Autor Thema: Athkatla: Erleben und Sterben  (Gelesen 3034 mal)

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Grindlorn

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    • Enwe Karadâs
Athkatla: Erleben und Sterben
« am: 10. Juli 2007, 14:42:05 »
Ich habe für mich, und meine Gruppe, überlegt, ein Teil der Geschehnisse niederzuschreiben, damit wir uns dran erinnern können und uns an längst vergangene Spielabende erinnern können. Gleichzeitig versuche ich damit auch euch zu erfreuen.

Spoiler (Anzeigen)



Danksagungen im Voraus:

Ich möchte im Vorfeld mehreren Leuten danken.
Zum einen meiner Spielgruppe, die inzwischen nur noch zwei Mann umfasst in dieser Kampagne, allerdings seit drei Jahren tapfer die Kampagne durchsteht.
Zechi, für seine ausgezeichnete Storyhour, die mich stark inspiriert hat.
Den Spielentwickler von Baldurs Gate II, die mich ebenfalls stark inspiriert haben.
Und allen Kritikern, die sich mit meiner Schrift auseinandersetzen werden.

Vorwort:

Ich werde euch zunächst die Wanderchroniken präsentieren. Sie spielen bereits zu einem stark fortgeschrittenem Datum, nämlich im Jahr 1396 TZ.
Durch den Einsatz eines mächtigen Artefaktes, wurden die Spielercharaktere ihrer Seelen beraubt, Seelenräuber war Artemis Entreri, der scheinbar mit dem neuen Nachtkönig Westtors zusammenarbeitet. Ihnen wurde die Mitteilung gemacht, dass sie nur neun Zehntage Zeit haben, ihre Seelen zurückzugewinnen. Der Anführer der verhüllten Magier sandte sie von Athkatla nach Westtor aus, um sich dem neuen mächtigen Feind zu stellen und ihre Leben zu retten. Dabei ist die Rolle des Khollynnus genauso so schleierhaft, wie die Machtergreifung Astagans. Als sie Westtor erreichen, sehen sie, dass es dort in ewiger Nacht ist. Ein Mythal der ewigen Nacht umschließt die Stadt und alte Erinnerungen werden wach...

Die sechs Epistulae umschreiben eben sechs Briefe, die sie bei der Ankunft in Westtor in der Tasche hatten, ohne dass sie davon wussten. Es geht um den Wanderer, und seine Machtergreifung und seine Randtaten in Bezug auf Freunde und Feinde.

Damit werde ich die Geschichte einleiten, mit dem momentanen Stand der Geschichte werde ich beginnen. Dann werde ich die Geschichte bis zum diesem schicksalhaften Punkt innerhalb der nächsten Wochen aufrollen, bis dahin könnte die Geschichte fortgesetzt sein, die wegen Bund und Vaterland etwas pausieren muss.

Startdatum wird der 1. Mirtul 1372TZ, Ingame ist also einiges an Zeit verstrichen. Ich habe mir das Recht genommen, von meiner Spielleiterfreiheit Gebrauch zu machen und hab einige Dinge geändert und leicht dem PC-Spiel Baldurs Gate II angepasst. Aber keine Sorge, ich habe bloß Atmosphäre und Stadtaufbau und drei bis vier Charaktere übernommen, nicht die Story.
Die Kampagne umfasst eine handvoll Leitmotive: Unter anderem Intrigen, Schatten und Gilden. Sie spielt mit der Ausnahme Westtor fast ausschließlich in Athkatla, ist also eine Stadtkampagne.

Und nun viel Spaß mit der Geschichte.

Epistula I


„Wandern ist die vollkommenste Art der Fortbewegung, wenn man das wahre Leben entdecken will. Es ist der Weg in die Freiheit.“ - Elizabeth von Arnim

Schwerer Nebel wob ein fesselndes Band zusammen mit den Schatten, zusammen mit der Nacht. Die feuchten Stiefel gaben schmatzende Geräusche von sich, als sie das dreckige Kopfsteinpflaster berührten, alles andere schien der Nebel zu verschlucken. Eine unbehagliche Stille umgab den Wanderer, die ihn an seinem Vorhaben zweifeln ließ, ihn mit einer Gänsehaut überzog und ihn eine Furcht spüren ließ, die er niemals zuvor zu spüren vermochte. Nervös tastete er über seinen grotesk wirkenden Dolch, der aus puren Schatten zu bestehen schien. Schatten, die den Dolch lechzend umspielten und ihn doch zu fester Materie zu vereinen schien. Leicht kitzelnd, aber kalt wie Eis, umspielten die Schatten seine vernarbte rechte Hand und der Wanderer zwang sich ein Lächeln ab, als sich große, von Nebel und Schatten verhüllte Gebäude aus dem grauen Dickicht schälten. Er schob seine rote Kapuze über sein kastanienfarbenes Haupthaar und überprüfte die Schnallen seine Lederrüstung, die genau wie sein Dolch aus diesen merkwürdigen Schatten zu bestehen schien, die ihn umspielten, in Kälte hüllten, aber doch irgendwie feste Materie zu sein schien, da er sie ertasten konnte. Seine Stiefel führten ihn schmatzend durch das Stadttor in die dunkle Stadt, aufmerksam musterte er die beiden Stadtwachen, die bereits tot in ihrem Wachhäuschen lagen. Gezielte Schnitte durch die Kehle hatte beider Leben genommen und es in Kelemvors Waagschale geworfen.
Die dunklen Wolken in seinen Gedanken gingen vorüber, ohne Sturm, und wichen wieder der Zuversicht seines Vorhabens. Zufrieden lachte er leise, denn man hatte seine Ankunft vorbereitet und sie wurde leise vorbereitet, wie er befohlen hatte. Den Dolch umfasste er dennoch nun fester und die Schatten schienen sein Verlangen zu spüren und umspielten nun die ganze Hand und Teile des Unterarms, die Waffe schien mit ihm zu verschmelzen. Seine Füße trugen ihn direkt auf den schwarzen Turm zu, der auf der Klippe über der Stadt lag, denn seine Augen konnte man nicht täuschen, er selbst war ein Kind der Täuschung, er kannte jeden Kniff und er wusste, dass seine Feinde ihn ablenken wollte, obwohl sie seiner nicht einmal gewahr waren. Er hatte Mitleid mit diesen Narren, diesen Einfältigen, doch er hatte keine Geduld mit ihnen. Dies war die Nacht, in der er die Grundfesten dieser Stadt erschüttern würde. Grundfesten, die über Jahrhunderte Bestand hatten, geschaffen von Männern mit Vision, hintergangen von Weibern und am Leben erhalten von glücklichen Narren, denen Tymora treu war, obwohl Beshaba sich ihrer hätte annehmen müssen. Doch was Beshaba nicht beenden konnte, das würde er tun.
Auch die beiden Wachmänner am schwarzen Turm waren bereits erledigt, als er vor der Pforte des Turmes stand. Beide waren ebenso präzise getötet worden, und ein Schauer von plötzlicher Zufriedenheit und Freude durchschoss seinen Körper. Alles, wofür er seit Jahren gearbeitet hatte, funktionierte, der Weg war frei. Doch er verdrängte das Glücksgefühl schnell wieder, auch wenn er es genoss, es nach so langer Zeit wieder zu fühlen, doch er musste sich wieder konzentrieren. Er hörte Schritte, sie kamen von der Treppe des Turms, sie mussten von einem schwer gepanzerten Manne kommen, doch der Wanderer konnte sie nicht sehen. Doch er spürte keine Furcht, so verband er sich mit den Schatten, wurde geradezu von ihnen verschlungen. Er wartete.
Ein Hüne von fast sieben Fuß war die Treppe hinunter gekommen, zähes Blut troff an seinem Zweihänder herunter. Von einer einfachen Ritterrüstung und einem Topfhelm verhüllt, vermochte der Wanderer nicht zu erkennen, wer sich unter der Rüstung befand. Doch der Wanderer vermochte zu erkennen, dass man ihn erwartete, denn seine Vorhut musste auf den letzten Metern gescheitert sein, denn dieser Riese gehörte nicht zu seinen Männern.
Trotz des schweren Nebels hörte der Wanderer den Riesen schnaufen, der Kampf konnte noch nicht allzu lange her sein und das Ungetüm von Rüstung schien innezuhalten, um sich einen Moment auszuruhen. Ein verheerender Fehler, denn dies ließ dem Wanderer die Möglichkeit nach einer Schwachstelle in der Rüstung seines Feindes zu suchen. Und die braunen Augen des Wanderers erkannte das fehlende Stück Eisen an der rechten Niere und so stürzte er sich aus den Schatten auf den Riesen.
Es bedurfte nur eines Stiches mit dem Dolch und der Wanderer hatte die Niere durchstochen und mindestens noch Magen und Darm verletzt. Schwer verwundet und vor Schmerzen ging der Riese in die Knie und presste seine Hand auf die stark blutende Wunde.
Der Wanderer wusste, dass sein Gegner sterben würde, entweder am Blutverlust durch die Nierenverwundung oder hatte der Körper würde seinen Dienst versagen, weil er genug Organe verletzt hatte; und noch bevor der leise weinende Riese auf dem Boden aufgeschlagen war, hatte der Wanderer bereits, von Schatten umhüllt, den schwarzen Turm betreten.
Das Innere des Turmes war nicht illuminiert, doch konnte der Wanderer sich dort zurecht finden, er wusste, dass er beobachtet wurde und dennoch ging er strikt auf die Treppe zu und ging die Rundtreppe hoch bis zum obersten Stockwerk. Den Facettenreichtum des Turmes konnte der Wanderer nicht erkennen, für ihn war es nur ein matter Turm, ohne jegliche Verschnörkelung. Doch das Augenpaar, das ihn beobachte, sah die ganze Pracht des Turmes, die Bilder, aus Blut gemalt, die Statuetten, aus Knochen gefertigt, die vielen Farben an den komplizierten Mustern an den Wänden, auf dem Boden, an der Decke und selbst an der Treppe. Alle Kunstwerke preisten die Schöpfer dieses Turms und die wahren Herren dieser Stadt, auf deren Rücken die Stadt, obwohl Pfuhl des Bösen, solange überleben konnte. Doch der Wanderer konnte diese Pracht nicht sehen, wie kein Sterblicher sie sehen konnte.
Jedoch das Ziel des Wanderers konnte es. Das Ziel saß seelenruhig auf seinem scheinbar matten, schwarzen Thron, der eigentlich ein knochenweißer Thron war, aus den Knochen der Feinde der Stadt gefertigt. Der Wanderer hatte von solcher Pracht im Turm gehört, aber er wollte sie gar nicht entschlüsseln, denn deren Entschlüsselung würde ihn nur ablenken, und er ließ sich nicht ablenken, nicht jetzt. Ein stolz sitzender Mann, weißhaarig, in blauschwarze Gewänder gehüllt, schaute den Wanderer höhnisch an und nahm einen Schluck aus einem elfenbeinernen Kelch, den er in seiner rechten Hand hielt und danach auf der Thronlehne abstellte.
»Und? Bist du nun gekommen, um mich zu töten, Sterblicher? «, der weißhaarige Mann lachte laut auf und der Wanderer spürte die Anwesenheit einer weiteren Person nun noch deutlicher als zuvor, feiner Duft streichelte seine Nase, die sich weitete als er den Duft tief einatmete. Es war ein feiner Duft, vielleicht von Rosenblättern, das bedeutete, dass die Person im Schatten eine Frau war.
»Spar dir deinen Hohn, Spitzzahn, in der Seelenmauer hilft dir dein Hohn und Spott auch nicht mehr, darum ist es an mir zu spotten.«, antwortete der Wanderer ruhig, ohne die Augen vom Mann auf dem Thron zu lassen, den die Aussage ein wenig einschüchterte; wie konnte sich dieser Sterbliche seines Sieges so sicher sein?
»Du weißt nicht, worauf du dich einlässt, Sterblicher! Ich werde dich vertilgen, wie Mulhorand Unther vertilgt hat! «
Der Wanderer spürte, dass der Unsterbliche, wie er sich wohl nennen würde, versuchte Zeit zu schinden, sonst hätte er sofort zu seinem Schwert gegriffen. Ein Erbschwert, soweit der Wanderer es beurteilen konnte, das Zeichen eines der Familien der Stadt am Heft und am Pommel, schön gefertigt, aber wahrscheinlich mehr Zierde als Waffe. Aber er spürte auch, dass sich die weibliche Person nähern musste, denn obwohl er sie weder sehen, noch hören konnte, nahm er den stärker werdenden Duft wahr. Dieses Spiel wollte der Weißhaarige also spielen.
Mit einem höhnischen Lachen schälte sich der Wanderer aus den Schatten, die ihn zum Teil verhüllten und offenbarte sich komplett. In seinem scheinbaren Übermut, rückte er sogar noch seine Hose zurecht und band den Gürtel mit der linken Hand neu, was dem Weißhaarigen kalten Schweiß auf die Stirn trieb und den Zorn in die Augen, was der Wanderer bemerkte.
»Ihr seid wie Raubtiere, katzenartig, doch versteht ihr nicht, dass es eine zweite Gattung Raubtiere gibt, die hundeartigen. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass die katzenartigen Raubtiere ihrem Opfer auflauern und versuchen es schnell zu erledigen, während die hundeartigen Raubtiere Hetzjäger sind, die nicht von ihrem Opfer lassen, bis es erlegt ist. «
Die Worte des Wanderers verunsicherten den Weißhaarigen noch mehr, der seinen Zorn nun gar nicht mehr verbergen konnte und unsicher wurde. Er nahm einen hastigen Schluck aus dem Elfenbeinkelch, der mit roten Blutsteinen verziert war und stellte ihn wieder ab, danach griff er zu seinem Langschwert, welches an seinem Thron lehnte. Der Wanderer spürte trotz seines überlegenen Auftritts eine tiefe Anspannung, denn der Geruch von Rosenblüten stieg ihm noch stärker in die Nase, weit konnte die Frau nicht mehr entfernt sein.
»Die katzenartigen Raubtiere sind aber die erfolgreicheren…«, in den Worten des Spitzzahnes steckte keine Überzeugung mehr, eher blinde Wut, die er zu unterdrücken versuchte. Der Wanderer wusste, dass er fast gesiegt hatte, denn er hatte den Spitzzahn seit Jahren gejagt, gehetzt und sein Opfer wusste dies genau, er wusste, dass dieser Tag hatte kommen müssen. Der Spitzzähnige blickte über die Schulter des Wanderers und jener wusste sofort, anhand der Intensität des Duftes, als auch dank des Blickes des Spitzzahns, dass die Frau direkt hinter ihm war und dennoch rührte er sich nicht, er begann nur zu lachen.
Die schwarzhaarige Frau stockte ihn ihrer Ausholbewegung mit dem Stoßdolch, den sie sich angelegt hatte, als sie bemerkte, dass der Wanderer die Stadt betreten hatte. Das Lachen, es lähmte ihr Mark und Bein. Eine lockige, schwarze Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht und kitzelte groteskerweise ihr schönes Antlitz. Sie hatten braune Rehaugen, schwarzes lockiges Haar und war hochgewachsen für eine Frau, doch sie war wunderschön. Ihre Lippen waren blutrot und ihre Haut porzellanfarben, ihre Figur war einfach atemberaubend und ihre schwarzes Gewand, welches zum Teil aus Brokat, zum anderen Teil aus Samt war, unterstrich ihre schöne, schmale Figur nur noch.
Sie hielt sich Zeit ihres Lebens für eiskalt, doch nun hatte sie Zweifel, ob sie töten könne und bei Shar, sie hatte viele Adern gelassen, viele Feinde in die Seelenmauer verbannt oder zu ihrem Schöpfer geschickt, doch diesmal war es anders.
Der weißhaarige Mann begann zu zittern, als seine Konkubine und mächtigste Verbündete den Feind nicht zu erschlagen vermochte und seine Wut wich blanker Angst.
Polternd fiel das Langschwert zu Boden und noch bevor das Scheppernd verklungen war, ertönte Wolfsgeheule in dem Thronsaal, welches durch Mark und Bein ging und die wunderschöne Frau und den weißhaarigen in die Knie brechen ließ. Noch bevor der Weißhaarige mit dem ersten Knie den Boden berührt hatte, durch bohrte ein Pflock seine linke Brust und wurde getrieben bis in sein kaltes Herz. Mit ängstlichem und verstörtem Blick starrte er den Wanderer an, der die Erbklinge des Weißhaarigen nahm. Das Letzte, was der weißhaarige Mann sah, war, dass der Wanderer ausholte…
Die schwarzhaarige Frau ging ganz zu Boden vor Furcht und Faszination, als ein weißhaariger Kopf neben ihr aufschlug und das Blut ihre porzellanfarbene Haut tränkte. Als sie den Kopf hochnahm, sprach der Wanderer sie an, der den Elfenbeinkelch an sich genommen hatte.
»Reiß diesen Turm ab, ich habe nicht viel übrig für euren Dilettantismus. Dieser Dimorphismus muss verschwinden. Bau an seiner statt einen Tempel zu Ehren deiner Göttin und diene ihr besser, als ihm dientest. Und nun fang an, Weib! «
Seit Jahren war sie die mächtigste Frau in dieser Stadt und nun strafte ein fremder Wanderer sie und gab ihr Befehle. Aber irgendwas hinderte sie daran, sich zu wehren. Sie wünschte sich, sie hätte ihn getötet und an seinem Lächeln sah sie, dass er wusste, dass sie sich jenes wünschte. Und sie wusste auch, dass sie ihm dienen würde…
Der Wanderer ging mit dem Kelch in der Hand hinunter in die Stadt, berauscht vom Glück wusste er nur eins: Heute war dieser Tag!
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Johann Wolfgang von Goethe

Grindlorn

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    • Enwe Karadâs
Athkatla: Erleben und Sterben
« Antwort #1 am: 11. Juli 2007, 21:50:50 »
Ich hoffe, die Lektüre des ersten Briefes hat Spaß gemacht. Der zweite Brief ist etwas informativer vom Reingehalt her, und weniger mysteriös. Dahinter steckt natürlich ein Sinn.
Viel Spaß bei dem zweiten Brief:

Epistula 2

„Am Anfang steht das Ende, am Ende steht der Anfang.
Dies waren die Worte, die mein Meister mir an den Kopf warf, als ich aufbegehrte, willens, ihn von seinem Thron zu stoßen, willens ebenso ein Meister der Künste zu werden.
Er lachte mich aus, denn ich war jung, ungeduldig und zu allem bereit und auch darüber lachte mein Meister herzhaft.
Ich müsse erst verstehen, was Freiheit bedeutete, um frei zu sein und ich müsse nicht zu allem bereit sein, denn alles erreichen zu wollen, das funktioniere nicht. Man müsse sich auf eine Sache konzentrieren, um diese erreichen zu können. Wenn man alles versuchte, würde man nichts erreichen. Ich erkannte nicht, dass diese Worte des ersten Satzes Lösung waren. Nicht in den ersten Jahren...“ – Erinnerungen des Wanderers, Tagebuch: Kapitel 1: Die frühste Jugend

Der Wanderer stellte den Blutkelch ab, er hatte sein Ziel erreicht. Die fliegenden Zähne, sie in die Finger zu bekommen, es war nicht der Rede wert, denn Orlak hatte sie in sein Zimmer gelegt, da er diese Waffen gefürchtet hat, die letzten Jahre den Raum nicht mehr betrat. Der Wanderer trat an das einfache Glasfenster, rot getönt, im einfachen Steinhaus. Hier war er geboren wurden, als Sohn der Familie Dugadur. Eine einstöckige Steinhütte, ohne innere Wände, keine 30m² groß, dass war seine Behausung. Er war ein Einzelkind, ein einzelnes Kind, ein einsames Kind. Er erinnerte sich, dass seine Eltern früh getötet wurden und irgendwoher hatte er auch die Erinnerung, dass die Dugadurs die erste Herrscherfamilie Westtors war. Eine Familie glorreicher Paladine, die die Drachen der Drachenküste in die Knie zwangen und dort das westliche Tor an der Drachenküste errichteten. Er war kein Paladin, er war kein strahlender Mann. Im Gegenteil, er lachte nur, wenn er seine Gegner verhöhnte.
Seine Familie war einst eine Herrscherfamilie gewesen und er war als Kind das traurige Erbe, allein gelassen von angeblichen Freunden der Familie, von alten Verbündeten, von den Göttern, denen die Familie huldigte. Er glaubte an keine Götter und manche sagen, dass der Wanderer einstmals drei der Götter traf und sie sich weigerten ihn auszubilden. Andere Quellen wissen auch noch zu berichten, dass er einem wilden Krieger namens Kelemvor den Arm brach und einem weiteren Manne dunkler Herkunft, namens Cyric, sogar die Kehle einritzte, doch dies sind Geschichten, die wohl in die Mythenreihen gehören.
Der Moment gehörte ihm, von einstmals verlassenen Jungen war er inzwischen zum Herr der Vampire aufgestiegen und er war der erste Sterbliche, der Vampire befehligte und er genoss die Vorstellung, dass ein Mensch, nach der Definition der Vampire eine schwache Lebensform, eben jene starke Lebensform und ihre Hauptstadt beherrschte.
Mit einer Hand öffnete er die Truhe, die vor dem Fenster stand und legte den Blutkelch hinein, dann verschloss er die Truhe wieder und legte sich den Schlüssel um den Hals, dessen Bart kompliziert gefertigt war; die Zähne waren auch darin verwahrt. Dann setzte er sich auf einen einfachen lederbespannten Stuhl und schaute aus dem Fenster, unter dem die Truhe stand, beobachtete das Stadttreiben.
Die Vampire streiften durch die Stadt, sich des neuen Königs noch nicht gewahr und sie sollten sich dessen Bedeutung nicht gewahr werden. Noch nicht...
Es klopfte an der Tür und an den darauffolgenden schweren Schritten erkannte der Wanderer, dass man sein Haus ungefragt betrat. Der Wanderer brauchte sich nicht einmal umdrehen, um angesprochen zu werden, so schaute er weiter aus dem Fenster.
„Astagan Dugadur, der Verschollene kehrt zurück und will das nehmen, was er begehrt und seine Familie bis zu ihrem Tod begehrte. Das reicht um das Todesurteil, verhängt von allen euren Feinden, zu vollstrecken, Königsmörder.“, die dunkle Stimme klagte ihn damit an und dem Wanderer wurde klar, wer ihm die Ehre gab.
„Dann musst du Vagdvaraestus sein, der alte Schattendrache Nesserils, gefallener Fürst der Schatten, Verräter an Shar und Maske, Vater der Wankelmütigkeit, Ritter des wechselnden Windes und General Westtors.
Ich hatte gehofft, dein Wankelmut würde mir für den Moment nützen, doch das du dich gegen mich stellen würdest, ehe du mich kennst. Das ist untypisch für deine Art, Drache. Fürchtest du dich vor deinem eigenen Handeln, weil du immer gefallen bist und hast nun Angst, wieder zu lang zu warten?“, Astagan konnte den Spott nicht verbergen, so sehr er sich bemühte und der schwere Ritter zog sein großes Schwert, welches er auf dem Rücken führte und ging zwei schwere Schritte auf den Wanderer zu, wütend ob seiner Dreistigkeit ihn zu duzen und so viel über ihn zu wissen.
„Woher willst du wissen, dass ich ein Drache bin? Würde ich dich dann nicht nun verschlingen?“
Wieder konnte Astagan nur spottend antworten.
„Mühe dich nicht, Drache, du würdest nicht in dieses Haus passen und dir damit nur selbst schaden. Mühe dich ebenso nicht mich mit deinem Schwert anzugreifen.“
Vagdvaraestus tobte, holte mit dem Schwert aus und schlug wild zu, doch bevor das Schwert den Wanderer treffen konnte, war der Stuhl, der im Schatten vor dem Fenster gestanden hatte, verlassen und der Wanderer tauchte hinter dem Drachen auf.
„Wieso wehrt man sich, obwohl man die Worte seines Gegenübers versteht? Vagdvaraestus, wieso? Du bist nun ein weiteres Mal gefallen, dennoch wirst du nicht sterben. Nicht heute, nicht hier. Ich entlasse dich aus deinem Dienst. Gehe zurück in deine Wahlheimat und sinniere darüber, dass du mich hättest besiegen sollen, als du noch die Chance dazu hattest. Aber du weißt auch, dass du zu lange gewartet hattest, abermals. Und deshalb fällst du wieder und wieder. Und auch deshalb sind deine Angriffe auch dermaßen blind.
Lass mich nun allein.“
Astagan schritt unbeeindruckt an Vagdvaraestus vorbei und setzte sich wieder auf seinen einfachen Stuhl, während Vagdvaraestus abermals zuschlug und den Stuhl spaltete, aber den Wanderer nicht traf, denn dieser war wieder hinter ihm erschienen. Der Drache drehte sich in seiner Wut um und wollte Astagan erneut attackieren. Dieser begegnete ihm mit einem müden Lächeln, was den Drachen kurz verunsicherte und diese Verunsicherung reichte. Noch bevor Vagdvaraestus seinen Streich vollenden konnte, ließ ein Schlag auf den Hinterkopf ihn bewusstlos zu Boden gehen. Astagan lächelte seiner neuen Dienerin zu und ließ sie den Drachen nach draußen schaffen. Vagdvaraestus erschien nie wieder, doch der Wanderer wusste, dass Vagdvaraestus ihm diente, ungewollt und ohne dessen Wissen. Sein Hass würde ihn so leiten, wie Astagan ihn brauchte.
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Johann Wolfgang von Goethe

Grindlorn

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    • Enwe Karadâs
Athkatla: Erleben und Sterben
« Antwort #2 am: 13. Juli 2007, 02:47:26 »
Und schon folgt Brief Nummer drei. Erneut viel Spaß beim Lesen.

Epistula 3


„Die Götter sind allmächtig, sagen selbst die Weisen. Doch dann sagt mir, oh ihr Allmächtigen, wieso ging das Land, welches ihr beschützen wolltet, zugrunde, warum seine Leute, alle Gläubigen und alle Relikte? Wenn ihr eure Allmacht beweisen wollt, dann haltet mich auf!“ – Karsus von Nesseril

Trockene Luft durchströmte seine Nase, warm und ein wenig zu trocken für seinen Geschmack. Es war ungewöhnlich für die Frühe des Morgens, normalerweise überzog feiner Tau die Gräser innerhalb und außerhalb Westtors, doch die trockene Luft gefiel ihm und er lächelte selbstverliebt der aufgehenden Sonne entgegen.
Glutrot war sie an diesem Morgen, nur ein seichter Wind kam vom Meer aus nach Westtor. Der Wanderer betrachtete vom Kai der Wacht, an dem das Schutzschiff Westtors lag, das Szenario und wusste, heute war der Tag, an dem die Stadt brennen würde, doch wusste er noch mehr, denn er wusste auch, dass die Stadt danach in die ewige Nacht versinken würde.
Er überblickte das Schutzschiff, welches ruhig neben ihm an seinem Anker lag, dort wo es die letzten zehn Jahre auch gelegen hatte.
„Du sehnst dich nach Freiheit und in dieser Leidenschaft wirst du glühend vergehen.“, der Wanderer tastete über die seitlichen Planken des Schiffes, leicht kitzelte ihn der Geruch trockenen Grases in der Nase. Das ganze Schiff, eine alte Kriegskogge, war beladen mit dem trockenen Gras und Astagan war sich der Entzündlichkeit dieses Schiffes bewusst. Und das Beste war, keine Spur würde zu ihm führen, denn er würde kein Feuer legen. Wer konnte schon wissen, dass die Matrosen halbfeuchtes Gras dort zwischengelagert hatten und nicht bemerkten, dass noch nicht alles getrocknet war. Das brennende Schiff wurde dann den Kontor Urdos zerstören. Gleichzeitig hatte er noch mehrere dieser Grasballen in der Stadt verteilen lassen, der Überernte sei dank, wie er feststellen musste. Überall hatte man das nasse Gras zwischengerollt, um es zur Selbstentzündung zu bringen und ein übernatürlich warmer Tag wie dieser, machte dies erst möglich. Lächelnd schaute er der aufgehenden Sonne entgegen: „O Lathander, wer hätte bis heute gedacht, wie zerstörerisch die Sonne mit ihrer elendigen Hitze ist.“
Der Glaube Lathanders war der letzte Feind des Nachtkönigs, neben dem Adelshaus Urdo, gewesen. Sie waren es auch, die den Einfall der ewigen Nacht verhindern konnten und würden, auch wenn er sich noch nicht die Blöße gegeben hatte, auf den Widerstand zu spekulieren. Doch der junge Hohepriester Lathanders war ein gewitzter Mann, schlagfertig mit Schwert und Feder, und jener erkannte die Motive des Wanderers schnell und versuchte von daher den Fall des immerschwarzen Schleiers zu verhindern und mit der Redegewandtheit und der Intelligenz eines Solaren überzeugte er den Senat von der Theorie des Lichts und der Wichtigkeit der Sonne, doch dank einer List des Wanderers, beschloss der Senat, dass das Licht 30 Tage scheinen müsse, ohne zu schaden und dann 30 Tage Nacht herrsche. Dann würde man abwägen. Natürlich waren die Kleriker Lathanders nicht in der Lage ewigen Sonnenschein zu erzeugen, doch sie wussten auch nicht, dass Astagans Schergen, namentlich Dahlia Vhammos, dazu in der Lage waren der ewigen Nacht wirklich Einzug gewähren zu lassen.
Astagan spürte Schritte hinter sich, hörte die leisen Sohlen, neben lauten Metallstiefeln. Zwei Männer waren hinter ihm und sie waren ihm vertraut. Weneth, die linke Hand des alten Nachtkönigs und seine momentane linke Hand, und sein Söldner, Artemis Entreri.
„Ich verstehe nicht, was die Feuerangriffe auf die Adelshäuser und zwei Wohnviertel bringen sollen. Und warum zünden wir den Himmel des Morgensterns an? Das ergibt keinen Sinn.“, Weneth konnte nicht sehen, dass Astagan ob seiner Worte die Augen zusammenkniff. Der Wanderer konnte sie nicht ausstehen, die Einfältigen. Artemis konnte Astagans Reaktion auch nicht sehen, doch amüsierte er sich über den Erzritter Westtors. Astagan antwortete freundlich: „Hör mir zu Weneth, wir zünden mit dem Überschuss der Ernte die Stadt an, um Lathander vor dem Volk bloß zu stellen. Wenn sie die Gefahr der Sonne und ihrer Gaben sehen, dann wird das Volk für die ewige Nacht stimmen. Wenn der Tempel selbst brennt, können die Lathanderpriester nicht die Frevelei der sündigen Bürger tadeln, da sie selbst brennen und man ihnen dann nicht glauben würde. Ist das verständlich?“
Weneth nickte eilig, obwohl ihm das Vorgehen noch nicht ganz klar war. Er rätselte immer noch, warum der Wanderer Vagdvaraestus hatten ziehen lassen, dabei hatte er Weneth seine persönliche Rache versprochen. Er wurde aus diesem braunäugigen Mann, der aus der Familie Dugadur kam, einfach nicht schlau. So hakte er noch einmal nach: „Was bringt es uns dann, wenn wir Lathander in Ungnade werfen und eine ewige Nacht einkehren lassen?“, sein Versuch seine Frage intelligent zu stellen, misslang gründlich, Artemis konnte es diesmal deutlich erkennen, denn Astagan ballte die Faust, dennoch rang Astagan sich abermals eine freundliche Antwort ab: „Weneth, mein Bester, ich bin der Herrscher der Vampire, warum sollte mich meinem Volk nicht das Beste wollen? Hätte ich nicht gewusst, dass die Lathanderpriester kein ewiges Licht einkehren lassen können, wäre ich nie auf den Senatsbeschluss eingegangen, da ich mein Volk sonst ausgelöscht hätte und mir damit das Fundament meiner Regentschaft genommen hätte.“, Astagan sah Weneths leeren Blick, auch wenn jener so tat, als hätte er verstanden. Astagan fragte sich, wie Orlak der II. diesen Mann ertragen konnte. Er war zwar ein passabler Kämpfer, doch eindeutig eine tumbe Persönlichkeit, und damit war er es nicht wert, einen hohen Posten zu bekleiden.
Am Blick seiner „linken Hand“, erkannte der Wanderer, dass noch mehr Fragen in ihm brannten. Ihm kam eine Idee, er wusste, wie er Weneth, der zu viele Gönner unter den Nachtmenschen und ihrem Gefolge hatte, loswerden konnte, so kam er Weneths Fragen zuvor: „Vagdvaraestus wartet in Athkatla auf dich, Weneth, und ich habe die Idee, wie du an seinen Schergen vorbeikommst. Suche Sharek, er ist ein Kreuzblütler drowscher Herkunft, und Rel, einen maskianischen Vampir, auf, sie können dir bei deiner Jagd auf Vagdvaraestus helfen, aber achte darauf, dass du nicht erwähnst, dass wir in Kontakt stehen. Sharek ist sehr misstrauisch, versuche sein Vertrauen zu gewinnen, und biete Rel etwas Gold und mehr Macht, als Vagdvaraestus ihm geben könnte. So, und nun brech’ auf, du hast dreißig Tage.“
Weneth wusste, dass dies Momente waren, in denen man stillen Abschied nahm von Astagan, ohne ihm noch ein Wort zu entgegnen, so entschwand er schnellen Schrittes. Artemis stellte sich auf die Höhe Astagans und der Wanderer blickte Artemis in die Augen, doch Artemis eröffnete das Gespräch.
„Und, wird deine linke Hand es schaffen, den Drachen zu häuten?“
Astagan antwortete lächelnd: „Wenn es eine Möglichkeit auf dieser Welt gäbe, dass er sich in seiner Unfähigkeit in den entsprechenden Rängen etablieren könnte, würde ich ihn nicht schicken.“, beide lachten einen Moment ungehalten, bevor Astagan wieder ernster wurde.
„Mein Lehrmeister sagte mir immer, dass man dumme Wesen fürchten soll, mehr als andere, denn sie kann man nicht ausrechnen. Weneth ist solch eine Person, aber ich bin guten Mutes, dass Sharek mir diesen Gefallen tun wird, und Weneth töten wird.“
Artemis konnte sich ein weiteres Lachen nicht verkneifen und es begann den Meisterassassinen zu interessieren, welches Interesse Astagan für Sharek hegte, schließlich war Sharek auch ein Meuchelmörder.
„Wieso ist Sharek so wichtig? Ich weiß nicht viel über ihn, aber alleine, dass du deinen Tod vorgetäuscht hast, lässt einiges vermuten.“
Astagan blickte Artemis an, mit dem typischen warmen Blick, dem man nicht so viel Bosheit zutraute, nicht einmal der erfahrene Artemis tat dies.
„Wenn du aus einem Bauern, eine Dame machen kannst, jetzt auf Schach bezogen, würdest du diesen Schritt gehen, wenn er dir zupass kommt, oder würdest du den Läufer deines Feindes schlagen?“
Artemis antwortete nur trocken: „Das kommt auf die Situation an.“
Auch Astagan begann nun zu lächeln, es war vielleicht das ehrlichste Lächeln, welches er je von sich gab: „So langsam verstehen wir uns. An dieser Stelle kommt Rel ins Spiel. Er ist eine Art regulierender Faktor und war mir, obwohl er sich sofort gegen mich entschied, sehr hilfreich in der Vergangenheit, denn er bremst Sharek ein in mancher Vorgehensweise, und das erfreut mich. Natürlich tritt dieses Phänomen auch andersherum auf. Ich habe damit ein Damenpaar auf dem Spielfeld, welches keine überzogenen Züge macht und verhinderte, dass ich geblendet wurde in der Vergangenheit. Artemis, wir werden uns über die beiden noch öfter unterhalten und es wird seinen Zweck nicht verfehlen.“
Artemis nickte und machte auf dem Absatz kehrt und wollte gehen.
„Achja, Artemis, mache Weneth die Reise schwer, damit er nicht in 30 Tagen in Athkatla ist. Das wird ihn davon abhalten, wiederzukehren, selbst wenn er Vagdvaraestus töten sollte. Er kann dann seinen Blutzoll nicht bezahlen und hat in seiner Loyalität den Nachtherren und mir gegenüber versagt. Das wird ihn zudem blenden und sein Tod wird noch wahrscheinlicher.“
Artemis verließ lächelnd das Hafenviertel, das leise Knistern in den Ohren, welches überall in der Stadt aufkam. Leichter Rauch zog an seinem Kopf vorbei und der Geruch von brennendem Fleisch und Holz drang in seine Nase, gepaart mit den leise aufkommenden Schreien der Sterbenden. Die Sonne hatte sich gerade erhoben und jeder Weise in Westtor wusste, sie würde heute in Westtor ein letztes Mal untergehen.
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Johann Wolfgang von Goethe

Grindlorn

  • Mitglied
    • Enwe Karadâs
Athkatla: Erleben und Sterben
« Antwort #3 am: 15. Juli 2007, 18:02:25 »
Und weiter geht es mit der vierten Epistula.
Ein Update der wichtigen Personen kommt im Laufe des Abends.
Die Tage über kommt vielleicht eine genaure Darstellung der Charaktere, um die Charaktere darzustellen. Das kommt allerdings wohl erst dann, sobald der Hauptstrang der Kampagne wieder einsetzt. Also nach den Epistulae.
Und nun bleibt mir abermals nur, euch viel Spaß beim Lesen zu wünschen.

Epistula 4

„Du nennst mich weise? Ich bin doch nur ein Grünschnabel unter all den mächtigen Eichen.“
- Corvalar Duhnmann, Erzdruide des Eichenzirkels

Dichter Nebel drang durch das offene Fenster und floss gen Holzboden, das leise Weinen Selûnes Kinder war in der Entfernung zu hören. Der Wanderer saß vor der verschlossenen Truhe auf einem einfachen, lederbespannten Holzstuhl und starrte in die undurchdringliche Nacht hinaus.
„Hast du keine Angst ganz alleine hier, abgeschottet von allen Lebenden, zwischen den ganzen Toten?“, hauchte eine samtweiche Stimme zärtlich in sein Ohr und Astagan musste sich wirklich eingestehen, dass sie ihn überrascht hatte, doch er zeigte dies nicht. Er hatte seine Affekte und Reflexe gut unter Kontrolle, wie kaum ein anderer Sterblicher, was Dahlia innerlich quittieren musste, denn seine Ruhe verunsicherte sie und gab ihr das Gefühl, abermals ertappt worden zu sein.
„Nein, ich fürchte keinen Nachtmenschen. Wenn du wissen willst, was ich fürchte, Liebliche, dann lass dir sagen, dass ich meine Fehler fürchte, nicht jene, die diese nutzen.“, Astagans Stimme war trocken, dennoch voller Überzeugung und schon jetzt wurde ihm klar, worauf dieses Gespräch hinauslief.
„Glaubst du nicht, dass es ein Fehler war, mich, Hohepriesterin der Shar, leben zu lassen, Gottloser?“, Dahlias Stimme verlor nichts von ihrem sanften Reiz, der Astagan immer zu lockte, doch dem er sich nie ergab, denn das würde wahrlich ein Fehler sein.
„Ich muss dich enttäuschen, Liebliche, doch du bist mein Schlüssel und ich bin deiner, auch wenn du wünschtest, dass jemand von uns das Schloss wäre.“, Dahlia fühlte sich ertappt, obwohl Verführung ihr lag, fühlte sie sich von Astagan dauernd peinlich berührt. Auch wenn sie spürte, dass dort etwas war. Doch es wurmte sie, dass er nicht auf seine Gottlosigkeit reagierte, nie reagierte er. Er versuchte sich nie direkt zu rechtfertigen und äußerte sich nicht zu den Gerüchten Cyric, Kelemvor und anderen Größen begegnet zu sein. Darin schien ihr der wahre Schlüssel Astagans zu sein.
„Was kann ich für dich tun, mein König?“, sie hatte sich angewöhnt, ihn zu duzen, er hielt nicht viel von hohen Titeln und sie versuchte das Gespräch zu verlagern, sie wusste, eine Antwort auf eine andere Frage hatte sie im Moment nicht zu erwarten.
„Liebliche, ich hörte Weneth sei erschlagen worden. Dann wird es Zeit, dass Artemis erscheint. Und noch etwas…“, dann schwieg der Wanderer.
„Ja?“, Dahlia war erwartungsvoll und hoffte, dass er sich zu seiner Gefühlswelt äußern würde, schließlich war sie eine Frau und…er musste doch merken, dass sie für ihn extra enthaltsam geworden war. Doch Astagan enttäuschte ihre Hoffnungen: „Weißt du, warum man mich den Wanderer nennt?“, das erste Mal verlor Dahlia ihre Maske aus adretter Freundlichkeit und mildem Charme, was Astagan mit einem Lächeln registrierte. Dahlia schien fassungslos zu sein.
„Sie sagen es, weil ich hinter der Fassade von Verstand wandele, zu jedem Zeitpunkt.“, Astagan blickte wieder von Dahlia weg, hatte ihren grazilen, herrlichen Körper gemustert und abgewägt, welch ein großer Fehler es sein würde, sich jetzt auf sie einzulassen. Doch Dahlia verstand ihn nicht. Sie nickte lethargisch, drehte sich auf ihren Absätzen und verließ mit klackenden Schritten den Raum, Astagan seufzte und blickte weiter in die Nacht hinaus und dachte über die Geschehnisse in Athkatla damals nach, über alles, was seit jeher passiert war und es mussten Stunden vergehen, in denen der Nebel nicht weichen wollte, ehe er stumpfe Schritte hörte, von leichten Lederstiefel. Ein markiger Schritt, der auf dem linken Bein immer leicht verzögert kam, als Ergebnis eines schweren Reitunfalls. Der Wanderer erkannte diese Schrittfolge, es war Artemis Entreri, der wie gewünscht, erschien.
„Artemis, hast du die Briefe über Sharek und Rel bekommen, als du in Athkatla warst?“
Artemis stellte sich hinter Astagan und schaute auch in die weißliche Suppe, die im Kessel Westtor zu brodeln schien. Welche Faszination konnte solch ein Nebel haben?
„Ich habe deine Schriften erhalten und habe mich umgehört in der Stadt, ich kenne alle wichtigen Örtlichkeiten, nach der Verwüstung der Stadt. Rel und Sharek habe ich bereits beobachtet und habe ihre wichtigsten Aufenthaltsorte studiert, deine Hinweise waren sehr hilfreich, sonst wäre es schwer gewesen sie aufzuspüren.“
Astagan lachte leise: „Es ist schön, wenn die Zeit einen zwar wie ein Mühlstein zu schleifen versucht, man aber trotzdem an alten Dingen festhält. Es ist bei uns nicht anders, oder alter Freund?“
Artemis war mal wieder überrascht, wie gut Astagan darin war, Gesprächsthemen einfach zu übergehen und Gespräche in eine für ihn angenehme Richtung zu lenken. Vielleicht war er auch einfach von Artemis Fähigkeiten überzeugt. Artemis nickte nur als Antwort.
„Ich möchte, dass du umgehend losziehst und mir die Seelen besorgst. Tyvalds Doppelgänger ist noch nicht aufgefallen, um ihn brauchst du dir keine Sorgen zu machen, er nächtigt fortan im „Blauen Banner.“
Artemis schaute auf das schattenumwobene Schwert an seiner Seite, Charons Klaue, ein Schwert von außergewöhnlicher Macht, ein Schwert, was er eigentlich für seinen persönlichen Rachezug…er musste vom Gedanken Drizzt Do’Urden abkommen und sich konzentrieren. „Du möchtest sie herlocken, warum?“
Astagan schaute Artemis an und entgegnete: „Ich habe dir vor zwei Jahren von dem Spiel mit dem Damenpaar erzählt und davon, dass sie meine Blendung verhindern würden. Ich halte daran fest und ich werde ihrer benötigen.“
Artemis sah in Astagans Blick diesmal mehr als blendende Wärme, er sah dahinter einen roten Schimmer, der ihm unheimlich war und irgendwie faszinierend. Artemis schluckte bei dem Gedanken, dass er zurück in die Nähe Memnons musste. Die Vergangenheit, sie war reißender Schlund, der immer größer wurde. Astagan sagte, man müsse sich der Vergangenheit stellen, sonst verschlingt der Schlund einen eines Tages, doch noch konnte er nicht. Er schluckte abermals, schließlich war er Astagan diesen Gefallen schuldig.
„Ich werde das nächste Schiff nehmen und über Turmish nach Amn kommen, die Illusion werden aus Richtung Baldurs Tor erscheinen. Ich hoffe, dass sie reichen. Ich werde mit den Seelen zurückkommen.“, Astagan spürte die Sorge Artemis.
„Sorge dich nicht, sie fürchten deinen Namen zu sehr, als dass sie dir Probleme bereiten werden.“
Artemis nickte: „Gib mir zwei Mon…“
„Ich gebe dir so viel, wie du benötigst.“, warf Astagan ein und zeigte mit einer Handbewegung, dass er nun allein sein möchte und auch Artemis wollte dies, alleine sein, wie so oft. So ging er zum Hafen, denn er wusste, dass sein Schiff schon wartete.
Der Wanderer erhob sich aus seinem Stuhl und sprang mit seinem Satz aus Fenster in das undurchdringliche Dickicht des Nebels, hinter sich hörte er einen Dolch in das Holz des Fensters einschlagen, doch Astagan kümmerte sich nicht um den Attentäter, wichtigere Dinge mussten geschehen. Vor allem ein gebührendes Willkommen für Sharek und Rel und zum anderen musste er dafür sorgen, dass diese Information nicht jeder wusste. Mit einem Klacken schloss sich das Fenster von Astagans Behausung und der Attentäter musste qualvoll ersticken, denn alle Ausgänge schlossen sich, wenn Astagan das Heim verließ.
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Johann Wolfgang von Goethe

Grindlorn

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    • Enwe Karadâs
Athkatla: Erleben und Sterben
« Antwort #4 am: 16. Juli 2007, 22:25:22 »
Und, fleißig wie ich bin, gleich der nächste Brief.
Dieser Brief gibt einen Wandel der Sicht her, der Wanderer spielt einen Part am Rande des Geschehens, ist dennoch wichtig für das Gesamtverständnis der Spieler.

Eine Warnung an der Stelle. Dieser Brief ist deutlich härter als die anderen Briefe. Der Grad der Härte mag subjektiv bewertet werden, dennoch setze ich diesen Brief in Spoiler, auch wenn er ein "Happy Ending" vorzuweisen hat. Lesen auf eigene Gefahr (;-))

Spoiler (Anzeigen)
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Grindlorn

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    • Enwe Karadâs
Athkatla: Erleben und Sterben
« Antwort #5 am: 18. Juli 2007, 19:03:03 »
Und hier folgt der sechste Brief, den die Spieler bekommen haben.
Wie aufgefallen sein wird, sind es an sich keine wirkliche Briefe, sondern Auszüge von Geschichten, welche den Spielern zugesteckt wurden. Da diese Geschichten, wenn auch unadressiert, irgendwie an sie gerichtet schienen, schließlich liefert eine unbekannte Person ihnen damit wichtige Hinweise für ihren bevorstehenden Aufenthalt in Westtor, wurden diese Geschichten fortan Briefe genannt, also Epistulae.
Hier folgt, wie schon gesagt, Nummer 6. Viel Spaß.

Epistula 6

"Meist sind an Misserfolgen schuld: zuwenig und zuviel Geduld!" - Andreas Tenzer

„Tumb, taub, trostlos und nicht ganz bei Sinnen!“, Vividus tobte, als er die Nachricht empfing, dass der Wanderer seine Herrschaft legitimiert hatte, und die Worte, die er sprach, waren an sein Gegenüber gerichtet. „Ja, ich meine euch, ihr Ausgeburt an Unfähigkeit und Banalität, untätiger Schlichtheit und unberechenbarer Einfältigkeit.“
Vividus kämmte sich die halblangen, nachtschwarzen Haare, die er stets mit Pomade glatt nach hinten kämmte. Er rückte sein dunkles Justaucorps zurecht und schritt an seinem Opfer vorbei, ein komplett in schwarz gekleideter, dürrer Mann, dessen dunkelgrüne Augen lediglich zu sehen waren, der zusehends nervöser wurde, als er sah, dass Vividus sich nachdenklich über den Bart strich. Der junge, dürre Mann trug einfache schwarze Kleidung, matt und ohne Verzierung, ohne Schnörkel, außer einer Brosche, welche die Maske des gleichnamigen Gottes darstellte.
„Eure Hochwürdigste Exzellenz, Schattenbischof Vividus Nox, Gebieter der Gilden des Nordens, Verwahrer der schwarzen Bibliothek, Hüter der eisernen Maske[…]“, Vividus schwelgte in den ganzen Titeln, mit denen man ihn voll ansprach. Er als Erzbischof seines Glaubens hatte sich dies auch redlich verdient und um ein Haar machte ihn diese Titelschmeichelei so verlegen, dass er den Grund dieses Gespräches vergaß, doch er ordnete sich, schob abermals sein Justaucorps zurecht und räusperte sich, um den jungen Meuchelmörder und Spion zu unterbrechen, auch wenn er es ungern tat. Jener folgte dieser subtilen Aufforderung sofort.
„Mein Junge, habe ich euch jemals die Erlaubnis erteilt, dass ihr auch nur in Ansätzen versagen dürft?“, die schwarzen Augen des Vividus musterten die grünen Augen des jungen Mannes unheilvoll. Sein Blick verfehlte seine Wirkung nicht, er erkannte es an der Haltung des Jungen. Es dauerte fast eine ganze, dunkle Minute, ehe der junge Mann sich äußern konnte, beinahe glockenhell war seine Stimme, aufgrund seiner Angst. Das Herz war ihm in die Hose gerutscht und selbst dort wollte es scheinbar nicht mehr schlagen.
„Nein, Eure Hochwürdigste Exzellenz. Lasst mich bitte einmal erklären, Eure Hochwürdigste Exzellenz.“, Vividus genoss diese Ansprache jedes Mal wieder, ein leichter, wonniglicher Schauer lief an seinem Rücken hinab, während ein kalter Schauer am Rücken des jungen Mannes herablief. Vividus nickte nur leicht, und schaute den Meuchelmörder von oben herab an, obwohl er körperlich fast einen ganzen Kopf kleiner war, dabei strich er über seinen Oberlippenbart.
„Eure Hochwürdigste Exzellenz, Jaspar und ich sind in den Burgkomplex eingebrochen und waren sogar in der Lage ohne Schattenschlüssel die Burg zu betreten…“, er traute sich nicht weiterzusprechen, und Vividus spürte, dass es an seinem Blick lag, der den Jungen zu Tode ängstigte, so drehte er sich weg und schob den schwarzen Brokatvorhang zur Seite und schaute in die Nacht hinaus. Blitze durchzuckten den Himmel, ein Wetterleuchten in der Ferne kündigte ein Gewitter an.
„…doch wir fanden den Wanderer nirgends. Wir durchkämmten alle Burgen Westtors, alle wichtigen Gebäude, doch wir fanden ihn einfach nicht…“
Vividus Nox hörte ihm gar nicht richtig zu, seine Informationen waren unwichtig und der junge Meuchelmörder und sein Kumpane waren lediglich dazu dagewesen, um die Gerüchte, die es um den Wanderer gab, zu bestätigen.
„Habt ihr rausgefunden, welches Artefakt der Shar Astagan in seinem Besitz weiß und warum die Hohepriesterin Shars ihm so blind folgt?“, unterbrach Vividus den Redner barsch und die Angst kehrte in die Glieder des jungen Mannes zurück, für einen kurzen Moment, solang Vividus sprach.
„Nein, Seine Exzellenz der Hochwürdigste Herr Schattenbischof, es war uns nicht vergönnt irgendetwas über...“, der junge Mann verstummte im Satz und röchelte nur noch, seine Kehle war von einem Dolch zerfetzt wurde und mit glasigem Blick musste er feststellen, dass der Schattenbischof sich trotz seines hohen Alters so geschwind zu drehen vermochte, dass er es gar nicht mitbekam, doch bevor er seinen Gedanken zu Ende gegrübelt hatte, umgab Schwärze ihn. Ein zweiter Dolch hatte sich durch sein Herz gebohrt.
„Dilettanten, denken solch hochtrabende Schmeicheleien wären alles, womit ich mich begnügen würde.“, er rückte sein Justaucorps wieder zurecht und strich über seinen Oberlippenbart, bevor er die Tür zum Vorzimmer öffnete, schließlich musste sein Kaminzimmer wieder gereinigt werden. „Florence, mögt ihr mein Zimmer säubern und mir Laurent danach in mein Zimmer schicken?“ Ohne eine Antwort zu geben, rannte die blondhaarige Schönheit namens Florence in die Abstellkammer und holte einen Jutesack für die Leiche und ein paar feuchte Tücher zum Aufwischen des Blutes. Sobald sie das Zimmer gesäubert hatte, holte sie Laurent aus der Lobby, der bereits auf seine Audienz wartete. Als Laurent, ein ebenfalls verhüllter, drahtiger Mann mit braunen Augen, den Raum betrat, stand Vividus wieder am Fenster seines Kaminzimmers. Erstes Donnerhallen durchzog das Tal, in dem das Herrenhaus Sieberling einsam und unbeachtet lag.
„Eure Hochwürdigste Exzellenz, ihr ließet mich, ob eurer Gnade, rufen?“, Laurent hielt nicht viel von solch Förmlichkeiten, doch er wusste, dass er ein Minimum an Förmlichkeit an den Tag zu legen hatte, wenn er dem Schattenbischof des Nordens dienen wollte, was eine unbeschreibliche Ehre war. Er konnte Vividus mit den Zähnen mahlen hören, konnte es aber nicht zuordnen, ob es an der mangelnden Begrüßung oder an den Umständen ihres Treffens lag, doch er blieb unangespannt stehen.
„Laurent, Jaspar und Corc haben jämmerlich versagt und ich war es leid, mir ihr versagen länger antun zu müssen. Dennoch scheint es so, als hätte sich Astagan tief in Nebel gehüllt, die selbst wir nicht durchblicken können. Daher habe ich eine Bitte an euch.“
Eine Bitte, es war meist eine Todesbotschaft, meist eine für den Boten, soviel wusste Laurent, doch er würde in seinem tiefen Glauben an Maske nicht mit dem Auftrag zetern, nicht zögern, sondern ausführen, also bat er darum, dass Vividus seine Bitte vortrug.
„Nun, da selbst ihr den Nebel nicht durchdringen können werdet, habe ich mir etwas anderes überlegt. Und zwar benötige unbedingt das Wissen über das besagte Artefakt, das Artefakt Shars, um unsere nächsten Schritte planen zu können. Versteht ihr das?“, es war bekannt, dass Vividus mit seinen Diener, wie mit unfähigen, tumben Kindern sprach, deshalb ignorierte Laurent diese Eigenart Vividus einfach. Es schien Vividus etwas zu verwirren, also sprach er weiter, um seine kleine Unsicherheit zu übertünchen.
„Zwei Männer aus Athkatla sind in Westtor angetroffen und wollen ebenfalls etwas von Astagan, einer von ihnen trägt das Blutmal Maskes, er ist ein Halbblut, ein Halbdrow. Der andere ist ein Vampir, der ein Rapier trägt, mehr weiß ich darüber leider noch nicht. Aber diese ungewöhnliche Kombination werdet ihr schon entdecken, da bin ich mir sicher. Helft den beiden bei allem, was sie tun. Meine Rolle darf dabei im Schatten bleiben, das versteht sich. Und euer Auftrag dazu ist, rauszufinden, welches Artefakt Shars in den Händen des Wanderers ist, verstanden?“
Da Vividus keine Antwort bekam, drehte er sich um und wollte Laurent einen kräftigen Schrecken einjagen, doch der junge Meuchelmörder war bereits verschwunden. Mürrisch drehte sich Vividus Nox, Schattenbischof der Maske, wieder um und bestaunte das ungewöhnlich starke Gewitter, welches sich über dem Gut zusammenbraute.
„Die neue Generation Meuchelmörder ist ein verkommenes Pack unfähiger, einfältiger Bauern, die Geschichten von grausamen Morden ohne Täter gelesen haben und denken, nur weil sie diese Geschichte gelesen haben, sind sie in der Lage ebensolches zu vollbringen. Maske, mein Gebieter, was waren das noch für Zeiten, als ein Assassine Anstand besaß, Etikette, einen Ehrenkodex und ehrliche Werkzeuge, nämlich seinen Dolch und seine Heimlichkeit. Was erleben wir heute? Gifte, magische Gegenstände, die diese Dilettanten stärker machen, als sie eigentlich sind. Was glauben die, was passiert, wenn sie einen Mächtigen erschlagen wollen? Wenn sie in ein antimagisches Feld laufen oder in eine Glyphe, die sie in ihrer Selbstsucht und ihrem Narzissmus nicht sehen? Wie viele vielversprechende Männer hat ihr Übermut in den letzten Jahren das Leben gekostet?
Ich! Ich habe mir meine Titel noch wie ein Mann verdient, doch nun? Die Ränge hinter mir gefüllt mit ausgestopften Magieleichen, die nach meinem Platze lechzen und dann noch diese Probleme mit diesem Wanderer. Hoffentlich kann Laurent mehr ausrichten, als die anderen, sonst bin ich wohl geliefert, mein Gebieter.“
Müde blickte der Schattenbischof in das Gewitter, welches langsam volle Stärke entwickelte. Talos war zornig an diesem Abend und er schien seinem Ärger freie Luft machen zu wollen.
Vividus Nox seufzte.
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Johann Wolfgang von Goethe

Grindlorn

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    • Enwe Karadâs
Athkatla: Erleben und Sterben
« Antwort #6 am: 20. Juli 2007, 23:57:55 »
Es folgt der letzte Brief, der an die Spieler gegangen ist, danach werde ich mit der Hauptgeschichte anfangen und alle wichtigen Charaktere dort zu gegebener Zeit erklären.
Viel Spaß beim Lesen des letzten Briefes.

Epistula 7

"Das ist eines der Geheimnisse des Lebens: Die Seele durch die Sinne zu heilen und die Sinne durch die Seele." - Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray, Kapitel 2 / Lord Henry

Andere Menschen schimpfen wieder andere Menschen pervers, ob ihrer Triebe, ob ihrer Wünsche, ob ihres Seelenzustandes. Doch das Leben erzeugt diese Perversion, im Einklang mit einem ihrer Glieder, dem Menschen. Was braucht der Mensch selbst mehr als den Spiegel, den man ihm mit folgender Geschichte in die Hand gibt. Er muss nur noch den Willen besitzen und den Mut, in den Spiegel zu schauen.

Es war ein sonniger Tag, ein Sommertag. Keine Wolke, vermochte das strahlende Blau zu trüben. Es war warm, angenehm warm, weder schwül, noch zu heiß.
Auf der großzügig gestalteten Terrasse des Hauses Vokain saß ein etwa siebenjähriger Junge und versuchte die Welt um sich herum aufzunehmen, die er nicht sehen konnte. Zwei Personen starrten in seine milchig weißen Augen, doch er vernahm nur ihre Anwesenheit, nicht ihr Antlitz. Sie unterhielten sich, er erinnerte sich nicht dran. So vergingen viele Tage, er hörte nur, er sah nicht, doch es störte ihn nicht, denn er sah nie, er hörte immer.
Seine Heimat, es war das Land der freundlichen Händler, seine Familie waren die Vorsteher der örtlichen Zuflucht für Obdachlose und zudem Männlein und Weiblein von gräflicher Herkunft. Ideales Zukunftsbild, eigentlich.
Es muss kurz nach seinem achten Geburtstag gewesen sein, als er mit seinem Führstock in die Küche wanderte, um etwas zu essen. Er liebte Honig.
Doch er vernahm ein leises, aber angespanntes Gespräch. Er vernahm die Worte seiner Eltern, sich seiner Anwesenheit noch nicht gewahr, fast so blind wie er.
„Wir müssen ihn los werden, Shandra! Er ist eine Beleidigung für unseren Stand! Für unsere Herkunft! Wir müssen ihn wegschaffen!  Stell dir doch nur vor, was passieren wird, wenn wir den vom Hof lassen!“, bellte sein Vater wütend und seine Worte waren ernst gemeint, irgendwie spürte er es.
„Marovin, ich bitte dich? Du sprichst von deinem Sohn, wie von einem Tier! Er ist doch dein Sohn…“, ihre Stimme zitterte, doch glaubte der blinde Junge auch in ihrer Stimme eine andere Art der Unsicherheit zu erkennen. Sie hatten ihn in letzter Zeit immer alleine im Garten gelassen.
Der Vater führte seine Tirade fort. „Shandra, ein letztes Mal. Solch ein Wesen, kann nicht mein Fleisch sein, und darf nicht mein Blut tragen! Wir werden ihn am Besten noch diese Woche abschieben oder gar verschwinden lassen. Du weißt schon, diese Geschichten vom plötzlichen Kindstod.“
Der Blinde sah das traurige Nicken seiner Mutter nicht mehr, aber er spürte die Unsicherheit noch einen Augenblick, doch dann wich alles der blanken Angst. Er wurde sich der Bedeutung der Worte seines Vaters gewahr…
Plötzlich fiel etwas vom Tisch herunter und die Eltern sahen, dass ihr Sohn sie gehört haben musste. Tränen liefen am Gesicht des Jungen hinunter.
Der Vater schaute seinen Bengel missmutig an und machte auf den Absätzen kehrt und verließ die Küche in Richtung Wohnzimmer, während die Mutter auf den blinden Jungen zuging.
„Dein Vater hat nur schlechte Laune, Karn, lediglich schlechte Laune. Er meint es nicht so.“
Sie versuchte sanft zu sprechen und ihn dabei zu berühren, doch der Junge weinte nur bitterlicher und schlug die Hand seiner Mutter fort. Erschrocken sprang die Mutter auf und rannte ihrem Mann hinterher.
Der Junge hingegen, fiel auf die Knie, dann ganz zu Boden und fing an noch stärker zu weinen, er weinte so stark, dass alle seine Sinne ihn verließen.
Er bekam nicht einmal mit, wie ihn jemand an den Schultern packte. Erst als er auf eigenen Füßen stand, wusste er, dass er aufgehoben war.
„Die Wahrheit ist schwer zu ertragen, besonders wenn sie die Spitze ihres Speeres auf die eigene Brust richtet, mein Junge.“ Die Stimme war leise, fast bedächtig, doch irgendwie vertrauenerweckend. Der Junge stieß seine Hände nicht weg, spürte nur den festen Griff, der ihm irgendwie Halt für einen Augenblick gab.
„Es sind die Blinden, die das Wesentliche spüren, denn sie werden nicht von der Pracht ihrer Augen geblendet. Nur der Sehende wird durch Illusionen desillusioniert. Du, mein Junge, spürst die eigentliche, wesentliche Pracht.“
Die Hände des Mannes ließen ihn los und der Junge musste kurz um seinen Stand ringen, da die Hände ihn gehalten hatten.
Die Scharniere eines Schrankes quietschten leise, dann hörte er Schritte aus Richtung des Wohnzimmers und eine bellende Stimme dazu.
„Dann bringe ich ihn jetzt um! Du hast doch auch Mitleid mit einem sterbenden Hund und sterben muss der letztendlich auch, trotz deines Mitleides!“
Es war die Stimme seines Vaters und die Stimme der Mutter verkam zu einem leisen Schluchzen. Er hörte wie eine Klinge gezogen wurde, er spürte, wie sie beim Ausholen durch die Luft sirrte, doch er war unfähig sich zu bewegen. Er schloss die Augen, betete still.
„HAAAAR!“, erklang der wütende Kampfschrei seines Vaters, als er den Schlag ansetzte und begann durchzuziehen. Doch der Junge spürte keinen Schmerz. War er so schnell gestorben? Seine Sinne waren noch existent, denn er hörte wie die Schranktür zufiel, dann hörte er ein leises Röcheln und einen Körper, der auf dem Boden aufschlug. Er erwartete den gellenden Schrei seiner Mutter, doch er blieb aus. Ein zweiter Körper sackte beinahe lautlos auf den Boden. Hände berührten ihn wieder an der Schulter.
„Ich zeige dir ein Leben, in dem der Sehende Angst und Furcht zeigen muss, während der Blinde, diese verursacht. Ich zeige dir einen Weg, der dein Leben lebenswert macht und dich deine Eltern vergessen lässt. Und merke dir, mein Junge, dass es eines der Geheimnisse des Lebens ist, dass die Seele durch die Sinne zu heilen ist und die Sinne durch die Seele zu heilen sind.“

Der Junge wusste nicht warum, aber er folgte diesem Mann. Er spürte Schmerz, da seine Eltern ihn töten wollten, er spürte Schmerz, weil seine Eltern, die einzigen Menschen, die er kannte, getötet worden waren. Er verstand nicht, er spürte nur, er hörte immer.
Nach dieser Geschichte erzählte man sich im Land der freundlichen Händler, genauer gesagt in der Stadt Dilpur, dass ein junger Mann mit warmen, braunen Augen, der letzte war, der das Haus der Vokains betrat, bevor diese getötet wurden. Man erzählt sich, er habe die Eltern hinterrücks erdolcht und den Jungen gestohlen. Man redet vom „Kindsdiebstahl von Dilpur“ und bis heute hat man keine Spur von dem Jungen gefunden.

Abschlusskommentar:
Diese Briefe sind nicht nur Hinweis, sie sind auch Rätsel. Das ist zu betonen. Für den Leser ist es nur schwer zu erraten, aber mancher mag die Zusammenhänge bereits erkennen. Nur durch die Kombination, beziehungsweise das Anwenden dieser Informationen, sind die Spieler in der Lage ihren Feind im Gewirr von Westtor zu finden.
Dass Astagan der Feind ist, dürfte aufgefallen sein.
Ich hatte bisher noch nicht die Gelegenheit dazu wieder zu leiten, da einer meiner Spieler gerade bei der Bundeswehr ist. Ich werde große Teile der Geschichte veröffentlichen, wodurch auch die Briefe etwas mehr Tiefe und Verständlichkeit für euch Leser bekommen werden.
Ich hoffe der erste Teil der Story Hour wusste zu gefallen.
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Johann Wolfgang von Goethe

Grindlorn

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    • Enwe Karadâs
Athkatla: Erleben und Sterben
« Antwort #7 am: 24. Juli 2007, 02:12:32 »
Ich präsentiere feierlich den ersten Teil der Anfangsgeschichte um die drei Charaktere der Kampagne:
Sharek, Rel und Tyvald.
Ich wünsche viel Vergnügen bei dieser Geschichte.

Krieg der Gilden

"Ich liebe den Verrat, aber ich hasse Verräter." - Gaius Julius Caesar

Regen lag über der Stadt, der Wolken Schlieren hatten die Stadt seit dem Untergang Lathanders Scheibe im Griff. Leise, in der Ferne, hörte man das Rattern von Rädern auf dem Kopfsteinpflaster, welches das komplette Hafenviertel zierte. Die Möwen, die die Fischerhändler des Marktes Tag für Tag plagten, hatten schon längst abgedreht und ruhten für den nächsten Morgen. Es war dunkel und die Straßen leerten sich schnell, ob der anfahrenden Kutsche. Schwere Schritte ertönten, schwer gerüstete Männer mussten die Kutsche laufend begleiten. Es war ein Zeichen dafür, dass man zu verschwinden hatte. Schwer gepanzerte Männer hatten noch nie etwas Gutes in diesem Viertel bedeutet.
Die meisten wussten es, der Händlerkönig hielt Einzug an diesem Tag und schaute nach seinen Vasallen, um die Gelder, die ihm zustanden einzufordern…
Zur selben Zeit trafen, vom Regen durchtränkt, drei junge Männer in der Taverne „An den Docks“ ein, sie gingen eine Treppe in eine Art Keller hinunter und öffneten die quietschende Holztür, deren Scharniere schon arg vom Salzwasser angefressen waren.
Einer von ihnen, in dunkle Kleidung gehüllt, das Gesicht von einer schwarzen Kapuze verborgen, die Waffen ebenso verborgen, ging vor. Der Zweite von ihnen trug ein Zylinder, war groß gewachsen, selbst für einen Menschen. Wenige glatte, schwarze Haare lugten darunter hervor. Er trug ein schickes, dunkelblaues Justaucorps, darunter eine etwas hellere Weste und darunter ein noch etwas helleres blaues Hemd. Die Kleidung und der Anzug, sie waren aus dem edelsten Stoff, den die Goldene Stadt zu bieten hatte. Der Dritte von ihnen, er lief einfacher rum, in einem einfachen Kettenhemd, das unter den schwarzen Lederklamotten, von eher schlichter Qualität, hervorlugte. Ein Rapier war an seine Seite geschnallt und wohl sein wertvollster Besitz. Seine beiden Begleiter schienen keine Waffen zu führen, oder sie zumindest nicht zur Schau zu stellen.
Der Wirt, ein älterer, bärtiger Mann, von schlaksiger Gestalt, dessen Haare nur noch einen Silbermond bildeten, begrüßte sie, noch bevor sie Taverne ausgiebig gemustert hatten.
„Nabend, meine Herren. Nen’ Köm?“ Der Vermummte schaute sich zuerst um, denn die Taverne war unglaublich klein, steinern und wenig bequem. Vier Holztische standen an der linken Seite des Raumes, direkt neben offenen Mauerteilen, die wohl mal Schießscharten für Ballisten gewesen sein mussten, je vier einfache Holzstühle standen an den Tischen, so dass maximal sechzehn Gäste in die kleine Kneipe unter der Hafenstraße, am Rande des Hafenbeckens, passten. Auf der rechten Seite der schmalen Kneipe, stand ein Tresen, an dem noch sechs bis acht weitere Personen stehen konnten. Der Tresen war aus einfachem, leicht modrig riechendem Holz und sah sehr provisorisch aus.
„Gerne“, antwortete der junge Mensch, der am einfachsten gekleidet war, kurz angebunden. Seine blauen Augen musterten den Wirt abweisend und er reckte dem Wirt drei Finger entgegen, um sich weitere Worte zu sparen, was der Wirt mit einem Nicken abtat.
Der Größte von ihnen, in den feinen Gewändern, meldete sich zu Wort.
„Wundert es euch auch so sehr, wie mich? Wir leben unser ganzes Leben in dieser Stadt, doch noch nie ist uns diese Hafenkneipe aufgefallen?“
Der einfache Mensch, dessen Züge sehr sanft waren, dessen Augen jedoch Schärfe verrieten, antwortete abermals sehr kurz angebunden. „Nein.“
Der Vermummte, welcher der Kleinste der drei war, jedoch drahtig von der Statur wirkte, erhob seine Stimme kaum, schien fast zu flüstern.
„Bei dem Zustand, wundert es mich kaum. Doch sagt, was liegt für die kommende Nacht an? Meine Klinge dürstet nach Blut.“
Die Stimme war zu leise, um vom Wirt vernommen zu werden, doch wurde sie von jemand anderem vernommen. Einem Mann, vielleicht sechs Fuß groß und von stämmiger Gestalt. Er war noch jung, wohl noch jünger, als die drei, an dessen Tisch er gerade getreten war. Seine langen, schwarzen Haare lagen ihm fettig im Gesicht und sein Atem roch leicht nach Alkohol, doch sein Blick war klar und seine Sinne schienen geschärft. Er trug eine schwarze Lederrüstung, darüber einen schwarzen Umhang, dessen Innenseite purpurfarben war. An seiner Seite hing ein Langschwert. Seine sehr dunklen, grünen Augen musterten jeden der drei Männer, dann setzte er sich ungefragt dazu.
„Darf ich vorstellen? Ich bin Vim, Vim Schattenfeder. Und ich habe euch ein Angebot zu machen, welches ihr nicht ausschlagen könnt.“ Die drei Männer, die sich gerade über das Vorgehen für die nächste Nacht unterhalten wollten, stutzten, ob der Dreistigkeit des Ankömmlings, der die ganze Zeit in ihrer Nähe gesessen haben musste.
Unbeeindruckt redete der Jüngling weiter und streckte dabei vier Finger gen Wirt.
„Ich bin der Anführer der Blutfliegen, so viel sei euch gesagt. Doch nun stellt euch vor.“
Der Wirt zuckte zusammen, als Vim das Wort Blutfliegen in den Mund nahm und rollte vielsagend mit den Augen, was nur dem kleinsten der drei Männer auffiel.
Der größte von ihnen, übernahm das Wort, denn sein Gesicht, wirkte trotz der kantigen und schmalen Form, sehr sympathisch und das wusste der junge Mann von vielleicht neunzehn Jahren zu nutzen.
„Ich bin Tyvald von Acherus III.“, sagte er voller Stolz und zog dabei behände seinen Zylinder vom Kopf, um ihn nicht minder behände wieder aufzusetzen.
Der Mittlere stellte sich ebenfalls vor. „Nennt mich Rel.“, machte dabei allerdings keine Anstalten weiterer Höflichkeiten, während der Vermummte gar schwieg. Sich sicher, unter seiner Vermummung nicht zu sehen zu sein, zog er die Augenbrauen hoch.
‚Ich traue ihm nicht…’, ging ihm dabei durch den Kopf, doch bevor er seinen Gedanken zu ende spinnen konnte, übernahm der große, schlaksige Jüngling bereits seine Vorstellung.
„Und der Vermummte dort drüben, ist Sharek.“, dabei deutete er auf den Vermummten, dessen Ausdruck, ungesehen von Tyvald, äußerst zornig wurde.
‚Jämmerlicher Wicht! Wozu vermumme ich mich, wenn du jedem meine Identität verrätst!’, fluchte er innerlich, sagte allerdings nichts und blieb still in der Ecke sitzen. Seine rechte Hand glitt allerdings langsam zu seinem Stiefel hinab, wo einer seiner Hirschfänger versteckt war. Er traute diesem Vim nicht und man konnte nicht vorsichtig genug sein.
Vim folgte der Armbewegung des Vermummten und lächelte mit leicht schiefen Zähnen, was den Vermummten dazu animierte seine Bewegung abzubrechen und in die lässige Ausgangshaltung, die er versuchte stets einzunehmen, zurückzukehren.
„Ich habe gehört, dass ihr versucht, euren abendlichen Blutzoll einzuhalten.“
Vim Schattenfeder ließ die Worte erst einmal wirken und alleine, dass Shareks Bewegung zu verkrampfen schien, verriet ihm den Erfolg seines Unterfangens, weshalb er Tyvald und Rel gar nicht beachten brauchte, deren Überraschung sich allerdings ähnlich ausdrückte.
Der Wirt erschien und löste diesen Moment der Verwunderung mit einer klaren Flasche mit stark riechendem Alkohol auf und stellte vier Holzbecher hin und füllte diese halbvoll mit dem stark riechenden Alkohol.
Vim nahm einen der Becher und nippte an dem starken Alkohol und deutete mit seiner anderen Hand, dass die Flasche zur freien Verfügung stehe, was Tyvald und Rel umgehend nutzten, während der misstrauische Sharek weiterhin still am Rand des Tisches saß und den Jüngling musterte, der seine Ausführungen fortsetzte.
„Deshalb habe ich mir überlegt, euch in meine Gilde einzuladen. Sicherlich, ihr werdet denken. Blutfliegen, habe ich ja noch nie gehört? Richtig, das ist der Sinn dieser Gilde, sie will gar nicht gesehen oder gehört werden. Obwohl ich zugeben muss, dass sie noch nicht lange existiert.“
Während Tyvalds Blick sofortiges Interesse vermeldete, war Sharek negativ überrascht worden. ‚Wenn ich noch nichts von dieser Gilde gehört habe, dann kann sie nicht bedeutend sein…’
Rel hakte indes nach. „Und was haben wir davon, wenn wir uns der Gilde anschließen?“
Vim lächelte und nahm noch einen großen Schluck vom Köm.
„Wisst ihr, die Stadt ist gefährlich und gerade das Hafenviertel. Es gibt viele Gefahren hier, zum einen kommt man in Asmodeus Küche, wenn man unlizensierter Dieb ist, treten einem die Schattendiebe sofort auf die Füße, wenn man zaubert, wird man sofort eingesperrt und wenn man die falschen Leute zusammenschlägt, hat man auch umgehend die Schattendiebe auf den Füßen. Und wenn man hier kein Geld an die Schattendiebe zahlt, hat man sie auch auf den Füßen. Brauch ich noch mehr Vorteile aufzählen?“
„Ich sehe keine Vorteile, um ehrlich zu sein“, erwiderte Tyvald schon beinahe trotzig, „und was sollte uns davon abhalten, dann nicht direkt die Schattendiebe aufzusuchen?“
Vim brach in lautes Gelächter aus und auch der Wirt musste lachen, was Sharek ziemlich verunsicherte, denn warum lachte ein Wirt über solche Feststellungen?
„Ihr glaubt wirklich, dass die Schattendiebe euch nehmen? Wisst ihr denn überhaupt, wo ihr die Schattendiebe findet?“
Die Ratlosigkeit in den Gesichtern von Rel und Tyvald sagten Vim alles, und würde er Shareks Gesicht sehen können, die Reaktion würde nicht anders ausfallen.
„Also habt ihr gar keine Wahl, wenn ihr sicher eurem Gewerbe nachgehen wollt!
Also, ihr schließt euch mir an, und ich nehme euch lediglich 20% eurer Beute, davon gehen 10% in unsere Gildenkasse, damit wir eine Grundversorgung liefern können, das bedeutet, ihr könnt dann manchmal Heiltränke und ähnliches von mir zu bekommen. Die anderen 10% sind Tribut, den wir an die Schattendiebe abdrücken müssen, damit wir in Ruhe handeln können. Aber denkt immer daran! Stellt euch keinem von ihnen in den Weg und wenn sie zuerst an einem Objekt sind, haben sie Vorrecht!“
Rel war verwundert, wie schnell dieser Vim zu Punkt kam. Vielleicht lag es an seinem jugendlichen Leichtsinn, vielleicht lag es auch wirklich daran, dass sie momentan keine andere Wahl hatten, während Tyvald schon zustimmend nickte und dann noch ein paar Worte anschloss.
„In der Tat, ich habe schon von diesen Rotkapuzen gehört, die hier angeblich das Recht sind, während der Magistrat nur eine Marionette von den Händlern und den Gilden ist. Vielleicht sollten wir uns wirklich vorsehen.“
Sharek schwieg und schüttelte fast unmerklich den Kopf, nur Vim bekam es mit.
‚Die Schattendiebe, was werden die uns schon tun? Der will nur einen Anteil von uns haben, dieser Jüngling. Pff. Und der will wahrscheinlich auch noch unser Oberhaupt sein! Der ist doch gerade halb so alt, wie ich es bin!’
Vim bestätigte umgehend Shareks Befürchtungen, zumindest einen Teil davon.
„Nun, natürlich müsst ich mir dazu als euer Oberhaupt anerkennen, damit wir erfolgreich arbeiten können. Eure Verpflichtung in dieser Hinsicht, sieht wie folgt aus:
Ihr bekommt von mir Aufträge und führt diese aus, dafür bezahle ich euch. Wenn ihr Beute mitbringt, gebt ihr mir 20% davon. Wenn ihr keine Aufträge von mir bekommt, könnt ihr euch selbst Objekte auskundschaften, achtet aber darauf, dass ihr den Schattendieben nicht auf den Füßen rumtrampelt!“
Tyvald und Rel nickten, während Sharek immer noch äußerlich stoisch, innerlich erregt, dort saß. Immerhin verspürte er nicht mehr den Drang zum Hirschfänger zu greifen.
„Dann werdet ihr euch zuerst beweisen müssen. Und zwar müssen alle Neulinge eine Art Ritus begehen. Und zwar müsst ihr unser Einflussgebiet vergrößern! Um euch Arbeit abzunehmen, habe ich schon ein Grundstück ausgekundschaftet. Und zwar gibt es 50m vom großen Stadttor entfernt eine Schlachterei. Sie liegt direkt gegenüber von der Taverne „Zum Daumen“. Ich möchte, dass ihr den Schlachter dazu bewegt, sein Haus uns zu überlassen. Wie ihr das anstellt, dass ist euch überlassen. Noch Fragen?“
Alle drei schwiegen im Einklang, nur Tyvald merkte kurz an, dass sie ihr Bestes geben würden. Mit einem Nicken und einem Lächeln verschwand Vim mit der Flasche Köm wieder auf seinen Platz, während die drei ihre Rucksäcke aufsammelten und die Taverne verließen, um umgehend ihren ersten Auftrag für die Blutfliegen zu erledigen.

„Was denkst du, Sharek?“, fragte Rel seinen Jugendfreund Sharek.
„Ich denke, dass ihr Tyvald, ein vollkommener Idiot seid! Ich vermumme mich, weil ich ein halber Drow bin und nicht unbedingt möchte, dass ich deswegen aufgerieben werde.“
„Aber ich habe doch gar nicht verraten, dass du ein halber Drow bist, Sharek?“, versuchte der fast zwei Meter große Tyvald sich selbst in Schutz zu nehmen, doch der Mensch mit dunkelelfischen Blut blieb hartnäckig und schnauzte weiter.
„Mein Name lautet Sharek und wirkt der auch nur ein wenig menschlich auf dich?“
„Wenn du mich so fragst, eigentlich…“, noch bevor Tyvald seinen Satz beenden konnte, unterbrach Sharek ihn wieder.
„Außerdem traue ich diesem Vim nicht. Woher weiß der über uns Bescheid und was erdreistet er sich überhaupt?“ Doch Rel stellte nur nüchtern fest. „Du hast wohl zu laut davon gesprochen, dass du deine Klinge in Blut baden willst.“ Mit einem Seufzer beendete Sharek das Gespräch für sich, wie er es immer tat, wenn in ihrer Runde etwas nicht nach seiner Nase lief. „Ich weiß nicht, auf mich wirkt dieser Vim sympathisch, er ist etwa in unserem Alter, hat ähnliche Ambitionen, wie wir sie haben. Und er versucht uns nur vor unnötigem Unheil zu bewahren! Stellt euch doch mal vor, wenn wir eines Tages Schattendiebe werden? Welche Türen uns dann offen stehen würden!“
„Und welche Kehlen denn alle offen wären.“, fügte Sharek trocken hinten ran, während sie eine weiße Kutsche passierten, die von sieben Wachmännern in Brustplatten, mit Spießen und Schwertern bewaffnet, bewacht waren. Sie alle trugen eine auf der Kante stehende Münze als Wappen auf dem Brustpanzer, welche von vier Sternen umgeben waren.
„Das Zeichen des Händlerkönigs.“, sagte Rel mal wieder kurz angebunden, doch seine Freunde reagierten nicht auf seinen Einwurf, sondern gingen durch das Hafenviertel weiter. Alsbald hatten sie Wohnhäuser, Geschäfte und Schiffe passiert und waren vor dem südlichen Stadttor, welches das Hafenviertel aussperrte aus der Goldenen Stadt.  Sie durchschritten das Tor, waren auf dem Weg zur Fleischerei.

Interludium I: Ball unter der Kupferkrone.

Sanft glitt der Mann mit den kastanienbraunen Haare und den warmen braunen Augen über das Parkett, seine hübsche, junge Tanzpartnerin führend. Er roch ihr Haar, es roch nach Frühling und er lächelte. Es war ein schöner Frühling, denn es war nicht nur das Wiedererwachen der Natur, sondern auch das Erwachen seiner Macht. Er lauschte den Streichern im Hintergrund, die den Ballsaal mit ihrer lieblichen Musik belebten. Fünfzig Gäste aus hohem Hause waren geladen worden, zum allmonatlichen Ball. Eine Veranstaltung von hohem Prestige. Doch die Veranstaltung war nur eine Farce, ein Schaumantel für die düsteren Geschäfte, die hinter vorgehaltener Hand abgeschlossen wurden. Heute sollte es wieder soweit sein. Aber dennoch, dem Schein zum Wohle, veranstaltete man diesen Ball, auch wenn er seine Umgebung immer wieder änderte. Der braunäugige Mann schaute auf den gebohnerten Holzboden unter ihm und dann auf die Bilder an den weißen Wänden, die dem Raum etwas majestätischen gaben. All diese hohen Herren aus Amn auf den Porträts, eine Schmeichelung für ihre arrogante Ader. Dazwischen hingen die Wandteppiche mit den Zeichen der jeweiligen Adelshäuser und mitten unter ihnen, ein blutroter Wandteppich, auf dem eine schwarze Maske abgebildet war, die von einem Dolch durchstochen worden war.
Er lenkte seinen Blick auf die jungen, runden, blauen Augen seiner Tanzpartnerin, mit der er über das Parkett schwebte. Er war ein hervorragender Tänzer und er nutzte dies gerne aus, um sich vor dem Adel zu profilieren. Seine Tanzpartnerin sah zu ihm auf, obwohl er selbst keine sechs Fuß groß war, aber von anmutiger Statur und mit diesen warmen, braunen Augen.
„Ich bin Samara, Tochter des Anaxin, mein Herr.“, hauchte sie sanft ihrem viel älterem Tanzpartner zu, der vielleicht Mitte dreißig sein dürfte. Er lächelte dem jungen Mädchen zu, dann stockte die Musik und der Tanz war für eine kleine Stärkung unterbrochen.
Der Mann empfand eine kleine Erleichterung darin, dass Mädchen los zu sein, welches ihn so anhimmelte, dennoch hauchte er ihr einen Kuss auf die Hand und ging nach einer tiefen Verbeugung zur Essenstafel. An der Tasche seiner dunkelgrünen Weste rieb er kurz einen grünen Apfel und biss dann rein, wobei er schon wieder von diesen Adligen angeredet worden ist, mit Nichtigkeiten über Dorfpolitik im Süden Amns, die den braunäugigen Mann nicht interessierte. Doch er musste ihren Worten lauschen, bis plötzlich die Falltür, durch die man in den Ballsaal, der unter der Erde lag, kam, aufsprang und ein Mann in schwarzer Ledertracht, mit roter Kapuze auf dem Haupt. Er hatte fast weiße Augen, der Rest seines Gesichtes war durch den Kapuzenschal verdeckt.
„Karn?“, adressierte der Mann mit dem kastanienbraunen Haar sein Gegenüber, als dieser auf ihn zugehetzt kam.
„Sire Astagan, an emergency occurred. Give me one word, my lord.”, Karn adressierte seinen Meister in der Handelssprache der Unterwelt, was bedeutete, dass es von außerordentlicher Wichtigkeit sein musst.
„Meine Herren, entschuldigen sie mich einen Moment, ich werde benötigt.“, dann folgte Astagan dem weißäugigen Schattendieb zur Leiter der Falltür; dort blieben sie stehen. Karn sprach leise, aber aufgeregt und wechselte nicht die Sprache.
„Sire, his former lordship of the Shadow Thieves, Harq Blackfeather, established a new guild in this city. He eventually survived his imprisonment in Westgate, my lord. He contacted his former archshadow Voltaire and build up a new guild, named Bloodflies. My liege, what shall I do? I could kill them immediately!”, Karn verneigte sich tief vor seinem Herren, um seine Treue und seinen Eifer zu beweisen, doch Astagan hob nur die Hand und antwortete dann deutlich ruhiger.
„Karn, there is a better option for us. Did you consider that we do not have to kill them immediately?” Astagans Worte zwangen Karn eine verneinende Kopfbewegung ab, die ihm nicht leicht fiel, aber er musste seine Ergebenheit zeigen.
„Let us think about Harq’s behaviour, Karn. As a member of the Council of Six he did not contact his new guild personally. As you said, he contacted Voltaire. So he is your next target, find Voltaire and bring me his head!” Bei diesen Worten schaute Astagan sich um, ob keiner ihnen lauschte. Es war zwar unwahrscheinlich, dass einer der Adligen auf diesem Ball die Handelssprache der Unterwelt beherrschte, doch Vorsicht war immer besser als Nachsicht.
„And concerning his guild, we should try to make them wish that they were Shadow Thieves, right?” Karn nickte eilig und verzog das Gesicht zu einem Lächeln, was man unter dem Schal nicht sah. Er verstand seinen Meister.
„Shall I mock them and force them to join the Shadow Thieves, my liege?”
“Do not even try, my dear Karn! We should make them think that being a Shadow Thief is an honour, just granted to the best of the best of Athkatla! They have to pay their tribute anyway, so we can make our guild appealing to them. So just observe them, bring their names and information about their abilities and skills. Harq will regret the day, he was born and he will damn the day, he came back, but he will praise the day, I redeem him from his sins.”
Karn lachte leise und verstand seinen Meister jetzt vollends. Karn diente seinem Herrn ohne Zweifel, ohne Bedenken, doch sie trennte der Grad der Gewalt, die sie für die Erfüllung ihrer Ziele einsetzten, denn Astagan tötete nur, wenn es nötig war, doch er selbst. Der Tod eines Feindes war zu anziehend, als dass man es nicht versuchen musste. Doch er würde seinem Herrn gehorchen, jetzt und in alle Zeit.
„Is there anything else I can do, my liege?”
“No, you may go now, Karn.”
“My lord.” Karn verneigte sich nochmals tief vor seinem Herrn und stürzte die Treppe wieder rauf, um seine Missionen sofort zu erfüllen.
Astagan kehrte indes wieder zu den Ballgästen zurück und reihte sich wieder in das langweilige Gespräch ein.
„Meine Herren, meine Damen, entschuldigt die Verzögerung. Es gab Probleme mit dem Personal.“
„Ja, die Kupferkrone ist nun mal oberhalb dieses Ballsaales eine Kaschemme für die Einfältigen und Armen.“, nahm einer der Gäste die Entschuldigung scherzend an.
Doch bevor das Gespräch fortgeführt werden konnte, setzte die Musik der Streicher wieder ein und die junge Dame namens Samara warf sich wieder an den Hals Astagans. Der Tanz mit dem jungen, aber lieblichen Kind war Astagan um einiges lieber, als die fruchtlosen Gespräche mit alten Greisen, die sich ins gemachte Nest legen durften. Innerlich fragte er sich, welche Informationen Karn ihm mitbringen würde.

Die Gruppe um Rel, Tyvald und Sharek erreichten den Tordistrikt. Dort würden sie die Fleischerei finden, gegenüber der Taverne „Zum Daumen“. Die Regenschlieren hatten sie zurückgezogen und die Nacht wurde klarer.
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Johann Wolfgang von Goethe