Hi,
wie so ziemlich alle habe auch ich mich gewundert, warum es innerhalb von 7 Jahren 3 neue D&D Editionen gibt (vorher 3 in 27 Jahren, D&D Basic, AD&D 1st und AD&D 2nd), und wie fast alle halte ich das auch für einen absoluten Schmarrn und reine Geldmache.
Juhu, ein Früher-war-alles-Besser-Thread! Dann wollen wir ihn mal zerpflücken...
Ein kleiner Rückblick.
Anno 1999 lag das traditionelle Rpg im Sterben, so schien es zumindest.
Magic und sein buckliger Verwandter, das böse Computer"rollenspiel" hatten es fast in die Grube gestoßen, so zumindest die allgemeine Meinung.
Die allgemeine Meinung repräsentiert durch wen? Dich? Fakt ist, dass TSR abgewirtschaftet hatte. Und zwar weil man jahrelang irgendwelche Nischenprodukte auf den Markt geworfen hat, statt sinnvollerweise einen Schlussstrich zu ziehen und eine neue Gesamtedition zu aufzulegen.
Dann kam der strahlende, bunte und chicke Retter D&D 3rd.
Aufgrund der äußerst bunten Aufmachung, die ich als rollenspielerisches Kind der 80er so nicht gewohnt war, sowie der freiwillige Verzicht auf das "A" im D&D ließen schlimmes Befürchten.
D&D goes Hero Quest?
Klingt irgendwie nach dem D&D-goes-WOW- bzw. D&D-goes-Manga-Gesülze, das man derzeit in Bezug auf die 4. Edition ertragen darf.
Aber es war gar nicht so schlimm; aus dem System ließ sich was machen.
Wie so viel, was aus Amiland kommt. Hübsch, meist nicht so recht praktikabel, aber es läßt sich gut dran rumschrauben. Wie an einer Harley z.B.
In der reinen Druckform spreche ich D&D sogar die Bezeichnung "Rollenspiel" ab, denn man muß schon einiges an intellektueller Eigenleistung aufbringen, um D&D mehr als nur ein "kreatives Steigerungs- und Taktikspiel mit phasenweiser Interaktion" zu bezeichnen.
Wenn man sich aber diese Mühe macht, so kann man Feines draus Basteln.
Wow, komprimierter Bullshit in einem Absatz. Viel besser kann man sämtliches schwachsinniges Genörgel zum Thema D&D nicht auf den Punkt bringen. Ich hatte eigentlich gedacht, dass die Leute inzwischen endlich ausgestorben sind, die immer noch glauben, die Wahrheit über das wahre Rollenspiel geschaut zu haben. Wann genau war D&D denn bitte ein Erzählspiel? Damals, zu Zeiten der guten alten 1E vielleicht? Also in der Zeit, als NSC noch da waren, um getötet zu werden? Und wenn man es ohnehin soviel besser weiß, warum nimmt man dann überhaupt dieses minderwertige Regelwerk und bastelt solange, bis es "was Feines" ist? Warum spielt man nicht von Anfang an ein Spiel, dass schon der eigenen Vorstellung vom wahren, echten, wundervollen Rollenspiel entspricht?
Also, D&D 3rd ist 2000 die langerwartete Infusionsspritze für das klassische Rpg.
Dann 2 1/2 Jahre danach was Neues?
Nee, oder?
Klar, haben die Wizards 2000-2003 durch die neuen Medien wahscheinlich mehrere 100 mal so viel Response von der Community erhalten wie seinerzeit 1989-2000 in der Zeit von beispielsweise AD&D 2nd durch Briefe oder auf den althergebrachten Cons.
Außerdem ist v.3.5 das deutlich bessere System. Zudem sind sie kompatibel.
Deßhalb habe ich es auch mitgemacht und es gekauft. Sogar die schnöden "Complete"-Aufguß-Bücher.
Ob die 3.5 wirklich notwendig war, darüber kann man wohl streiten. Ja, die 3.5 ist das bessere System, ja es handelt sich um Detailverbesserungen. Aber: Niemand musste es kaufen. Es gibt noch so einige Runden, die weiterhin 3.0 spielen.
Seit 2003 setzten sich die Wizards nun akribisch daran, so ziemlich jeden erdenkbaren Aspekt des Fantasy-Rpg innerhalb ihres Sytemes abzulichten: Klassen, Rassen, Settings, Environments, Themenbücher, Abenteuer (O.K., eher Raumaneinanderreihungen, aber das ist ein ganz anderes Faß, daß ich an dieser Stelle nicht aufmachen will).
Oh Schreck, es gibt ein breites Angebot! Und das Fass mit den Raumaneinanderreihungen lässt du besser wirklich zu, so eine Aussage zeugt nämlich eigentlich nur davon, dass man die erschienenen Abenteuer entweder nicht wirklich kennt, oder aber, dass man es sich auf seiner Früher-war-alles-besser-Meinung derart gemütlich gemacht hat, dass man sich ohnehin nicht vom Gegenteil überzeugen lassen würde. Es gibt nämlich erstens auch Abenteuer, die diesem Schema ganz und gar nicht folgen, zweitens ist der DungeonCrawl schon immer ein kennzeichnendes Merkmal von D&D gewesen (geheimer Insidertipp: Das erste "D" im Namenskürzel steht nicht für Dürüms, das zweite nicht Döners). Und drittens: Ob du es glaubst oder nicht, es gibt Leute, die haben Spaß an gut gemachten Dungeon Crawls.
Metaphorisch gesehen, hat sich der Verlag ein perfektes Haus mit mehr als 150 teilweise hochklassig aufgemachten und - geschriebenen Supplements (zählt man FR und Eberron mit dazu) gebaut.
Und weniger metaphorisch gesehen, haben sie einen Haufen Produkte herausgegeben. Einige davon sind sehr gut, andere wengier. Zum Glück gibt es die bösen neuen Medien, die das ganze Feedback geschaffen haben, welches an der 3.5 Schuld war. Über eben diese Medien kann man sich nämlich zu jedem Produkt eine ganze Ladung unabhängiger Meinungen einholen, und erst dann entscheiden, ob man es braucht oder nicht.
Jetzt geht der Ami aus seinem schönen, nahezu perfekten Haus raus, sieht, daß es gut ist und sagt:"Tear the fucking, boring trash down. I need new challenges. Let`s build something new."
Tut mir leid, aber ich habe jetzt keine Lust, hier schon wieder den Inhalt von Kapitalismus für Dummies runterzubeten. Man muss sicher nicht alles glauben, was die Marketingabteilung von WotC erzählt. Dass D&D 3.5 Schwächen hat ist aber kein Geheimnis. Und davon abgesehen, was hast du erwartet? Dass D&D 3.5 die letzte Regeledition bis ans Ende aller Tag sein würde? Oder dass man irgendwann nur noch nutzlosen Bullshit wie "Confessions of a Part-Time Sorceress" auf den Markt wirft?
Für mich absolut bizarr. Aber vielleicht liegt das eben daran, daß ich ein romantisch verklärter Deutscher aus "Old Europe" bin, der EIN gscheites System möglichst für sein GANZES Leben haben will.
Selbsterkenntnis...
Ich will nicht immer wieder was Neues. Ich will EIN Teil, was Gscheits.
Und weiter? Du bist doch mit der 3.5 halbwegs zufrieden dachte ich? Also mit monatelangem Basteln natürlich. Aber du hast doch was Gscheits, oder nicht? Wer zwingt dich, auf die 4E umzusteigen? Gary Gygax? Der Weihnachtsmann? Wolfgang Schäuble?
Und somit kommen wir nach dieser Anamnese zu unserem Anglistikprofessor, mit dem ich vor kurzem auf dieses Thema abgeglitten bin.
Stichwort "Frontier".
Frontier heißt "Grenze".
In der Anglistik steht "Frontier" aber für wesentlich mehr. Es steht sozusagen für das Herz und die Seele des amerikanischen Wesens. Es ist ein litararischer und soziologisch-kultureller "Topos". (Thema, Motto)
Er besagt, daß das amerikanische Volk, seit den Tagen der Mayflower von einer dezidiert rastlosen, vorwärst kommen-wollenden Kultur geprägt ist.
Der Atlantik - der erste Winter für die ersten Siedler der Mayflower - die Appalachians - der Missouri - der Mississippi - die Rockies - die Neger - die Indianer - die Südstaaten -Mexiko, ca. 100 größere und kleinere Krige außerhalb der USA (sofern man davon weiß), etc.
Als die Amis den Pazifik erreichten und bildlich gesehen fast ins Wasser geplumpst wären, gerät der noch jungen Staat in eine tiefe Sinnkrise. Dies ist historisch verbrieft.
Immer neue Frontiers, immer neue Aufgaben, immer neue Hindernisse, an denen man wachsen kann, wenn man sie denn nur überwindent.
Dies ist Teil des amrikanischen Traums.
Und D&D ist ein (eher kleines) Popkultur-Pänomen eben dieser rastlosen Nation, und von daher auch von derselben Natur. Oder?
Schon möglich, und was bringt uns diese Erkenntnis nun konkret? Ist das eine verwerfliche Geisteshaltung, über die wir Europäer erhaben sind, und deswegen soll hier bloß keiner die doofe 4E kaufen, denn die gibts ja nur, weil die Indianer inzwischen hübsch in Reservaten eingesperrt und in den Alkoholismus getrieben werden? Also mal ganz ehrlich: Muss man denn jeden Scheiß kulturwissenschaftlich erörtern?
Jetzt wäre es doch an der Zeit, riesige Kampagnenbände à a Borbaradkampagne zu veröffentlichen, mit einer HANDLUNG anstatt Räumen.
Die Beweisführung ist abgeschlossen, keine weiteren Fragen.
Mit den (relativ) schönen v.3.5 Regeln.
Das Haus ist austapeziert, bezugsfertig, Man sollte s mit Leben erfüllen,
Sollte man meinen.
Aber nee, es wir wieder komplett abgerissen; warum?
Das ist keine Frontier, das ist nicht interessant für den Ami.
Also: wegreissen, was Neues bauen.
Ganz nebenbei gesagt auch ein sehr beliebtes Konzept in der amerikanischen Außen- und auch der Innenpolitik, in der doch so viel im Argen für ein dermaßen reiches Land liegt.
Aber: auch das ein anderes Faß.
Ehrlich, du gewinnst meine persönlichen Preis für den schwachsinnigsten Thread 2007! Oh Mann, da hatte man den Katzenmann schon fast verdrängt, und dann schneit ganz unverhofft sowas herein. Um es in der dir eigenen Metaphorik auszudrücken: Da mach ich ein Fass auf!
Zwar sind Amis und Europäer grundlegend als "westlich" zu bezeichen, aber im Herzen doch kulturell sehr verschieden.
Der Ami strebt in seinem immer noch vergeichsweise sehr jungen Land nach immer neuen "Heldentaten" um es sich und Welt beweisen, der Europäer ist da im Allgemeinen wesentlich ruhiger.
Von daher ist es nur logisch, wenn die Wizards gerade jetzt, wo alle dachten, daß v.3.5 voll auf Kurs ist, das Schiff selbst versenken, denn eine erledigte Aufgabe ist für den Frontierman langweilig. Er will was Neues.
Wer dachte denn bitteschön ernsthaft noch, dass die 3.5 voll auf Kurs ist, wenn schon die Splatbooks in die zweite Iteration gehen?
[Uqote]Und das ist 4 E.[/quote]
Öhm, was jetzt bitteschön genau meinst du damit schonwieder?
Aber: mit diesem Wissen weiß ich jetzt, wann 5 E kommt, d.h. genau dann, wenn der "Old Europer" meint, 4E würde perfekt laufen. Das dürfte, mit markttechnischen Überlegungen, so ungefähr 2010 sein.
Ja nee, ist klar...
Denn dann ist´s für den Ami wieder langweilig und er braucht eine neue Herausforderung. Denn dann ist 4E ja gemeistert. Been there, done that.
Ist ja gut, wir haben dein Argument inzwischen kapiert!
Denn niemand kann aus seiner Haut raus.
Das ist auch O.K.
Wie überaus tolerant von dir.
Aber nicht mit mir.
Verlangt ja auch keiner.
Ich hab`s zuerst nicht kapieren wollen, aber mittlerweile ist es für mich 100% logisch.
Neben den wirrtchaftlichen Gründen natürlich.
Hmm, dazu fällt mir kein polemischer Kommentar ein, den ich in dieser Antwort nicht schon ziemlich strapaziert hätte.
Obwohl, wenn man sich die MB`s so abschaut, scheinen selbst die sonst so kadavergehorsamen Ami-D&D-Fanboy`s die bittere Pille diesmal nicht so ohne weiteres zu schlucken.
Das machst du woran fest? Am Heulen und Zähneklappern, dass mit der 4E alles schlecht werden wird? Wie du selbst schon gesagt hast, gab's das auch bei der Ankündigung der 3E. Vielleicht ist das - Achtung kulturwissenschaftlicher Laie am Werk - das typisch deutsche Phänomen, über jede Veränderung erstmal zu jammern und rumzunörgeln.
Ich jedenfalls habe nicht über 2.000 Euro allein für D&D 3rd-Core Sachen ausgegeben, mir geile Hausregeln ausgedacht, um aus dem Rollenspieldino D&D, der in der Druckform rollenspielevolutionstechnisch immer noch in den 70ern und im Dungeon-Gefängins gefangen ist, was Geiles zu machen, um es nun gegen, so wie es den Anschein hat, einen relativ lieblosen D&D-Verschnitt auszutauschen, der sich bei WoW prostituiert hat, nur um die "Lost Generation", die sich mit fertigen, 8.klassigen Bildern aus der Mattscheibe begnügt, zu den Käuferscharen zu locken.
Ich nehme meine Aussage von oben zurück,
du schaffst es tatsächlich, den Bullshit noch weiter zu komprimieren. Hut ab, du hast Talent!
Power Sources für alle Klassen?
Oh my God! Das hatte ich doch schon im Winter 2000/2001 noch zu 3.0 E - Zeiten als Hausregeln.
Na supi, wenn deine Hausregeln sowieso so "geil" sind, dann bau dir doch einfach dein eigenes Rollenspiel - das ist dann ganz bestimmt 100% das, was du erwartest, und unerwartete Editionswechsel können dich dann auch nicht mehr überraschen.
Kauft sie, die neuen Bücher, Wizards. Kauft sie selber.
Ich bin sicher, sie werden tun, was du sagst, denn aus dir spricht die Weisheit derer, die die einzige Wahrheit geschaut haben.
Ihr tut auch besser gut daran. Denn es werden ein paar treue Fans weniger werden.
Na und? Dafür werden garantiert ein paar neue dazukommen. Oh, sorry, ich vergaß, das sind dann ja nur so verblödete Kiddies, die gerne WoW spielen und zu kulturwissenschaftlichen Erörterungen nicht in der Lage sind.
Wie zum Beispiel dieser romantische Germane aus "Old Europe", der diese Zeilen geschrieben hat und der keine Frontiers überwinden muß/will, und auch schlicht und ergreifend nicht jeden Scheiß mitmacht.
Da muss ich mir doch glatt *schluchz* eine dicke *sniff* Krokodilsträne von der rosig zarten Wange wischen, so sehr berührt mich das!