Autor Thema: R005: Die Kutschfahrt zur Teufelsburg  (Gelesen 3030 mal)

Beschreibung:

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

TheRaven

  • Mitglied
R005: Die Kutschfahrt zur Teufelsburg
« am: 30. März 2007, 15:33:02 »


Spieldaten:
Name: Die Kutschfahrt zur Teufelsburg
Vertrieb: Adlung-Spiele (2006)
Spieldauer: 30-60 Minuten
Spieleranzahl: 3-10
BGG Link: 25951

Um was geht es?
Eine Gesellschaft feiner Herren und Damen fährt gemeinsam in einer Kutsche zur Teufelsburg. Wer hätte das bei dem kryptischen Namen schon vermutet. Ich nenne das Spiel nachfolgend der Kürze halber übrigens nur noch "Kutschfahrt". Kutschfahrt ist ein reines Kartenspiel aus dem Hause Adlung-Spiele, welche sich darauf spezialisiert haben das Gefühl von grossen und umfangreichen Brettspielen in einen Stapel Karten zu pressen. Die Kutschfahrt zur Teufelsburg ist hier keine Ausnahme.

Jeder Spieler verkörpert eine Person innerhalb der Kutsche, welche einer von zwei Geheimgesellschaften angehört. Das Ziel des Spieles ist es herauszufinden, wer der anderen Spieler zu welcher Gesellschaft gehört und dann zusammen im Team in den Besitz von drei Gildengegenständen zu kommen. Man stelle sich eine grosse Kutsche oder moderner ein Zugabteil vor, wo eine Gruppe von gut situierten Herrschaften sich gegenübersitzen, verächtlich einander beäugen und versuchen in Gesprächen Informationen über den jeweils anderen zu erhalten.

Bild klicken für grosse Version

Wie sieht es aus?
Wie bereits erwähnt handelt es sich um ein Kartenspiel, es gibt also weder Spielbretter, Holzfiguren noch anderes Material. Gerade bei solchen Spielen ist es dann wichtig, dass die Karten eine gewisse Qualität aufweisen. Glücklicherweise tun sie das und mehr noch. Die Illustrationen sind sehr stimmungsvoll und passen alle zusammen. Die Verpackung ist auf dem vorhergegangenen Bild zu sehen und besteht lediglich aus einem den Karten angeschmiegten Karton. Es gibt dabei folgende Kartentypen: Gegenstände (Mantel, Peitsche, Tasche, Messer, ...), Spielercharaktere, Berufe (Leibwächter, Schläger, Doktor, ...) und Gildenzugehörigkeit (Rot, Blau). Die deutsche Edition hat unten an jeder Karte in kleiner Schrift noch die englische Erklärung aufgedruckt.


Wie spielt es sich?
Das Spiel überrascht im ersten Moment mit seiner Regeltiefe, da man bei Kartenspielen automatisch an Sachen wie UNO oder ähnlichem denkt. Die Regeln selbst sind eigentlich recht einfach aber es handelt sich hier um ein ausgeklügeltes Spielprinzip, wo Täuschung und Tücke der Spieler untereinander die wichtigste Rolle spielt und alle Aspekte miteinander verbindet, was das Lernen auf dem "Trockenen" etwas schwer macht. Nachfolgend erläutere ich nun das Grundprinzip, wobei man vermutlich erst beim Spielen all die einzelnen Aspekte wirklich verstehen kann.

Jeder Spieler wählt sich einen Charakter aus. Die Charakterkarten hat zwei Seiten mit derselben Illustration. Auf der einen Seite ist zusätzlich ein Schild und auf der anderen ein Schwert abgebildet. Die Karte wird bei einem Konflikt auf die gewählte Seite gedreht. Der Charakter selbst hat keinen Einfluss auf das Spiel. Jeder Spieler zieht dann eine verdeckte Berufskarte, Gildenkarte und einen Gegenstand. Keine dieser Karten darf jemals den anderen Spielern gezeigt werden, ausser man nutzt sie oder jemand erspielt sich das Recht diese anzusehen. Der Beruf ist dabei eine Spezialfähigkeit, welche situativ ein oder mehrere Male genutzt werden kann. Die Gildenkarte bestimmt, welcher Gruppe man angehört, "Gesellschaft der wahren Lüge" oder der "Gesellschaft der falschen Wahrheit".


Angefangen beim Startspieler führt der Reihe nach jeder Spieler eine Aktion aus. Es gibt dabei jeweils vier Möglichkeiten. Aussetzen, Attackieren, Tauschen, Sieg erklären. Attackieren ist dabei die häufigste und wichtigste Aktion. Der Spieler dreht seinen Charakter auf das Schwertsymbol und wählt sich einen anderen Spieler aus, welcher seine Figur auf das Schildsymbol dreht. Jeder Spieler kann nun der Reihe nach entscheiden ob er in den Konflikt eingreift und wenn ja, welcher Seite er helfen will. Dazu dreht dieser Spieler seine Figur auf das entsprechende Symbol. Jeder Charakter zählt einen Punkt. Nachdem klar ist, wer sich alles an welcher Seite beteiligt, können nun Berufe und auch Gegenstände eingesetzt werden, welche jeweils eine Seite stärken oder sonstige Auswirkungen haben. Zum Beispiel der Beruf "Leibwächter" kann sowohl bei der Attacke wie auch dem Angriff einen Punkt beisteuern aber nur, wenn der Charakter nicht selber der Verteidiger oder Aggressor ist. Es gibt nun zwei mögliche Resultate, Gleichstand oder einer der Hauptbeteiligten gewinnt den Konflikt. Bei Gleichstand kann der attackierende Spieler eine Gegenstandskarte vom Stapel ziehen. Gewinnt einer der Akteure, dann kann er entweder den Beruf und die Gildenzugehörigkeit des Verlierers ansehen oder ihm einen seiner Gegenstände wegnehmen.

Beim Tauschen wird einem Spieler für die anderen Spieler verdeckt ein Gegenstand angeboten, welchen er annehmen oder ablehnen kann (es gibt Gegenstände, welche immer angenommen werden müssen). Nimmt er den Tausch an, dann gibt er seinerseits verdeckt einen Gegenstand zurück. Viele Gegenstände haben einen Effekt, wenn dieser getauscht wird. Zum Beispiel das Monokel, welches einem einfach erlaubt die Gildenzugehörigkeit des Tauschpartners anzusehen.


Um den Sieg zu erklären muss man alle seine Partner benennen, die Gruppe muss im Besitz von drei Gildengegenständen sein, und der Spieler, welcher den Sieg erklärt muss auch benennen, wo sich diese drei Gegenstände befinden. Macht man dabei einen Fehler, dann gewinnt automatisch das andere Team.

Mein Gesamteindruck?
Ein faszinierendes Spiel. Man versucht herauszufinden, wer auf der eigenen Seite spielt, diese unmissverständlich auf diesen Umstand aufmerksam zu machen ohne die Gegner zu informieren und zugleich kann man Gegner dazu bringen, dass sie glauben, dass man ihr Partner sei, wodurch sie einem helfen. Das führt aber dann dazu, dass die eigenen Leute einem plötzlich misstrauen. Woher will aber nun mein Gegenüber wissen, was ich im Schild führe? Genau dieses Gleichgewicht macht das ganze Spiel aus. Ich kann im Prinzip verkünden, dass ich der "Gesellschaft der wahren Lüge" angehöre. Allerdings hilft das überhaupt nichts, denn wieso sollte man mir glauben? Vielleicht will ich meinen Mitspielern helfen aber vielleicht will ich auch nur die Gegner irritieren.

Sobald das Spiel vorbei ist kann man sich auf ein heftiges Gespräch gefasst machen. Partner die einander freundschaftlich beschimpfen, verwirrte Spieler, welche bis zum Ende nur das Spielzeug der anderen waren und jeder versucht zu erklären, wie er nun herausgefunden hat, was Sache ist. Macht fast soviel Spass wie das Spiel selbst.

Ich empfehle eine Spieleranzahl von fünf oder sechs Spielern. Es gibt extra Karten für drei Spieler aber das habe ich noch nicht ausprobiert und bei mehr als sechs Teilnehmern kann es sich zu sehr in die Länge ziehen. Was ist an dem Spiel negativ? Nun, der Text einiger Karten ist auf Deutsch nicht eindeutig genug. Als Beispiel sei der Beruf des Schlägers erwähnt. "Als Angreifer kannst du ..." steht dort drauf. Was bedeutet das nun. Gilt das nur wenn ich der Angreifer bin oder auch wenn ich lediglich den Angriff unterstütze? Erst der englische Text oder das Regelwerk hilft hier. Ganz untern auf der Karte steht in Englisch "If you are the attacker ..." und bei anderen, ähnlichen Karten "If you are an attacker ...", was die Sache eindeutig macht.

Spielspass: 7/10

Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

TheRaven

  • Mitglied
R005: Die Kutschfahrt zur Teufelsburg
« Antwort #1 am: 01. April 2007, 03:18:28 »
Zusatz: Habe das Spiel nun noch ausführlich mit vier Spielern testen können und kann guten Gewissens schreiben, dass dieses Spiel so auch funktioniert. Der Fokus verschiebt sich etwas und das Erlebnis ist anders, was irgendwie sogar eine gute Sache ist. Zu viert weiss man relativ schnell und ohne Zweifel, wer zu welchem Team gehört, muss man doch im Idealfall nur einen Spieler erfolgreich attackieren.

Das Spiel wird zudem taktischer, da es nun darum geht die Gegenspieler aktiv zu blockieren und sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Es gibt immer noch genug Innuendo, denn man kann mit seinem Partner ja die Strategie trotzdem nicht offen diskutieren. Weiterhin spielen die Berufe und Gegenstände eine sehr viel wichtigere Rolle gegenüber den sonst sehr prominenten Vermutungen und Annahmen bezüglich der Gildenzugehörigkeit. Interessant ist auch, dass ich es nicht erlebt habe, dass eine Gruppe ständig im Nachteil ist, denn es reicht ein neuer Gegenstand und das Blatt kann sich total wenden.

Angesichts des Preises und der winzigen Grösse kann man dieses Produkt also nur empfehlen, wenn man Deduktions- und Überlistungsspiele mag.
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Tekhen

  • Mitglied
R005: Die Kutschfahrt zur Teufelsburg
« Antwort #2 am: 10. April 2007, 00:25:13 »
Aufgrund deiner Rezension hab ich es mir zugelegt. Danke.

Ich wollte nur hinzufügen, dass es zu dritt etwas zu schnell geht, man sollte also schon versuchen 4+ Spieler zusammen zu bekommen.

TheRaven

  • Mitglied
R005: Die Kutschfahrt zur Teufelsburg
« Antwort #3 am: 10. April 2007, 00:32:18 »
Bilderlinks sind repariert

Zitat von: "Tekhen"
Ich wollte nur hinzufügen, dass es zu dritt etwas zu schnell geht, man sollte also schon versuchen 4+ Spieler zusammen zu bekommen.

Kann ich mir gut vorstellen und für drei Spieler gibt es wesentlich bessere Alternativen. Kartenspiele zu skalieren ohne sie unnötig komplizierter zu machen ist eine schwierige Sache. R007 wird allerdings ein solches Spiel vorstellen.
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich