Ich habe die Otherland-Reihe nahezu verschlungen. Man kann sie nur schwerlich einem Genre zuordnen, da Williams es durch eine sehr interessante Idee schafft, jedes Genre zu verwursten, dass ihm gerade in den Sinn kommt. Eine Reihe mächtiger und reicher Menschen hat sich zusammengetan, um in einem gewaltigen Projekt ihr Nachleben zu sichern. Dazu bauen sie eine virtuelle Realität als Teil des Internets auf, in der sie ihren Geist transferieren können. Jeder bekommt einen Teil der Welt, den er nach seinen eigenen Vorlieben gestalten kann. Und so spielt die Romanreihe an den verschiedensten Schauplätzen: im alten Ägypten, im Land Oz, in einer prähistorischen Dschungelwelt u.v.m.
Daneben bietet die Tetralogie eine Reihe äusserst ungewöhnlicher Protagonisten (unter anderen ein Buschmann, eine südafrikanische Wissenschaftlerin, ein todkranker Junge in der Form seines Rollenspiel-Helds) sowie einen der meines Erachtens nach besten Antagonisten in Form eines hochintelligenten, aber genauso psychopathischen Serienmörders, der einen Hannibal Lecter locker in die Tasche steckt.
Cyberpunk, Fantasy, Science-Fiction, wilde Action, aber auch eine sehr anrührende Liebesgeschichte sowie ein paar wirklich gruselige Stellen, dass alles findet man in Otherland, ohne dass ein Brei daraus wird. Ich kenne jedenfalls nichts vergleichbares.
Persönlich kann ich Otherland jedem nur empfehlen, allerdings kenne ich einige Leute, die die Drachenbeinthronreihe zwar mochten, dafür aber mit Otherland nichts anfangen konnten, und umgekehrt. Ich mag gerade den von hewimeddel so herb kritisierten ausschweifenden Erzählstil Tad Williams (lese auch sehr gerne Tolkien oder Anne Rice, die ja auch von einigen als langweilig empfunden werden) sehr gerne. Sitzfleisch sollte man allerdings mitbringen, da die Tetralogie - wenn ich mich recht an die Seitenzahlen erinnere - durchaus den mehrfachen Umfang des Herrn der Ringe umfasst.