Autor Thema: [FR] Rote Hand des Unheils  (Gelesen 6349 mal)

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Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« am: 05. April 2007, 17:22:00 »
1. Marodeurangriff

Ein leiser Wind pfiff durch das Gestrüpp des südlichen Hexenwaldes, nahe der Strasse zwischen Terellton und Drellins Fähre, wo Vorak ordentlich und sauber vier Pfeile vor sich den Boden steckte. Orik der alte Veteran machte es immer so und daher achtete Vorak peinlichts darauf, es dem alten Schlachtross gleich zu tun. Der alte Hobgoblin betrachtete den jüngeren Krieger leicht belustigt. "Ist dein erster echter Kampf, eh? Wird Zeit, dass du dir ein paar Narben zulegst, Welpe."
Vorak lächelte und entblösste ein hundeähnliches Gebiss, wie es den Angehörigen seiner Rasse zu eigen war. "Ay. Ich werde auch darauf achten, Kelemvors Hallen ordentlich zu füllen."
Beide Krieger lachten, ehe sie von Brodack zur Ruhe gemahnt wurden. "Still! Der Späher kehrt zurück." Brodack war ein etwas beleibter Hobgoblin mit einem Hang zur Trunksucht. Gleichwohl verstand er es die ´Drachensichel´, wie das leicht gekrümmte Langschwert von den Dienern Tiamats auch genannt wurde, mit beeindruckender Effizienz zu führen. Geschichten zufolge hatte er es mit drei Tiri-Kitor Elfen aufgenommen und sie alle erschlagen. Orik jedoch war von solchen Geschichten nicht sehr beeindruckt. "Die Tiri-Kitor kämpfen wie Weiber", offenbarte er Vorak gerne.

Vorak beobachtete den Hobgoblinspäher, der im zerfallenen Bauernhaus zwischen den Bäumen auf der anderen Strassenseite verschwand. Dort würde er bei Hauptmann Uth-Lar seinen Bericht abgeben und wenn sie Glück hatten gab es bald ein Gefecht und was noch wichtiger war, reichliche Beute. Vielleicht wieder eine kleine Händlerkarawane. Vielleicht ein kleiner Trupp Tiri-Kitor Elfen. Vorak würde eine Elfensklavin gefallen. Er hatte noch nie eine Elfe gehabt. Zwar konnte er sich vor ein paar Tagen mit einer Zwergin vergnügen und obgleich es recht spassig war (Vorak spürte noch immer das schwerzhafte Pochen an der Stelle, wo einst sein Eckzahn sass), zog er es doch vor, wenn seine Partnerinnen sich weniger heftig zu wehren vermochten.

Hauptmann Uth-Lar erschien im Türeingang des Bauernhauses. Soeben zurrte er die letzten Schnallen seiner beschlagenen Lederrüstung fest, als er den versteckten Kriegern ein Zeichen gab. Beute voraus! Wunderbar. Uth-Lar schien etwas gelangweilt und machte sich noch nicht einmal die Mühe im eigentlichen Kampf teilzunehmen. An einer Leine hielt er zwei furchteinflössende Höllenhunde, deren gierige Blicke das Unterholz absuchten. Mit einem scharfen Befehl zerrte er sie zurück ins Bauernhaus, was den Untieren ein enttäuschtes Heulen entlockte. Das Gemetzel würde er wohl seinen Männern überlassen. Gut so. Vorak war bereit.

Die Hobgoblins versteckten sich im Unterholz, spannten die Bögen und verhielten sich still. Dann klatschte der alte Orik Vorak auf die Schulter. "Sieh mal was wir da haben. Könnte ein interessanter Kampf werden." Oriks Flüstern enthielt einen gehässigen Unterton, der Vorak gefiel. Er grinste und beobachtete still, was dort die Strasse entlangmarschierte.

Vorneweg erkannte er einen zwei Meter grossen Hühnen auf dessen bronzener Brustplatte sich die späte Herbstsonne spiegelte. Der Kerl trug eine gewaltige zweihändige Axt über dem Rücken und hatte eine sonderbare Haut, die Vorak an Erde erinnerte. Er trug keinen Helm und so erkannte der Hobgoblin, dass der Krieger bar jeglicher Körperbehaarung war. Die Augen lagen tief in den Höhlen und glitzerten in geheimnissvoller Schwärze wie kleine Kohlestücke.
Ihm folge an schlanker Elf mit langem schwarzen Haar und bläulicher Haut. Er hatte einen fein gearbeiteten Bogen und trug leichtes Leder. Sein Gesicht war schmal geschnitten und die schrägstehenden Augen suchten das Unterholz aufmerksam ab. Vorak war sich sicher, dass dieser Angehörige des elfischen Volkes keinesfalls zu den Tiri-Kitor gehörte.
Dem Elfen folgte ein für das menschliche Volk gutaussehender Mann in Plattenrüstung und dem Symbol Kelemvors, das er frei um den Hals trug. Der Kerl hatte ein recht vernarbtes Gesicht und trug eine Augenklappe.
Der Letzte im Bunde war ein seltsamer Kerl mit schwarzem struppigem Haar und brauner Haut. Er hatte eine hohe Stirn aus der zwei kleine Hörner ragten. Der Hobgoblin vermutete einen Tiefling, wenngleich er sich da nicht so sicher war. Zuerst erschien es als wäre dieser ungerüstet, doch dann erkannte Vorak das Blitzen eines Kettenhemdes unter der staubigen Reisekleidung.

Vorak nahm einen Pfeil auf, spannte den Bogen und zielte auf den Tiefling. Orik sagte immer, dass die gefährlichsten Gegner jene seien, die am harmlostesten erschienen. Dann schaute er nach Brodack, der das Zeichen für den Angriff geben würde. Auch Brodack hatte seinen Bogen gespannt, lächelte in hämischer Vorfreude, ehe er ein Brüllen von sich gab. "Für Tiamat! Für die Kulkor Zhul!"

Das Zischen einer Pfeilsalve erfüllte die Luft und auch Vorak feuerte sein Geschoss ab. Der Pfeil bohrte sich in den Boden der Stelle, wo noch zuvor der Tiefling gelaufen war. Selbiger war verschwunden. Verwirrt nahm Vorak einen weiteren Pfeil auf und schoss auf den Erdgenasi. Er spannte die Sehne, zog sie bis hinters Ohr zurück und lies den Pfeil fliegen. Er blieb im Oberarm des feindlichen Kriegers stecken und entlockte diesem einen zornigen Schmerzensschrei. Enzückt nahm Vorak einen weiteren Pfeil auf und legte ihn auf die Sehne. Der Erdgenasi hatte ihn erblickt, doch er würde nicht rechzeitig bei ihm sein und mit einem Pfeil im Hals sterben. Grinsend zielte er auf den anrückenden Krieger und schoss erneut. Der Genasi duckte sich kurz und der Pfeil ging fehl. Vorak war erstaunt, mit welcher Gewandheit der beleibte Krieger sich bewegen konnte. Nervös nahm er einen weiteren Pfeil auf. Noch war Zeit. Immer die Ruhe. Der Feind hatte noch einen weiten Weg vor sich, ehe er Vorak erreichen konnte. Der Hobgoblin atmete ein, als er die Sehne zurückzog, hielt die Luft an, lies sich Zeit mit dem Zielen und schoss.

In diesem Augenblick war ein Brüllen zu hören und zwei Höllenhunde stürzten sich von der Seite auf den Erdgenasi und zerrten ihn zu Boden. Voraks Pfeil flog durch die Luft ohne etwas zu treffen. Der Hobgoblin grunzte und langte auf den Boden, nur um festzustellen, dass er alle Pfeile verbraucht hatte. Fluchend langte er nach seinem Köcher, doch auch dieser war leer. Vorak hatte vergessen ihn aufzufüllen. Er sah sich nach Orik um, doch der hatte seinen Posten längst verlassen und würde irgendwo auf der Strasse kämpfen. Der Hobgoblin hörte den Menschen ein Gebet intonieren und vernahm Zarr, den Kleriker Tiamats von irgendwo aufschreien. Das Klirren von Stahl erfüllte die Luft und das Stöhnen Sterbender lag in Voraks Ohren. Der Hobgoblin hatte den Überblick verloren. Er hastete in Richtung Strasse, wo er Orik vermutete und stolperte über einen Körper. Mit einem herzlichen Fluch ging er zu Boden, wälzte sich herum und schaute auf Orik herab. Der alte Veteran lag dort mit geweiteten Augen und einer klaffenden Wunde in der Kehle. Ein weiterer Schrei lies Vorak herumwirbeln. Hauptmann Uth-Lars Schädel wurde in diesem Augenblick vom Streitkolben des Kelemvordieners zerschmettert. Der grosse Krieger fiel in den Staub, erschlagen von einem jämmerlichen Mensch.
Brodack lehnte in der Nähe an einem Baum. Mehrere Pfeile ragten aus seiner Brust und die gebrochenen Augen schauten anklagend in Voraks Richtung. Die heulenden Todesschreie der Höllenhunde übertönten kurzzeitig das Gefecht und der Erdgenasi brach zwischen den Bäumen hervor.

Vorak spürte wie die Angst in seine Glieder kroch. Die vier Gestalten kämpften wie Dämonen und noch keiner von ihnen war ernsthaft verletzt, obgleich viel zu viele Hobgoblins bereits in ihrem Blute lagen.
Vorak lies seinen Bogen fallen drehte sich um und ergriff die Flucht...

... und wurde vom Rapier des Tieflings aufgespiesst. Er spürte den Schmerz kaum, doch die kalten, purpurfarbenen Augen musterten ihn abschätzig. "Na? Wo willst du den hin?"
Vorak spürte einen bitteren Geschmack auf seinen Lippen. Eine warme Flüssigkeit rann seine Mundwinkel herab. Seine Beine gaben nach und langsam rutschte er von der Klinge in den Staub. Der Tiefling schaute ungerührt auf ihn herab.
"Nirgendwohin, schätze ich."

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #1 am: 07. April 2007, 13:30:00 »
2. Miritas

Miritas entriss dem Hobgoblinkleriker das Symbol und betrachtete das Kleinod im fahlen Sonnenlicht. Aus einem zentralen, echsengleichen Auge ragten fünf Drachenhäupter auf langen, schuppigen Hälsen empor, die Mäuler zum Schrei geöffnet. Der Kelemvorkleriker warf das Symbol in Suuhls Richtung. "Tiamatgläubiger."
Der Tiefling fing den Gegenstand geschickt auf und runzelte die Stirn. "Recht ungewöhnlich für Hobgoblins, oder?"
Thamios der Mondelf kniete neben einem Leichnahm und hob einen zerbeulten Schild hoch. Auf seine Oberfläche war eine rote Klaue gezeichnet. "Weniger ungewöhnlich ist, dass sie unter einer gemeinsamen Standarte kämpfen, doch diese ist mir nicht bekannt."
Serberon der gerade aus dem verfallenen Bauernhaus trat, das Schlachtbeil lässig über die Schulter geworfen kratzte sich die Stelle am Oberarm, wo der Hobgoblinpfeil ihn verletzt hatte. Miritas hatte die Wunde bereits behandelt und lediglich eine schmale Narbe hinterlassen, die einen unwesentlich helleren Farbton als die übrige Haut des Erdgenasis trug. "Im Haus sind die toten Körper eines Händlers und dessen Begleitschutz. Offenbar haben die Bastarde die letzten Tage gute Beute gemacht.
Suuhl spuckte aus. "Ich hätte den Narren leben lassen sollen. Vielleicht hätte er uns etwas interessantes zu erzählen gehabt."

Miritas ging von einem toten Hobgoblin zum nächsten und sprach ein Gebet an Kelemvor, während er ihnen bedächtig die Augen schloss. Thamios schüttelte den Kopf und lehnte sich auf seinen fein gearbeiteten Bogen. "Warum tut er das? Es sind unsere Feinde und diese haben wahrlich keinen Respekt verdient. Wer hinterhältig kämpft muss hinterhältig sterben." Der Tiefling betrachtete den Elfen nachdenklich. In den dunklen Augen lag ein spöttisches Leuchten. "Ach ja? Dann steht mir das wohl auch zu."
Thamios murmelte etwas und gesellte sich zu dem Erdgenasi, der gerade dabei war die toten Händler aus dem Bauernhaus zu tragen.

Miritas beachtete seine Gefährten nicht weiter. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Toten auf ihrem Weg ins Jenseits zu begleiten. Dabei erinnerte er sich gerne an die Worte seines Lehrmeisters Itramis. "Im Tode ist jedes Lebewesen gleich. Sei es ein Drache, ein Mensch oder ein stinkender Goblin. Jedes Leben auf dieser harten Welt hat es verdient, ins Jenseits begleitet zu werden. Nicht wir sind es die ihre Untaten bestrafen sollen. Nicht wir sind es, die Löbliches belohnen. Das alleine ist Sache der Götter. Unsere Aufgabe ist es nur, sie auf den Weg zu bringen."
Miritas gemahnte jenen Moment, als Onira im Sterben lag. Sie war nur 18 Winter alt gewesen und er gerade mal 17 und die Zeit der Unruhen tobte. Die Beulenpest hatte ihren Körper zerfressen.

Der Kelemvorkleriker erinnerte sich noch als es begann. Nur zwei Tage nach seiner Hochzeit mit ihr war sie im Garten ihres kleinen Hauses zusammengebrochen. Mit hohem Fieber hatte er sie ins Bett gebracht und nach einem Kleriker gerufen. Es war Itramis, der erschienen war. In der ganzen Stadt war die Pest ausgebrochen und die Priester hatten alle Hände voll zu tun. Zuerst erschien eine der eitrigen Beulen in ihrer Armbeuge. Dann folgte eine weitere am Hals. Itramis war nicht sehr zuversichtlich gewesen. "Ich kann ein Gebet wirken, das die Krankheit zu heilen vermag, doch in diesen Zeiten sind selbst die Gebete nicht mehr zuverlässig. Wenn ich es wirke, kann alles passieren. Es liegt an euch."
Miritas war alles recht und Itramis zog sich zur Meditation zurück. Dann war die erste Beule aufgeplatzt. Onira stöhnte im Fieberwahn und aus der Beule strömte Eiter und Blut hervor. Als der graubärtige Kleriker dann das Gebet sprach, war das Fieber gesunken. Onira schien es besser zu gehen. Sie hatte Miritas angelächelt und es war das selbe Lächeln wie damals als sie sich zum ersten mal gesehen hatten. "Ich muss dir etwas sagen, mein Liebster. Ich bin..."
Dann hatte sie gestockte und Miritas mit einem seltsamen leeren Blick betrachtet. Er hatte einige Minuten gebrauchte um zu registrieren, dass sie tot war und selbst dann hatte er nicht trauern können. In ihm war eine seltsame Leere gewesen und Itramis hatte ihm eine Hand auf die Schultern gelegt. "Es war zu spät. Tut mir leid. Lasst sie uns nun auf ihrem Weg ins Jenseits begleiten."
Miritas hatte mit dem alten Kleriker gebetet. Doch hinterher war es ihm noch immer nicht möglich gewesen zu weinen. Wenige Tage später war er dem Orden der Kelemvorpriester beigetreten.

Und jetzt, als er die toten Hobgoblins zur Ruhe bettete verströmte er seinen Tränen, wie es immer war. Egal wen er auf dem Weg ins Jenseits begleitete. War es der Feind oder ein Freund. Immer vergoss er jene Tränen, die er damals nicht fliessen lassen konnte.
Suuhl riss ihn aus seinen Überlegungen. Obgleich der Tiefling ein rauher Zeitgenosse war, dem nichts heilig schien, respektierte er Miritas Rituale. "Wir müssen weiter. Die Sonne wird bald untergehen und wir haben noch ein gutes Stück, bis wir Drellins Fähre erreichen. Besser wenn wir nicht hier draussen übernachten müssen."
Miritas nickte, wischte sich die Tränen ab und rückte seine Augenklappe zurecht. Suuhl grinste. "Und ausserdem gehörte dem toten Händler ein ansehnlicher  Beutel Gold. Jetzt nachdem er ihn nicht mehr braucht, brenne ich darauf, den Inhalt in einer Taverne zu vermehren."

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #2 am: 07. April 2007, 17:22:23 »
3. Ritt in die Stadt

Die schwindenden Strahlen von Lathanders Antlitz brachte die vier Reisenden ans westliche Ufer von Drellins Fähre, einer kleinen Ortschaft mit etwas über tausend Seelen. Die vier Soldaten, die diesen Teil der unbefestigten Ortschaft bewachten erschienen Miritas eher wie bewaffnete Städter, denn wie ausgebildetes Militär. Ihre Lederwämse waren in schlechtem Zustand und die Speere schienen seit langem nicht mehr gewetzt worden. Einer von ihnen trug einen Schuppenpanzer und bewegte sich wie jemand, der es zumindest gewohnt war ein Schwert an der Hüfte zu tragen. Er spielte mit seinem gewachsten Schnauzer und musterte sowohl Suuhl, als auch Serberon mit offenem Argwohn. "Halt Fremde! Welche Geschäfte führen euch nach Drellins Fähre?"

Miritas wusste, dass seine beiden fremdartigen Reisegefährten oftmals sowohl Neugier als auch Misstrauen auf sich zogen. Er stellte sich also so, dass seine beiden Gefährten nicht im direkten Blickfeld des Hauptmanns waren und lächelte freundlich. Die alte Narbe an seiner Wange juckte. "Im Grunde sind wir auf dem Weg in den Hexenwald. Dort soll es eine alte Burg geben, die wir zu erforschen wünschen. Unglücklicherweise wurden wir auf dem Weg von einer Bande Hobgoblins überfallen."
Der Soldat runzelte die Stirn. "Wohl wohl. Da habt ihr aber Glück gehabt. Diese Biester lauern Reisenden auf dem Weg des Morgengrauens auf. Nur wenige sind bisher durchgekommen. Entweder seid ihr besonderst zäh, oder..."
"Dann habt ihr also Schwierigkeiten?". Miritas unterbrach den Mann nur ungern, doch er wollte die Konversation nicht in die falsche Richtung lenken, zumal Suuhls Rapier derzeit recht locker sass.
"In der Tat."
"Vielleicht können wir euch irgendwie helfen?"
Er spürte, wie der Tiefling ihm von hinten einen Tritt verpasste. Auch Thamios fluchte leise. Nur Serberon verhielt sich ruhig.
Der Soldat wirkte unsicher. "Nun, also..."
Er schaute sich hilfesuchend nach seinen Männern um, die jedoch genauso ratlos dreinschauten.
"Ich leugne nicht, dass wir grosse Schwierigkeiten mit diesen Räubern haben und ihr seht tatsächlich aus, wie eine Gruppe, die mit Schwierigkeiten fertig werden kann."
Dann räusperte er sich und nickte. "Gut ich werde nach Hauptmann Soranna schicken. Sie soll euch im Gasthaus zur alten Brücke treffen."

Miritas lies sich den Weg beschreiben und machte sich mit seinen Gefährten daran den Fluss zu überqueren, der sie von der eigentlichen Stadt trennte. Der Fährmann war ein junger, ungepflegter Kerl, der sich ihnen nicht vorstellte und recht unwirsch von jedem ein Silberstück abverlangte. Miritas merkte, dass Suuhl zahlte und dem Kerl anschliessend unbemerkt die Geldbörse nahm. Der Kleriker seufzte und entschloss sich, das Geld dem Fährmann bei nächster Gelegenheit zurückzugeben, ohne seinen Freund zu beleidigen. Sie bestiegen die Fähre, welche über ein Seilzugsystem von zwei alten Kaltblütern betrieben wurde. "Was war denn das?"
Der Tiefling war offenbar überaus erregt. "Ich dachte wir wären uns einig. Wen interessieren die Probleme dieses verschlafenen Nestes?"
"Mich." Miritas war ungerührt von Suuhls Ausbruch.
"Es war vereinbart, dass wir die Burg suchen, sie ausräumen und wieder verschwinden. Die Probleme dieser Leute halten uns nur auf und nach deren Kleidung zu urteilen dürfte nicht viel dabei rausspringen."
Thamios lächelte. "Zur Abwechslung gebe ich unserem dämonischen Freund recht. Die Angelegenheiten der Leute haben nichts mit unseren Problemen zu tun."
Der Kelemvorkleriker funkelte Suuhl an. "Wohl eher mit seinem Problem, das wir zu unserem gemacht haben."
In Suuhls Augen erschien ein gefährlicher Glanz. "Was für ein Glück für mich, nicht wahr?"
"Vielleicht benutzen die Hobgoblinräuber die Burg, die wir aufsuchen wollen als Basis."
Als Serberon in seiner tiefen Bassstimme sprach drehten sich alle erstaunt zu ihm um. Der Erdgenasi war kein Mann grosser Worte und im Grunde recht einfältig. Suuhl stemmte die Hände in die Hüfte. "Was war denn das gerade?"
Miritas hob beschwichtigend die Hände. Er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Serberon war selten auf seiner Seite. "Lasst uns doch einfach hören, was die Leute zu sagen haben. Dann entscheiden wir."
Der Tiefling seufzte. "Ich für meinen Teil habe schon entschieden."

Als die Fähre das andere Ufer erreichte, konnten die Reisenden bereits das Gasthaus ausmachen. Die Leute auf der Strasse hielten in ihrem Tun inne und beobachteten die Gefährten unverholen und ohne Scham. Als sie die Schenke betraten hatte Miritas ein seltsames Gefühl. Irgendwie spürte er, dass die Entscheidung, den Bewohnern zu helfen oder nicht für ihn und seine Freunde überaus bedeutungsvoll werden würde.

Grindlorn

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #3 am: 08. April 2007, 05:06:28 »
Sehr schön geschrieben, Nimbul.
Wirklich sehr nett, besonders der Perspektivwechsel wusste zu gefallen.
Mach weiter so, ich freue mich auf weiteren Lesestoff.
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Johann Wolfgang von Goethe

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #4 am: 08. April 2007, 11:44:47 »
Zitat von: "Grindlorn"
Sehr schön geschrieben, Nimbul.
Wirklich sehr nett, besonders der Perspektivwechsel wusste zu gefallen.
Mach weiter so, ich freue mich auf weiteren Lesestoff.


freut mich dass es dir gefällt. Nachschub kommt sofort :)

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #5 am: 08. April 2007, 11:45:13 »
4. Suuhl

Mit einem Lächeln legte Suuhl seine Karten offen. Vier rote Drachen wurden entblösst und der grauhaarige Halbling Kellin, wie auch die beiden Bauern fluchten. "Habt abermals Dank. Noch eine Runde?"
Kellin, der Halbling, dem das Gasthaus Zur Alten Brücke gehörte schüttelte den Kopf. "Habe noch nie jemanden gesehen, dem Tymora beim Drei-Drachen-Poker derart über die Schultern schaut. Aber ja. Ich habe schliesslich einiges zurückzugewinnen. Das Glück kann ja nicht ewig auf eurer Seite sein, Tiefling."
"Ihr könnt mich Suuhl nennen."
Auch die beiden Bauern waren dabei. Einer von ihnen hatte sich als Regan vorgestellt, ein stämmiger Mann mit einem schiefen Grinsen und einem etwas seltsamen Blick. Der andere war sein Sohn Olef und sein Antlitz war dem seines Vaters ebenbürtig.
Kellin mischelte die Karten und teilte aus. Im Hintergrund unterhielten sich leise Miritas, Serberon und Thamios. Seine Gefährten hatten keine Lust gehabt, sich am Spiel zu beteiligen. Sie wollten lieber auf die Stadtoberhäupter warten, was Suuhl nur recht war. So musste er seinen Freunden wenigstens nicht das Gold aus der Tasche ziehen.

Die Schenke selbst war recht einfach eingerichtet und bot dem Reisenden eigentlich alles, wonach ihm im Augenblick verlangte. Suuhl hatte erfahren, dass es von Kellin Schattenbank und seiner Familie geführt wurde. Recht lukrativ möchte man meinen, wobei der Tiefling realisiert hatte, dass Kellin einen Grossteil seiner Einnahmen durch das Drei-Drachen-Poker gewann. Suuhl hatte bemerkt, dass Kellin schummelte und seinen Vorteil daraus gezogen. Er hatte den Halbling zweimal gewinnen lassen und dann alles doppelt zurückgewonnen. Beim Poker konnte keiner dem Tiefling etwas vormachen. Ausser vielleicht Ivara. Ja Ivara war unschlagbar im Drei-Drachen-Poker gewesen. Sie hatte ihn mehrfach ausgenommen und es hatte ihm nichts ausgemacht.

In Fernberg hatte er sie zum ersten mal getroffen. Im Diamant und Dung war es gewesen, einem Gasthaus in der Stadt, welche oftmals von reisenden Abenteurern besucht wurde. Isharon hatte ihn geschickt, denn offenbar sollte dort eine Halbelfe den Gästen das Gold aus den Taschen ziehen. Er sollte sie prüfen und feststellen, ob sie eine freischaffende Diebin war. Sie war ihm sofort aufgefallen, als er das verrauchte Etablissement betrat. Obgleich sie ungewaschen wirkte, die Züge recht kantig und viel zu viel von ihrer menschlichen Seite durchkam, hatte sie eine Ausstrahlung, die ihn sofort in ihren Bann zog. Sie war gerade dabei eine Gruppe Zwerge auszunehmen, als er an ihren Tisch trag. "Noch Platz für einen Spieler?". Als sie ihre mandelförmigen Augen auf ihn richtete, war es sofort um ihn geschehen. Es war wie ein Brennen in der Brust. Ohne ein Wort von sich zu geben schob sie einfach einen Stuhl mit dem Fuss zurück. Das Spiel zog sich scheinbar endlos hin. Einer nach dem anderen waren die Zwerge ausgestiegen, bis nur noch er und sie übrig blieben. Tymora wechselte beinahe abwechselnd die Seiten. Natürlich betrog sie, das tat er auch, doch sie machte es mit einer Leichtigkeit, einer Selbstverständlichkeit, die ihn faszinierte. Augenblicklich hatte sich eine Menschenmenge um die beiden gebildet, um das Spiel zu verfolgen, doch schlussendlich gewann sie. Sie war aufgestanden, hatte ihn an der Hand genommen und war mit ihm auf ihr Zimmer gegangen. Was folgte, war ein rauhes, einvernehmendes Liebesspiel, das er so schnell nicht vergessen sollte. Als sie schlussendlich verschwitzt nebeneinander lagen hatte sie sich über ihn gebeugt, ihm einen Kuss auf die Stirn gegeben und gelächelt. "Bist du gekommen, um mich zu prüfen?"
"Vielleicht."
"Habe ich den Test bestanden?"
"Nich mal annähernd"
Dann hatte sie sich spielerisch auf ihn geworfen und das Spiel begann von vorne.

Suuhl hatte Isharon erzählt, dass sie eine einfache Reisende war, nicht betrog und einfach Glück beim Spiel hatte. Der alte Schurke hatte das so hingenommen. "Ich hoffe du weist, was du tust, alter Freund. Swip hält grosse Dinge auf dich."
Tage später hatte Ivara Suuhl offenbart, warum sie nach Fernberg gekommen war. "Gildenmeister Swipe ist mir etwas schuldig."
"Du kennst ihn?"
"Ja von früher. Ist eine alte Geschichte. Er hat mich hintergangen, der alte Bastard. Ich will es ihm zurückzahlen. Wirst du mir helfen?"
"Ich wäre ein Narr."
"Ohne dich komme ich nie an den Fallen vorbei."
"Warum?"
"Weil deine Fingerfertigkeit unerreicht ist."
"Nein ich meinte, warum willst du ins Gildehaus einbrechen? Was hat dir Swipe angetan?"
Sie sah einen Moment weg. Er streichelte ihr übers Haar.
"Sags mir."
"Nein noch nicht."
Sie sah ihn mit ihren grossen mandelförmigen Augen an.
"Bitte hilf mir."
Er hatte zugestimmt. Er wusste nicht warum. Warscheinlich lag es daran, dass er sie liebte. Er hätte nie gedacht, dass so etwas möglich war, dass er jemanden so lieben könnte. Er hatte sie ins Gildehaus gebracht, sie heimlich an den Fallen vorbeigeschleust, wo sie schlussendlich Swipes Auge des Mondsees nahm, den grössten Edelstein, den Suuhl je gesehen hatte.
Am nächsten Tag war sie verschwunden. Sie hatte keine Nachricht hinterlassen, nichts. Sie war weg und er war der Narr.
Und dann hatten die Schwierigkeiten begonnen.

Suuhl legte die Karten auf den Tisch und Kellin fluchte. "Ich geb auf." Der Halbling stand auf und auch die Bauern verliesen den Spieltisch. In diesem Moment öffnete sich die Türe zum Schankraum.

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #6 am: 08. April 2007, 18:05:10 »
5. Der Stadtsprecher

Als Stadtsprecher Norro Wiston zusammen mit Hauptmann Soranna das Gasthaus betrat, erstaunte ihn der Anblick der vier Fremden. Er hätte nicht erwartet, einen Tiefling und einen Erdgenasi zusammen mit einem Elfen zu treffen, noch dazu einem Menschen, der offenbar den Gott des Todes verehrte. Er fragte sich insgeheim, ob das wirklich die Leute waren, auf welche Unteroffizier Hersk ihn aufmerksam gemacht hatte.
Norro Wiston war ein grosser Mann, dessen fünfzig Jahre ihm erheblichen Haarausfall beschert hatte. Er schob es eigentlich auf die viel zu heisse Sonne, die beinahe das ganze Jahr herunterbrannte, doch seine Frau schüttelte dabei immer nur schmunzelnd den Kopf.
Obgleich der Stadtsprecher hart arbeitete und zudem einen überaus guten Geschäftssinn hatte, war er froh Hauptmann Soranna an seiner Seite zu haben, als er die Schenke betrat. Selten in seinen zehn Jahren Amtszeit fühlte er sich derart verunsichert, was wohl auch auf die Geschenisse der letzten Zeit zuzurückzuführen waren.

Bei ihrem Eintreten erhob sich der narbengesichtige Mensch mit der Augenklappe und Norro Wiston deutete ein knappen Nicken an. "Willkommen in unserer kleinen Stadt, Fremde. Mein Name ist Norro Wiston und das neben mir ist Hauptmann Soranna."
Der Mann lächelte. Es war ein einvernehmendes Lächeln. Auch die Narben im Gesicht des Klerikers schienen dessen Ausstrahlung nurmehr zu verstärken.
"Ich bin Miritas Guthand und das sind meine Gefährten Serberon, Thamios und Suuhl."
Er deutete nacheinander auf seine drei Freunde und Norro Wiston bedachte jeden mit einem Nicken.
"Wir hörten dass ihr Probleme habt und dachten wir könnten uns der Sache vielleicht annehmen."
Wenn das Gold stimmt, dachte der Stadtsprecher. Zumindest vermeinte er diesen unausgesprochenen Satz herauszuhören.
Miritas deutete auf zwei Stühle ihnen gegenüber und der Stadtsprecher und Hauptmann Soranna nahmen Platz. Der Hauptmann war eine kurzangebundene Frau mit gutem Aussehen und einer ernsten Ader. Der Stadtsprecher hielt grosse Dinge auf sie und sie folgte seinen Anweisungen ohne Fragen zu stellen.

"Nun ich möchte gleich auf den Punkt kommen. Unsere kleine Stadt ist in grossen Schwierigkeiten und wir glauben, ihr könntet uns in dieser Angelegenheit helfen."
"Wir sind immer bereit Leuten in Schwierigkeiten zu helfen."
Bei diesen Worten des Mannes mit dem Namen Miritas vermeinte Stadtsprecher Wiston den Tiefling mit den Augen rollen zu sehen. Auch der Elf blickte etwas betreten zu Boden. Nur der Erdgenasi blieb ausdruckslos. Norro Wiston fragte sich, ob er sich für das Gespräch überhaupt interessierte.
Der Stadtsprecher selbst wusste nicht so recht, was er darauf erwiedern sollte. Hauptmann Soranna nahm ihm diese Bürde ab. "Das ist gut zu hören. So jemanden hier anzutreffen, wagten wir nicht zu hoffen."
"Dann erzählt. Was plagt diesen Ort."
Norro Wiston verschränkte die Arme und übernahm wieder das Gespräch.

"Hobgoblinräuber terrorisieren unsere Ländereien seit einiger Zeit. In den umliegenden Gehöften wurden bereits Bauern ermordet und auch Durchreisende auf dem Weg des Morgengrauens sind Ziel ihrer Angriffe."
"Was wir bereits am eigenen Leib erfahren durften", sagte Suuhl.
"Und ihr habt ihnen gegeben, was noch keinem bisher gelang", fügte Hauptmann Sorann hinzu. "Es sieht nach einem gefährlichen, grossen Stamm aus, der sich offenbar aus den Wyrmrauchbergen kommt. Wir fürchten, er könnte gross genug sein, um unsere Stadt zu überrennen."
"Zudem ist die Strasse unser Lebensblut", fuhr der Stadtsprecher fort. "Wenn die Hobgoblins den Weg des Morgengrauens im Westen unpassierbar machen, wird es aus dieser Richtung keinen Handel mehr geben, was unseren Ruin bedeutet."
"Was glaubt ihr, dass die Hobgoblins wollen?", fragte Miritas
"Unser Leben, unser Gold, unser Land. Ich schätze, dass sie nicht davon ausgehen, dass wir stark genug sind sie aufzuhalten. Und da haben sie recht."
"Ihr reden von vielen Hobgoblins. Wie viele?"
"Wir sind uns nicht sicher. Womöglich hundert Krieger. Vielleicht mehr."
"Warum habt ihr nicht eure eigenen Krieger ausgeschickt. Ich sah dass die Stadt Bewaffnete vorweisen kann."
"Wir haben es versucht. Wir sandten ein Dutzend Wachleute westliche die Strasse entlang, doch sie wurden alle erschlagen."
Miritas wirkte nachdenklich.
"Jemals von Burg Vraath gehört, Stadtsprecher?"
"Ja. Eine alte Ruine etwa fünfzehn Meilen westlich des Weges des Morgengrauens. Warum fragt ihr?"

Die vier Gefährten hüllten sich in Schweigen.
Noch ehe der menschliche Kleriker etwas dazu sagen konnte, erhob der Tiefling das Wort: "Was wird uns das einbringen?"
"Ihr würdet vielen Leuten helfen, solltet ihr euch dieses Problems annehmen", sagte Norro Wiston.
"Sehr amüsant, Stadtsprecher. Ich spreche hier von klingender Münze."
 Miritas legte dem Tiefling beschwichtigend eine Hand auf die Schulter, doch der Stadtspreche winkte ab. "Wir können jedem von euch 500 Goldmünzen zahlen."
"Fünfhun..."
"Wir sind einverstanden".
Der Kleriker handelte sich von Suuhl einen grimmigen Blick ein, doch sagte er nichts weiter.

endier

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #7 am: 09. April 2007, 12:11:55 »
Ein großes DANKE an den Author.
Weiter so  :D

Sir Dinadan

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #8 am: 09. April 2007, 18:22:36 »
Klasse! Liest sich gut. :)

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #9 am: 09. April 2007, 21:13:33 »
6. Serberon

Am nächsten Morgen besorgte Thamios zusammen mit Serberon vier Pferde, während Miritas und Suuhl sich darum kümmerten die Ausrüstung zu komplettieren. Thamios wählte sorgfältig. Er achtete auf das Fell der Tiere. „Es muss leicht glänzend sein. Dann ist es gut gepflegt“, erklärte er Serberon. „Wenn der Halter gut ist, lässt er das Pferd ab und an im Staub baden und setzt es im Sommer für einige Stunden dem Regen aus.“ Der Elf untersuchte die Hufe nach Fäule und überprüfte die Anzahl und den Zustand der Zähne. Dann wählte er vier sembianische Schecken mit denen er durchschnittlich zufrieden war. Serberon sprach während dieser Zeremonie kein Wort, wie es seine Art war. Schliesslich brachen sie auf, ehe die Sonne den Zenit erreichte.

Sie befolgten den Rat des Stadtsprechers und ritten den Hexenpfad entlang, ein Weg abseits des Weges des Morgengrauens. Dort tief im Hexenwald sollten sie Jorrs Hütte finden. Angeblich würde niemand den Hexenwald besser kennen, als er. Der Pfad war wenig mehr als eine Schneise, die offenbar von Holzfällern geschlagen wurde. Das Sonnenlicht vermochte es schwerlich durch das dichte Blätterdach zu dringen. Selbst die üblichen Waldgeräusche mieden die Ohren der vier Reisenden. Keiner sprach während des Ritts und jeder hing seinen Gedanken nach. Serberon ritt an zweiter Stelle hinter Thamios und überliess es dem Elfen die Augen offen zu halten, wenngleich er trotzdem ein Auge auf das dichte Unterholz entbehrte. Er traute Thamios nicht ganz. Seine Vergangenheit verschwieg er und er schien der einzige, dessen Motive dem Erdgenasi verborgen blieben. Von Miritas musste er nicht viel wissen, denn der Glaube des Klerikers schien das einzige, was ihn trieb, wenngleich sie augenblichlich alle vier in Schwierigkeiten steckten, die der Tiefling zu verantworten hatten.

Ja, der Tiefling. Suuhl war zwar kein offenes Buch, doch er sein Verhalten war zumindest leicht einzuschätzen. Die Gedanken Serberons kehrten zu jenem Tag zurück, als er ihn kennengelernt hatte. Er selbst war in thayanischer Sklaverei aufgewachsen, bis er einem Händler aus Fernberg auffiel, der bei seinem Herrn zu Gast war. Dem Händler mit dem Namen  Ovigas der Graue war der Erdgenasi gleich aufgefallen. Obgleich Serberon lediglich für harte Arbeit eingesetzt wurde, war Ovigas von dessen Muskelspiel und den geschmeidigen Bewegungen fasziniert. Nach harten Verhandlungen kaufte Ovigas den Erdgenasi, um ihn in der Arena in Fernberg einzusetzen.

Und dort lernte der Erdgenasi zu kämpfen. Schmerzhaft wurde ihm beigebracht, stillzustehen und abzuwarten, bis sich der Gegner bewegte, denn so könne er sich zuerst auf dessen Bewegungen einstellen. Es hatte ihn viele blaue Flecken gekostet, ehe er lernte einen Schwertangriff immer zwischen dem Griff und der Mitte des gegnerischen Schwertes abzublocken.
Schlussendlich war er für seinen ersten Kampf bereit gewesen, einen Echsenmenschen, der mit zwei Streitkolben kämpfte und seine Schuppen schwarz färbte. Es hatte nur wenige Sekunden gedauert, ehe Serberon seinen ersten Gegner erschlug, ihn mit gespaltenem Haupt in den Staub schickte und den Jubel der Zuschauer erntete. Doch der bedeutete ihm nichts. Neidisch betrachtete er vor jedem Kampf das Puplikum. Sie konnten nach dem Schauspiel gehen, wohin immer sie wollten, konnten sich entscheiden die nächste Taverne aufzusuchen, oder vielleicht auf dem Markt einen happen essen. Er konnte das nicht. Nach jedem Kampf war entweder Training angesagt, oder er wurde zurück in die feuchte zwei mal zwei Meter grosse Zelle geschickt, wo er auf den Tag wartete, dass ihm ein ebenbürdiger Gegner den Tot brachte.

Viele Duelle und Siege später sollte er gegen einen Tiefling antreten, der auf den Namen Suuhl hörte. Offenbar war er noch nicht lange unter den Kämpfern, denn Serberon hatte noch nie etwas von ihm gehört. Als er in die Arena trat, jubelte ihm das Puplikum zu. Der Tiefling stand dort, die Waffen in der Scheide. Serberon wartete auf seinen Angriff, doch der kam nicht. Statt dessen schimmerte urplötzlich die Luft vor ihnen und der Tiefling warf sich in das Schimmern und verschwand. Der Erdgenasi zögerte nicht lange. Vielleicht war es Instinkt oder womöglich Schicksal, dass er sich entschloss unter den empörten Rufen des Puplikums es seinem Gegner gleich zu tun.

Einen orientierungslosen Augenblick später fand er sich auf einer Lichtung wieder. Hier war der Tiefling und ein alter, gebeugter Halbling mit buschigen Brauen und wulstigen Lippen. Er betrachtete Serberon alarmiert, als dieser durch das magische Portal trat und hob einen kleinen Stab.
„Wartet Tabis“, sagte Suuhl und hielt den Arm des Alten nach unten. Dann ging er auf Serberon zu. „Zeit Fernberg hinter dir zu lassen, oder Erdgenasi?“
„Ja“
„Dann würde es dich sicherlich nicht stören, die blutige Axt wegzustecken.“
Schweigend senkte Serberon seine Waffe.
Der Tiefling nickte und verneigte sich vor dem alten Halbling.
„Habt Dank, Tabis. Ihr werdet immer in meinen Träumen seib. Doch jetzt ist es Zeit für mich, Fernberg hinter mir zu lassen.“
„Deine Träume interessieren mich nicht, Suuhl. Sieh zu dass du mir die versprochene Summe zukommen lässt“, grunzte der Alte und verschwand von der Lichtung.

Später war Serberon schweigend mit Suuhl gegangen und nur kurze Zeit später hatten sie sich Miritas und Thamios angeschlossen. Der Erdgenasi hatte sich nie bei Suuhl bedankt und er wusste, dass der Tiefling nichts dergleichen von ihm erwartete.

Der Erdgenasi wurde aus seinen Erinnerungen gerissen, als Thamios ein Zeichen gab und anhielt. Sie hatten eine kleine Lichtung erreicht, auf der eine baufällige Hütte an einem kleinen Teich stand. Rauch entstieg dem Steinkamin und zeigte, dass der Ort bewohnt war. Thamios stieg vom Pferd und näherte sich vorsichtig der Hütte. Als die drei Hunde unter der Veranda hervorschossen, war der Mondelf nicht überrascht. Er kniete sich hin, sagte etwas auf elfisch und murmelte beruhigend. Die Tiere, welche zuvor noch das Bedürfnis hatten, den Fremden zu zerreissen, setzten sich plötzlich auf den Boden und betrachteten den Elfen, als wäre dieser ihr bester Freund. Suuhl ritt an Serberons Seite. „Gleiches gesellt sich eben gern zu Gleichem.“
Serberon schwieg.

Die Türe zur Hütte öffnete sich und ein bärtiger, schlanker Waldarbeiter trat ins dämmrige Sonnenlicht. Sein Alter war schwer einzuschätzen. Seine Haut schien beinahe ledrig, doch der Blick war aufmerksam. „Bekomme derzeit nicht viel Besuch“, eröffnete er in kehligem Ton. „Wer seid ihr?“
Miritas stieg vom Pferd und trat vor. Er stelle sich und seine Freunde kurz vor, was ihm ein kurzes Nicken einbrachte. „Wir kommen aus Drellins Fähre. Hauptmann Soranna hat uns beauftragt, den Goblinüberfällen auf den Grund zu gehen. Zudem sagte man uns, dass ihr den Wald besser kennen würdet, als sonst wer.“
„Goblins! Dreckige Bastarde.“
Der Waldmann spuckte aus. „Die gute alte Soranna. Wie gehts der grimmigen Amazone?“
„Sie sorgt sich um ihre Stadt“, sagte Miritas lächelnd.
„Schön dumm.“ Der Waidmann holte eine Pfeife hervor und zündete sie an. „Gut, gut. Wie kann euch der alte Jorr helfen?“
„Wisst ihr wo wir die Goblins finden können?“
„Habe Worgreiter gesehen. Sind in der Nähe des Weges des Morgengrauens.“
„Vermutet ihr dort auch ihr Lager?“
„Sie leben im Wyrmrauchgebirge. Scheint sie haben ne grosse Kriegsmeute heruntergeschickt, die jetzt im Hexenwald ihr Unwesen treibt. Könnte sein, dass sie die alte Waldstrasse herunterkamen, oder vielleicht sind sie an der Schädelschlucht.“ Jorr nickte. „Ich tippe auf die Schädelschlucht.“
„Habt ihr schon einmal etwas von Burg Vraath gehört?“
„Seh ich aus wie ein Idiot?“, grunzte Jorr. „Natürlich. Geht nach Westen bis zur grossen Strasse. Dann folgt ihr nach Norden. Könnt sie nicht verfehlen.“
„Habt Dank, Jorr. Wir werden euch nicht weiter belästigen.“
„Habt ihr etwas fleisch übrig?“,
„Fleisch?“ Miritas sah etwas irritiert aus.
„Ja Fleisch. Bist du schwerhörig, Totenanbeter?“ Jorr blies eine Rauchwolke aus. „Die Köter haben Hunger und an dem Elf ist ja nicht viel dran.“

Boïndil

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #10 am: 10. April 2007, 14:08:09 »
Bitte weiter in dem Tempo schreiben.  :dafür:
Lässt sich gut und flüssig lesen.
Außerdem finde ich die Perspektivwechsel klasse, mit denen man etwas über den Hintergrund der verschieden Charactere erhält.
Ich bekomme immer mehr Lust das Abenteuer selbst zu leiten.
"Hört auf zu reden! Lasst uns Köpfe spalten und Knie zertrümmern!"

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #11 am: 10. April 2007, 22:01:19 »
Freut mich, wenn es inspiriert :)

Ich versuche das Tempo beizubehalten.

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #12 am: 10. April 2007, 22:02:00 »
7. Kreuzweg am schwarzen Wasser

Sie verliesen Jorrs Hütte und folgten einem schmalen Wildwechselpfad in westlicher Richtung. Thamios führte weiterhin die Gruppe an. Einige Zeit später kamen sie aus dem dichten Wald und betraten den Weg des Morgengrauens, welcher hier in nördlicher Richtung verlief. Suuhl lenkte sein Pferd neben Miritas. Der Kleriker schien wie auch die anderen in Gedanken versunken. Die Worte des Tieflings schreckten ihn auf. „Dieser Weg führt doch auch an Burg Vraath vorbei, nicht wahr?“
Miritas nickte. „So hat es Jorr uns beschrieben. Vielleicht können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“
„Weil du glaubst, dass die Goblins dort ihren Stützpunkt haben“, mutmasste Suuhl.
„Es liegt auf der Hand.“
„Aber was, wenn dem nicht so ist?“
„Was meinst du?“
„Was wenn wir dort keine Goblins vorfinden. Wenn wir lediglich das antreffen, wonach wir schon die ganze Zeit suchen?“
„Wir haben unser Wort gegeben, Suuhl. Wenn es dort keine Goblins gibt, suchen wir weiter, auch wenn wir haben, wonach wir suchen.“
„Dafür werden wir aber keine Zeit haben.“

Die Gruppe erreichte einen Bereich des Weges, der offenbar vor längerer Zeit von Wasser überschwemmt wurde. Ein Fluss, den die Einwohner von Drellins Fähre den kalten Fluss nennen, kreuzte den Weg des Morgengrauens an dieser Stelle. Das Gebiet um den Fluss war sumpfig und unübersichtlich. Eine schmale, niedrige Holzbrücke, welche die Wasseroberfläche beinahe berührt führte auf die andere Seite. Thamios stieg vom Pferd und geleitete es zuerst hinüber. Der Boden der Brücke war durch die Feuchtigkeit rutschig. Auch die anderen stiegen von den Sätteln und folgten dem Elfen.
„Was interessieren uns die Belange von Drellins Fähre. Die Leute haben ihre Probleme und wir haben unsere. Belassen wir es einfach dabei“, sagte Suuhl als er die Brücke betrat.
„Still jetzt“, fuhr Miritas Suuhl an. „Wir haben uns geeinigt und du wirst dich fügen müssen.“
„Seht mal da drüben. Ein halb versunkener Wagen im Schlamm“, sagte Thamios.
Der Tiefling ignorierte ihn und wendete sich wieder an Miritas. „Es ist...“
Weiter kam Suuhl nicht, denn plötzlich spritze Schlamm und Wasser neben der Brücke empor und etwas gewaltiges, schoss in die Höhe. Serberons Pferd ging durch und stürzte über die Brücke ins Wasser. Der Erdgenasi wäre seinem Reittier beinahe ins kalte Nass gefolgt, doch er konnte gerade noch das Gleichgewicht halten.

Sechs drachenähnliche Köpfe schwebten über den vier Reisenden. Sie sassen auf langen Hälsen und führten zu einem klumpigen Körper, der halb im Wasser war. Die Köpfe der Hydra schossen herab. Miritas hatte keine Zeit, seinen zerbeulten Schild zu heben, als einer der Köpfe mit einem furchbaren Zischen auf ihn zukam. Er duckte sich und das Gebiss klappte über ihm zu. Leider brachte ihn der schlüpfrige Holzboden der Brücke aus der Balance und er fiel. Ein Schmerz zuckte durch seine Rechte Schulter. Über ihm schossen in schneller Folge drei Pfeile durch die Luft und bohrten sich in einen Kopf, der gerade im Begriff war, seine Kehle aufzureissen. Der keilförmige Schädel schrie auf und wendete sich dem Elfen zu. Stöhnend rappelte Miritas sich auf und konnte beobachten, wie Serberon einen der Schädel vom Hals trennte. Der Erdgenasi nutzte den Schwung, wirbelte auf dem Absatz herum und ein weiterer Kopf flog durch die Luft. Thamios wich vor zwei schnappenden Hydraschädeln zurück, während er einen Pfeil nach dem anderen von der Sehne schnellen lies. Nur selten verfehlte er sein Ziel.
Suuhl war nirgends zu sehen, doch Miritas hatte keine Zeit nach dem Tiefling Ausschau zu halten und seine Gefährten weiter zu beobachten. Den nächsten Angriff der Hydra konnte er mit dem Schild abwehren, doch dann wich der Schädel zurück und war ausser Reichweite. Der Kleriker sprach ein kurzes Gebet und brüllte in Richtung des angreifenden Hydrakopfes. Das Geräusch hämmerte gegen die Kreatur und betäubte es für einen Augenblick. Miritas nutzte diesen Moment, hastete in Reichweite des Kopfes und zerschmätterte den Schädel. Der Kopf hing leblos vom Hals und klatschte ins dunkle Wasser. Im selben Augenblick wurde Miritas von einem weiteren Schädel in die Seite gerammt. Diesmal sürzte er von der Brücke und fiel schreiend ins Wasser. Die dunkle Brühe drang ihm in Mund und Nase. Er spürte, dass ihn Schild und Rüstung in die Tiefe zogen und panisch schnallte er den schweren Schild ab, während er mit den Beinen zu treten begann. Der Schild löste sich, doch Miritas konnte sich nicht von der Rüstung befreien, die ihn noch immer unter Wasser hielt. Plötzlich spürte er, wie Hände ihn umklammerten und an die Oberfläche zogen. Prustend und Spuckend zog er sich mit Suuhls Hilfe auf die Brücke. „Das war knapp“, stellte der Tiefling fest und half Miritas auf die Beine.
„Danke“, meinte der Kleriker kurz angebunden.
Suuhl sagte nichts weiter.

Das Monster lag reglos im Schlamm. Vier Köpfe waren abgeschlagen worden, einer zertrümmert und der letzte mit Pfeilen bespickt.
Thamios watete gerade zu dem halb versunkenen Wagen, den er vor dem Angriff entdeckt hatte. Er stemmte die Trümmer zur Seite und sah sich um. „Goblin und Hobgoblinskelette“, rief er seinen Gefährten zu. Dann lächelte er. „Einer trägt noch eine Brustplatte, die intakt ist. Sieh an, sieh an. Wenn das nicht Mithral ist.“
Er löste die Rüstung und kehrte zur Brücke zurück. Dort warf er sie Miritas vor die Füsse. „Schützt besser als der Plattenpanzer. Deine hohe Beweglichkeit arbeitet besserer in Verbindung mit dieser Rüstung. Ausserdem ist sie leichter, als die schweren Metallplatten.“
Miritas betrachtete die Brustplattenrüstung. Sie musste schon lange dort im Schlamm liegen, doch noch immer glänzte sie, als hätte man sie eben gefertigt. Dann wendete er sich an Suuhl.
„Was wolltest du sagen?“
„Bitte?“
„Als der Angriff kam, wurdest du unterbrochen.“
Suuhl dachte einen Moment nach. „Geschenkt. Sehen wir lieber zu, dass wir Burg Vraath erreichen.“
Miritas lächelte und legte die neue Brustplatte an.

endier

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #13 am: 24. April 2007, 09:55:10 »
Eine schöpferische Pause ?

Nimbul

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[FR] Rote Hand des Unheils
« Antwort #14 am: 24. April 2007, 20:31:16 »
Zitat von: "endier"
Eine schöpferische Pause ?


so ähnlich ;)

Ich bin gerade etwas im Stress. Ab morgen versuch ich weiterzuschreiben.