Autor Thema: Engel: Die Gefahren der Vergangenheit  (Gelesen 2121 mal)

Beschreibung:

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Tex

  • Administrator
    • Netiquette
Engel: Die Gefahren der Vergangenheit
« am: 08. August 2007, 19:14:35 »
Hallo,
wie manche vielleicht wissen, leite ich ja zur Zeit drüben im OG-Bereich eine kleine Engel-Runde. Die dort verfassten Texte sind aber mMn viel zu schade, um sie in den Tiefen des Servers verstauben zu lassen, und so habe ich angefangen, das Ganze in eine kleine Story Hour umzuschreiben, an der ich euch teilhaben lassen möchte.

Ich habe versucht, möglichst viel von den vorhandenen Texten (auch denen der Spieler) zu übernehmen, so dass es sehr oft zu Perspektivenwechseln kommt. Aber ich werde versuchen, das durch Absätze deutlich zu machen.

Ich hoffe, diese Story Hour macht Spaß zu lesen, konstruktive Kritik (und natürlich auch Lob 8) )ist durchaus erwünscht, und vielleicht kann ich hiermit den ein oder anderen auch für dieses grandiose Setting interessieren.

Zum Hintergrund: Engel ist ein Endzeit-Setting, das im Europa des 27. Jahrhundert spielt. Verheerende Fluten haben die Landmasse deutlich verkleinert, ein allumfassender Technikbann ließ die Gesellschaft in ein Neo-Mittelalter zurückfallen, riesige, insektoide Kreaturen, die sogenannte Traumsaat, bedrohen die Menschheit und über Allem thront die allmächtige Angelitische Kirche unter der Führung des ewig jungen Pontifex Maximus Petrus Secundus. Deren mächtigste Waffe im Kampf gegen die Traumsaat unter der Führung des Herrn der Fliegen und Ketzerei sind die Engel, und von diesen handelt diese Geschichte...
Ceterum censeo Carthaginem esse delendam

Duty Calls.

Tex

  • Administrator
    • Netiquette
Engel: Die Gefahren der Vergangenheit
« Antwort #1 am: 08. August 2007, 19:15:01 »
Dunkelheit umgab die jungen Engel. Das Einzige, was man vernehmen konnte, war das leise Atmen Hunderter junger Engel, die reglos auf dem marmornen Boden dieser riesigen Halle lagen, in die die Templer des Ordens des Erzengels Michael sie nach ihrer Ankunft in Roma Æterna, dem Herzen des Kontinents, der Stadt, die in ihrer Pracht und Größe wie keine andere die Angelitische Kirche versinnbildlicht, geführt hatten, bevor sie die großen, bronzenen Tore hinter sich geschlossen und die Engel ihren eigenen Gedanken überlassen hatten. In großen Kreisen lagen sie dort, mit ausgebreiteten Flügeln, Flügelspitze an Flügelspitze, schweigend, nachdenkend, denn am morgigen Tag sollten sie durch den Pontifex Maximus Petrus Secundus persönlich ihre Engelsweihe erhalten. Zwei Jahre harter und anstrengender Ausbildung lagen nun hinter ihnen, mit guten und schlechten Erinnerungen, doch am morgigen Tag wurden sie endlich zu vollwertigen Engeln, den Sendboten Gottes auf Erden, um die Menschheit gegen Ketzerei und Traumsaat zu verteidigen. Penibel wurden sie von ihren Ausbildern in ihren Heimathimmeln auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet: Die Michaeliten in Roma Æterna auf ihre Aufgabe als Anführer der Scharen, die Gabrieliten in Nürnberg auf den reinen Kampf, die Raphaeliten in Gratianopel am Westrand der Alpen auf die Kunst der Heilung, die Ramieliten in Prag auf ihre Aufgabe als Hüter des Wissens und nicht zuletzt die Urieliten in Mont Salvage, an der sturmumtosten Nordküste Iberias, auf ihre Aufgabe als Kundschafter und Späher.

Die Halle, in der die Engel sich befanden, war ein Meisterwerk angelitischer Baukunst: Hunderte Meter durchmessend bot sie allen genug Platz, von marmornen Säulen umrahmt und an den Wänden von riesigen Bildern bedeckt, die den ewigen Kampf der Engel gegen den Herrn der Fliegen und sein Gezücht zum Wohle der Menschheit darstellten. Doch das Beeindruckendste an dieser Halle war das Dach: Vollkommen durchsichtig und freischwebend, keine einzige tragende Säule störte die Weitläufigkeit der Halle. Durch das Glas des Daches konnte man an manchen Momenten einen kurzen Blick auf die Sterne erhaschen, wenn die Wolkendecke, die die ewige Stadt, ebenso wie auch ganz Mitteleuropa meist bedeckte, sich kurz lichtete.
Gestern noch flogen die jungen Engel über dieser Wolkendecke, im wärmenden Licht der Sonne, die die Menschen Europas so selten zu Gesicht bekamen. Am Ende ihrer Ausbildung brachen die jungen Postulanten dieses Jahrgangs von ihren Heimathimmeln aus zusammen auf zur Engelsweihe in Roma Æterna. Die segnenden Worte, die die Äbte der Himmel während der Festgottesdienste an die jungen Engel richteten, mit denen sie sie ermahnten und ermutigten, für die Menschen einzutreten, wo immer sie ihre Hilfe benötigten, klangen ihnen noch immer in den Ohren. Ab morgen, nach der Weihe, würden sie damit beginnen können. Morgen....
Ceterum censeo Carthaginem esse delendam

Duty Calls.

Talamar

  • Administrator
    • http://www.dnd-gate.de
Engel: Die Gefahren der Vergangenheit
« Antwort #2 am: 10. August 2007, 09:04:12 »
Find ich klasse, weitermachen.
Against signatures!

Tex

  • Administrator
    • Netiquette
Engel: Die Gefahren der Vergangenheit
« Antwort #3 am: 10. August 2007, 15:43:24 »
Artael, die Michaelitin, blickte durch das Dach zu den Wolken und den Sternen. Sie war nachdenklich, da sie wusste, dass sie am Anfang eines neuen Abschnitts ihres Lebens stand und gleichzeitig einen anderen, ihre Ausbildung, nun beenden würde. Die Zeit war hart gewesen, doch Artael war mehr als dankbar dafür. Sie hatte die Möglichkeit, viele andere Engel kennen zu lernen und unglaublich viel zu lernen, um ihre zukünftigen Aufgaben zu bestehen.
So lag Artael da, inmitten zahlreicher anderer Engel, doch im Moment beschäftigten sie nur ihre eigenen Gedanken. Sie freute sich auf den morgigen Tag, denn die Weihe stellte eine große Ehre für sie dar. Sie wusste, dass sie in Zukunft schwere Prüfungen zu meistern haben würde, doch sie war zuversichtlich, dass ihr dies, so Gott will, gelingen würde.
Dann setzte Artael sich auf und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. ‚Wer wird wohl noch meiner zukünftigen Schar angehören?’, fragte sie sich, doch gleichzeitig freute sie sich auch darauf, bald neue Engel kennen zu lernen. Morgen würde ein besonderer Tag sein. Artael hoffte, ihm gerecht werden zu können.

Auch Sanguiel, die Gabrielitin, lag am Boden, ihre Flügel berührten die anderer Engel, doch das merkte sie kaum. Sie war so aufgeregt, dass sie nur das Blut in ihren Ohren rauschen hörte. Würde sie morgen alles richtig machen, würde sie ihrem Orden die Ehre zuteil werden lassen, die ihm gebührte, so wie man es ihr eingebläut hatte?
Sie glaubte nicht daran, hatte fast panische Angst, irgendeinen Fehler zu machen. Hatte sie ihren Rock richtig gebunden? Saß ihr Haar? Schaffte sie es zu starten ohne einen anderen Engel mit ihren Flügeln zu behindern? Sie wippte nervös mit den Füßen und wünschte sich, das alles wäre schon wieder vorbei.

Völlig entspannt lag Elysehel, der Raphaelit, inmitten der anderen. Glück und Zufriedenheit erfüllten ihn beim Gedanken daran, nach seiner Weihe Gerechtigkeit zu verbreiten und ein schlagkräftiges Instrument seines Ordens sein zu können.

Inmitten der unzähligen anderen, die auf ihre Engelsweihe warteten, lag Navarìel, die Ramielitin, ihre Augen starr gen Himmel gerichtet, beinahe so, als wolle sie die Sterne zählen.  'Es könnte heller sein, an einem solch schönen Tag. Vor einem solch schönen Tag.', dachte die Wissenshüterin, während sie die Wärme des Bodens durch ihre Flügel spürte. Dann schweiften ihre Gedanken ab, an den wunderbaren Flug vom Vortag. Durch die wärmenden Strahlen der Sonne. Ihre Gedanken kreisten immer wieder zurück zu dem Zeitpunkt, als sie Prag verließ, bis hierhin, als sie in der ewigen Stadt ankam. 'Bald ist es soweit!’, dachte sie.
Wer zu ihrer Schar gehören würde, war nicht wichtig, und dennoch war sie neugierig. Komme, was wolle, ihre Aufgabe als Wissenshüterin würde sie in jedem Fall bestmöglich zu erfüllen versuchen.

Camael, der Urielit, lag mit geschlossenen Augen auf dem Boden, während er seine Sinne in alle Richtungen aussandte. Er spürte den warmen Boden, roch die frische Luft, hörte das Atmen der anderen Engel und lauschte dem Schlagen des Herzens seiner irdischen Hülle. Er genoss die Ruhe, die im Saal herrschte. Hier konnte er seinen eigenen Gedanken nachgehen und doch wusste er, dass er nicht allein war. Seine Ausbildung war hart gewesen, doch er sah sich bereits in schwierigeren Zeiten im Dienste des Herrn Gutes tun. Er stellte sich seine Weihe vor und seine Schar, der er in Zukunft angehören würde. Aus diesen Vorstellungen zog er neue Kraft. Und nun waren all seine Vorstellungen, seine Träume nicht mehr fern. Er hatte versucht, etwas über den genauen Ablauf der Weihe herauszufinden, doch hatte er keinen großen Erfolg gehabt. Das missfiel ihm, da er kein Freund von Überraschungen war. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den nächsten Tag abzuwarten. Diesen Gedanken verlierend, verließ er in seiner Vorstellung diesen Raum und ließ alle momentanen Sinneseindrücke hinter sich. Er fand sich auf einem Baum wieder, jenem Baum, den er immer besuchte, wenn er auf seiner Pfeife ein paar Melodien flötete. Schon allein der Gedanke an die Melodien beruhigte seinen Herzschlag genauso, als wenn er sie wirklich pfeifen würde...

Die quälend lange Nacht in der Halle neigte sich dem Ende zu. Durch das große Glasdach konnten die Engel sehr gut die langsam beginnende Dämmerung beobachten. Zu ihrem Erstaunen war jedoch von der Wolkendecke, die noch in der Nacht über Roma Æterna lag, nichts mehr zu sehen. Kein Wölkchen trübte den makellos blauen Himmel und es war eine wahre Freude, dem Sonnenaufgang zuzuschauen. Ein würdiger Beginn eines solchen Tages, selbst Gott schien den jungen Engeln seinen Segen für ihre zukünftigen Aufgaben mitgeben zu wollen. Als die ersten Sonnenstrahlen den marmornen Boden der Halle berührten, kam auch Bewegung in die Menge der Engel am Boden. Manche standen auf, ordneten ihre Kleidung und ihre Haare, die von der Nacht am Boden etwas zerknittert und zerzaust waren, in Erwartung auf den Rest des Tages. Doch all dies geschah schweigend, kein einziges Wort war zu vernehmen. Als die Sonne auch den letzten Winkel der Halle, jede der riesigen Engelsstatuen, von den Künstlern des Michaelis-Ordens aus feinstem, strahlend weißem Marmor, geschaffen, mit ihrem goldenen Licht erhellte, öffneten sich langsam und erhaben die riesigen, bronzenen Flügeltore. Durch das Portal trat ein sichtlich alter Mann, gehüllt in das prachtvollste Prunkgewand, das die Engel in ihrem bisherigen Leben je zu Gesicht bekommen hatten: Das Ornat bestand aus feinster blauer Seide, verziert mit glitzernden Edelsteinen, genauso wie der viereckige Hut, der seinen Träger eindeutig als Kardinal, also als eine der mächtigsten Personen der Angelitischen Kirche, auswies. Hinter ihm nahm eine Reihe von Michaelis-Templern Aufstellung, ehrerbietig sowohl gegenüber den Engeln als auch gegenüber dem alten Kardinal, der segnend die Hände hob und de Engel mit leiser Stimme auf Latein ansprach:

"Seid gegrüßt, junge Engel, am Tag eurer Weihe. Ich bin Rufus Kant, Kardinal der Angelitischen Kirche und Mitglied des ehrwürdigen Konsistoriums, welches dem Pontifex Maximus Petrus Secundus bei seiner gottgebenen Aufgabe, die Menschheit zu führen, behilflich ist. Ich wurde heute mit der Aufgabe betraut, euch kurz den Ablauf der Weihe zu erläutern. Ich werde euch alsbald nach draußen geleiten, auf den Platz vor dem Petrusdom, wo der Festgottesdienst anlässlich eurer Weihe stattfinden wird. Erschreckt nicht, denn bereits jetzt hat sich eine gewaltige Menschenmenge dort versammelt, um eurer Weihe beizuwohnen. Sobald ihr eure Plätze eingenommen habt, wird der Pontifex Maximus den Gottesdienst beginnen, untermalt vom Himmlischen Chor der Sarieliten. Ihr werdet dann einzeln aufgerufen, euren Segen und die Weihe in Form eures ersten Votivbandes zu bekommen. Sobald jeder Engel seine Weihe erhalten hat, endet die Feier. Ihr, junge Engel, sollt euch sodann gemeinsam in die Lüfte erheben und zum Himmel der Michaeliten fliegen. Dort wird man euch eurer Schar zuteilen, mit der ihr dann eure ersten Aufträge bekommt, auf die ihr euch so lange vorbereitet habt. Doch nun, junge Engel, lasst mich euch zum Ort der Zeremonie führen."

Mit diesen Worten drehte er sich um und ging, gestützt auf seinen mit Gold verzierten Krummstab und flankiert von zwei Templern, durch das Portal hinaus. Im Licht der Sonne funkelte der Stab wie ein Fanal, das den Engeln den Weg in die Zukunft wies.
Ceterum censeo Carthaginem esse delendam

Duty Calls.

Tex

  • Administrator
    • Netiquette
Engel: Die Gefahren der Vergangenheit
« Antwort #4 am: 10. September 2007, 13:48:44 »
Camael hatte mit Spannung den Sonnenaufgang verfolgt. Auch er stand mit den anderen Engeln auf und richtete seine Gewänder. Als schließlich der Kardinal eintrat, waren alle Gedanken wie weggewischt und er sog jedes einzelne Wort des Kardinals auf. Er brachte etwas Licht in die Weihe und Camaels Inneres beruhigte sich, da er nicht mehr komplett dem Ungewissen entgegenging. Besonders die Erwähnung des Sarieliten-Chors steigerte Camaels Vorfreude ins Unermessliche. Er hatte die Himmlischen Stimmen der Sarieliten noch nie gehört, jedoch aus Erzählungen erfahren, dass sie das Feuer des Glaubens in ungeahnte Höhen steigen lassen können. Nachdem der Kardinal geendet hatte und sich aus der Halle begab, folgte Camael den anderen Engeln, die dem Kardinal folgten. Mit jedem Schritt steigerte sich seine Nervosität und seine Sinne waren bis aufs Äußerste geschärft.

In Erwartungen schwelgend, bemerkte Elysehel den Kardinal erst, als die meisten Engel schon aufgestanden waren. Schnell sprang er auf seine Beine und bewunderte die Halle und ihre Bilder an den Wänden bei den einfallenden Sonnenstrahlen. Bald würde auch er Teil dieses Kampfes gegen Ketzerei und den Herren der Fliegen sein. Demütig, mit gesenktem Haupt, hörte er dem Kardinal zu, rückte seinen Rock und seine Haare zurecht und folgte seinen Brüdern und Schwestern.

Als der Kardinal eintrat, stand Artael auf und nahm eine feste, aufrechte Position ein. Dennoch blickte sie ihm, als Zeichen der Demut, nie direkt in die Augen, sondern lauschte gespannt. Sie war froh, nun eine genauere Vorstellung von dem zu bekommen, was passieren würde, und ihre Vorfreude auf die Zeremonie wuchs, wobei sie sich, wie auch sonst, nicht von ihren Gefühlen hinreißen ließ, sondern vielmehr überlegte, wie sie die Zeit bis zur Zeremonie am sinnvollsten nützen konnte.

Navarìel war eine der ersten, die die Sonnenstrahlen, als diese den Raum erfüllten, im Stehen genoss. Langsam bewegte sie sich umher und erfreute sich an jedem Sonnenstrahl, bis der Kardinal eintrat.
Ihre Augen richteten sich in die Richtung, aus der sie seine Stimme vernahm, während sie bei seinen Worten ruhig verharrte.
Erst, als dieser zum Aufbruch losmarschierte, korrigierte sie kurz den Sitz ihres Rockes, streifte noch einmal mit der Hand durch ihre Haare und lies sich dann von ihren Füßen mit den anderen Engeln in Richtung Zeremonienplatz tragen.
'Bald ist es soweit.', dachte sie nur kurz und dann verstummten auch ihre Gedanken in voller Konzentration, als sie zwischen den großen Flügeltüren hindurch trat.

Sanguiels Herz schlug ihr bis zum Hals und sie war sicher, dass ihr Kopf gerade die Farbe ihrer Haare angenommen haben musste. Bevor sie hinaustrat, ordnete sie bestimmt tausendmal ihren Rock und den Gurt ihres Flammenschwertes, dass auch ja alles richtig saß.
Am liebsten hätte sie den zweiten Teil ihres Ichs aus der Scheide gezogen, um die beruhigende Wärme des Stahls zu spüren, aber sie wusste, dass dies ein grober Fehler gewesen wäre.
’Einatmen - Ausatmen
Ganz ruhig jetzt.
Immer einen Schritt vor den anderen, Augen Geradeaus’
Immer wieder wiederholte sie diese Worte im Geist, als sie hinaus ins Sonnenlicht rat, mit so vielen anderen Engeln. ‚Bald lerne ich meine Schar kennen! Hoffentlich verstehe ich mich mit dem Michaeliten und den anderen.’

Als die Engel durch das Portal die Halle verließen, in der sie die Nacht verbracht hatten, wurden sie empfangen von geradezu ohrenbetäubendem Jubel. Die Strecke bis zum Petersplatz war nur wenige Hundert Meter lang, doch bereits hier drängten sich tausende Menschen, die von dicht an dicht gereihten Michaelis-Templern zurückgehalten wurden. Manche Menschen versuchten, über die Reihen der Templer hinwegzugreifen und eine Feder eines Engels zu erhaschen, doch so gut wie keiner konnte dabei einen Erfolg verzeichnen. Als die Engel die kurze Strecke zum Petersplatz zurückgelegt hatten, erwartete sie ein gigantischer Anblick: Der riesige Petersplatz vor dem ebenso gewaltigen Petersdom war brechend voll. Vor dem Portal des Petersdoms waren drei große, hölzerne Plattformen aufgestellt worden: Auf der linken, die größte von allen, war eine Tribüne errichtet worden, die bereits mehr als gefüllt war mit verschiedensten Klerikern aller Orden, Bischöfe, Äbte, Erzbischöfe, aber auch einfache Monachen und Beginen waren zu erkennen. Die rechte Plattform bot einem mehr als zweihundertköpfigen Chor der Sarieliten Platz, die, als die lange Reihe der jungen Engel den Platz betratet, zu einem himmlischen Gesang ansetzten, der sofort die Herzen aller Anwesenden mit Freude erfüllte.
Die mittlere Plattform konnte von der reinen Größe zwar mit den beiden anderen mithalten, doch war diese bedeutend leerer. Nur eine kleine Tribüne erhob sich im Hintergrund, auf der auch nur wenige Personen saßen, die man am leuchtenden Blau ihrer Ornate aber zweifelsfrei als Kardinäle identifizieren konnte. Vor der Tribüne erhob sich auf einer freien Fläche ein einfacher, hölzerner Thron, ohne jegliche Verschnörkelungen und Verzierungen, geradezu spartanisch. Vor dem Thron führte eine breite Treppe nach unten auf den eigentlichen Platz, wo die Menschenmenge versammelt war und auf den die jungen Engel gerade geführt wurden. Die vielen Templer hatten augenscheinlich große Mühe damit, die freie Fläche vor den hölzernen Plattformen und die Gasse, die dorthin führte, frei zu halten. Wenn man den Blick über den Platz schweifen ließ, konnte man erkennen, dass der Platz bis zu den Säulenhallen, die ihn normalerweise begrenzten, mit Menschen dicht gefüllt war. Auf den Säulenhallen wehten in regelmäßigen Abständen die Banner aller fünf kämpfenden Orden, das goldene Banner der Michaeliten, das schwarze der Gabrieliten, das blaue der Ramieliten, das weiße der Raphaeliten und das grüne der Urieliten.

Kardinal Kant jedoch führte die jungen Engel mit der Routine eines Mannes, der diese Aufgabe schon viele Male versehen hatte, durch die schmale Gasse zu der freien Fläche vor den Plattformen. Dort wies er die Engel mit einem kurzen Handzeichen - Worte wären an dieser Stelle sinnlos gewesen, die Menge war zwar nach dem Einsetzen des Chores still geworden, doch füllten nun die Sarieliten mit ihren gewaltigen Stimmen den Platz komplett aus – an, an dieser Stelle zu verharren. Er selbst ging langsam und mit sichtlicher Anstrengung – wohl aufgrund seines Alters - die hölzerne Treppe hinauf und nahm auf der kleinen Kardinalstribüne Platz. Dort standen die Engel nun und lauschten dem Chor der Sarieliten, mehr als gespannt auf die Zeremonie, die nun vor ihnen lag.
Ceterum censeo Carthaginem esse delendam

Duty Calls.