NSC. Schon mal in einem Kino gesessen und als einziger nicht gelacht? Ich ja. Ich bin auch schon im Theater zur Pause gegangen, wo es nachher stehende Ovationen gab, und ich habe Bravo gerufen, als das Theater sich zur Pause halb geleert hatte.

Manchmal kommt auch eine gute Rede einfach nicht gut an. Vielleicht hat der Baron einen Scheißtag, oder seine Frau ist mit einem Barden durchgebrannt, oder er kann Rot nicht leiden und der Barde trägt rotes Leder, oder der Baron hat Hunger und Nachdurst, oder, oder, oder. So wie selbst der beste Krieger mal den Bauern verfehlt. Passiert.

Zitat von: "Argamae"

Soll man nun eine Spielmechanik zurate ziehen, die ermittelt, wann bei einem NSC das Maß voll ist und er mir eine ballert bzw. mich von Wachen "entfernen" läßt? Soll ich daß via den "Diplomatie"-Wert ermitteln, wenn sich der Charakter doch gar nicht bemüht, einsichtig zu sein? Und wie steht es mit SC in der Gruppe? Soll ich als SL da auch Würfelwürfe durchführen (eventuell RW gegen Willen) und dann bestimmen, "So, Adalbert Düsterbart - dir reicht es jetzt. Du haust der nervigen Tratschtante jetzt eine rein!". Wie würde sich wohl Adalbert Düsterbart's Spieler fühlen? Vielleicht wollte er der Quasselstrippe ja gar keine ballern? Muß er jetzt, weil eine Spielmechanik regelt, wann sein Geduldsfaden reißt?

Mein Punkt ist: soziale Situationen sind mitunter so vielschichtig, daß eine Spielmechanik ihnen einen Bärendienst erweisen würde. Da ist einfach SL-Willkür gefragt.


Falsch. Du musst als SL nur wissen, was du tust. Du tust nämlich folgendes: Wenn der Charakter etwas erreichen will oder etwas auf dem Spiel steht, dann würfelst du. Sonst nicht.

Wenn also deine Labertasche labert, lass sie labern. Wenn du merkst, dass der Spieler es darauf anlegt, NSC zu nerven und ausrasten zu lassen, lass sie ausrasten. Warum nicht? Oder warum?

Aber wenn der SC z.B. bei Hofe versucht, durch sein Labern den Hofmagus ausrasten zu lassen – dann hol die Würfel raus. Wenn er sich so benimmt, während er beim feinen Bürgermeister vorspricht, um einen Auftrag zu bekommen – dann hol die Würfel raus.

Und jetzt möchte ich noch ein Beispiel zu folgendem Moment geben, dass etwas systemspezifischer ausfällt. Vielleicht hilft das.
Zitat von: "Arldwulf"

Für das Einschüchtern Beispiel könnte das heissen:

Barbar: "Wage es nicht noch einmal über meine Schwester zu lästern!" *baut sich bedrohlich vor dem Barden auf*
Barbar würfelt Intimidate - es klappt
SL zum Barden: Du merkst das es ihm ernst ist.

Es kann dem Barbar auch ernst sein, wenn er den Barden nicht einschüchtert. Oder auch wenn er ihn Einschüchtert kann es dennoch nur ein bluff sein. Der Würfelwurf definiert nicht die Handlung. Nur wie es für den Barden herüberkommt.


Und so würde das in Burning Wheel funktionieren
[list=1][*]Was will der Barbar? Wie will er es erreichen? Der Barbar will *nicht* den Barden einschüchtern. Der Barbar will, dass der Barde die Klappe hält. Das will er erreichen, indem er ihn einschüchtert.
[*]Muss man würfeln? Ich würde sagen, ja. Vor allem, wenn ein beeinflusster Part ein Spieler ist, sollte man nicht einfach festlegen, dass der Charakter eingeschüchtert ist.
[*]Konsequenzen und Schwierigkeit. Die Schwierigkeit ergibt sich aus den Regeln für Einschüchtern. Konsequenz des Scheiterns?

Das läuft dann wohl so ab:
SL: Der Barbar kommt auf dich zu und stemmt seine Fäuste auf den Tisch. "Das ist meine Schwester, über die du da redest. Pass bloß auf." Er versucht, dich über Einschüchterung ruhig zu kriegen. Wenn er den Wurf schafft, dann darfst du in der Kneipe an diesem Abend keinen Witz mehr über Olga machen.
Barden-Spieler: Und wenn er verliert?
SL: Schlag was vor.
Barden-Spieler: Hmm... okay, wenn er verliert, dann reißt ihm bei dem Versuch die Hose, und Sasso der Scharfzüngige lässt einen Spruch ab, der die Kneipe zum Lachen bringt. ”Dicke Hintern liegen in der Familie“ oder so.
SL: Geht klar.

[*]Nun folgt das Würfeln und anschließend die Ergebnisanwendung
*würfelt* 6 Erfolge. Wie hoch ist Sassos Wille?
Spieler: 5. Mist. Sasso lenkt das Gespräch geschickt auf den Sohn des Bürgermeisters und versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Ein wenig Schweiß steht ihm aber schon in der Stirn...
[/list:o]

Das ließe sich natürlich auch mit d20 machen. Es ist nämlich völlig egal, ob es dem Barbaren ernst ist oder nicht. Wichtig ist, was der Barbar will, warum er würfelt. Und das schafft er dann bei einem Erfolg. Alles andere kann beliebig ausgeschmückt oder interpretiert werden.
Bitte schickt mir keine PMs hier, sondern kontaktiert mich, wenn nötig, über meine Homepage

Arldwulf

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #35 am: 05. März 2008, 00:20:02 »
Klingt auf jeden Fall lustig. :)
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TheRaven

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #36 am: 05. März 2008, 00:54:41 »
Übrigens würde ich gerne noch hören, wo genau das Problem liegt, wenn sich der Charakter analog des Resultates eines Wurfes verhalten soll/muss. Ist nicht gerade dies das Zentrum und der Sinn des Rollenspieles? Dass man einen Charakter bzw. dessen Reaktionen und Persönlichkeit ausspielt, die eben nicht den eigenen Attributen entsprechen und nicht immer vorhersehbar sind. Wird mein Charakter in D&D eingeschüchtert, dann besteht die rollenspielerische Herausforderung doch gerade darin dies glaubwürdig darzustellen.

Sagen wir der Charakter führt ein philosophisches Streitgespräch mit einem Gelehrten und würfelt dabei einer 1 bei dem Versuch diesen zu überzeugen. Ist es dann nicht angebracht, dies so zu interpretieren, dass sich die Ansicht des eigenen Charakters geändert hat und man fortan die Meinung vertritt, von welcher der eigene Charakter überzeugt wurde? Genau das ist doch Rollenspiel. Man spielt eine Rolle und nicht ein Bild seiner selbst. Ich denke oft, dass genau dies der Grund ist, wieso sich viele Leute so extrem gegen Rollenspielregeln wehren, da ein externer nicht steuerbarer Einfluss ihr Eigenbild zu verändern droht.
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Berandor

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« Antwort #37 am: 05. März 2008, 00:58:53 »
Vielleicht sieht man sich auch selbst mit Schwert und Zauberstab gegen Monster ziehen.

Mary Sueee! Essen ist fertig!
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Arldwulf

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #38 am: 05. März 2008, 02:11:26 »
@Raven: Ich bin ja weiter oben schon darauf eingegangen. Dies hat 2 Nachteile:

Der Spieler muss seinen Char anders spielen als er ihn sich vorstellt ("Aber mein Char würde jetzt das und dies sagen, und das ist ein tolles Argument"), und die Gefahr ist da, dass ein Spieler einen hohen Wurf gar nicht mit Argumenten oder einem tollen ausgespieltem Rollenspiel untermauern kann. ("Du hast eine 20 geworfen, spiels mal aus", "ähhmm - mir fällt nix ein")

Der zweite Punkt ist der Spannungsverlust. Man weiss schon anhand des Wurfs recht gut ob es klappen wird oder nicht, teilt der SL einem das Ergebniss vorher mit dann sogar ganz. Die Motivation etwas gut auszuspielen ist geringer als wenn man für dieses Ausspielen eventuell noch einen Bonus erhalten könnte.

Umgedreht hat aber auch das Würfeln anschliessend an das Ausspielen so seine Nachteile - und inzwischen glaube ich wirklich dass es sinnvoller ist mehrere Würfe zwischendrin zu machen.
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Berandor

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #39 am: 05. März 2008, 08:07:05 »
Zuerst möchte ich meinen schnippischen Einwurf etwas relativieren, denn natürlich ist es ein Reiz des Rollenspiels, sich selbst in Situationen zu begeben, die man sonst nicht kennt. Wenn ich an Schlüsselstellen meiner RPG-Karriere denke, denke ich auch nicht nur in Charakternamen, sondern auch in der ersten Person.

Zweitens hat Raven nach meinem Verständnis damit nicht zwangsläufig gemeint, dass man etwas ausspielt, nachdem man gewürfelt hat, sondern nur, dass man das Ergebnis des Wurfs ins Spiel einbaut. Wie ein erfolgreicher Wurf auf Disable Device am Ende ”du hast die Falle entschärft" vorsieht, so hätte in Ravens Beispiel ein fehlgeschlagener Versuch womöglich ein Umdenken des Charakters zur Folge. Die Argumente etc. wurden aber vorher ausgespielt.

Wohlgemerkt: Meistens ist der Effekt solcher Regeln nicht derartig streng, sondern stellt dem Spieler frei, ob er sich überzeugen lässt oder er nur grummelnd nachgibt, weil der Gegenüber für den Moment erfolgreicher argumentiert.

Und jetzt Achtung, da Provokationsgefahr

Zitat
die Gefahr ist da, dass ein Spieler einen hohen Wurf gar nicht mit Argumenten oder einem tollen ausgespieltem Rollenspiel untermauern kann. ("Du hast eine 20 geworfen, spiels mal aus", "ähhmm - mir fällt nix ein")

Und? Was willst du damit sagen? Dass man als Spieler besser gute Argumente für die Ideen seines Charakters hat oder verschissen? Kann der Spieler denn eine 36 beim Versteckenwurf richtig ausspielen? Was ist ein hoher Wurf überhaupt? Ein gutes Argument? Ein gut vorgebrachtes Argument? Ein Argument, das genau auf den Zuhörer zugeschnitten ist? Die Wahrheit? Lüge?

Und dann zu diesem:
Zitat von: "Arldwulf"

"Aber mein Char würde jetzt das und dies sagen, und das ist ein tolles Argument"

Das ist eines der schlimmsten Argumente überhaupt. Ich habe vor fast vier Monaten mal einen Beitrag dazu in meinem Blog geschrieben, der aus der Sicht von klassischem Rollenspiel geschrieben wurde, und den ich heute schon wieder anders formulieren würde. Vielleicht passt es dennoch:

http://www.p-pricken.de/?p=681

Genauer hierzu: Ein Spieler kann grundsätzlich seinen Charakter ausspielen, aber nicht die Reaktion der Welt darauf. "Das ist ein gutes Argument" ist also nur aus der Sicht des Charakters gültig, für alle anderen gilt: Würfeln. Gleichzeitig aber kann die Spielwelt natürlich Einfluss nehmen darauf, wie der Charakter sich verhält. Wenn es zur Weigerung kommt, dies zu akzeptieren, weil dies das Charakterkonzept umschmeißt, dann ist das unrealistisch, kindisch und wenig spaßfördernd.

Es ist unrealistisch, weil ja auch in anderen Situationen die Macht der Regeln akzeptiert wird. ”Mein Charakter würde nie von einem Drachen gebissen werden" hilft dir im Zweifel ebensowenig wie "Mein Charakter ist furchtlos und läuft hier nicht weg", wenn der Save gegen die Furcht der Mumie verhauen wird.

Es ist kindisch, weil es eine selbstsüchtige Weigerung darstellt, sich auf das Spiel und die Ereignisse einzulassen. Dieses Denken verlörpert ein Festhalten an statischen Wahrnehmungen, die dem Spiel abträglich sind. So etwas zu sagen ist wie das kleine Kind, dass eine Sandburg zerschlägt, weil Papa den Turm bauen wollte. Das ist eine Trotzreaktion, die verrät, dass das Rollenspiel als gemeinsames Erlebnis nicht verstanden wurde und stattdessen auf einer egoistischen Perspektive beharrt wird.

Es ist wenig spaßfördernd, weil dieses Verhalten den Spielfluss stoppt und die Spieler aus der Situation reißt. Außerdem stört es den Spielspaß des Spielers, weil er seinen Charakter damit auf Dauer aus solchen Momenten entfernt, da man mit ihm ja anscheinend nicht spielen kann. Und es stört den Spaß der anderen Spieler, die vielleicht sehen möchten, wie sich die Situation entwickelt.

Bevor ich eine Lösung präsentiere mal der Umkehrschluss: Was, wenn der SL nun eine Probe auf Intimidate verhaut und daraufhin sagt: "Der Typ ist aber gefährlich. Du hast Angst und bist eingeschüchtert." Eine solche starre Diktatur hat nichts mit dem Zufallselement zu tun, dem man sich bei den meisten Rollenspielen ausliefert.

Ansonsten bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder sucht man sich ein Rollenspielsystem, bei dem nur feste Werte verglichen werden. Dann ist der gute Redner immer ein guter Redner, weil ihm die Würfel nicht dazwischen funken können.

Oder man betreibt vernünftiges Rollenspiel und sieht so einen Moment als Chance, sich selbst und anderen den Charakter näherzubringen. Denn das Verhalten bei Erfolg und gerade im Scheitern verraten ja, was für ein Typ das eigentlich ist. Was macht er, wenn er trotz bester Argumente nicht seinen WIllen kriegt? Zieht er die Waffe? Macht er eine Szene? Schwört er Rache? Versucht er es mit Magie? Akzeptiert er die Niederlage? Sucht er einen Umweg? *Da* liegt* die Story, *da* wirds spannend. Und das zu spielen, macht Spaß. Wenn man sich darauf einlässt. Wenn man sich einschüchtern lässt und vielleicht sogar weiß, dass der Barbar einen immer wieder zum Kuschen bringen kann – was macht man dann? Fügt man sich, begehrt man auf, lässt man ihn meucheln. holt man seine Brüder? So kriegst du richtig persönliche Storylines hin, denn sei dir mal sicher – wenn dem Spieler das nicht gefällt, und er kriegt später die Gelegenheit, dem Barbar eins auszuwischen, dann wirst du ein Leuchten in den Augen sehen.

"Mein Charakter ist so und so und niemals anders und schon gar nicht wegen anderen" verrät eine verkrustete Ansicht über das Rollenspiel, eine fehlende Kenntnis über die Komplexität menschlicher Verhaltensweisen und eine falsche Überzeugung dessen, wie stringent man selbst einen Charakter eigentlich spielt. Das gehört auf den Müll.
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Arldwulf

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #40 am: 05. März 2008, 08:36:19 »
Da wird dir keiner widersprechen. Aber es gibt derartiges Verhalten, und ich denke wenn man zuvor würfelt, und dann das Würfelergebniss einfliessen lassen soll kann dies dadurch verstärkt werden.

Es ist in jedem Fall etwas über das man sich Gedanken machen sollte.

Wenn man mehrfache Würfe während des Gesprächs zulässt umgeht man das Problem etwas. Weil es dann halt nicht heisst: "du hast eine 1 gewürfelt, lass das mal ins Gespräch einfliessen" - sondern diese 1 nur einen Teil des Gesprächs ausmacht. Vielleicht versaut man die Begrüssung? Vielleicht bringt man sein Anliegen nicht gut rüber?

Aber man kann es dann noch beeinflussen, und der eigentliche fehlgeschlagene Abschnitt ist nicht so gross als wenn man das ganze Gespräch schiefgehen lassen muss.
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Wormys_Queue

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #41 am: 05. März 2008, 09:52:46 »
Zitat von: "TheRaven"
Übrigens würde ich gerne noch hören, wo genau das Problem liegt, wenn sich der Charakter analog des Resultates eines Wurfes verhalten soll/muss. Ist nicht gerade dies das Zentrum und der Sinn des Rollenspieles? Dass man einen Charakter bzw. dessen Reaktionen und Persönlichkeit ausspielt, die eben nicht den eigenen Attributen entsprechen und nicht immer vorhersehbar sind. Wird mein Charakter in D&D eingeschüchtert, dann besteht die rollenspielerische Herausforderung doch gerade darin dies glaubwürdig darzustellen.


Als jemand, bei dem die Würfelmanie so weit geht, dass er sogar Charakterklasse, Volkszugehörigkeit und Gesinnung des Charakters auswürfelt (um ihn danach durch Anpassungen gegebenenfalls gruppentauglich zu machen), stimme ich Dir vollkommen zu.

Zitat von: "Ardwulf"
Der Spieler muss seinen Char anders spielen als er ihn sich vorstellt ("Aber mein Char würde jetzt das und dies sagen, und das ist ein tolles Argument"), und die Gefahr ist da, dass ein Spieler einen hohen Wurf gar nicht mit Argumenten oder einem tollen ausgespieltem Rollenspiel untermauern kann. ("Du hast eine 20 geworfen, spiels mal aus", "ähhmm - mir fällt nix ein")


Hmhm, naja, der Spieler muss dadurch seinen Charakter spielen, wie er ihn gebaut hat. Eines der Dinge, die mich an D&D am allermeisten nerven sind Spieler, die Charisma als Dumpstat einsetzen und nachher zu totalen Charmeuren mutieren, weil der SL die Regeln nicht anwendet. "Mein Char würde das und das jetzt sagen und das ist ein tolles Argument"? Hört sich für mich nach extremem Metagaming an, vor allem der zweite Halbsatz ist in diesem Zusammenhang extrem verräterisch.

Das es natürlich blöde ist, wenn das Charakterspiel durch einen dummen Wurf ad absurdum geführt wird, streite ich gar nicht ab. Aus dieser Problematik entstehen aber doch genau die aktuellen Diskussionsthreads. Die Regeln einfach zu ignorieren ist eben nicht jedermanns Sache. Das man sich also auf die Suche nach Alternativen begibt, die besser funktionieren und (möglicherweise) sogar letztendlich das Charakterspiel in der Gruppe beleben, ist  nicht mehr als die natürliche Konsequenz.

Zitat
Der zweite Punkt ist der Spannungsverlust. Man weiss schon anhand des Wurfs recht gut ob es klappen wird oder nicht, teilt der SL einem das Ergebniss vorher mit dann sogar ganz.

So wie ich es aktuell erlebe, gibt es zwei Gruppen von D&D-Charakterspielern: Die einen betreiben es aus Spass an der Freude. Der Charakter wird ungeachtet möglicher Konsequenzen hundertprozentig ausgespielt (Meine Idealvorstellung, in der Reinform aber kaum bis gar nicht anzutreffen).
  Alle anderen betreiben Charakterspiel vor allem als Form der Optimierung, weil sie wissen, dass sie den SL damit leichter rumkriegen und deswegen ihre Statpoints womöglich woanders nützlicher einsetzen können.
  Naja, und dann gibts noch die Spieler, die ihre Charaktere auf Diplomacy optimieren. Die meisten, die in diese Gruppe fallen, tendieren dazu sich alleine auf ihre Würfe zu verlassen, warum sollte man also noch rollenspielen?

Jetzt meine Frage: Wo ist denn da irgendwo der Spannungsfaktor versteckt?
Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
Wormy's Worlds

TheRaven

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #42 am: 05. März 2008, 10:12:04 »
@Arldwulf
Ein Würfelwurf auf eine Fertigkeit sollte ja nur dann durchgeführt werden, wenn der Erfolg nicht sicher ist. Ich kann mit einem Philosophen auch diskutieren ohne meine Fertigkeiten zu bemühen. Geht es aber plötzlich darum den jeweils anderen von etwas zu überzeugen, dann wird zumeist ein Wurf erforderlich und zu diesem Zeitpunkt entscheidet sich der Spieler/Charakter ob er das Risiko eines Fehlschlages eingeht. Nach dem Wurf gilt:

"alea iacta est"

Versage ich bei dem Wurf, dann heisst das vermutlich nur, dass ich es nicht schaffe den Typen zu überzeugen. Bei einem Patzer oder in einer anderen Situation kann das aber heissen, dass mein Gegenüber meinen Charakter (nicht mich) überzeugt und dann hat man das zu akzeptieren und auch so zu spielen, denn sonst frage ich mich, wieso man Rollenspiel betreibt, wenn man sowieso nur seine eigenen, unveränderlichen Ansichten vertritt. D&D basiert übrigens auf dem "alles oder nichts" Prinzip. Ein Wurf und fertig. Fertigkeiten sind hier kein iterativer Prozess. Vermassle ich den Diplomatiewurf, dann hat das direkt Konsequenzen und Auswirkungen. "Try again" ist im System vorgesehen aber nur bei einzelnen Fertigkeiten und nur in spezifischen Situationen.

Ich sehe das so, dass man einen Charakter spielt und nicht, dass man dieser Charakter ist. Soll heissen, dass der Charakter von äusserlichen, nicht von mir abhängigen Einflüssen verändert werden kann. Wir akzeptieren dies ja bei körperlichen Einflüssen oder wehrst du dich im Kampf auch und sagst "aber mein Charakter wäre sicherlich nicht von dem Schwert getroffen worden" obwohl die Attacke vom Gegner erfolgreich war? Wieso also verhält man sich bei bei geistigen/mentalen Einflüssen so?
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Arldwulf

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #43 am: 05. März 2008, 11:24:52 »
@Wormy und Raven: Ich stimme euch da absolut zu.

Ungeachtet dessen gibt es die angesprochenen Probleme ja. Natürlich ist es besseres Rollenspiel wenn man sich an seinen Charakter und an seine Würfelwürfe hält.

Aber in erster Linie sollten die Regeln halt Hilfen sein - und ich sehe es schon so dass beide klassischen Wege (vorher würfeln, dann ausspielen oder genau das umgedrehte tun) keine guten Hilfen sind.
1st Edition Nekromantentöter
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Berandor

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Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #44 am: 05. März 2008, 15:59:27 »
Ich bin auf ein Beispiel aus einer Burning Wheel-Runde gestoßen, dass vielleicht noch einmal Licht auf eine mögliche Variante von CRP-Regeln wirft. In diesem Fall ist es das (bereits verlinkte) Duel of Wits.

In der Spielsituation hat eine Gruppe Zwerge eine alte Zwergengrotte aufgestöbert, deren Wände voller Edelsteine war. Die meisten gierigen Zwerge wollten sich die Edelsteine natürlich einstecken, aber der Zwergenpriester bestand darauf, diese alte Heimstatt des Clans nicht zu plündern. Ich schlüssele im Folgenden die Vorgehensweise einmal auf.

1) Duel of Wits?
Die Spieler (in diesem Falle die Spieler der Zwergenpriester und der Rädelsführer der anderen Zwerge) müssen sich auf ein Duel of Wits einlassen. Das ist sehr wichtig. Sie können auch entscheiden, dass ihre Charaktere nichts auf die Meinung des anderen geben. Dann müsste – in diesem Beispiel – der Priester einen anderen Weg finden, das Plündern zu verhindern oder zu bestrafen.

2) Zweck-Aussage ("Statement of Purpose")
Im zweiten Schritt müssen die Spieler sich überlegen, was der Gegenüber tun soll, wenn das Duel of Wits gewonnen wird.
Zwerge: "Wenn wir gewinnen, lässt der Priester uns in Ruhe so viel Edelsteine nehmen, wie wir wollen."
Priester: "Wenn ich gewinne, dann wird die Höhle nicht geplündert:"
Wichtig ist, dass beide Parteien sich auf diese Konsequenzen einigen bzw. einlassen. Wenn es keine Einigung gibt (nach Verhandlungen und eventuellen Anpassungen), kommt kein DoW zustande. In der Spielsituation haben aber beide Parteien zugestimmt.

Nun haben beide ein Anfangsargument gebracht und die Stärke ihres Arguments erwürfelt. Danach wurde das DoW ausgewürfelt, was der Priester nach zwei Zügen gewann (sehr schnell). Die anderen Zwerge schafften es dabei nicht, das Argument des Priesters zu schwächen – das hätte einen Kompromiss bedeutet, wo der Priester hätte Zugeständnisse machen müssen.

In der Spielsituation war es wahrscheinlich so, dass die Zwergenspieler wussten, gegen den Priester verlieren zu müssen. Aber sie hofften, dessen Argument entsprechend angreifen zu können, um sich zumindest einen Teil des Schatzes, vielleicht jeder einen Edelstein, sichern zu können.

3) Konsequenzen
Hier kam es nun zum Diskussionsbedarf. Regulär muss nun die Zweckaussage umgesetzt werden. Darum ist es so wichtig, dass beide Parteien zustimmen. Der Priester hat gewonnen, also wird die Hühle nicht geplündert. Ein Spieler wollte jetzt trotzdem agieren und hat sich insgeheim (Heimlichkeit gg. Aufmerksamkeit) einen Edelstein in die Tasche gesteckt. Seine Begründung: Er habe zwar das DoW verloren, aber es sei an dem Priester bzw. dessen Spieler, die Konsequenzen durchzusetzen.

Das zeigt m.E. sehr schön die klassische Spielersicht ("ich lass mir nicht reinreden") und die Notwendigkeit solcher Regeln. Denn wie soll die Konsequenz durchgesetzt werden? In-game hat der Priester ja nichts gesehen. Out-of-game kann der Spieler des Priesters vielleicht dem anderen Spieler keine Chips rüberreichen, aber ansonsten bleibt nur der Verweis auf die Regeln. Und tatsächlich war das ein Regelverstoß des Zwergenspielers, und die Durchsetzung des Ergebnisses erfolgt dank der vorherigen Einwilligung durch das System selbst. Der Zwerg mag grummeln und motzen und mosern und vielleicht dem Priester ins Essen spucken – aber der Raum wird nicht geplündert. Ansonsten braucht man gar nicht würfeln.
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