Spoiler (Anzeigen)Zunächst für Kenner des Comics: Natürlich gibt es Änderungen, natürlich Kürzungen und Auslassungen, und natürlich auch ein paar Entscheidungen, die man kritisieren kann (dazu gehört für mich auch ein Teil des Endes, aber nicht in der Form, wie man es erwarten könnte – ich vermisse keine Krake). Trotzdem ist Watchmen die vielleicht beste Umsetzung, die möglich gewesen ist. Die Verantwortlichen kennen das Originalmaterial nicht nur, sie haben es anscheinend auch verstanden und versuchen, die grundsätzlichen Themen in den Film zu retten.
Nein, meine Kritik fällt in diesem Punkt nur positiv aus. Ebenfalls ist fast die gesamte technische Ausstattung zu loben – Kostüme, Effekte, alles vom Feinsten. Allenfalls bemerkenswert, dass wir (zum Glück) einen blauen Penis, nackte Brüste und sogar Pornozeichnungen sehen können, ebenso blutige Kämpfe mit gebrochenen Gliedmaßen (und mehr) – aber mit einer Ausnahme darf hier niemand rauchen.
Aber oben steht »fast«. Dieses fast gebührt Zack Snyder, wenn auch in viel geringerem Maße als noch bei 300, wo er das filmische Erlebnis kaputtgedreht hat. Auch in Watchmen verwendet Snyder oft Zeitlupeneffekte, auch unmerklicher abseits von Actionsequenzen, und benutzt, was ich nur als »elegische Einstellungen« bezeichnen kann.
Die Geschichte von Watchmen ist komplex und verschachtelt und selbst der Film in einer vereinfachten Form benötigt noch mehr als zweieinhalb Stunden, um sie zu erzählen. Umso wichtiger ist es, dass die Kamera, dass der Schnitt das Tempo vorgeben und bestimmen. Hier entscheidet sich Snyder dafür, nahezu jeden Moment abzufeiern und auszudehnen. Dadurch werden einerseits die wirklich heraustehenden Momente ein wenig zu Momenten unter vielen, andererseits aber merkt man als Zuschauer bisweilen die Spieldauer und die Tatsache, dass jetzt wieder einer eine große Rede hält (und die Bilder langsamer werden).
Dadurch verliert der Film an Kraft und die Geschichte an Wucht. Eine Vergewaltigung am Anfang von Watchmen schlägt härter zu als eine Katastrophe am Ende. Dem Publikum wird nicht der Boden unter den Füßen weggerissen, noch wird beispielsweise die Majestät des Mars wirklich offenbar. Das Leiden einer Person ist stärker als die Zahl »15 Millionen«.
Aber – und das ist ein entschiedenes aber – das führt nur zu einer entsprechend qualifizierten Empfehlung, den Film trotzdem im Kino zu sehen. Denn es bleibt genug übrig, dass Watchmen für Effektkino untypisch viel Symbolismus und Tiefgang enthält. In der Hollywood-Maschinerie unserer Zeit ist das wahrscheinlich das Beste, was man als denkender Filmfreund haben kann. Es ist schwer zu glauben, dass ich dafür Zack Snyder danken kann, und es wäre schade, wenn dann dieser Film untergeht, wo so viel mehr Scheiße oben schwimmt.
Watchmen ist nicht der erste Actioner der letzten Zeit, der mehr sein will als KrachBummPeng. Hoffentlich ein Trend. Also: angucken – unter Vorbehalt.