Samstags liest eh keiner, oder?
Nearly Total Party Kill»Dazu habe ich Folgendes zu sagen.« Dirim öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Jedenfalls keine Worte, die ein Sterblicher verstehen konnte. Stattdessen waberte der Raum in tonlosem Lärm, als das Wort Tyrs seine nächstmögliche Entsprechung fand und sich in reiner Heiligkeit äußerte. Die Anwesenden wurden bis in ihr Innerstes durchgeschüttelt, geblendet und betäubt von dieser Zurschaustellung von Macht. Auf der anderen Seite des Raums stürmten Thamior und Thargad in den Raum. Sie sahen, wie die Babaus zurück in die Hölle geschleudert wurden. Die zwergischen Leibwächter, Melagorn und Zarn Kyass waren von der Wucht des Zaubers gelähmt. Vervil Aschenmantel, Adrick Garthun, Elayne, Khyron Knochenschwur und Thirifane Rhiavadi erwiesen sich als standhafter: sie waren nur blind und taub. Lediglich der Schildwächter – und, wie es schien Elaynes lebendiger Umhang – waren unbeeindruckt. Die Lage hatte sich gewandelt.
Thargad flitzte durch den Raum. In einer Handbewegung zog er
Todeshauch und rammte das Schwert in Thirifane Rhiavadis Seite. Thirifane schrie auf. Sofort setzte sich der Schildwächter in Bewegung.
»Töte sie«, sagte Thirifane zu ihrem Konstrukt, und teleportierte in Sicherheit. Der Schildwächter schlug mit seiner Faust nach Thargad, aber der Schurke brachte sich mit einem Überschlag in Sicherheit. Gegen das Konstrukt war er fast machtlos.
»Kümmer dich um die anderen«, sagte Jørgen und stellte sich zwischen die beiden. »Ich nehme den hier.«
Vervil Aschenmantel bewegte blind den Kopf hin und her. Er fummelte in seinem Gürtel herum, fand die richtigen Materialien und wurde unsichtbar. Khyron Knochenschwur folgte ihm auf dem Fuße; auch er wurde unsichtbar. Elayne kreischte auf und bahnte sich ihren Weg zur Wand des Raums. Im Gehen löste sie eine lange Kette von ihrem Körper und schwang sie bedrohlich. Gleichzeitig löste sich ihr Mantel und breitete sich schützend vor ihr aus; anscheinend handelte es sich hierbei um eine untote Kreatur aus zerfledderten Stoffen.
»
Sehet die Flamme der Gerechtigkeit!«, rief Dirim. Die Vampirin sprang gegen die Wand, stieß sich ab und verrenkte sich irgendwie um die Flammensäule herum. Das Mantelgespenst wurde voll getroffen, aber ebenfalls kaum verletzt. Es flog auf Dirim zu und schlug nach ihm. Die Klaue drang spurlos durch Dirims Rüstung und umfasste seine Seele. »Raus da!«, rief Dirim. Die Kälte verließ ihn wieder, ohne Schaden anzurichten.
Thamior ließ seine Pfeile auf den Geist niederprasseln. Die Hälfte der Geschosse flog einfach durch das Wesen hindurch, und die andere Hälfte vermochte es nicht wirklich zu verletzen. Das Gespenst ignorierte den Elfen. Der Elf ignorierte das Gespenst und wandte seine Aufmerksamkeit dem Ogermagus zu.
»Zu mir!«, rief Adrick Garthun und hieb wild dorthin, wo Thargad gerade noch gestanden hatte. Der Schurke war aber bereits auf der anderen Seite und stieß von dort wieder und wieder mit seinen Klingen zu.
Todeshauch führte seine Hand stets an die verletzlichsten Stellen, und
Funke hatte für die Rüstung nur Mitleid übrig. Hätte er Dirim nicht gekannt, Thargad hätte sich über die Standfestigkeit des Zwerg gewundert.
Jørgen tat sich mit dem Schildwächter ziemlich schwer. Er legte alle Kraft in seine Schläge, aber das Konstrukt konnte einiges wegstecken. Es lief an dem Paladin vorbei und folgte weiter demjenigen, der seine Herrin angegriffen hatte: Thargad. Der Schildwächter holte aus und schlug zu, und diesmal konnte Thargad nur noch abrollen, nicht ausweichen. Der Schurke fühlte, wie die steinerne Faust seinen Brustkorb verbeulte. Er spuckte einen Splitter aus. Thamior ließ sich derweil Zeit und feuerte genüsslich seine Pfeile in den Körper des gelähmten Ogermagus.
Dirim schlug nach dem Mantelgespenst. Es fühlte sich an, als schlüge er durch Eiweiß, so wenig Widerstand leistete die Form des körperlosen Umtoten. Das Gespenst konterte mit einem weiteren Schlag, aber Dirim widerstand dem Angriff erneut. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Thargad einen Fehler in seiner Deckung machte. Der Schildwächter nutzte die Gelegenheit sofort und schlug zu. Thargad wich im letzten Moment aus, packte Adrick Garthun an den Schultern und katapultierte sich über ihn hinweg, tauschte mit ihm die Plätze, sodass der Zwerg mitten in den Schlag gestoßen wurde. Garthun stolperte zurück.
Todeshauch und
Funke warteten schon auf ihn, zum Schlag erhoben wie zwei Schlangenköpfe. Gleichzeitig fuhren sie nieder und bohrten sich tief zu beiden Seiten des zwergischen Halses. Adrick Garthun gurgelte seine letzten, unverständlichen Worte, dann brach er zusammen.
Zarn Kyass der Blaue stand inzwischen in einer Lache seines eigenen Blutes. Nur der Effekt von Dirims Zauber und Zarns eigene Regenerationsfähigkeit hielten ihn auf den Beinen. Thamior hatte genug von dem Riesen und wandte sich wieder dem Mantelgeist zu. Spannen, schießen, spannen, schießen, spannen, schießen, spannen, schießen. Der erste Pfeil segelte noch hindurch, die anderen drei Schüsse aber verletzten das Gespenst, wenn auch schwach. Die Kreatur wandte sich von Dirim ab und dem Elfen zu. Dirim atmete durch. Er fasste
Schuldspruch fester und sah sich um. Die Vampirin stand noch, das Gespenst und das Konstrukt, und irgendwo waren noch zwei Unsichtbare. Außerdem vier festgehaltene Gegner. Unsichtbare...
»
Zauberei – hinfort!« Die Bannwelle lief durch den Raum und suchte Opfer. Khyron Knochenschwur hatte sich gerade erst vor Angriffszaubern geschützt, als dieser Schutz auch schon wieder von ihm genommen wurde. Vervil Aschenmantel hingegen wurde wieder sichtbar. Bevor der Tiefling die Situation erkannt hatte, machte Jørgen einen Schritt um den Schildwächter herum und trieb
Läuterung tief in die Seite des Hexenmeisters. Vervil Aschenmantel keuchte auf und, schwer verletzt und ohne Augenlicht, ergriff ebenfalls die Flucht. Mit zitternden Fingern formte er die nötigen Gesten und teleportierte davon.
Spoiler (Anzeigen)Hier gab es einen kurzen Moment des Schreckens als ich annahm, das "heilige Wort" ließe sich ebenfalls bannen. Aber Effekt: Instantaneous, also Glück gehabt – oder schade, je nachdem.
Thamior feuerte weiter auf die untote Kreatur vor ihm, aber wie viele Pfeile er auch verschoss, es schien dem Gespenst kaum etwas auszumachen. Das Gespenst schlug nach ihm, aber Thamior biss die Zähne zusammen und widerstand dem Angriff. Thargad schlug dem Schildwächter eine weitere Kerbe aus dem Körper. Er hatte
Funke gegen sein namenloses Schwert eingetauscht, weil die Energiewaffe tote Materie ignorierte, und das Konstrukt nur aus solcher Matiere bestand. Jørgen tat ebenfalls sein Bestes, aber ein Ende des Konstrukts war nicht abzusehen.
So wogte der Kampf für einige Augenblicke. Jørgen und Thargad schlugen auf den Schildwächter ein. Der Schildwächter wiederum verpasste sowohl Thargad ein paar Beulen als auch Jørgen eine gebrochene Rippe. Annastrianna sang ein
Kampflied und ließ Pfeil um Pfeil auf ihrer Sehne entstehen, die Thamior in oder durch den Untoten schickte. Das Gespenst wiederum, auch noch von Dirim mit
Schuldspruch bedrängt, versuchte Mal um Mal, Thamior die Lebensenergie auszusaugen. Es war ein mühsamer, langwieriger Tanz, und wenn Thargad hätte schwitzen können, wären alle Kettenbrecher schweißbedeckt gewesen. So anstrengend Kämpfe auch waren, meist waren sie in wenigen Augenblicken vorbei. Hier nicht. Dann endete der Blindheitseffekt von Dirims Zauber, und Khyron Knochenschwur – immer noch unsichtbar – und Elayne konnten wieder sehen.
Elayne bleckte ihre Zähne. Sie ging in die Knie, dann sprang sie aus dem Stand sechs Meter durch den Raum und kam direkt vor Dirim zum Stehen. »Jetzt wirst du sterben, Zwerg.«
Dirim hielt ihr Tyrs heiliges Symbol entgegen. »
Verzieh dich!« Dirims Glaube wurde zu einer Ramme, die Elayne in die Magengrube fuhr und sie beinahe umwarf. Die Vampirin war nur noch von einem Gedanken besessen – weg hier. Instinktiv warf sie sich herum und floh durch die nächstbeste Tür in die Bibliothek. Das Mantelgespenst ließ im selben Augenblick von Thamior ab und folgte seiner Herrin. Thamior feuerte noch zwei Pfeile ab, bevor es außer Sicht war. Elf und Zwerg sahen sich an, dann zu Jørgen und Thamior, die weiterhin gegen den Schildwächter kämpften. Kurz waren sie unentschlossen. Dann drehte Dirim sich um und ging zu seinen Gefährten, und Thamior folgte den Untoten, den Bogen gespannt.
Der einzige Ausweg aus der Bibliothek waren die Fenster, und am hellichten Tag war das für Elayne keine Alternative. Thamior erahnte die kauernde Gestalt der Vampirin hinter dem letzten Buchregal. Davor, bedrohlich die Arme ausgebreitet, schwebte das Mantelgespenst.
»Du schon wieder«, fluchte Thamior und spannte den Bogen zum gefühlten hundertsten Mal.
Der verdammte Schildwächter wollte nicht kaputt gehen. Nur am Rande merkten Jørgen und Thargad, wie Dirim die Vampirin verjagte und Thamior ihr folgte. Sie hatten genug zu tun, und jede Sekunde, die sie mit dem Konstrukt verbrachten, brachte sie dem Ende von Dirims Zauber näher. Neben dem heilenden Ogermagus warteten immer noch zwei Zwergenkrieger und ein Elfenmagier auf ihren Einsatz. Darum war keiner von beiden unglücklich, als sich Dirim zu ihnen gesellte.
Schuldspruch krachte gegen das Bein des Konstruktes.
Plötzlich spürte Thargad eine Präsenz hinter sich. Er wirbelte herum, gerade noch rechtzeitig, um Khyron Knochenschwur zu sehen, der ihm die Hand auf die Brust presste. »
Stirb!«, zischte der Kleriker. Thargad spürte, wie dunkle Energie in ihm zu wirken begann, sein Leben zusammenpresste, es zu einem winzigen Ball formte und drohte, es auszuquetschen. Der Atem stockte ihm. Aber die Macht des Zaubers reichte nicht aus, und blitzartig dehnte sich der Ball wieder und füllte Thargad aus. Khyrons Todesgriff hatte nicht gefruchtet. Thargad holte tief Luft – ein gutes Gefühl. In diesem Moment brüllte Jørgen und schwang
Läuterung mit aller Kraft gegen den Schildwächter. »Jetzt.« Ein großer Brocken splitterte ab. »Ist.« Jørgen vergrößerte die Kerbe. »Schluss!« Ein Überkopfhieb trieb das Schwert halb durch den Steinkörper. Der Schildwächter zitterte, aber er stand noch. Dann schlug Dirim
Schuldspruch mit der flachen Seite gegen
Läuterung. Die Waffen vibrierten von dem Aufprall, und
Läuterungs Vibration setzte sich durch den Schildwächter fort. Er zerfiel zu Staub.
Jørgen atmete schwer. Er holte tief Luft und sah Khyron Knochenschwur an, dann Dirim und Thargad. »Ihr schafft das schon«, sagte er und drehte sich um. »Ich kümmere mich um den Vampir.«
Thamiors Fingerspitzen schmerzten wie bei seiner ersten Übungsstunde. Nur mit dem Unterschied, dass er damals nicht mal halb so viele Pfeile abgeschossen hatte wie heute. Immer wieder flogen seine Geschosse gegen das Gespenst, dass weder sterben noch von der Seite seiner Herrin weichen wollte. Er hatte wirklich die Nase voll. Bei diesen Viechern wusste man nicht einmal, wie verletzt die waren. Aus dem Hintergrund hörte er schwere Schritte. Jørgen kam ihm zu Hilfe. Thamior biss sich auf die Lippen. Der Paladin würde das Gespenst nicht bekommen; das war sein Gegner. Mit leichter Resignation aktivierte er Annas
Seelenfeuer. Der Bogen leuchtete auf, und als er ihn spannte, erschien ein gleißend weißer Pfeil auf der Sehne. Hoffentlich war das nicht vergebens. Der erste Pfeil flog — durch das Gespenst hindurch. Dem zweiten Pfeil wich die Kreatur sogar aus. Unglaublich. Der dritte Pfeil traf, und das Geschoss zog einen grauen Schleier hinter sich her. Irrte sich Thamior, oder wirkte das Gespenst jetzt unwirklicher? Einen Pfeil hatte er noch. Er blickte dahin, wo er das Gesicht des Untoten vermutete und zielte. Er öffnete den Mund, zögerte, dann schloss er ihn wieder. Ihm fiel kein guter Spruch ein. Auch egal. Er ließ die Sehne los, und der Pfeil flog genau dorthin, wo er hingesollt hatte. Das Gespenst zerfiel in einzelne Rauchfäden, die zu Boden fielen. Noch bevor sie ihn berührten, hatten sie sich in Luft aufgelöst.
Dirim riss
Seelenblick hoch und blockte den Schlag, der für Thargad gedacht gewesen war. Khyron Knochenschwur brüllte frustiert. Thargad drehte sich unter dem Schild durch und in den Rücken des Klerikers. Er hielt
Todeshauch mit der Klinge an seinen Unterarm gepresst und schnitt Khyron aus der Drehung über die Kniekehle. Blut quoll hervor, und der Kleriker strauchelte. Dirim hatte aufgepasst und schlug ihm den Schild vor die Brust. Khyron strauchelte, dann fiel er. Thargad sah den Rücken des Klerikers kommen und reagierte sofort. Anstatt ihn abzufangen, ließ sich der Schurke auf den Boden fallen und trat noch einmal in die verletzte Kniekehle. Gleichzeitig stemmte er beide Kurzschwerter gegen den Boden und ließ sie wie die Spitzen einer Fallgrube stehen. Khyrons Standbein wurde ihm unter dem Körper weggetreten. Er fiel wie ein Sack Reis.
Funke und
Todeshauch spießten den Kleriker auf. Langsam ruckte Khyrons zuckender Körper die Klingen entlang. Blut tropfte auf Thargad wie in einem höllischen Gewitter. Thargad wartete, bis der Körper die Parierstanden erreicht hatte. Dann erst rollte er den Körper herum und stand auf. Er blickte auf die Leiche herab.
»Stirb doch selbst«, sagte er kalt.
Dirim hatte sich gezwungen, die Szene bis zu ihrem Ende anzusehen. »Zu der Vampirin«, sagte er bestimmt.
»Und was ist mit denen?«, fragte Thargad. Er ging zu Melagorn dem festgehaltenen Verräter, deutete aber gleichzeitig mit ausschweifendem Schwertarm auf die beiden Zwergenkrieger. »Die leben noch.«
»Sie sind momentan keine Gefahr. Die Vampirin ist wichtiger.«
Thargad legte den Kopf schief. Dann sagte er: »Sie könnten aufwachen«, und trieb
Todeshauch durch Melagorns Herz. Der Körper des Elfen wurde schlaff, aber zur Vorsicht stach ihm Thargad noch einmal ins Gesicht.
»Halt!«, rief Dirim. »Wir müssen sie jetzt nicht töten. Sie werden einen Prozess erhalten.«
Thargad schlenderte zu den Zwergen. »Sie sind schuldig. Das Urteil lautet Tod. Warum warten?«
Dirim fasste sein heiliges Symbol. »Thargad«, warnte er. »Ich habe noch eine Klingenbarriere vorbereitet.«
Der Schurke sah Dirim an. »Ach komm«, sagte er. »Die sind doch bereits tot. Außerdem würde ich den Klingen ausweichen. Lass mich einfach machen.« Er ging in die Hocke und lehnte sich auf das hintere Bein. Sein Schwertarm holte aus, sodass
Todeshauch auf Augenhöhe zum Stich bereit war.
Dirim schluckte. Täuschte er sich, oder konnte er Panik in den Augen der festgehaltenen, hilflosen Zwerge sehen? Andererseits hatte Thargad Recht. Ihre Schuld war so bewiesen, wie man etwas beweisen konnte. Wo war der Unterschied zwischen einer jetzigen Vollstreckung oder einer späteren? Auch auf dem Schafott waren die Opfer gefesselt. Dirim schlug die Augen nieder. Er hörte, wie Thargad aus seiner Position schnellte, wie Adamantit durch Stahl und Haut drang, wie Blut auf den Boden tropfte. Ohne sich noch einmal umzusehen, ging er in die Bibliothek.
Thargad sah Dirim nach. Auf seinem künstlichen Gesicht zeigten sich keine Gefühle, und seine Augen waren starr. Schließlich kam ihm seine Aufgabe wieder zu Bewusstsein. Er legte die Spitze seines Kurzschwerts an das Kinn des letzten Zwerges, und mit einem Ruck trieb er ihm die Waffe ins Hirn. Er steckte die Schwerter weg und sah an sich herab. Er war voller Blut. Er betrachtete den Ogermagus, dessen Wunden sich langsam schlossen. Thargad breitete die Arme aus und ging auf Zarn Kyass zu. Im Gehen aktivierte er die
Scharlachrote Rüstung und entflammte. Das Blut verdampfte zischend. Thargad blieb vor dem Ogermagus stehen. »Du Armer bist der Letzte der Verschwörer. Alle anderen sind tot oder geflohen.« Er schüttelte den Kopf. »Komm her und lass dich drücken.« Er schlang seine brennenden Arme um den Oger.
Thamior hielt den Bogen gespannt und beobachtete, wie Jørgen sich Elayne näherte. Die Vampirin kauerte immer noch in der Ecke der Bibliothek. Jørgen war auf Täuschung gefasst, als er
Läuterung zum Schlag hob und auch, als er zuschlug. Aber die Vampirin versuchte gerade, dem Schlag auszuweichen, und ging nicht zum Gegenangriff über. Grimmig machten Jørgen und Thamior sich daran, Elayne totzuschlagen. Jørgen schlug nach ihr, und wenn er abließ, feuerte Thamior Pfeile in die Lücke. Es war mühsame, langwierige Arbeit, aber sie musste getan werden.
Dirim betrat die Bibliothek und erfasste die Situation mit einem Blick. Elayne war bestimmt schon schwer verletzt, und Thamior und Jørgen hatten die Sache im Griff. Aber Dirim hatte bislang nur das Konstrukt gefällt, und auch das nur, weil Jørgen eine Winzigkeit zu schlecht getroffen hatte. Und da draußen war Thargad und tötete die hilflosen Zwerge gegen Dirims Wunsch, und überhaupt hatten sie den Kampf nur so gut überstanden, weil er das heilige Wort gesprochen hatte. Er wollte es sein, der Elayne tötete. Er dachte daran, wie Jørgen Vitriss Bale getötet hatte, und den Hofnarren. Ihm kam eine
Idee. Mit einem kurzen Spruch füllte sich seine Hand mit Lebensenergie. Er sah, wie Thamior sich umdrehte. Jørgen hielt in seinen Hieben inne und sah sich ebenfalls um. Sehr gut, sie machten ihm Platz. Er holte aus und schleuderte den Zauber.
»Nein!«, rief Thamior. Dirims Zauber schoss auf die Vampirin zu traf sie mitten auf der Brust. Ihr Körper zerbarst und verwandelte sich in eine große Staubwolke. Die Staubwolke driftete durch die Buchregale, hielt dann inne, und verschwand plötzlich in einer Ritze im Boden.
»Was denn?«, fragte Dirim.
»Und wenn der Zauber stark genug gewesen wäre?«, fragte Thamior.
»Und? Mein Angriff hätte die Vertreibung nicht gebrochen.«
»Oh«, sagte Thamior. »Natürlich nicht. Das wusste ich.«
»Wir müssen ihr hinterher«, meinte Jørgen. »Wenn sie ihren Sarg erreicht...«
»Ich mache das«, sagte der Elf. Er lief durch den Versammlungsraum, schenkte Thargad allenfalls einen Seitenblick, und lief die Treppe hinunter. Jørgen blieb vor dem Spalt im Boden stehen, zur Sicherheit. Thamior erreichte das Ergeschoss und sah mit erstauntem Blick, wie sich die Staubwolke einem Fenster näherte. Sie driftete ins Sonnenlicht und fing Feuer. In wenigen Sekunden war es vorbei, und von der Vampirin war nur mehr eine Handvoll Asche über. Kopfschüttelnd ging Thamior wieder zu seinen Gefährten zurück.
»Sie hat sich umgebracht.«
Dirim runzelte die Stirn, aber Jørgen nickte. »Wenn sie ohne Sarg und Heimaterde hergekommen ist, war sie hier gefangen. In wenigen Stunden hätte sie sich ohnehin aufgelöst, und bei Tageslicht kam sie hier nicht raus. Sie dachte wohl, sie wäre hier sicher.«
»Falsch gedacht«, sagte Thamior.
»Sie hat eben nicht mit den Kettenbrechern gerechnet«, sagte Dirim.
»Stimmt«, sagte Jørgen. »Also: diese Feier ist vorbei. Aber da ist immer noch die Sache mit dem Lathandertempel, mit Jenya und Beregard im Gefängnis, und dem Anschlag gegen Meerthan.«
»Außerdem bin ich ziemlich ausgezaubert«, sagte Dirim.
»Es ist gerade mal Mittag«, sagte Thamior.
»Trotzdem.«
»Na ja«, sagte Thargad. Er hatte bereits begonnen, die Leichen nach Wertsachen zu durchsuchen. »Die Frage ist doch, können wir uns eine Pause leisten?«
»Das ist die Frage«, sagte Jørgen. »Und die Antwort?«
Alle sahen Dirim an. Der strich sich den Bart. Er hatte kaum noch Gebete, vor allem kaum mächtige Gebete mehr. Aber Beregard und Jenya saßen fest, und Vlaathu hatte nicht nur irgendetwas vor, sondern würde durch Thirifane Rhiavadi gewarnt werden. Wenn sie andererseits ins Feld zögen, ohne ausgeruht zu sein, war es wahrscheinlicher, dass ihnen etwas zustöße. Und überhaupt – konnte er als Tyrpriester gegen die Stadtwache ziehen?
»Sehen wir uns hier erst einmal um«, sagte er schließlich. »Warten wir ab, was wir finden, und bis Boras dazugekommen ist. Dann entscheiden wir.«
Jørgen nickte. »Damit kann ich leben. Fürs Erste.«