Kapitel 7
Probleme, Probleme, nichts als Probleme
5. Eleint Das Jahr der Visionen 731 TZ Westtor
Ich will mit Felix nicht unbedingt im Handelshaus von Jasper Jansen reden, wo die Wände garantiert Ohren haben. Der gute Felix schlägt tatsächlich das Einhorn als gemütlichen Ort vor, aber ich kläre ihn auf, dass dieser Ort den Nachtmasken nur zu gut bekannt ist. Also gehen wir in das Haus von einem von Felix Freunden, der nicht begeistert ist, als wir auftauchen. Zähneknirschend überlässt er uns das Wohnzimmer. Nachdem ich mich überzeugt habe, dass wir wenigstens weltlich nicht belauscht werden, beginne ich mit der Befragung.
„Mein Bruder Racardo. In der Tat, er kam damals nicht zum Treffpunkt, nachdem er seinen ominösen letzten Bruch tun wollte. Er hatte damals gesagt, wenn ihm das gelingt, werden wir gemachte Leute sein. Er wollte Material über die Adligen in die Hände bekommen und sie damit erpressen. Aber wie er genau das tun wollte, weiß ich leider auch nicht.“ Ich schau ihn prüfend an und komme zu dem Schluss, dass er mir die Wahrheit sagt, aber etwas verschweigt.
„Hat Racardo irgendwelche Sachen hinterlassen, Aufzeichnungen, Bücher, Pläne?“
„Racardo hat vielleicht ein Buch in seinem Leben gelesen. Aufzeichnungen oder ein Tagebuch hat er nicht angefertigt. Und auch sonst habe ich nichts mehr aus seinem Nachlass.“ Irgendwas verschweigt er mir.
„Was ist Racardo eigentlich genau zugestoßen, weißt du das?“
„Nun ja, ich dachte ja, er sei tot und bin nach Westtor abgereist. Geschäftlich musste ich noch einmal zurück nach Chondathan. Das Komische war, niemand wusste etwas von einem erfolglosen Einbruchsversuch in die Klingenfeste. Und da habe ich ihn wieder getroffen.“
„Häh? Racardo ist nicht tot?“ Das haut mich jetzt beinahe wortwörtlich vom Hocker.
„Nun ja, ich traf ihn wieder, sprach ihn an und er tat so, als ob er mich nicht kennen würde. Er war nun ein Hauptmann der Schildwacht, der zuständig für das Adelsviertel ist. Als ich nicht locker lassen wollte, ist er schier ausgerastet und wollte mich verhaften!“ Wir schauen uns alle etwas irritiert an. Racardo lebt, ist Hauptmann bei der Schildwacht und erkennt nicht mal mehr seinen eigenen Bruder. Wilde Theorien jagen in meinem Köpfchen hin und her, aber keine macht wirklich Sinn. Das alles ergibt so gar keinen Sinn. Ich komme mir vor wie bei einem Puzzle, wo die Mehrheit der Teile fehlt.
Wir danken Felix für seine Hilfe, entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten und verschwinden. Irgendwie habe ich mir mehr erwartet. Hinweise, die auf einen Weg in die Klingenfeste weisen könnten. Stattdessen nur weitere Puzzelteile, die das bisherige Gesamtbild auf den Kopf stellen. Ne, so langsam bin ich frustriert. Ich wusste ja, dass es nicht einfach werden würde, aber je mehr wir herausfinden, desto weniger wissen wir eigentlich. Eine Mitgliedschaft bei der Schildwacht und ein schnelles Hochdienen wäre vielleicht doch eine akzeptable Alternative. Ach, ich weiß auch nicht!
Wir erreichen unbehelligt das Handelshaus. Der gute Meister Jasper Jansen ist noch auf und lauscht gespannt unserem Bericht, nachdem er uns Kelche mit Wein gereicht hat. Das habe ich jetzt gebraucht. Der würzige Wein bringt meine Lebensgeister zurück. Da wir mit einem weiteren magischen Schwert recht wenig anfangen können, biete ich es zum Tausch gegen ein magisches Rapier und einen Streitkolben an. Obendrauf lege ich noch die meisterhaft gefertigte Rüstung von Rotauge Parvas. Wir kommen ins Geschäft und ich greife begeistert nach dem Rapier. Es ist eher einfach gefertigt, sprich es hat keine aufwendigen Verzierungen. Aber es ist magisch, liegt perfekt in der Hand und wird seinen Zweck erfüllen. Die Dame hat mir gelächelt!
Ryan versucht tatsächlich die Tochter Jasper Jansens anzubaggern. Wie peinlich! Er lässt sich von ihr die Galerie unter dem Dach zeigen. Xana, Lia und ich schließen uns an. Lia raunt mir zu, dass ich ja nichts einstecken soll. Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu. Als ob ich eine gewöhnliche Diebin wäre. Pah! Es sind großformatige Bilder aus dem alten Jhaamdath zu sein. Sie zeigen alle Landschaften mit Städten und Schlössern der alten Heimat, wie sie vor der Flutwelle ausgesehen hat. Auch gibt es hier als Ausstellungsstück eine Kristallkrone aus einem Herrscherhaus. Sehr schönes Stück.
Glücksbote Ryan bringt Lissa, so heißt die junge Frau dazu, etwas von sich selbst zu erzählen. Es stellt sich heraus, dass Lissa gar nicht die leibliche Tochter, sondern ein Waisenkind aus dem Vhillongriff ist. Es ist üblich, dass Handelshäuser und Soldkompanien Waisenkinder aufnehmen und sie ausbilden. Auch scheinen viele mit einem ähnlichen Hintergrund in dem Handelshaus im Dienst zu stehen. Es ist ihr deutlich anzusehen, dass sie sich gerade verplappert hat und sie wird schnell sehr einsilbig.
Xana zupft mich beim runter gehen aufgeregt am Ärmel. „Sie ist genau so alt wie Serenius und der ist auch ein Waisenkind. Ob er in Wahrheit ein Spion des Handelshauses ist?“ Ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn auch recht weit hergeholt. Trotzdem nehme ich mir vor, in Zukunft nicht mehr ganz so offen zu Serenius zu sein.