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[Eberron] Das Flüstern der Seelenklinge

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Berandor:
Der Prolog gefällt mir jedenfalls. Ich kann leider nicht versprechen, regelmäßig zu lesen, aber fängt gut an. Sehr greifbar geschrieben.

Pestbeule:
GEfällt mir auch sehr gut! Endlich wieder eine Eberron Story Hour. Ich hoffe meine Spieler stolpern nicht drüber.... ["Neiiiiin, ich hab nicht das abenteuer gelesen!")



Spoiler (Anzeigen)Letztens hat sogar eine Teile seiner Vorgeschcihte hier im Forum geklaut. Aus einem Online Abenteuer. Das dumme war, ich kannte es. Der Spieler hatte Glück das wir im Abenteuer schon weiter waren als das Online-Abenteuer. tzzzzz

Darigaaz:
Vampirin als Bösewicht= Sex and Crime. Das finde ich immer gut. Mehr davon :).

meist3rbrau:
So. Kurz vorm Wochenende gibts jetzt nochmal ein kleineres Mammut-Update. Viel Spass.
 :wink:

meist3rbrau:
Kapitel Eins

Es regnete. Was sollte es auch sonst tun, hier in Sharn, der Stadt des nassen Wetters. Aber immerhin, im Kamin prasselte heimeliges Feuer, dieser Sessel hier war wirklich bequem und der würzige Geschmack des späten Frühstücks fläzte sich gerade angenehm träge auf der Zunge herum. Ätzelbert Adalmar Alfenfetzer tupfte sich mit der feinen Stoffserviette den Mund, reckte sich und schloss für einen Augenblick die Augen. Wirklich eine hervorragende Absteige, die er da genommen hatte.

Mit einem Wort: Jupp. So ließ es sich aushalten.

Und doch. Der Genuss einiger Tage wohlverdienten Müßiggangs vermochte nicht ganz über eine gewisse Schwermut hinwegzuhelfen. Irgendwie hatte er die beiden gemocht, den Kriegsgeschmiedeten, der seinen Namen verloren hatte und die Wandlerfrau, die eigentlich noch ein Kind gewesen war. Beide verwesten gerade in Rotbruch, einer Geisterstadt in Darguun, nicht weit von Lyrenton und dem Klageland entfernt.

Garrow. Dieser dreimal verfluchte Dreckshund. Irgendwann würden sich ihre Wege wieder treffen. Und dann würde die Rache grausam werden.
Rache war Ätzelberts Schicksal.

Plötzlich ertönte eine raue, wettergegerbte Stimme hinter ihm. „Wohnt hier ein Herr Adalmar Alfenfetzer?“

Der Svirfnebli erhob sich träge. „Das bin ich“, sagte er.

An der Tür stand ein Bote. „Nachricht für euch, Herr.“
Er ließ einen ziemlich dicken Umschlag auf den Tisch fallen.
„So? Von wem denn?“

„Verzeiht,  ich liefere nur.“

„Ja ja, schon gut“, erwiderte der Gnom und drücke ihm einen Galifar in die Hand, dann nahm er den Brief an sich. Ein Wachssiegel prangte auf dem Umschlag, jedoch zeigte es nur einen -wenn auch ziemlich pompösen- Zierknoten.

Die Augen des Boten weiteten sich vor Überraschung. Der Arbeitslohn für ganze zehn Tage! So viel Trinkgeld hatte er im ganzen letzten Monat nicht bekommen!

„Eure Großzügigkeit ehrt euch. Seid herzlich bedankt!“
Damit verließ er das Zimmer.

Ätzelbert hielt den Brief kurz gegen das Licht. Dann brach er das Siegel.
Ein Brief und ein Platindrache. Interessant.
Er setzte sich wieder in seinen Sessel und nahm sich den Brief vor. Die Münze drehte er dabei in seiner Hand.

„Geehrter Herr Alfenfetzer“, stand darin zu lesen, „diese Münze hat viele Freunde, die euch ebenfalls gern kennen lernen würden. Kommt um die Mittagszeit zur Reise gerüstet zur Nordosttreppe am Myriadenturm in der Oberstadt. Achtet auf den gläsernen Garten, der seine Spitze bildet. Ein Sinn für Eile und Diskretion wäre ebenfalls angebracht. Gebt dem Wächter am Fuß der Stiege dieses Schriftstück und er wird euch passieren lassen.“
Unterschrieben waren die Zeilen mit einem „V“. Außerdem fand sich ein seltsames Symbol daneben. Es sah aus wie eine stilisierte Laterne.

Der Priester ließ das Papier sinken und sah zum Stundenglas. Es war noch nicht ganz umgekippt. Gerade noch ein Zeit, um sich reisefertig zu machen.
Er seufzte.
Nun ja. Abhängen und Herumfaulenzen wäre ihm wahrscheinlich eh bald langweilig geworden.
Also packte er zusammen, setzte seinen Hut auf, nahm sich noch zwei oder drei Häppchen auf die Hand, bezahlte seine Unterkunft und trat auf die Straße.

Er brauchte nicht lange nach dem gesuchten Turm herumzufragen. Jeder, den er ansprach, erzählte ihm das Gleiche: Sharn habe über eintausend Türme und jeder habe einen eigenen Namen. Wie man sich denn die alle merken solle. Schließlich gab Ätzelbert auf und steig den nächstbesten Turm hinauf bis ganz nach oben. Dann schaute er sich um.

Von hier hatte man einen wahrlich guten Ausblick, auch wenn es  verflucht windig war. Sogar das Meer war von hier oben sehr gut zu erkennen und Ätzelbert meinte, Gischt auf dem Gesicht spüren zu können, die aus den Hafendocks weit unter ihm herauf geweht kam. Am Himmel trieben große, regenschwere Wolken und ließen ab und an einen kurzen Sonnenstrahl durch.

Das Blinken eines flüchtigen Sonnenstrahls auf einem Glasdach erregte seine Aufmerksamkeit. Unter dem Dach waren grünliche Schatten zu erkennen. Dies musste der Garten sein, von dem in dem Brief die Rede war.

Etwa zur gleichen Zeit erreichten vier weitere Briefe ihr Ziel. In jedem befand sich ein Platindrache. Vier weitere Rucksäcke wurden gepackt.

~o~

Irgendwo in den Tiefen Sharns entlud sich bodenlose, grausame Wut wahllos gegen alles, was nicht rechtzeitig aus dem Blickfeld war. Möbel, Kandelaber und Bilder flogen quer durch die gesamte Halle, gefolgt von zwei Niederen, die sich nicht schnell genug versteckt hatten. Beiden brachen laut knirschend sämtliche Knochen, als sie gegen die Wand neben der Tür krachten.

Caldera lief vor Wut kochend auf und ab. Die hohen Absätze ihrer Stiefel hallten durch das gesamte Mausoleum und ihre Augen loderten in rasendem Glühen.
„Dieser verdammte DRECKSKERL! Wo ist er! WIE HAT ER DAS GEMACHT! Oh, der kann was erleben! Dem werde ich in seinen dreckigen Agenten-Scheissarsch treten, dass er bis in alle Ewigkeit Schuhspitzen kackt! UROSH! BEWEG DEINEN FETTEN ARSCH HIERHER, ABER ZACK-ZACK!“

Hastig kam eine Mumie den Gang entlang und fiel die letzten Meter auf die Knie, um auf allen Vieren zu seiner Herrin zu kriechen. Caldera stellte einen Fuß auf seinen Kopf.

„Urosh, mein Liebling“, zischte sie. Ihre Stimme war der Sturm, der sich am Horizont zusammenbraute. „Lucan war böse zu deiner Herrin. Er hat mein Schwert gestohlen und ist mir einfach abgehauen! In meiner Kutsche!“

Der Sturm zog näher. „Kannst du dir das vorstellen? Einfach davongelaufen, dieser elende Feigling, dabei gehört er mir sein Blut und Seele! Geh und hol ihn mir zurück!  Und sorge dafür, dass ich mein Schwert wiederbekomme, hörst du?“

„Ja, Herrin“, antwortete die Mumie.

„Wenn Lucan nicht will, töte ihn. Und wage nicht, zu versagen, Urosh. Du weißt, was ich von Versagern halte!“

„Jawohl, Herrin.“

„Gut. Die Kinder haben ihn vor einer Stunde auf der alten Oststraße gesehen. Verfolge ihn! Und jetzt geh mir aus den Augen! RAUS!“

Hätte Urosh eine Zunge gehabt, hätte er vermutlich jetzt geschluckt. Aber er hatte keine, und so beschränkte er sich darauf, den Raum zu verlassen, so schnell es ging.

Irgendwo in den Tiefen Sharns machte sich eine Mumie auf, nach einem entflohenen Vampir zu suchen.

~o~

Das Eisentor war verschlossen. Q'arion überlegte kurz, ob er einfach hinüber klettern sollte, aber das wäre sicherlich nicht nett. Immerhin hatte es bestimmt einen Grund, warum hier ein Tor war. Außerdem: Im Brief hatte doch gestanden, er solle sich an die Wache wenden. Und dies war doch die Nordosttreppe, oder?

Es gab hier aber keine Wache. Es gab nur einen Bettler, der im Schneidersitz in einer Mauernische saß, seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte, und eine Schale auf dem Schoß hielt. Und er begann Q'arion so langsam auf den Geist zu gehen, denn jedes Mal, wenn er an dem ihm vorbei ging, reckte dieser ihm auffordernd seinen Napf entgegen. Aber vielleicht wollte der er ja nur ein Almosen.

Der Valenar kramte einen Galifar hervor, ging zu dem Mann hinüber und warf die Münze in die Schüssel.
Der Bettler steckte sie ein. Dann sagte er: „Danke, Herr. Aber das ist der falsche Schlüssel.“ Seine Stimme klang für einen Almosenheischer überraschend klar und kräftig.

Q'arion stutzte. Hatte der Mann Schlüssel gesagt?

Er beugte sich vor. „Welcher ist denn der richtige?“ fragte er.
Der Bettler schwieg.

Q'arion überlegte kurz. Vielleicht war ein Galifar nicht genug.
Er versuchte es mit einer Platinmünze.

„Nochmals bedankt, Herr, aber dieser Schlüssel ist der falsche.“

Verwirrt kratze sich der Valenar am Kopf. Dann hatte er eine Idee. Er nahm die Platinmünze aus dem Briefumschlag und probierte es damit. Sie wurde ebenfalls eingesteckt. Diesmal hob der Bettler den Kopf und sah den Elf an, als wolle er dessen Verstand anzweifeln. „Falscher Schlüssel!“

Verdammt! Was machte Q'arion nur falsch? Er holte den Brief heraus und las ihn nochmals. Der Bettler hob seine Schüssel ein wenig mehr.

Der Waldläufer las den Brief ein weiteres Mal. Und noch ein Mal. Dann versuchte einen weiteren Platindrachen.

Der Mann schüttelte den Kopf. In seiner Antwort vibrierte unterdrücktes Lachen. „Dies ist der falsche Schlüssel, Herr. Versteht Ihr das?“

Es war zum Auswachsen. Was zum Kuckuck funktionierte hier nicht? Resignierend las der Valenar seinen Brief abermals. Da stand es doch!
Er holte noch eine Münze hervor.

Irgend etwas in seinem Kopf machte „Klick“.

Er steckte die Münze wieder ein.
Gebt dem Wächter am Fuß der Stiege dieses Schriftstück...

„Bei allen Göttern!“ Q'arion schlug sich gegen die Stirn. Er faltete den Brief zusammen und legte ihn mit einem schiefen Lächeln in die Schüssel.

„Wurd' auch Zeit“, seufzte der Bettler.

„Du bist die Wache, richtig?“ sagte der Elf.

„Hey“, sagte der Wächter und zeigte anerkennend mit beiden Fingern auf ihn. „Pfiffig! Du kannst passieren.“

~o~

Das Eisentor schwang auf. Sie nickte dem Wächter freundlich zu und stieg die Steintreppe weiter hinauf, die nach wenigen Metern durch einen Eingang ins Innere des Turmes führte. Die steinernen Wände hier drinnen waren von mannigfaltigen Holzintarsien durchzogen, die kunstvolle Windungen und Schnörkel bildeten. Fast wirkte es, als seinen Stein und Holz gemeinsam gewachsen. Es war das erste Mal, dass sie elfische Architektur erblickte.

Bastonata wusste nicht viel von Elfen. Und von dem Leben in der Stadt wusste sie schon gar nichts. Sie war nur das Kind einfacher Leute, die vor der Inquisition der Silbernen Flamme nach Droaam geflohen waren und versucht hatten, dort ein neues Leben aufzubauen, jedenfalls soweit, wie es das öde, felsige Land zulassen würde.

Aber das Land ließ nur zu, was das nackte Überleben anbetraf. Und so war Bastonatas Leben geprägt gewesen von Wildheit, Leid und dem Gesetz des Stärkeren. Ja, Bastonata war stark, stärker als alle anderen Kinder, die sie kannte, aber in ihrem Inneren hatte sie ein weiches Herz und sehnte sich danach, die Dinge in ihrem Wesen zu verstehen.

Sie wollte Lesen lernen. Ein Instrument spielen.

Ihr vom Schicksal verhärmter Vater sah das anders. Er hätte lieber eine beinharte, unbeugsame Kriegerin heranwachsen sehen. Er brachte Ihr das Kämpfen bei und lehrte sie das Überleben, manchmal auf eine Art, die Andere als Misshandlung empfunden hätten. Doch bei aller Prügel schaffte er es nicht, ihr Härte beizubringen.

Dafür bekam er die Unbeugsamkeit, die er hatte haben wollen.

Sie verließ die Familie und schwor sich, nie wieder zurückzukehren.

Sie blieb kurz stehen und drehte ihre Streitaxt einen Augenblick lang in der Hand. Sie hatte mal einem Wegelagerer gehört, der sie für leichte Beute gehalten hatte.
Schon komisch, dachte sie. Sie hatte Barde werden wollen. Doch das Leben hatte für sie nur einen Platz als Barbar.

Sie zuckte die Schultern, steckte die Waffe wieder weg und stieg auch die letzten Stufen hoch.

~o~

Oben angekommen war es, als wäre sie mitten in eine Wand aus feuchter Schwere gelaufen. Sie musste einen Augenblick nach Luft ringen.
Hoch über ihr, bestimmt so an die zwölf-fünfzehn Meter schien ein filigranes Glasdach zu schweben. Es bildete eine riesige Kuppel, unter der ein üppiger, urwaldähnlicher Garten wuchs. Sie befand sich in einem Dschungel. Und das mitten in Sharn!

Auf der Lichtung, die den Eingangsbereich des künstlichen Gartens bildete, standen außer ihr noch drei weitere Gestalten herum. Zwei Elfen und ein Mensch.

Sie sah genauer hin und sog prüfend sie die Luft ein.
Dann wusste sie Bescheid: Kein Mensch. Ein Vielgesichtiger.

Einer der beiden Elfen war Magier oder so etwas. Er trug eine lange Robe und stützte sich auf einen langen Stock. Sahen so Zauberstäbe aus? Sie hatte immer gedacht, die wären viel kleiner, so dass man sie handlich an einem Gürtel befestigen konnte... Dieser hier wirkte jedenfalls eher, als könne man damit ordentlich jemandem einen über den Pelz braten.

Der Andere schien Waldläufer zu sein. Jedenfalls hatte er einen Langbogen bei sich. Nur der -wenn auch leichte- Kettenpanzer wirkte ein wenig absonderlich, abgesehen natürlich von dem leicht dümmlichen Lächeln, dass er ständig auf dem Gesicht trug.

Das Absonderlichste aber war der gewaltige Schreibtisch, der hier völlig deplatziert herumstand, und der alte Mann, der daran saß und aussah, als würde er in seinem Kettenhemd jeden Augenblick zusammenbrechen. Er wirkte bleich und ausgezehrt und fingerte gerade an einigen Orchideen in einer Vase herum. Über seinem Stuhl hing eine lederne Satteltasche und am Tisch lehnte ein Gehstock mit einem silbernen Knauf.

„Seid gegrüßt!“ sagte er. „Mein Name ist Viorr Maleak, und ich hoffe, euch gefällt mein kleines, privates Stück Wildnis?“

„Auch Ihr“, erwiderte Bastonata und nickte den Anderen zu.

Der Regen hatte wieder eingesetzt und erzeugte auf den Scheiben ein beständiges Prasseln, das sich mit dem Zirpen von Insekten vermischte.

Irgendetwas stimmte nicht
Die Bärin in ihr warnte sie. Uralte Instinkte nahmen eine ungemütliche Witterung auf.
Hier war noch etwas Anderes. Etwas Großes. Etwas Gefährliches.

„Oh“, sagte da jemand hinter ihr, „Das ist ja ne richtige Party! Ich hoffe doch, ich komme nicht zu spät?“

Ein kleines Männchen gesellte sich zu der Gruppe. Ganz offenbar handelte es sich um einen Gnom. Er trug Reisecape und Hut und lächelte freundlich. Trotzdem ging von ihm etwas aus, das Bastonata nicht gefiel, und das lag sicher nicht nur an dem Volszeichen, das er am Gürtel trug und dass ihn als Priester jener emporgekommenen Göttin auszeichnete. Auch er wurde von Viorr Maleak begrüsst.

Dann erhob sich der alte Mann und räusperte sich.

„Meine Herrschaften“, begann er, „ich habe Sie gerufen, weil jedem von Ihnen der Ruf vorauseilt, ein Meister seines Faches zu sein. Und Meister ihres Faches, die brauche ich, jawohl...“

„Das ist Ihr Garten?“ unterbrach Bastonata ihn.

„Wie? Ehm, ja? Ja, natürlich. Das ist er.“

„Gut. Was haben sie da in ihrem Garten?“
Die Barbarin zeigte auf das dichte Buschwerk hinter ihm.

Ein paar buschige Augenbrauen hoben sich überrascht. Der Mann räusperte sich abermals. Dann lächelte er zufrieden.

„Wie ich sehe, machen Sie ihrem Ruf alle Ehre. Nun, ich will ehrlich zu Ihnen sein. Ich habe tatsächlich ein nicht unerhebliches Problem, und das hat sich vor einiger Zeit hier in meinem Garten breit gemacht. Um genau zu sein handelt es sich um einen wild gewordenen Affen, und das nicht im sprichwörtlichen Sinne, wenn Sie verstehen, was ich meine. Dieser Affe ist ein sehr wertvolles Tier, und es wäre ein Schaden besonderen Ausmaßes für seinen Besitzer, wenn er getötet würde.“

Er griff in seine Tasche und holte ein paar Phiolen hervor, die er säuberlich auf dem Tisch aufreihte.

„Wenn Sie in der Lage sind, ihn unschädlich zu machen und zu mir zu bringen, und zwar lebendig, soll es Ihr Schade nicht sein, im Gegenteil. Bewusstlos wäre wunderbar, Verletzt von mir aus auch, magisch außer Gefecht gesetzt wäre, nun, eine geradezu eine elegante Lösung. Unter keinen Umständen aber dürfen Sie ihn töten!
Das da in den Phiolen sind Heiltränke. Benutzen Sie sie, falls Sie sie brauchen. Oh, und Eines noch! Der Affe ist Fleischfresser und vermutlich ziemlich hungrig, denn er ist bereits einige Tage hier.“

„So? Wem gehört der Affe denn?“
Wieder hatte die Wandlerin gesprochen. Die Anderen klappten den Mund wieder zu und sparten sich ihre Fragen für später.

Ein leichter rötlicher Schimmer huschte über Maleaks Gesicht. „Ich, äh... Nun, sagen wir, er gehört einem reichen Geschäftsmann. Einem Freund. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.“

„Und wie kommt der dann hier rein?“

Diesmal war der rötliche Schimmer nicht zu übersehen. Der Alte Mann holte ein Tuch hervor und wischte sich über die Stirn. „Wie er hier...?“ Er musste husten.

Dann fand er seine Fassung wieder. „Der Affe sollte hier nur kurz untergebracht werden“, erklärte er und steckte sein Tuch wieder weg. „Aber offenbar fühlt er sich wohl hier. Es wäre nur nett, wenn ihr ihn jetzt...“

„Ich sehe keinen Käfig, mischte sich der Gnom ein. „Warum lockt ihr -oder euer Freund, wenn ihr wollt- ihn nicht einfach mit etwas Futter in einen Käfig und bringt ihn dann weg?“

„Ich“, begann Maleak.

„Und überhaupt möchte ich gern zuerst wissen, was euch die ganze Aktion hier wert ist“, mischte sich der Magier ein. „Ach ja, und wer seid Ihr denn überhaupt?“  wandte er sich an den Gnom und musterte ihn geringschätzig.

In dessen Augen trat ein boshaftes Glitzern.

„Mein Name ist Ätzelbert Adalmar... Alfenfetzer.“ Das letzte Wort sprach er mit genüsslicher Deutlichkeit aus. „Und Ihr?“
Der Magier duckte sich unwillkürlich und wich angewidert zurück. Er hatte offenbar verstanden.

Dann jedoch hob er die Nase wieder ein wenig und sagte laut: „Ich bin Yondonailo, nein,Yondolel.. Moment. Yondonelenai...“ Er brach ab und wurde puterrot.

Die Mundwinkel des Gnoms bibberten verdächtig.

Der Elf versuchte es erneut. Diesmal sprach er langsam und konzentriert. „Mein Name ist Yondonelenath Nailo haryono ...ar' Tindámerel Nailo ...on Arcanix!“ Er atmete tief aus. „Nennt mich einfach Yelenath.“

„Q'arion“, stellte sich der Waldläufer vor und lächelte.

Ätzelbert sagte nichts. Die beiden kannten sich bereits.

„Kannst mich Spange nennen“, sagte der vermeintliche Mensch, grinste  und zwinkerte vielsagend. Dann ließ er sich spitze Ohren wachsen.

Der Elf machte den Mund auf.
Dann machte er ihn wieder zu.

Spange nickte Q'arion und dem Priester zu. Auch er war anscheinend mit ihnen bekannt.

„Bastonata“, stellte sich die Wandlerin vor. „Und Herr Maleak, Ich würde ebenfalls gern wissen, wie ihr uns zu entlohnen gedenkt?“

Viorr kramte in der Satteltasche und holte einen Beutel hervor. „Einhundertfünfzig Galifar“, sagte er und fügte hinzu: „Für jeden von Ihnen. Bitte bedenken Sie, dass der Affe lebendig zu fangen ist.“

Alle überlegten kurz, sahen sich gegenseitig an und nickten dann.

„Sehr gut, sagte Maleak und klatschte in die Hände. „An die Arbeit!“

„Ehm, Moment“, machte Q'arion.“Wie groß ist denn das Vieh?“

„Och, nur so etwa zweimetersiebzig.“

~o~

„Gut. Also, wie wollen wir es angehen?“ Spange pulte sich mit seinem Dolch in den Fingernägeln.

„Wir haben keine Falle“, sagte Ätzelbert. „Also müssen wir wohl mit ihm kämpfen.“

Der Magier grübelte. „Ich könnte ihn bezaubern und so benommen machen, dass wir ihn fesseln können. Hat jemand ein Seil?“

„Ich“, sagte Spange und holte ein Seil aus seiner Tasche. „Hier. Fünfzehn Meter feinste Seide.“

„Und wenn es nicht klappt?“ fragte der Waldläufer.

„Naja, dann müssen wir ihn verprügeln, oder?“ erwiderte Spange.

„Ja. Und dabei aufpassen, dass wir ihn vorsichtig verprügeln“, setzte Bastonata hinzu. „Dürfte nicht leicht sein.“

„Reingehen sollten wir da jedenfalls nicht, denke ich. Hier haben wir mehr Platz. Die Frage ist nur, wie wir ihn aus dem Busch locken. “

„Das ist leicht. Affen wollen immer ihr Revier verteidigen. Wir müssen uns nur bemerkbar machen.“

„Am Besten mache ich zuerst mal ein bisschen Krach da vorn“, sagte der Priester, „Damit kann ich ihm nebenbei auch schon mal einen mitgeben.“

„Oh, das wird ihn aber doch wütend machen,“ warf Q'arion ein.

„Wenn wir ihn verprügeln müssen, auch.“

„Hm.“

„Ich müsste nur wissen wo das Vieh ist.“

„Klingt aber gar nicht so schlecht, finde ich.“ Bastonata lief hin und her. „Also. Ich versuche, die ungefähre Richtung zu wittern. Anschließend machen wir uns bemerkbar und locken ihn so an die vorderen Bäume. Da kannst du dann hin feuern... oder was auch immer. Wenn er dann kommt, spricht Yelenath seinen Zauber. Und wenn's schief geht... naja.“

„Wird er zumindest nicht mehr weglaufen wollen, sondern versuchen, uns zu töten.“ Q'arion sah zweifelnd drein. „Könnten wir nicht versuchen, ihn freundlich zu stimmen? Vielleicht können wir ihm etwas zu essen anbieten oder so.“

„Ja klar.“ Spange verdrehte die Augen. „Komm schon her mein kleines Äffchen, hier gibt’s Happi-Happi. Was willst du denn bitte einem Zweimetersiebzig-Affen anbieten, abgesehen von dir selbst?“

Der Waldläufer hob abwehrend die Hände. „Bitte“, sagte er, „Wie ihr meint.“

„Komm schon.“ Die Barbarin klopfte ihm auf die Schulter. „Den kriegen wir schon klein.“

~o~

Bastonata lauschte und schnüffelte. Wellen der Erregung wallten durch ihren Körper. Deutlich konnte sie ihre Urmutter spüren. Die Bärin begann sich zu regen.

Da!
Ein Rascheln erregte ihre Aufmerksamkeit. Ihre anderen Sinne folgten der Richtung und fixierten die Quelle des Geräusches. Da war er. Kein Zweifel. Sie konnte ihn beinahe sehen, wie er nach Futter suchend durch das Unterholz streifte.

Sie runzelte die Stirn.
Scheiße.
Das war kein gewöhnlicher Affe.
Lautlos schlich sie zurück zu den Anderen.

„Schreckensaffe“, sagte sie. „Wenn wir ihn nicht fesseln können, wird’s hart, fürchte ich.“

Ätzelbert behielt die Hand oben, die mit vorbereiteter göttlicher Macht gefüllt war. „Also was jetzt“, fragte er.

„Nichts“, erwiderte Bastonata. „Das heißt nur, dass es eben länger dauert, und dass wir ein wenig schneller und ausdauernder sein müssen. Q'arion, lock ihn an.“

„Also gut.“ Der Valenar räusperte sich. Dann rief er: "Huhuuuu! Affeeee! Komm schon her mein kleines Äffchen, hier gibt’s Happi-Happi“, fügte er mit einem Seitenblick auf den Vielgesichtigen hinzu.

Ein Grunzen erscholl irgendwo von vorn, gefolgt von einem lauten Kreischen.
In einem der vorderen Bäume krachte es. Ein trockener Ast fiel zu Boden.

Der Priester sah die Anderen von der Seite her an.
„Soll 'ck jetzt den Knaller zünden?“ grinste er.
Spange grinste zurück. „Zünd den Knaller.“
Ätzelberts Finger machten „Schnipp“.

Der Knall zwischen den Bäumen war ohrenbetäubend. Die Druckwelle war beinahe zu sehen. Glasscheiben bebten. Blätter rieselten herab.
Es gab einen  dumpfen Ton, als wenn etwas schweres auf weichen Boden fällt.
Oder springt, dachte die Barbarin und zog ihre Streitaxt.
„Er kommt“, sagte sie.

Zwischen den Bäumen erschien ein Schatten. Er sprang zuerst auf einen Stein, dann auf den Schreibtisch. Dort blieb er stehen, richtete sich auf und brüllte.

Bastonata spürte, wie ihre Urmutter an die Oberfläche drängte. Bald, Mutter, dachte sie. Nur noch einen Augenblick.

Der Affe trommelte sich auf die Brust.
Dann sprangen 500 Kilo Fleisch und Knochen ab und  nahmen rasch an Fahrt auf.

Jetzt, Mutter dachte Bastonata und ließ ihrer Natur freien Lauf.
Die Bärin erwachte.

Sie sah das Tier heranstürmen und hielt ihre Axt kampfbereit. Lange Zähne troffen von Speichel. Scharfe Klauen pflügten den Boden. Schiere, behaarte Muskelkraft holte aus.

Die Bärin richtete sich auf zum Kampf.
Der Affe schlug zu.
Um Bastonata wurde es Nacht.

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