Dieses!
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Die Männer werfen sich gegenseitig Blicke zu.
„Ab jetzt keine Alleingänge mehr!“, fordert Galmor nachdrücklich.
„Nun gut“, lenkt Garon ein, „Wir stimmen die weitere Vorgehensweise für die Zukunft ab. Unser übergeordnetes Ziel ist es, Amnik Basult zu finden, da er einen weiteren Stein unserer Eltern besitzen soll.“
Wir alle nicken, erleichtert, dass wir uns doch ein weiteres Mal zusammenraufen konnten. Nur Alexander schnarcht leise vor sich hin, vom Streit am Tisch offensichtlich völlig unberührt.
„Möglicherweise müssen wir diesen Drachen auch nicht besiegen“, sage ich Gedanken verloren nach einer Weile, in der jeder von uns seinen Gedanken nach hing.
„Wie sollte das von Statten gehen?“, will Evendur wissen.
„Garon, du hast doch diesen Zauber mit den magischen Augen. Wenn wir dicht genug an den Hort Despayrs heran kämen, könntest du ausspionieren, wie es dort aussieht. Ich habe die Möglichkeit uns allesamt unsichtbar zu machen“, erkläre ich.
„Verstehe, wir machen uns mit den Gegebenheiten vertraut, du machst uns unsichtbar, wir schleichen hinein, befreien Amnik Basult und verschwinden wieder, bevor der Drache überhaupt bemerkt, dass etwas nicht stimmt“, fasst der Späher meine Idee zusammen.
„Richtig. Der Plan hat nur zwei kleine Haken“, schränke ich ein.
„Welche?“, wollen die Männer wissen.
„Es geht um die Fähigkeiten des Drachen. Drachen sind mächtige, sehr intelligente Wesen. Es gibt Berichte und Geschichten, die aussagen, sie wären in der Lage Unsichtbares zu entdecken.“
„Darauf müssen wir es ankommen lassen“, entkräftet Galmor meinen Einwand, „Welches weitere Hindernis meintest du?“
„Ihr erinnert euch sicherlich daran, dass wir die Brücke zum ersten Turm gekappt haben?“ „Stimmt, wie werden wir diese Ebene verlassen können?“, fragt Evendur.
„Da gibt es Möglichkeiten“, antwortet ihm Garon geheimnisvoll.
„Geht´s auch etwas genauer?“, meint der Späher genervt.
„Sicher“, Garon grinst.
Ihm scheint es sichtlich Vergnügen zu bereiten, im Mittelpunkt zu stehen, „Ich beherrsche einen Zauber, der es mir erlaubt fliegen zu können.“
„Schön! Und was ist mit uns?“, wirft der Kundschafter leicht gereizt ein.
Der Magier zieht missbilligend eine Augenbraue hoch und betrachtet den ungeduldigen Pessimisten intensiv über den Rand seiner Brille hinweg:
„Ich kann ein Reittier beschwören, welches uns nacheinander über die Schlucht tragen kann.“
„Das wird zuviel Zeit kosten“, wendet Evendur ein, „Was ist, wenn wir verfolgt werden? Könnte doch sein, oder? Immerhin sind die Augen Despayrs noch übrig.“
„Da hast du Recht“, seufze ich, „Weitere Vorschläge?“
„Lily, du besitzt diesen magischen Rucksack, nicht wahr?“, fragt mich Galmor.
„Ja, warum?“ „Könnte man den nicht als Transportmittel verwenden?“
Ungläubig starren wir den Zwergen, der ja kein Zwerg ist, an, der hastig fortfährt, uns seine Vision zu erläutern: „Wir könnten alle in diesen Beutel hinein kriechen, bis auf Garon. Er würde das fliegende Reittier herbeirufen und mit uns im Rucksack verstaut hinüberfliegen.“
Er strahlt uns an. Ich lächele zurück und auch Evendur nickt anerkennend, doch unser Gelehrter Magus schüttelt den Kopf.
„Das wird so nicht funktionieren“, bremst er unsere euphorische Stimmung.
Enttäuschte Blicke richten sich auf den Magier, der genervt die Augen verdreht.
„Denkt mal nach! Ich bin nicht daran schuld, dass euer kindlicher Plan sich in Luft auflöst. Da hättet ihr selbst drauf kommen können und euch solche absurden Gedankenspiele sparen können.“
Kleinlaut fragt Galmor: „Kann man in dem Sack atmen?“
„Nein!“, erwidert Garon laut, „Genau das ist der Punkt.“
Doch der Tempuskleriker bleibt beharrlich: „Weißt du das mit absoluter Sicherheit?“
Ein kurzes, unschlüssiges Flackern in den Augen Garons lässt vielleicht den Rückschluss zu, er sei sich nicht ganz sicher, doch der selbstbewusste Klang seiner Stimme lässt alle Zweifel verschwinden.
„Natürlich. Dieser Raum ist extraplanar. Er existiert nicht auf unserer Ebene. Er existiert auf gar keiner Ebene, deswegen gibt es auch keine Luft in dem Beutel“, antwortet er autoritär, als spräche er zu jungen Kindern.
Doch Galmor lässt sich nicht abschütteln: „Essen verdirbt auch nicht da drinnen, oder?“ Ich nicke und er fährt aufgeregt fort:
„Was glaubt ihr, wie lange wir zum Hinüberfliegen bräuchten?“
Fragend schaut er uns der Reihe nach an.
Ich zucke die Achseln, Garon scheint mit mathematischen Formeln berechnen zu wollen, wie lange sein beschworenes Flugtier brauchen würde, so angestrengt liegt seine Stirn in Falten, und Evendur meint schließlich:
„Meiner Schätzung nach ist die Entfernung deutlich mehr als ein Kilometer gewesen, eher zwei. Selbst ein Greif würde dafür wohl eine Weile brauchen. Da müsste man lange die Luft anhalten!“
„Schon, aber da ist ja möglicherweise ein Rest Luft im Sack enthalten!“, wirft Galmor ein. „Trotzdem möchte ich es nicht ausprobieren“, meint Evendur knapp.
„Zu schade, dass wir keine Versuchstiere hier haben. Eine Katze zum Beispiel. Ich mag keine Katzen“, faselt der Zwerg vor sich hin, „Wenigstens eine Ratte muss doch hier irgendwo sein“, suchend blickt er sich im Turm um.
Evendur sagt schnippisch: „Hier, Galmor! Da ist doch deine Ratte“, lockt er den Kleriker, auf Garon zeigend, der die Beleidigung offenbar überhört hat, „Aber ich fürchte, diese Ratte brauchen wir noch!“, selbstgefällig bricht er in schallendes Gelächter aus, in welches ich widerwillig kichernd einstimme.
„Nun gut“, unterbricht Garon schließlich mit einem irritierten Blick unsere Heiterkeit, „Halten wir also fest, dass wir Despayr nicht gegenüber treten, sofern die Möglichkeit dazu besteht. Wir versuchen Amnik Basult zu befreien und verschwinden dann.“
„Ja, und sollte es sich nicht vermeiden lassen, dem Drachen gegenüber zu treten, dann hören wir uns auf jeden Fall erstmal sein Angebot an“, ergänzt der Tempuskleriker mit beschwörender Stimme.
„Richtig, es muss ja nicht zwangsläufig heißen, dass er uns töten will. Das hätte er sonst wohl schon erledigt“, ergänze ich, „Malcarion sagte lediglich, dass Despayr unsere MACHT bräuchte, um den Riss letztendlich groß genug zu machen.“
„Richtig, Despayr ist auf seine Stimme und seine Augen angewiesen, weil er nicht durch das Portal passt. Ohne diesen ominösen Riss im Gewebe Mystras wird er nicht in der Lage sein, die Schattenebene zu verlassen.“
„Welche Auswirkungen hätte eigentlich dieser Riss im Gewebe auf unsere Ebene?“, fragt Evendur interessiert.
Der Magier ist mit einer Antwort schnell zur Hand: „Wenn das Gewebe Mystras durchbrochen wird, wird der Weg für Shar bereitet. Das Schattengewebe schließt die Lücken im Netz des Gewebes, es wurde von Shar erschaffen. Nur Anhänger Shars können damit umgehen. Es wurde als Shar’s Antwort zum Gewebe erschaffen, ihr Ziel ist es das Gewebe vollständig zu verdrängen und damit ihre Anhänger die einzigen sein zu lassen die arkane Magie wirken können. Wenn sich das Schattengewebe ausbreitet wird es das Gewebe in einen Bereich toter Magie verwandeln.“
„Was heißt das konkret, Garon?“, bohrt der Kundschafter nach. „Letztlich würde dies bedeuten, dass niemand in diesem Bereich Faerûns mehr Zugriff auf Mystras Gewebe hätte. Es wäre ein hoffnungsloser Kampf gegen arkane Zauberwirker des Schattengewebes zu kämpfen ohne Zauberwirker des Gewebes zur Verfügung zu haben.“
Wir blicken den Magier erwartungsvoll an, doch ihm scheint seine Erklärung vollkommen auszureichen.