„Scheiße!“, ruft Evendur.
Garons direkt auf die Eingangstür gezielter Feuerball schlägt ein und eine Welle der Hitze wallt herüber. „Mit etwas Glück habe ich sie noch erwischt“, meint er gut gelaunt.
Doch der Kundschafter bremst den Optimismus des Magiers zornig: „Mit etwas Glück hast du Gathan nicht erwischt. Mann! Der ist gerade reingegangen. Hättest ihm auf Drakonisch ruhig sagen können, dass er sich zurückziehen soll!“
„Gewisse Opfer sind notwendig, Kundschafter“, erwidert der Magier ungerührt und fragt „Wo ist sie hin? Das ist doch hier die interessante Frage.“
Ein mächtiges Brüllen Alexanders lenkt uns kurz ab. Zufrieden grunzend tritt er aus der Tür auf die Brücke heraus. „So, der Gehörnte Typ ist nen Kopf kürzer.“ Elenya tritt bleich hinter ihm hervor. „Ich glaube ich habe Mist gebaut. Ich habe versagt... .“ Ein erster Impuls lässt mich vermuten, dass sie noch immer verwirrt ist, aber als ich in ihre Augen blicke erkenne ich, dass die Trauer darin echt ist. Alarmiert schüttele ich sie: „Was meinst du damit?“ „Ich habe versagt... .“ Alexander knurrt sie an: „Das sagtest du bereits. Bei was hast du versagt?“
Währenddessen kriecht unser Kundschafter durch das Gras und sucht nach Spuren der unsichtbaren Cyric Priesterin.
Elenya blickt mich mit Tränen gefüllten Augen an. „Es tut mir so leid, Lily. Ich...ich...habe Galmor verbluten lassen. Ich war nicht ich selbst, ich weiß das ist eine klägliche Entschuldigung, ich...“ „Was?“ , frage ich ungläubig.
Ich schlucke und sehe mich um. „Was?“
„Es tut mir leid, Lily, ehrlich, ich...“
Ich schiebe sie weg. „Jetzt nicht. Erkläre es später. Und du bist sicher, dass wir nichts mehr für ihn tun können?“ Elenya nickt traurig.
In diesem Moment gibt uns Evendur unauffällig zu verstehen, dass er die Dienerin Cyrics gefunden hat. Durch ihre Fußabdrücke im tiefen Gras sieht er, wo sie gerade steht. Ich begebe mich ein Stück weit weg vom Ort des Kampfes und ziehe in Erwägung die <Necreme> zu beschwören und sie auf die Cyric-Anhängerin zu werfen. Aber ich bin unsicher, ob ich das Schiff überhaupt auf dem Trockenen herbeirufen kann.
Alexander eilt seinem Halbbruder zur Unterstützung und sie machen sich daran, die gefährliche Frau in die Zange zu nehmen. Doch die schlaue Frau wirkt rasch einen Zauber auf den mächtigen Barbaren, welcher ihn bewegungsunfähig macht. Zumindest ist sie nun wieder sichtbar.
Im selben Augenblick sehe ich Gathan, der sich dem Tode nahe aus einem Hintereingang schleppt. Ich eile zu ihm und reiche ihm meinen mächtigsten Heiltrank, in der Hoffnung, er würde auf Echsen genauso wirken wie auf Menschen.
Überrascht höre ich ihn „Danke“ krächzen. Ich lächele ihn flüchtig an und deute in die Richtung des Kampfes. „Komm mit“, fordere ich ihn auf und er nickt verstehend. Allmählich scheint er unsere Sprache ein wenig zu lernen. Wir schleichen uns hinüber.
Alexander ist schier rasend vor Wut. Seine bedrohlich schwarzen Augen quellen fast aus ihren Höhlen, die Ader auf seiner Stirn steht kurz vorm Bersten, aber er kann sich dennoch nicht aus dem Zauber befreien.
Elenya ist es schließlich, die der gegnerischen Priesterin den Schädel zertrümmert bevor die ihren Zauber abschließen kann weitere Monster zu beschwören.
Der Schock über Galmors unnötigen Tod liegt schwer über der Gruppe. Ich helfe Elenya dabei, seinen Körper zu balsamieren. Der Rest der Gruppe geht daran, die Räumlichkeiten – bis auf den Trakt der Kathedrale – zu untersuchen. Wieder haben wir keine Gefangenen gefunden. Es sei denn, sie würden im Altarraum gefangen gehalten und von dem abscheulichen Golem, den wir nicht besiegen können, bewacht. Einige Briefe liefern Antworten auf ein paar unserer Fragen.
Hochverehrter Wachsamer Schädel, Blackwill Akhmele,
hiermit grüßt Euch Eure blutige Hand, Schädeldienerin Ethar. Wie zu erwarten war, verbergen die Shar - Anhänger ihre Geheimnisse gut, aber dennoch entdeckte ich etwas, was uns helfen könnte, ihre entgültigen Pläne zu verstehen.
Wir helfen ihnen bei ihrem Ritual, ein Feld von toter Magie über dem weiten Sumpf zu erschaffen. In diesem Feld toter Magie, wie sie es nennen, wirkt nur Schattenmagie, was ihnen offensichtlich sehr zum Vorteil gereicht. Trotzdem gehe ich davon aus, dass es eine törichte Idee ist, diesen Sumpf als Hauptquartier für weitere Operationen zu benutzen. Diese Ungereimtheit ließ mir keine Ruhe, weshalb ich zur Schwarzen Sonne betete, damit Er mir eine tiefere Einsicht in die Pläne der Sharisten ermöglichen würde. Leider wurde mir keine Vision gewährt, aber da ich hier, in einem ihrer alten Klöster, lebe, entdeckte ich – gepriesen sei Cyric - das Stück Pergament, welches ich Euch in diesem Brief beifüge. Ich glaube es handelt sich bei diesem Pergament um ein Schriftstück, welches ein Mönch verfasste, der einst im Kloster der Ebenholzkuppel lebte.
Es scheint, als besäßen die Sharisten eine geheime Schriftrolle der Jahre. Bezüglich deren Ursprung oder ihrer Genauigkeit, vermag ich nichts zu sagen, jedoch scheinen manche Namen beängstigend eng mit der Geschichte, wie wir sie erlebten, verknüpft zu sein, vielleicht sogar noch enger, als diejenigen, welche durch den Verlorenen Gelehrten, Augathra den Verrückten, eingegrenzt wurden.
Ihr bemerkt sicherlich, dass die Schwarze Zeitrechnung bloß 34 Jahre abdeckt, aber vermutlich gibt es eine größere Zeitspanne, welche im gefundenen Pergament nicht enthüllt wird. Das Lesen des Buches „Buch der Schwärze“ könnte uns erklären, welche Pläne die Anhänger Shars wirklich verfolgen.
Trotz einer Woche intensiven Suchens war es mir vergönnt noch mehr Schriftstücke dieser Art zu finden. Ich versuchte unauffällige Nachforschungen bei den Sharisten und Despayr zu betreiben. Despayr weiß offenbar von nichts, aber mit seiner Gattung ist dies nicht absolut gesichert, Drachen sind Meister der Täuschung. Die anderen Shar Anhänger hier im Kloster sagten, sie wüssten nicht worauf ich hinaus wolle und erzählten mir stattdessen, wie die Mönche dieses Klosters früher verrückt geworden sind. Dennoch spürte ich eine gewisse Wachsamkeit in ihren Bewegungen und Äußerungen.
Ich denke wir müssen dieses „Buch der Schwärze“ finden und
(hier endet der Brief)
Dies ist der im Brief der Cyric Priesterin erwähnte Anhang:
Die Schriftrolle der Jahre
Die Schatten fallen richtig und andere Zeichen machen es noch deutlicher. Nach all der Zeit wird die Schwarze Zeitrechnung endlich verwirklicht. Ich vertraue den Schatten, die am Rande meines Gesichtsfeldes tanzen, weil Shar mich in ihrer dunklen Umarmung einhüllt. Ich kann mit einigem Fug und Recht festsetzen, dass dieses Jahr, 1352 DR, tatsächlich das Jahr des Verlorenen Königs ist, also das erste Jahr der Schwarzen Zeitrechnung.
Ich weiß, dass die Geschehnisse, wie sie im Buch der Schwärze vorhergesagt sind, in Bälde geschehen werden.
Siehe die Schriftrolle der Tränen und ihren Schatten! In angemessener Zeit werden wir alle Zeugen der Entfaltung von Shars größter Arbeit werden.
1352 Jahr des Drachen Jahr des Verlorenen Königs
1353 Jahr des Torbogens Jahr der Masken
1354 Jahr des Bogens Jahr der Großen Ernte
1355 Jahr der Harfe Jahr des Rückzugs
1356 Jahr des Wurmes Jahr der Drow
1357 Jahr des Prinzen Jahr der Zauberflamme
1358 Jahr der Schatten Jahr des Aufstiegs
1359 Jahr der Schlange Jahr des Volksfestes
1360 Jahr des Mauerturmes Jahr der Armeen
1361 Jahr der Jungfrauen Jahr der Goldenen Entdeckungen
1362 Jahr des Ruders Jahr der Sonne
1363 Jahr des Lindwurms Jahr des Winters
1364 Jahr der Welle Jahr der Fürsten
1365 Jahr des Schwertes Jahr der Fröhlichen Elfen
1366 Jahr des Stabes Jahr des Eiswassers
1367 Jahr des Schildes Jahr der Demaskierung
1368 Jahr des Banners Jahr der Söhne
1369 Jahr des Handschuhs Jahr der Sorgen der Stadt
1370 Jahr des Kruges Jahr des Totalen Krieges
1371 Jahr der Unbesaiteten Harfe Jahr der Einstürzenden Türme
1372 Jahr der Unbändigen Magie Jahr der Rückkehr der Dunkelheit
1373 Jahr des Abtrünnigen Drachen Jahr des Wahnsinns
1374 Jahr der Blitzstürme Jahr des Entwirrens
1375 Jahr des Aufstiegs des Elfenvolkes Jahr der Harten Ziele
1376 Jahr der Gebogenen Klinge Jahr der Falschen Hoffnung
1377 Jahr der Heimsuchung Jahr des Schwarzen Banners
1378 Jahr des Kessels Jahr der Gebrochenen Herzen
1379 Jahr der Verlorenen Festung Jahr der Verlorenen Weisheit
1380 Jahr der Flammenden Hand Jahr der Stumpfen Klinge
1381 Jahr der Hungersnot Jahr des Narren
1382 Jahr der Verkündung Jahr der Unwillkommenen Gäste
1383 Jahr des gerechtfertigten Kriegers Jahr der Ungerechten Belohnungen
1384 Jahr der Blutigen Drei Ströme Jahr der Gestohlenen Throne
1385 Jahr des Blauen Feuers Jahr der Enthüllung
(Wie es uns mit Galmors Leichnam weiter erging, und wie wir die gefundenen Schriftstücke deuteten, soll in Kürze erzählt werden.
)