Undrek´Thoz
Wir kamen in Undrek´Thoz durch ein Portal auf einer Insel in einem riesigen unterirdischen See an. Die Stadt, so bekam ich erzählt, Kasurdrath war von den Leistungen seiner Rasse sehr angetan, war eigentlich nur ein Teil der echten Stadt. Diese echte Stadt bestand aus vielen Teilsiedlungen welche durch Portale miteinander verbunden waren.
Kasurdrath, mein „Meister“ oder „Herr“, wie ich ihn nennen sollte, brachte mich nach Jenn´Yxir. Der Siedlung, die wie ich erfuhr dafür verantwortlich war die anderen „Segmente“ von Undrek´Thoz mit einem steten Zustrom an Sklaven zu versorgen. Ich wurde durch durch die Straßen der Stadt geführt, Kasurdrath hatte mich für die Besichtigung der Stadt aus meinem Käfig gelassen und mich mit einem magischen Nasenring ausgestattet, der es mir verbieten würde mich weiter als fünfzig Meter von meinem Herren zu entfernen. Hilkas war immer noch in seinem Käfig und seine Wutausbrüche kamen nun weniger häufig, aber immer wenn die Priesterin sich nahe an seinem Käfig zeigte versuchte er alles sie in seine Hände zu kriegen. Ich glaube ich werde das Lachen dieser Hexe niemals vergessen, wie das Geschrei der Krähen über einem Kadaver.
Die Stadt war für mich tief beeindruckend. Diese schwarzen Teufel hatten sich die Natur untertan gemacht und eine ganze Stadt unter die Erde gebracht.
Es waren allerdings gar nicht so viele Drow zu sehen. Nur die Hälfte der Leute waren Dunkelelfen. Die andere Hälfte bestand aus Ogern, Orks, Zwergen, Menschen, Goblins und anderen Völkern. Sie alle schienen Sklaven zu sein. Auch wenn ich nur bei einigen Ketten entdecken konnte, so hatten viele den gebrochenen Blick wie der von Kax.
Mein Meister brachte mich zu einem hoch aufragenden schwarzen Gebäude vor dem einige Drow Wache standen. Einer saß auf einer Echse die in eine schwarze Rüstung mit Stacheln gezwängt worden war. Es stank nach Angst und Schweiß, nach vielen Leuten und Arbeit.
Die Drow am Tor musterten mich belustigt, vermieden aber jeden Blickkontakt mit meinem Herrn. Als sich hinter mir die schweren Eisentore schlossen und jeden Geruch und jedes Geräusch der Stadt verschluckten wusste ich noch nicht, dass ich dieses Haus erst ein Jahr später verlassen würde.
„Du wirst mir in meinem Labor helfen schwere Lasten zu tragen und einfache körperliche Arbeiten zu verrichten, die selbst ein dummer Ochse wie du tun kann.“ Kasurdraths gelbe Augen musterten mich. Ich überragte den Drow um mehrere Köpfe.
„Sehr gut. Du hast mich nicht angegriffen, obwohl wir alleine sind. Fast.“ Aus dem Schatten hinter mir traten zwei Drow, die mit kurzen Holzstäben bewaffnet waren von denen blitzende Klingen rechtwinklig abgingen.
„Du hast anscheinend die erste Lektion verstanden ohne dass ich sie dir einprügeln musste. Und dein Blick ist nicht tot. Auch das ist gut für deine Arbeit.“ Wir gingen weiter in das Haus hinein.
Nach einer ganzen Weile in der wir durch lange Gänge und große Säle gewandert waren, das Haus musste tief in den Felsen hineinführen, roch ich Schwefel. Mein Meister führte mich in einen großen kargen Raum mit einem Becken in der Mitte aus dem stinkende Blasen aufstiegen. Auf dem Boden lag ein wenig Stroh und in der Ecke hing die Hälfte eines wohl ehemals menschlichen Körpers.
„Hier wirst du die nächste Zeit leben. Vielleicht auch für immer. Mal sehen, wie du dich machst.“ Kasurdrath deutete auf das Becken mit dem Schwefelwasser.
„Davon kannst du ruhig trinken, es wird dich nur ein wenig schwächer machen. Aber solange du hier drin bist macht das ja nichts.“ Grinsend legte der Drow einen Finger an die Lippen. Hinter ihm erschien ein grünlich schimmerndes Portal.
“Ach ja, ich werde dich Kerakun nennen. Das heißt soviel wie kleines Rothé.“ Mit diesen Worten trat er durch das Portal und verschwand.
Ich sah mich um, hatte er vergessen die Tür zu schließen? War dies ein Trick? Ich untersuchte den Raum und bemerkte wie sehr mein Magen knurrte. Ich verspeiste das Fleisch und setzte mich vor die Tür. Nicht willens mich von einem Drow zu einem Fehler hinreißen zu lassen.
Nach etwa zwei Stunden kehrte Kasurdrath zurück. Er zog kurz eine Augenbraue hoch, als er mich stoisch vor dem offenen Durchgang sitzen sah.
„Du denkst du bist klug?! Denkst du das, unwürdiges Wesen?“ Aus seiner Hand fuhr ein Feuerstrahl der mein Fell auf meiner Brust versengte. Schmerz durchfuhr mich und keuchend entwich mir die Luft aus den Lungen. Dann wurde ich ohnmächtig.
Als ich wieder erwachte waren schwere Eisenringe um meine Handgelenke geschmiedet. Ich lag auf dem Boden in meinem Gefängnis. Eine Gittertür befand sich nun dort, wo vorher der freie Durchgang gewesen war.
„Du hast ihn verärgert.“ Vor der Tür tauchte ein jüngerer Drow auf. Sein Blick und sein Auftreten waren ganz anders, als das von Kasurdrath.
„Nicht schlecht für ein kleines, dummes Kalb.“
Ich erhob mich und ragte nun drei Köpfe über dem Drow auf. Nur getrennt durch die Eisentür, schnaufte ich laut. Ich überlegte lange und versuchte die Drowsprache schon in meinem Kopf zu Worten zu formen.
„Ich... bin… nur ein Diener meines Herren.“ Bei diesen Worten loderte ein Feuer in mir auf und meine Kehle wollte hinterherbrüllen, dass dies eine Lüge war und ich mich rächen würde.
Dies musste sich auch in meinem Ausdruck widergespiegelt haben. Der Drow zuckte erst zurück als ich seine Sprache sprach und dann als er meine Augen sah.
Dann wurde er wieder ruhig. „Na, sieh einer an. Vielleicht bist du ja doch nicht nur ein dummes Lasttier. Vielleicht kannst du mir gute Dienste erweisen.“ Ein diabolisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
„Hör mir zu. Du wirst alles tun was Kasurdrath will. Führe alles genau und gut aus. Verrate niemandem, dass du unsere Sprache sprichst. Gehorche immer und sei ein braver Ochse. Dann werde ich dir einen Wunsch erfüllen und vielleicht eines Tages deine Situation verbessern. Du musst mir nur helfen, wenn ich dies will.“ Ich nickte. Meine Augen fixierten ihn.
„Sehr gut. Was ist dein Wunsch?“ Ich atmete ein und wusste es.
„Ich… will… kämpfen lernen.“ Der Drow grinste.
„Das ist auch in meinem Interesse.“
Dann verschwand er um erst sehr viel später wieder aufzutauchen.
Ich begann meine Arbeit. Jeden Tag arbeitete ich die ersten zehn Stunden im Labor meines Herrn, wo ich schwere Fässer und Metalle tragen musste. Dann musste ich für weitere acht Stunden in dunklen Gängen des Hauses nach Erz schürfen. Meist alleine, nur manchmal von einem Wächter begleitet, der wie ich nach einer Weile feststellte mich ignorierte und seinen eigenen Dingen nachhing. Fast ein ganzes Jahr arbeitete ich, ich wurde kräftiger und muskulöser. Obwohl mich das Schwefelwasser schwächte bekam ich mehr Ausdauer und lernte meinen Hass zu unterdrücken. Ich verstand von all dem was mein Meister tat, nicht das Geringste. Er sprach mich am Anfang noch ein paar Mal an, aber mein Schweigen und mein Unverständnis ließen ihn bald aufhören. Ich war bald nur noch eine Arbeitsmaschine, die ohne eigenen Willen existierte.
Doch dann geschah etwas, das alles änderte. Kasurdrath ließ mich nach meiner Arbeitsschicht in den Eingangssaal kommen. Grinsend wartete er dort mit einigen Wachen.
„Wir können gleich gehen. Wir warten nur noch auf meinen Bruder. Heute werden wir ein ganz besonderes Schauspiel erleben.“ Aus einem Nebengang kam der jüngere Drow, der mich an meinem Ankunftstag besucht hatte. Er ignorierte mich und lächelte Kasurdrath an.
„Dann mein werter Bruder lasst uns in die Arena gehen.“
Die Arena war ein riesiges, nach oben offenes Gebäude im Herzen von Jenn´Yxir. Viele hundert Drow, mehr als drei große Stämme der Tundra waren dort versammelt und beobachteten Wesen aller Art beim Kampf. Wir kamen gerade zum letzten Kampf an. Während mein Meister und sein Bruder auf breiten Sesseln Platz nahmen stand ich, von der Atmosphäre wie gelähmt, vom Geruch der vielen Personen elektrisiert und vom Duft des Kampfes berauscht, einfach nur dort und sah wie das Tor zur Arena aufging. Ein Raunen ging durch die Menge als ein Riese die Arena betrat. In seiner Hand hielt er ein riesiges flammendes Schwert und sein Körper war in eine hellrote Rüstung gehüllt.
Dann wurde es still. Ein einzelner Drow kündigte nun den Gegner des Feuerriesen an.
„Achat, der Immerwilde!“ Die Menge war geteilt. Ein Teil schrie auf und jubelte dem zu, der gleich die Arena betreten würde. Der andere Teil schien sich nicht sicher zu sein, was er von dem Kämpfer halten sollte.
Ein Minotaurus stürmte in die Arena. Nein, nicht irgendein Minotaurus. Hilkas! Sein Maul schäumte, seine Hand umklammerte eine doppelköpfige Streitaxt. Seine Augen verrieten den Wahnsinn, der ihn umklammert hielt.
Ich spürte wie Wut in mir hoch kochte. Hilkas stürmte mit leicht gesenktem Kopf auf den größeren Gegner zu. Dieser wich aus und erwischte den geifernden Minotauren mit seinem Flammenschwert am Rücken. Der Geruch von verbranntem Fell und verschmorendem Fleisch erfüllte die Luft. Hilkas warf sich herum und ließ die Axt weit herumwirbeln. Mit einem Krachen wie ein Donnerschlag traf die Axt das Schwert des Riesen. Dieser verlor kurz die Balance, lange genug um dem rasenden Minotaurus eine Öffnung zu bieten. Mit einem Brüllen hieb er seine Hörner in die Brust des Riesen. Ein Teil der Rüstung zerbarst, aber der Großteil des Treffers schien zu verpuffen. Der Riese hieb nach Hilkas und sein Schwert fand einen Weg zum Bein des Minotauren. Mit einem Zischen versengte die magische Klinge das Fleisch des Oberschenkels.
„Jammerschade, dass Achat heute stirbt. Nicht wahr Kerakun.“ Mit einem breiten Grinsen lehnte sich Kasurdrath zurück. Ich versuchte meinen Zorn zu beherrschen. Nicht dem Wahnsinn zu verfallen. Durch roten Nebel klangen die Geräusche des Kampfes wieder zu mir heran. Der Riese hatte anscheinend noch mehrere Treffer gelandet, während der tollwütige Minotaurus immer wieder in der Rüstung hängen geblieben war, die nun zerfetzt um seinen massigen Körper hing. Dennoch hatte Hilkas nur einen kleinen Teil seiner Geschwindigkeit eingebüßt. Er hob die Axt weit über den Kopf und stürmte vorwärts. Der Flammenriese warf sich seitwärts herum, scheinbar zu langsam als sich die Axt tief in seine Schulter bohrte und den Arm vom Körper trennte, aber das Schwert nun mit einer Hand führend, traf der folgende Vorhandschlag den Minotaurus in den Nacken. Das Blut spritzte fast bis auf die Zuschauerränge als der Bulle vor den Massen niederging. Langsam, fast wie in Zeitlupe kippte der Körper nach vorne. Mit seinem letzten Blick fand Hilkas vom Stamm der Turak Dum meinen. Er ging zu unseren Ahnen. Gefallen im Kampf. Endlich frei.
Kasurdrath wandte sich um und blickte mich an. Fast als ob er etwas von mir erwartete. Er verstand es nicht. Er hatte mir und Hilkas einen Gefallen getan. Ich erwiderte seinen Blick ohne eine Regung zu zeigen. Seiner verhärtete sich und Zornesfalten traten auf seine Stirn.
„Wir verschwinden. Komm, Bruder.“ Als sich Kasurdrath wegdrehte, konnte ich das Gesicht seines Bruders sehen. Ein breites Lächeln zeigte sich. Seine Lippen formten einen Satz.
„Wir beginnen.“
In den nächsten Nächten fand ich in meinem Gefängnis immer einen großen Schlauch gefüllt mit reinstem Quellwasser. Das Wasser nahm mir die Schwäche, die ich von dem Schwefelwasser verliehen bekommen hatte.
Dann nach etwa einer Woche, ich konnte meine neuerliche Stärke durch meine Adern pulsieren spüren, erwartete mich ein älterer, kräftigerer Wächter nach meiner Arbeit im Labor. Es war der größte und kräftigste Dunkelelf, den ich je zu Gesicht bekommen hatte.
In einer verlassenen Kaverne begann er mich mit dem Kampf mit der Kette zu unterrichten. Er brachte mir die Kampfweise mit dieser Waffe bei und bald sobald ich diesen beherrschte, sogar mit einer Stachelkette. Bei diesen Unterrichtsstunden sprach nur er. Ich war stumm. Der Drow lehrte mich mit dieser todbringenden Waffe umzugehen. Unser Unterricht dauerte etwa ein Jahr. Am Ende war ich ausgewachsen und kraftvoll wie ein Drache.