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Schatten der Vergangenheit

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Hunter:
Dies hier ist die Geschichte von vier Abenteurern wider Willen, die eine Reise begannen,die sie alle verändern sollte.

Die Briefe des Dekans
Kondenswasser tropfte von den Dächern und die Luft war zum schneiden dick. Selbst der Wind, der den Geruch von Salzwasser mit sich trug, brachte keine Abkühlung. Dennoch herrschte in Pylas Tlaer dasselbe hektische Treiben wie jeden anderen Tag auch. Was daran liegen konnte, dass das Wetter in der Stadt nur selten anders aussah, als an diesem Frühlingsmorgen. Händler aller Völker und aus aller Herren Länder priesen auf dem riesigen Marktplatz ihre Waren an und versuchten dabei die Konkurrenz an Lautstärke zu übertreffen und an Preisen zu unterbieten. Todlose Wachen, mit Speeren und den charakteristischen elfischen Langschilden bewaffnet, patrouillierten mit einer Ruhe durch die engen Gassen zwischen den  Ständen, wie es wohl nur Tote konnten.
Thalaën betrachtete all das von einem Balkon hoch über der Stadt. Gemächlich wetzte er mit einem Stein die Klingen seines Doppelkrummsäbels, während sein Blick über das Chaos unter ihm wanderte. Diese Stadt war ein Flickwerk der Kulturen. Ein Schandfleck im elfischen Reich von Aerenal. Nur gut, dass er nicht dauerhaft hier wohnen musste.
„Du solltest ich wirklich mehr mit dem Stadtleben anfreunden, Thalaën. Es bietet Vorteile, die du dir gar nicht vorstellen kannst“, riss ihn sein Bruder aus den Gedanken.
„Ich denke, darauf kann ich verzichten. Sobald unser Clan die Vorräte ergänzt hat, ziehen wir wieder gen Westen. Und ich werde mich sicher nicht auch nur einmal nach dieser Stadt hier umdrehen, Dyrel“
Sein Bruder seufzte übertrieben theatralisch und erhob sich aus dem bequemen Korbstuhl, in dem er bis jetzt gesessen hatte. Das Glas mit elfischem Schwarzwein hatte er jedoch immer noch an der Hand, als er sich an das Geländer des Balkons lehnte um seinen Blick über die Farbenpracht des Marktes schweifen zu lassen.
„Hast du Mutter besucht? Oder wenigstens unsere Schwestern? Du weißt, sie würden sich über einen Besuch freuen.“
„Würden sie nicht“, knurrte Thalaën.
„Sie würden es nicht offen zugeben. Dennoch vermissen sie dich. Du warst lange weg. In den Steppen des Westens, in diesem fernen Land Valenar.“
„Und?“
„Du hast dich  sehr verändert, Bruder.“
Dyrels Blick kehrte zu seinem Bruder zurück, der immer noch seine Klinge in Händen hielt.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Kleidung bequem ist.“
„Nicht unbequemer, als die unsere traditionellen Gewänder“, erwiderte Thalaën.
Dennoch war der Unterschied zwischen der Gewandung der Brüder sehr unterschiedlich. Thalaën trug ein braunes Hemd, schwarze Kniebundhosen, sowie recht bequem aussehende Reitstiefel aus Pferdeleder. Sein weißer Umhang verschwand irgendwo unter ihm im Korbstuhl; das weiße Kopftuch mit dem Mundschutz, welches normalerweise seine Ausstattung komplettierte, lagen im Inneren des Hauses; Staubschutz war hier, am Rande des Dschungels von Aerenals kein Thema.
Sein Bruder Dyrel hingegen hatte seine Dienstkleidung an: eng anliegende schwarze und Blutrote Kleidung, dazu schwarze Handschuhe und ein weiß geschminktes Gesicht. Thalaën wusste aus Erfahrung, dass selbst er, als an Hitze gewöhnter Elf, darunter schwitzen würde, wie ein Frostwurm in Xen’drik, während er es in seiner Reiterkluft als angenehm warm empfand.
„Wie du meinst. Dennoch solltest du darauf achten deine Herkunft und deine Wurzeln nicht zu verleugnen“, warf sein Bruder abermals ein.
„Tue ich doch gar nicht“, verteidigte sich Thalaën. Ich habe nur eine etwas andere Auslegung unserer Traditionen, das ist alles. Nichts desto trotz verehre ich unsere Todlosen Ahnen ebenso, wie du es tust. Ich huldige ihnen nur anders.“
Bevor Dyrel dieses ewige Streitthema zwischen ihnen weiter aufnehmen konnte klopfte es irgendwo im Haus. Schritte der Bediensteten waren zu hören, jemand sprach an der Tür und ging kurz darauf wieder, dafür erschien einer der Bediensteten von Dyrel auf dem Balkon:
„Eine Nachricht aus Khorvaire für Herrn Thalaën Tedaé, mein Herr.“
Er verneigte sich vor Dyrel und übergab dann Thalaën einen versiegelten Brief mit dem Wappen des Hauses Orien. Thalaën beäugte ihn misstrauisch und wendete ihn zwischen den Fingern.
„Willst du ihn nicht aufmachen? Sind doch sicherlich Grüße deiner Freunde aus Valenar.“
„Dieser Brief stammt nicht aus Valenar. Und kein Elf, auch kein Valenar, würde Haus Orien damit beauftragen einen einfachen Brief zu überbringen. Dieser Brief stammt aus Sharn, der Absender ist ein gewisser Bonal Geldem.“
Dyrel hob erstaunt eine Augenbraue.
„Du kennst Leute in Sharn? Ich bin erstaunt. So viel Weltoffenheit hätte ich dir gar nicht zugetraut, Bruder.“
„Er ist ein alter Bekannter …Freund“, murmelte Thalaën und brach vorsichtig das Siegel. Wie fast alle Elfen beherrschte er die Handelssprache der Menschen von Khorvaire. Jedoch war es ein Unterschied eine Sprache zu sprechen und sie zu lesen; und lesen war ohnedies nie Thalaëns Stärke gewesen.
„Was schreibt er?“, fragte Dyrel daher nach einer geraumen Weile ungeduldig.
„Er bittet mich, zu ihm nach Sharn zu kommen. Er stellt eine Expedition zusammen um irgendein altes Artefakt zu finden.“
„Na, dann wird sich der Arme wohl um jemanden anderen umsehen müssen, oder?“
Thalaën schüttelte den Kopf.
„Da irrst du dich Bruder. Ich werde nach Sharn gehen. Immerhin bin ich es ihm schuldig.“

***

Vorsichtig bog Esra den Ast zur Seite um einen besseren Blick auf die Lichtung vor ihr zu haben. Ihr Herz begann zu hüpfen: Da stand er. Ein wunderbarer, riesiger Elch graste friedlich im Licht der aufgehenden Sonne.
Die Windrichtung stimmte perfekt. Die Nebelfetzen zwischen den Bäumen bewegten sich kaum.
Ewas weiter entfernt schrie ein Käuzchen. Matuc war also ebenfalls auf Position.
Esra erwiderte den Ruf mit dem Krächzen eines Raben. Der Elch hob den Kopf und starrte in ihre Richtung. Esra erstarrte. Doch schon bald wandte sich das Tier wieder seinem Fressen zu und sie seufzte innerlich auf.
Langsam griff sie hinter sich und zog so leise wie möglich einen Pfeil aus ihrem Köcher. Ihren Langbogen trug sie bereits in Händen. Nun ja nichts mehr falsch machen. Sorgfältig legte sie den Pfeil ein, strich über die Federn und spannte den Bogen. Er knarrte, der Elch zuckte zusammen, sah sie an und wandte sich zur Flucht.
Balinor sei uns hold, rief sie als Inneres Stoßgebet und feuerte den Pfeil.
Fast im selben Moment feuerte auch Matuc seinen Bogen ab und der Elch erzitterte unter den Treffern. Aber er stand noch und ergriff die Flucht.
Esra zögerte nicht eine Sekunde und sprang aus ihrem Versteck hervor, ihm hinterher. Während sie ihren Sprint begann, griff sie nach einem weiteren Pfeil und lies zugleich das Tier in ihr zu. Ihre Schritte wurden schneller und schneller, ihr Blick schärfer und als sie den Bogen anlegte, um dem im Wald verschwindenden Elch den Gnadenschuss zu geben, wusste sie, dass sie treffen würde…

„Ein meisterlicher Schuss Esra. Aber sehr gewagt. Der Elch hätte uns auch durch die Finger gleiten können“, stöhnte Matuc, während er sich in die Seile stemmte.
„Ist er aber nicht“, grinste Esra und deutete auf das Fell und die riesige Portion Fleisch, die sie gerade gemeinsam durch den Wald schleppten. Soviel sie tragen konnten, hatten sie aufgeladen. Der Rest lag, hoffentlich gut genug versteckt, im Wald vergraben um dort bis zu ihrer Rückkehr frisch zu bleiben.
„Damit werden wir auf dem Markt in Niern gutes Geld machen. Und aus dem Fell könntest du dir eine neue Lederrüstung machen. Das wäre mal wieder an der Zeit.“
Esra blickte an sich herab. Ihre Rüstung hatte wahrlich schon bessere Zeiten gesehen. Aber sie erfüllte immer noch ihren Zweck.
„Ich denke, ich werde das Fell meinen Eltern gehen. Der Winter war streng, sie werden es für den nächsten sicher gut gebrauchen können.“
„Wie du meinst Esra“, erwiderte Matuc und stöhnte erleichtert auf, als sie endlich den Rand von Grünherz erreichten. Zwischen den weit auseinander stehenden einfachen Gebäuden des Dorfes herrschte größtenteils noch die morgendliche Ruhe. Einige Leute standen fröstelnd in der morgendlichen Kühle in den Häusereingängen und begutachteten die Wolken am Himmel. Je nachdem wie sie über die Wolken entscheiden würden – Regen oder doch nur Schatten – würde ihr heutiges Tagewerk aussehen.
Jenes von Matuc und Esra stand, wetterunabhängig, schon fest. Sie mussten sich rasch um das Fleisch und um das Fell kümmern, damit beides nicht verkam. Und wenn möglich, sollten sie noch heute in den Wald zurück um den Rest des Elches zu holen.
Nein, wahrscheinlich mussten sie noch mehrmals gehen, dachte Esra. Sie und Matuc waren zwar nicht die schwächsten, aber dieses Tier war riesig gewesen. Vielleicht sollen sie sich von einem der Bauern ein Pony ausborgen, für den Transport.
„Entschuldigung, seid Ihr Esra Emorien?“, riss sie eine Stimme aus ihren Gedanken.
Ein junger Mann in blauer Uniform, das Wappen des Hauses Orien auf der Brust und eine lederne Tasche umgehängt, stand vor ihr.
„Ja, das bin ich“, erwiderte sie etwa überrascht. Sie hatte so gut wie nie etwas mit den Drachenmalhäusern zu tun. Wenn sie genau darüber nachdachte, war es gerade eben erst das zweite Mal. Das erste Mal hatte sie vor vielen Jahren ihren Personaldokumente von Haus Sivis erhalten.
„Ich habe einen Brief für Euch“, meinte der Bote nur lapidar, griff in seine Tasche, zog einen zerknitterten Umschlag daraus hervor, den er ihr überreichte, verneigte sch knapp und zog wieder von dannen.
„Seit wann erhältst du Briefe?“, fragte Matuc.
„Seit heute. Der Brief ist aus Sharn. Oh… Und er stammt von einem gemeinsamen bekannten: Bonal Geldem.“
Matucs Gesicht hellte sich auf.
„Lies vor! Wie geh es dem alten Tandsammler denn?“
Und Esra las vor:

Ich Grüße Euch, Fräulein Emorien!
Ich weiß nicht, ob Ihr Euch noch an mich, den Gelehrten Bonal Geldem erinnern könnt. Ich habe Euch vor einigen Jahren zusammen mit Eurem Freund Matuc angeheuert, mich zu einem der verborgenen Druidenportale mitten im Titanenwald zu führen. Ihr seid mir damals bereits als begnadete Spurensucherin und Jägerin aufgefallen, teure Freundin – darf ich Euch so nennen? Wir hatten damals ja eine Menge erlebt, und so etwas macht einen doch zu Freunden, oder nicht?
Ich bereite wieder eine Expedition vor, diesmal eine etwas größere. Und als ich daran dachte, welche Waldläufer ich kenne, kamt Ihr mir in den Sinn. Habt Ihr Lust auf ein Abenteuer unbekannter Größe? Ich lade Euch gerne nach Sharn ein! Keine Angst, wir werden wohl kaum lange in dieser Stadt bleiben. In Niern wartet ein Schiff auf Euch, welches Euch nach Kreuzweg bringen kann. Von dort aus ist es mit der Blitzbahn nur mehr ein Katzensprung nach Sharn! Die Tickets sind bereits bezahlt, ich hoffe also, Ihr lasst mich nicht hängen.
Findet Euch bitte am Abend des 7. Therendor 998 NBK im Glitzerstaub Klub ein; Ihr steht auf der Gästeliste. Ich hoffe, Ihr erscheint! Ich freue mich bereits sehr auf ein Wiedersehen!
Ich freue mich bereits auf Euer kommen
Dekan Bonal Geldem

„Er scheint sich sehr sicher zu sein, dass ich zusage“, meinte Esra und überflog den Brief noch einmal.
„Nun ja, wenn ich mich recht erinnere, hast du ihm damals davon erzählt, dass du das Eldeenreich noch nie verlassen hast und gerne mal mehr von der Welt sehen würdest.“
Esra zuckte die Achseln.
„Schon. Irgendwann einmal. Aber jetzt fängt doch die Jagdsaison an und…“
„Esra“, unterbrach sie Matuc. „Eine bessere Gelegenheit als diese wirst du so rasch wohl nicht mehr bekommen. Außerdem, du wolltest doch immer wissen, was aus deinem Bruder geworden ist, oder nicht? Das wäre doch die optimale Möglichkeit die Augen nach ihm aufzusperren.“
„Ja klar“, machte Esra. „Wir wissen nur, dass er losgezogen ist, um Magie zu lernen. Aber er könnte überall sein. Er könnte auch bereits tot sein.“
„Dennoch lässt es dich nicht los. Zumindest kann ich das nicht glauben, so oft, wie du von ihm sprichst.“
Matuc packte Esra fest an den Schultern und sah ihr in die Augen.
„Erkenne, wenn dir das Leben solche Möglichkeiten gibt. Sieh dir die Welt an. Ich werde diese eine Saison auch ohne dich schaffen. Und für den nächsten Frühling plane ich dich wieder fix mit ein.“

***

Auf den Feldern arbeiteten die Bauern seit die Sonne aufgegangen war. Doch dafür hatte Astamalia ebenso wenig einen Blick, wie für die Weiten des Galifar-Sees, der sich hinter den Feldern erstreckte. Sie rührte gedankenverloren in ihrer heißen Milch und starrte in den Himmel.
Jedoch nicht in den leeren Himmel.
Vier Türme schwebten auf felsigen Inseln über der bäuerlichen Landschaft und warfen groteske Schatten auf die unter ihnen liegenden Felder und Gehöfte.
„Nimm es nicht so schwer Astamalia. Du wirst den Abschluss eines Tages schon noch schaffen“, versuchte sie Fluin aufzubauen. „Eines Tages, wenn du ein weniger großer Kindskopf und etwas mehr erwachsen geworden bist“, fügte er grinsend hinzu und knuffe sie leicht and.
Die Halb-Elfe lächelte halbherzig und seufzte zum wiederholten Male an diesem Tage.
„Es ist weniger die Exmatrikulation aus der Akademie, die mich stört, vielmehr das, was ich damit verloren habe.“
„Und das wäre?“, fragte Fluin, jetzt aufrichtig interessiert. „Deine Freunde kannst du ja auch so immer wieder sehen. Vor allem dann, wenn du die Arbeit deiner Mutter übernimmst und Luftschiffkapitän wirst.“
„Nein, es ist etwas anderes. Es ist… Nein, darüber darf ich leider nicht reden.“
„Verstehe“, meinte Fluin, während er in Wahrheit aber gar nichts verstand. Aber deswegen ist sie auch eine begnadete Magierin, während ich nur ein einfacher Bauer mit einem Liefervertrag für die Akademie von Arkanix bin, dachte er bei sich.
„Wie haben es deine Eltern eigentlich aufgenommen?“, fragte er, um sie irgendwie vom Trübsalblasen abzuhalten.
„Resignierend, trifft es wohl am besten. Aber was will man erwarten? Es war immerhin die zweite Universität.“
„Es gibt noch andere.“
Astamalia warf ihm einen Seitenblick zu, der Feuerbälle abgehalten hätte:
„Nein danke. Kein Bedarf an weiteren Schulen. Zumindest nicht in absehbarer Zeit.“
„Wie du meinst.“
Es klopfte an der Tür und Fluin stand auf um zu öffnen. Währenddessen kehrten Astamalias Gedanken zu einem Jungen im Turm von Bernsteinmauer, so dass sie auch von den Gesprächen an der Tür nichts mitbekam.
Erst als sich Fluin wieder zu ihr an den Tisch setzte und ihr einen Brief mit dem Siegel des Hauses Orien zuschob, kehrte sie wieder in die einfache Bauernstube zurück.
„Ein Brief?“, fragte sie misstrauisch. „Der ist doch sicherlich von meinen Eltern, dass ich zurück nach Sturmheim kommen soll.“
„Was ja nichts Schlechtes wäre, oder? Was natürlich nicht heißen soll, dass ich dich loswerden will. Aber du willst doch sicherlich nicht den Rest deiner Tage als Magier auf den Feldern hier verbringen. Und kostenlose Unterkunft ist nicht drin.“
„Weiß ich doch Fluin…“
„Abgesehen davon ist der Brief nicht aus Sturmheim, sondern aus Sharn und auch nicht von deinen Eltern, sondern von einem Professor Bonal Geldem. Hast du dich doch an einer neuen Universität beworben, oder schreiben sie dich gleich an, dass du dich nicht zu bewerben brauchst?“
„Sehr witzig“, giftete Astamalia und griff nach dem Brief. Das war wirklich eine Überraschung von dem Gelehrten zu hören. Gespannt begann sie zu lesen:

Ich grüße Euch Astamalia!
Könnt ihr Euch noch an mich erinnern? Ich hoffe doch! Ich war damals jener nervige Bibliothekar, den ihr für mehrere Wochen in der Akademie der Zwölf in Korth betreuen musstet. Wir haben uns damals doch ganz gut verstanden!
Wir Ihr sicher noch wisst, beschäftige ich mich mit Prägalifarscher Geschichte und dabei bin ich auf etwas gestoßen… Etwas sensationelles, etwas, dass unsere ganze Welt verändern könnte. Es zu finden, wird aber nicht einfach werden. Darum bräuchte ich dazu die Hilfe einiger meiner alten Freunde – ich darf Euch doch als Freund bezeichnen? Und als ich daran dachte, welchen begnadeten Magier ich kenne, fiel mir sofort Euer Name ein. Trotz Eurer vielen Schandtaten, die ihr in Euren Ausbildungsjahren verübt habt, seid Ihr eine begnadete Meisterin der Hohen Kunst und werdet es noch weit darin bringen.
Doch genug der langen Rede. Ich weiß aus verlässlichen Quellen, dass ihr die Schule vorzeitig, Nun ja, abgebrochen habt – keine Angst, Euer Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben – und daher biete ich Euch die Möglichkeit auf ein Abenteuer, dass Euch nicht nur reich, sondern auch wahrhaft berühmt werden lässt. Kommt zu mir nach Sharn an die Morgrave Universität, dort kann ich euch den anderen Expeditionsteilnehmern vorstellen und Euch genaueres mitteilen. Die Reisekosten gehen auf das Konto der Universität. Sowohl Haus Lyrandar als auch Haus Orien wurden bereits informiert.
Nehmt ein Schiff von Arkanix nach Kreuzweg und von dort aus weiter die Blitzbahn. Findet Euch am Abend des 7. Therendor 998 NBK im Glitzerstaub Klub ein; Ihr steht auf der Gästeliste.
Ich freue mich bereits auf Euer kommen,
Dekan Bonal Geldem

„Na das nenne ich einmal eine Wendung der Dinge“, murmelte sie.
„Warum denn?“
„Es sieht so aus, als würden sich mir neue Wege für die Zukunft auftun. Was auch bedeutet, dass du von deiner Rolle als Gastgeber erlöst sein wirst. Ich werde nach Sharn aufbrechen. Und so wie die Dinge stehen, heute noch.“
Fluin war, gelinde gesagt, etwas überrascht.
„Das ging aber jetzt wirklich schnell. Nach Sharn? Das ist ziemlich weit weg. Außerdem wirst du dort als aundairscher Staatsbürger nicht auf sehr viel Gegenliebe stoßen. Wie willst du denn die Reise bezahlen? Und was willst du überhaupt in Sharn?“
„Ach Fluin, du solltest wissen, dass Geld in meinem Milieu nicht gerade das größte Problem darstellt. Hilf mir lieber packen, dann bist du mich schneller los. Und währenddessen kann ich dir die Geschichte von einem sehr verrückten Dekan erzählen, dem ich vor einiger Zeit als Assistentin aushelfen musste.“

***

Esra hatte immer gedacht, dass Niern eine große Stadt war. Geschäftig und voller Leben. Doch nun, als sie auf den Kais von Kreuzweg stand und sich das Hafenviertel entlang des Ufers erstreckte, soweit sie sehen konnte, wusste sie, dass sie ihr Bild revidieren musste.
Niern war ihr schon immer zu gestresst, zu voll, zu eng vorgekommen. Doch Kreuzweg war die Hölle! So viele Menschen, Elfen, Zwerge, Halblinge. Und alle schienen es eilig zu haben, durch die Straßen zu hetzen, auf den Weg weiß Balinor wo hin. Esra wusste nur, dass sie den Bahnhof der Blitzbahn finden musste. Und das möglichst rasch. Der Kapitän des Schiffs, mit dem sie den Galifar-See überquert hatte, hatte ihr bei der Landung gesagt, dass der Zug in kürze abfahren würde.
„Entschuldigt…“, versuchte sie einen vorbeieilenden Boten des Hauses Orien aufzuhalten, doch der drängte sich an ihr vorbei weiter in das Getümmel. Auch bei anderen hatte sie nur wenig Erfolg. Die meisten Bewohner der Stadt schienen ihr sogar aus dem Weg zu gehen.
„Kann ich Euch helfen?“, fragte da eine dunkle Stimme.
Esra wandte sich um. Auch wenn sie noch nie eine Stadtwache gesehen hatte, so wusste sie doch sofort, dass es sich bei dem leicht gerüsteten Menschen mit der Pike um eine solche handeln musste.
„Äh, ja. Ich suche den Bahnhof. Ich soll dort den Zug erwischen.“
Die Wache deute in eine Richtung des Getümmels.
„Außerhalb des Osttors. Aber Ihr braucht ein Ticket, ich hoffe, dass wisst Ihr.“
„Natürlich weiß ich das.“
Esra schüttelte den Kopf und trabte los. Hielten sie die Menschen für dumm, nur weil sie ein Wandler war und aus dem Wald kam? Auf jeden Fall schien man sie aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens zu meiden. Lag vielleicht daran, erinnerte sie sich, dass sich das Eldeenreich von Aundair abgespalten hatte. Sie hatte Leute in Grünherz sprechen gehört, dass die Beziehungen zwischen den Ländern anscheinend nicht die besten waren.
Als sie endlich den Bahnhof erreichte, war der Bahnsteig schon fast leer. Nur eine nobel gekleidete Halb-Elfe redete auf einen Zugführer ein und bestieg schließlich den vordersten Waggon. Esra beschloss es der Halb-Elfe gleich zu tun.
„Entschuldigt bitte, ich habe ein Ticket in dieser Bahn reserviert bekommen, und…“
„Euer Name?“, fragte der Wärter und zog einige Unterlagen aus seiner Tasche.
„Esra Emorien.“
„Gut. Ihr sitzt Erster Klasse. Erstes Abteil im ersten Waggon. Eine angenehme Reise.“
„Danke!“
„Bitte einsteigen! Zug fährt ab!“, klang es noch hinter Esra, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Zug bestieg.

***

Astamalia schulterte ihren Rucksack und verließ das Schiff ohne einen Blick zurück. Diese Matrosen hatten doch wahrhaft keine Ahnung von Anstand. Der Kapitän hatte, als sie in Arkanix an Bord gegangen war, doch tatsächlich vorgeschlagen, dass sie während der Fahrt arbeiten sollte!
Da lobte sie sich Luftschiffe. Die Mannschaften dort waren nicht nur gut ausgebildet, sie wussten auch, wie man sich Gästen gegenüber verhielt. Aber egal, das lag nun hinter und eine bequeme Zugfahrt vor ihr. Die Erfahrung sagte Astamalia, dass sich der Bahnhof außerhalb der Stadt finden würde. Das lag daran, dass die meisten Städte, welche über einen Bahnhof verfügten bereits recht alt waren, wohingegen die Bahnhöfe selbst recht neue Entwicklungen darstellten. Da sie noch genügend Zeit hatte, genoss sie es durch die weit angelegten Straßen von Kreuzweg zu schlendern. Man merkte, dass hier unterschwellig ein Drachenmalhaus die Fäden zog. Sicherlich die Hälfte der Stadt befand sich fest in Händen von Haus Orien, welches im Gegenzug dafür sorgte, dass die Straßen sauber und sicher waren. Natürlich war ganz Kreuzweg bei weitem nicht so eindrucksvoll wir Sturmheim – der Sitz ihres Hauses –  aber es war ein guter Anfang.
Als sie die Stadt durch das Osttor verließ, sah sie sofort, dass sie mit ihrer Vermutung richtig gelegen hatte. Der Bahnhof befand sich unweit des Tores und eine Blitzbahn stand auf dem Gleis, fertig für die Abfahrt. Kurz sah sie sich um und sofort sprang ihr eine blaue Uniform ins Auge.
„Ihr da! Ihr könnt mir sicherlich helfen. Ein Freund hat einen Platz in dieser Bahn für mich reserviert.“
„Natürlich Madam. Darf ich den Namen erfahren?“
„Astamalia d’Lyrandar.“
„Natürlich. Dekan Bonal Geldem hat ein Abteil in der ersten Klasse reserviert. Es ist das erste im ersten Waggon, nicht zu verfehlen.“
„Danke“, erwiderte Astamalia noch knapp und bestieg den Waggon. So ließ es sich wahrlich reisen. Das Abteil war geräumig eingerichtet und bot problemlos Platz für sechs Personen. Hier würde sie ungestört weiteren magischen Studien nachgehen können. Sie verstaute ihren Rucksack im Gepäckfach und griff nach ihrem Kristallsplitter, der ihr als Ersatz für ein staubiges, schweres Zauberbuch diente.
Gerade als sie sich in die warme, samtene Polsterung kuscheln und den Splitter aktivieren wollte, wurde die Tür abermals geöffnet.
Astamalia warf einen wütenden Blick auf den Eindringling und erstarrte. Das durfte nicht wahr sein. Gab es keine Kontrollen, wer die Waggons der 1. Klasse betreten durfte?
In der Tür stand eine Wandlerin in abgewetzter Lederkleidung. Ihr Gesicht erinnerte irgendwie an das einer Katze, dazu passte auch der Flaum, der die Unterarme und die Backen ihres Gesichts bedeckte. Die Haare waren lang und dunkel, wenn man auch nicht sagen konnte ob von Natur aus, oder weil sie schon so lange kein Wasser mehr gesehen hatten.
„Ja?“, fragte Astamalia, bewusst von oben herab.

Esra fand es im Waggon ungemütlich eng. Aber zumindest schien das Abteil, dass man ihr zugewiesen hatte, etwas größer zu sein. Dafür saß hier bereits die junge Halb-Elfe, die sie zuvor am Bahnsteig gesehen hatte.
Sie war – nahm Esra an – für eine Halb-Elfe recht hübsch. Nur das kurze strubbelige rotbraune Haar passte nicht so ganz. Ihre Haut war von der Sonne gebräunt, was Esra etwas wunderte. Ihrer Kleidung nach hatte sie es nicht nötig auf dem Feld zu arbeiten. Sie trug eine Robe mit sich ständig wechselnden Farben. Darunter ein grünes Hemd und braune Hose aus Baumwolle und Lederstiefel. Um den Hals ein rotes Halstuch, an welchem eine Brosche in Form eines Drachenfalken steckte. Alles in allem eine sehr bunte Gestalt.
„Ja?“, fragte sie von oben herab.
„Ich habe einen Sitzplatz in diesem Abteil.“
„Das denke ich kaum“, erwiderte die Halb-Elfe.
„Doch, Bonal Geldem hat es für mich reserviert“, verteidigte sich Esra tapfer. Auch wenn sie sich nicht wirklich sicher war, ob sie im Recht war. War es möglich, dass sie im falschen Abteil stand?
„Ihr kennt Bonal Geldem?“, fragte Astamalia ungläubig.
„Ja. Ihr etwa auch?“
„Kann man sagen, ja. Scheint so, als wären wir tatsächlich Reisegefährten“, presste Astamalia hervor. Diese Fahrt stand nicht unter dem Schutz des Reisenden, soviel war klar.

***

Adamant beendete seine morgendliche Andacht und erhob sich, so elegant es in seiner Panzerung möglich war. Er war der einzige Gläubige in der kleinen Kapelle, die zu dem riesigen Tempel der Silbernen Flamme gehörte, der hier in Sharn stand. Durch die Buntglasfenster drangen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Bald würden weitere Gläubige eintreffen und dann wollte Adamant die Kapelle bereits verlassen haben. Denn auch wenn er ein offizielles Mitglied der Kirche war, so war es ihm immer noch unangenehm, dass er als lebendes Konstrukt die Kirche der Flamme vertreten sollte. Zudem waren immer noch viele Menschen schlecht auf die Kriegsgeschmiedeten zu sprechen. Auch wenn er selbst nie im Krieg gekämpft hatte.
Zumindest nicht, soweit er sich erinnern konnte.
Er hörte Schritte hinter sich auf dem Steinboden und wandte sich vom Altar ab.
„Störe ich dich?“, fragte die ältere Frau, die eine reich verzierte klerikale Robe für den Gottesdienst trug.
„Nicht im geringsten, Nerina. Ich war gerade fertig. Habt Ihr Neuigkeiten für mich bezüglich Thalas Feuerkamm?“
Nerina schüttelte den Kopf und trat vollends in die Kapelle.
„Leider nein. Ich bin aus anderen Gründen hier. Wenn Ihr etwas Zeit für mich erübrigen könntet?“
„Für Euch? Immer doch.“
Nerina legt ihm eine Hand auf seine adamantene Schulter und führte ihn sanft gen Ausgang. „Ich habe heute Morgen einen Brief eines alten Freundes erhalten, der sich ebenfalls hier in Sharn aufhält. Er erbittet meine Hilfe.“
„So werdet Ihr die Kirche verlassen?“, war Adamant erstaunt.
„Nein, nein“, lachte Nerina. „Du weißt genauso gut wie ich, dass das im Augenblick nicht möglich ist. Es ist viel zu viel zu erledigen. Aber ich dachte, du könntet meiner statt gehen.“
„Wollt Ihr mich los werden, Nerina?“, brumme der riesige Kriegsgeschmiedete.
„Nein, Adamant. Wie kommst du auf solche Ideen? Aber du kannst nicht dein ganzes Leben damit verbringen, Nacht für Nacht zur Flamme zu beten. Für einen Diener der Kirche der Flamme gehört mehr dazu. Ich habe bereits das Böse in der Welt bekämpft. Doch nun bin ich älter und überlasse dies der jungen Generation. Da du keine Messen halten willst – wofür du meines Erachtens auch überqualifiziert wärst – wäre das Leben eines Abenteurers wohl die bessere Wahl für dich.“
„Worum geht es denn genau?“, fragte Adamant neugierig.
„Genaues weiß ich auch nicht, aber du kannst den Brief lesen“, schlug Nerina vor und überreichte ihm eine Pergamentrolle.

Ich grüße dich, meine alte Freundin Nerina!
Lange habe ich nichts mehr von Euch gehört, obwohl sich der Tempel nicht weit von der Universität entfernt befindet. Leider dient dieser Brief keiner Einladung für den Austausch alter Geschichten. Es ist vielmehr ein Bittgesuch.
Nun da der Krieg vorbei ist, bereite ich eine Expedition vor, von der ich leider noch nicht verraten kann, wohin überall sie mich führen wird.
Ich habe Briefe bereits an andere alte Freunde, überall auf dem Kontinent geschickt, auf der Suche nach einer hervorragenden Truppe. Nun fehlt mir in meiner Runde noch ein tatkräftiger Heiler und leider sind meine Verbindungen zu Haus Jorasco und deren Heilergilde nicht die besten. Darum würde ich Euch gerne um Eure göttliche Magie bitten.
Ihr wart mir damals in Xen’drik schon eine große Hilfe. Ihr erinnert Euch sicher an diese Geschichte mit dem Vampir. Nun, vielleicht auch besser nicht – schließlich wäre sie beinahe schief gegangen…
Wie dem auch sei.
Vielleicht – wenn es Euer Terminplan nicht zulässt, schließlich kann ich noch nicht sagen, wie lange die Expedition dauern wird – habt ihr auch einen jungen Adepten, den ihr für fähig genug haltet, dieses gefährliche Abenteuer zu bestreiten.
Findet Euch bitte am Abend des 7. Therendor 998 NBK im Glitzerstaub Klub ein; Ihr steht auf der Gästeliste. Solltet Ihr einen würdigen Ersatz schicken, so soll dieser sich am Eingang unter Eurem Namen melden.
Ich freue mich bereits auf Euer kommen,
Dekan Bonal Geldem

„Die Geschichte mit dem Vampir?“, erkundigte sich Adamant.
Nerina verzog das Gesicht, als hätte sie in einen sauren Apfel gebissen.
„Daran möchte ich lieber nicht erinnert werden. Das war wahrlich nicht unser angenehmstes Abenteuer. Wenn wir einmal mehr Zeit haben, werde ich sie dir vielleicht erzählen. Doch solltest du dir dieses Angebot bald überlegen. Dieses Treffen ist heute Abend.“
„Und Ihr denkt, das wäre das Beste?“
Adamant war unsicher. Auf der einen Seite freute er sich darauf etwas von der Welt zu sehen, von der er bisher nur aus Büchern etwas gelesen hatte. Dem Guten dienen, das Böse bekämpfen! Auf der anderen Seite war dort draußen alles unbekannt, und er wartete immer noch auf Hinweise zu seinem verlorenen Freund Thalas Feuerkamm.
Nerina schien zu erkennen, was in ihm vorging.
„Fast überall wo du hingehst, kann ich dich erreichen. Sollte ich auch nur das Geringste über Thalas herausfinden, werde ich keine Kosten und Mühen scheuen um dich davon in Kenntnis zu setzen. Das sollte wirklich nicht dein Hindernis sein.“
Adamant nickte. Vielleicht war es der Weg den die Flamme ihm zeigen wollte. Und den Abend in diesem Klub zu verbringen würde auch nicht allzu viel zerstören.
„Ich werde mir das Angebot Eures Freundes anhören, Nerina.“
„Sehr gut, das ist die richtige Einstellung“, lobte sie.

Hunter:
So, nachdem zuminest einige Leser hin und wieder vorbeischauen, werde ich mal das zweite Kapitel meiner Abenteuerrunde posten.
Über Rückmeldungen würde ich mich im übrigen freuen...

PS: Werte der Charaktere sind bewusst NICHT erwähnt. Ich denke, mit nur etwas Fantasie kann man selbst darauf kommen, wer was spielt.

Der Glitzerstaubklub
Thalaën erreichte das Heft gen Mittag. Es war höchste Zeit, dass er von diesem Schiff kam. Kapitän Turin und seine Mannschaft waren zwar ganz nett, aber auf Dauer war dieser Haufen von Halb-Elfen doch etwas anstrengend. Vor allem Kapitän Turin, der anscheinend unbedingt eine Freundschaft aufbauen wollte.
Dummerweise gab es keine anderen Passagiere als Thalaën an Bord, so dass sich Turin nicht einmal ein anderes Opfer suchen konnte.
„Na, was sagt Ihr zu unserer Stadt der Türme?“, erkundigte sich Turin grinsend und breitete die Arme aus, um Thalaën das ganze Panorama vor Augen zu führen.
„Beachtlich“, erwiderte der Elf wortkarg.
Und beachtlich war es auf jeden Fall. In Fahrtrichtung lagen die Klippen von Sharn, die sich hier gut hundert Meter hoch in die Höhe erstreckten. Auf dem schmalen Streifen Land am Flussufer drängten sich die Kais und Lagerhäuser des Hafens. Gebäude hingen wie Vogelnester in der Steilwand und gigantische Lastenaufzüge glitten in Schwindelerregender Höhe die Klippen herab und wieder hinauf.
Doch das Beeindruckenste war die eigentliche Stadt, die erst viel weiter oben begann. Hunderte, wenn nicht Tausende von Türmen erhoben sich von dem kleinen Plateau aus in den Himmel. Fast tausend Meter hoch ragten sie über dem kleinen Schiff empor. Zwischen den Türmen rankten sich Stege und elegant geschwungene Brücken. Fliegende Boote, Pegasi und Greifen jagten dazwischen in einem unüberschaubaren Strom dahin. Und über all dem schwebte eine weitere kleine Stadt, die selbst aus dieser Entfernung prunkvoller aussah als selbst die ältesten Städte der Elfen auf Aerenal.
„Ich hätte nicht gedacht, dass die Menschen zu solcher Pracht fähig sind. Die Städte der Menschen, die ich in Valenar kennen lernte, sahen sehr viel anders aus“, musste Thalaën zugeben.
„Ja, die Stadt der Türme ist etwas ganz besonderes. Ein Juwel des Kontinents. Noch dazu, wo der Krieg an der Stadt beinahe ohne Spuren vorbeigegangen ist.“
„Ihr kennt Euch in der Stadt aus?“, erkundigte sich Thalaën weiter, während er versuchte sich das Stadtbild einzuprägen. Allerdings erkannte er bereits, dass auf diese Art und Weise wohl kaum eine Orientierung zwischen den fast gleich aussehenden Türmen möglich sein würde.
„Natürlich! Jedes mal, wenn wir mit dem Schiff hier vor Anker liegen, machen wir die Stadt unsicher. Vor allem natürlich die Bars“, lachte er grölend.
„Dann kennt Ihr sicher auch den Glitzerstaubklub?“
Turin pfiff durch die Zähne.
„Wer kennt diesen Angesehensten aller Klubs in ganz Sharn nicht? Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch niemals dort war und wenn Ihr meine Meinung hören wollt: Ich denke nicht, dass der Klub das Richtige für Euch ist. Lasst mich Euch doch ein paar wirklich gemütliche Stellen in Sharn zeigen…“
„Ich muss aber dorthin“, stellte Thalaën klar.
„Sicher. Das müssen viele. Aber nur die wenigsten kommen rein. Lasst es gut sein. Ihr werdet nicht an den Türwachen vorbeikommen, wenn Ihr nicht eine Einladung habt. Die Taverne zum Rosa Seeungeheuer hier im Hafen jedoch…“, versuchte Turin ihn weiter davon abzubringen. Doch Thalaën schüttelte entschlossen den Kopf.
„Ich muss dorthin. Zudem habe ich auch eine Einladung.“
Turins Augen wurden groß:
„Ihr seid das erste Mal in Sharn und habt eine Einladung für den Glitzerstaubklub? Ich bin erstaunt! Sagt, könnten wir ein Geschäft abschließen?“
Thalaën seufzte. Er war kein Händler; er verstand nicht viel von Geschäften. Vor allem aber wollte er mit Turin so kurz vor der Landung keines mehr eingehen.
„Ihr kennt Euch doch in Sharn nicht wirklich aus, nicht wahr?“, setzte Turin das Gespräch jedoch weiter fort, ohne auf eine Antwort zu warten. „Was haltet Ihr davon, wenn ich Euch etwas herumführe und am Abend zum Klub bringe. Als Gegenleistung nehmt Ihr mich als Besucher mit hinein. Was haltet Ihr davon?“
Thalaën überlegte kurz. Das war tatsächlich keine schlechte Abmachung.
„Wenn das möglich ist?“
„Ja natürlich!“
„Dann bin ich einverstanden.“

***

Die Fahrt mit der Blitzbahn war weniger angenehm als erhofft, aber auch weniger schlimm als erwartet geworden. Esra war eine sehr stille Person, wodurch sie sich die meiste Zeit ihren Studien widmen konnte. Der Luxus, der an Bord geboten wurde, war kaum noch zu übertreffen und so verflogen die drei Tage wie im Flug. Die Zwischenaufenthalte in den anderen Städten auf der Route waren eine gute Gelegenheit sich etwas die Beine zu vertreten. Das waren auch die Momente, in denen sie mit Esra ins Gespräch kam.
Dabei kristallisierte sich rasch heraus, was Astamalia schon von Anfang an klar gewesen war: Sie waren sehr unterschiedliche Personen. Esra liebte die Ruhe, die Natur und vor allem aber den Wald. Astamalia hasste Wälder; um nicht zu sagen, dass sie sich vor dunklen und dichten Wäldern sogar immer sehr gefürchtet hatte. Sie war ein Wesen der Luft und des Meeres. Es war natürlich klar, das Esra dem Meer nicht viel abgewinnen konnte, wie hätte es auch anders sein können.
Auch ihre Lebensweise war eine sehr unterschiedliche. Während Astamalia in den Universitäten und in der Metropole von Sturmheim aufgewachsen war; die Städte der anderen Ländern aus Ausflügen mit dem Luftschiff kannte, war dies Esras erste Reise. Bis dahin hatte sie nur das Dorf Grünherz und einige Märkte in der Umgebung gekannt. Nicht gerade sehr weltoffen.
Dann war da aber noch etwas was Astamalia in ihrem Inneren bewunderte: Obwohl Esra die Welt außerhalb ihre Wälder nicht kannte, ja sogar vielleicht etwas fürchtete, war sie doch losgezogen um einem Freund zu helfen, vor allem aber, um die Spur ihres seit Jahren verschollenen Bruders aufzunehmen. Obwohl es ganz offensichtlich ein hoffnungsloses Unterfangen war – und gelinde gesagt auch etwas dumm –, so war der Versuch alleine doch etwas bewundernswert. Ohne irgendwelche Ansätze jemanden zu Suchen, der in den Wirren des Letzten Krieges untergegangen war.

Die Blitzbahn verließ die letzte Station vor Sharn, den kleinen Weiler Erstturm, und raste nun durch einen engen Hohlweg dahin. Die Handelsstraße führte direkt neben der Strecke dahin und man konnte die Händler und Reisenden mit ihren Wagen, auf Pferden oder anderen Reittieren und auch zu Fuß durch das Fenster vorbeihuschen sehen.
„Bald sind wir in Sharn“, erklärte Astamalia und begann vorsorglich damit ihre Sachen zu packen.
Esra machte es ihr gleich.
„Warst du bereits einmal hier?“, erkundigte sie sich.
„Leider nein. Es ergab sich einfach nie. Aber die Stadt wird auch nicht viel unübersichtlicher und größer als Sturmheim sein. Und sich dort zurechtzufinden, erfordert doch einiges an Übung.“
„Dann bin ich ja in guten Händen.“
„Ja“, gab Astamalia knapp zurück.
Der Zug wurde langsamer und plötzlich wurde es recht dunkel. Der Zug kam zum Stillstand.
„Los, sehen wir uns diese Stadt mal an!“, rief Astamalia und stürmte aus dem Abteil.
Esra holte sie erst auf dem Bahnteig wieder ein. Hier stand Astamalia und starrte.
Sie hatte nicht erwartet so etwas zu sehen.
Der Zug war im Inneren eines der Türme zum halten gekommen. Der Turm durchmaß wahrscheinlich einhundert Meter und schien riesig zu sein. Etwa zweihundert Meter über ihren Köpfen war eine Zwischendecke eingezogen worden, in der sich etliche Löcher befanden. Zum Teil führten dadurch die Stränge der magischen Aufzugskabel, zum Teil wurden die Löcher von den fliegenden Booten und all den geflügelte Tieren, die hier herumflogen benutzt.
Der riesige Raum, der sich durch diese Abmessungen ergab, war aber keineswegs leer. Das hier war der größte Bahnhof, den Astamalia ja gesehen hatte. Gleich mehrere Gleise mit abfahrtbereiten Zügen waren zu sehen. Daneben schien es ein eignes Areal für Güterzüge zu geben. Neben dem Bahnhof befanden sich noch weitere Gebäude in dem Turm, zum Teil wiederum ganze Türme, die mit der Zwischendecke des Hauptturmes verschmolzen.
„So sieht es auch in Sturmheim aus?“, fragt Esra ehrfürchtig.
„Nein, nicht ganz“, erwiderte Astamalia etwas unsicher.
„Das heißt, dort regnet es auch nicht so merkwürdig?“, fragte Esra weiter.
Der Regen war Astamalia noch gar nicht aufgefallen. Sie war von der Architektur des ganzen zu beeindruckt gewesen. Doch jetzt fiel ihr auf, dass ihre Kleidung am Körper klebte und dass es beständig von der Decke tropfte: Kondenswasser. Das erklärte wahrscheinlich auch den unangenehmen Geruch und die unausstehliche Schwüle.
„Wir sollten sehen, dass wir rasch von hier wegkommen“, stellte Astamalia klar.
„Dagegen habe ich nichts. Aber wohin müssen wir?“
Astamalia sah sich um und hob probeweise einmal die Hand um einem der fliegenden Boote zu winken. Sofort stürzte eines auf sie herab und kam direkt neben ihnen zum halten. Ein älterer Gnom saß am Steuer und sah sie freundlich an.
„Wo darf ich die Damen denn hinbringen?“
„Glitzerstaubklub“, orderte Astamalia und stieg ein. Esra folgte nach kurzem zögern und das Boot hob ab.
„Zum ersten Mal mit einer Luftkutsche unterwegs?“, fragte der Gnom, als er bei einem Blick zurück die verkrampften Gesichter der beiden sah. Die Kutsche wie er es genannt hatte, wackelte aber auch so stark, als würde es sich um ein Gefährt auf hoher See handeln.
Beide nickten.
„Na dann. Soll ja ein unvergessliches Erlebnis werden“, lachte der Gnom.
Die Kutsche legte sich bedenklich zur Seite und begann damit rasend schnell in Korkenzieherdrehungen nach oben zu steigen. Sie preschten mit einem unglaublichen Tempo durch ein Loch in de Außenwand des Turms, kollidierten dabei fast mit einem Riesenadler und befanden sich dann im Freien.
„Willkommen in der Stadt der Türme! So einen Ausblick auf die Stadt hat man von sonst nirgends!“, rief der Gnom und ließ dabei die Kutsche höher und höher steigen, zwischen den Türmen und den Brücken der Stadt hindurch.

***

Als der Abend näherte betete Adamant nur ein kurzes Gebet, anstatt einer ganzen Andacht. Mehr ging sich nicht aus, wollte er das Treffen im Klub nicht versäumen. Die Flamme würde ihm diese Nachlässigkeit wohl verzeihen.
Zumal er mit seinen Gedanken ohnedies nicht bei der Sache war. Er war viel zu aufgeregt und überlegte andauernd, was er mitnehmen sollte. Ob die Expedition noch diesen Abend beginnen würde? Möglich wäre es. Am besten war es wohl, wenn er seine Ausrüstung gleich mit in den Klub nahm. So hängte er sich sein Schwert um, den Schild auf den Rücken und darüber noch seinen Wappenrock mit dem Symbol der Flamme darauf.
Mehr brauchte er wohl kaum.
Noch einmal sah er sich in seinem kärglichen Quartier um, das nicht einmal ein Bett enthielt und keinen einzigen persönlichen Gegenstand. Er hatte alles, was er besaß am Leibe. Viel war das nicht. Aber dann konnte er auch nichts vergessen.
Mit dieser Erkenntnis trat er in den regnerischen Abend hinaus und machte sich auf den Weg in die Oberstadt, zum Klub.
Er hatte bereits Gläubige darüber reden hören, doch selbst war er nie auf den Gedanken gekommen ihn sich anzusehen. Was sollte er dort auch? Essen, trinken? Musste er nicht. Von Feiern selbst hatte er nur wenig Ahnung. Und er kannte auch nicht wirklich jemanden, mit dem er an einem Abend „einen Drauf machen“ hätte können.
Wie auch immer er sich den Klub vorgestellt hatte, vom äußeren Eindruck wurde er auf jeden Fall enttäuscht.
Eine breite, hell erleuchtete Brücke führte zu einer massiv aussehenden Tür, neben der zwei Hobgoblins im Anzug standen und die Leute kontrollierten. Eine Hand voll Menschen und anderen Geschöpfen wartete darauf Eintritt zu erlangen.
Brav stellte sich Adamant in der Reihe an. Nur langsam kam er vorwärts. Doch im Gegensatz zu den anderen Wartenden machte ihm der Regen, der an seinen Panzerplatten herab rann nichts aus. Dennoch war er froh, als er endlich an der Reihe war.
„Habt Ihr eine Einladung?“, fragte einer der Hobgoblins freundlich aber doch irgendwie barsch.
„Ja, habe ich.“
„Euer Name?“, fragt er weiter und sah auf eine Liste in seinen Händen.
„Adamant.“
Der Hobgolin überflog die Liste und schüttelte dann den Kopf.
„Ihr steht nicht auf der Liste. Tut mir leid. Macht bitte Platz für den nächsten.“
„Ich komme aber im Namen von Nerina Lichtringer“, verteidigte sich Adamant.
Der Hobgoblin sah in abschätzend an.
„Das hättet Ihr ja auch gleich sagen können. Willkommen im Glitzertaub Klub.“
Mit sanftem Druck wurde Adamant durch die Tür ins Innere geschoben.
Hier bot sich ein Bild, wie er es erwartet hatte. Er stand auf einer ausladenden Galerie, die den Raum auf drei Seiten umgab. Unter ihm tobte das Chaos. Unzählige kleine und große Tische waren im Raum verteilt und fast alle waren gut besucht. Inmitten des Raumes spielte ein elfisches Quartett auf und heizte die Stimmung anscheinend ordentlich an. Oder aber es waren die vier halbnackten Frauen – zwei menschliche, zwei elfische – die auf zwei Tischen tanzten.
Für den fantastischen Ausblick, den der Klub bot, hatte anscheinend niemand einen Blick. Die Wand gegenüber dem Eingang bestand vollkommen aus Glas und ermöglichte einen atemberaubenden Blick über die verregnete, nächtliche Stadt.
„Der Herr ist ein Gast des Dekans Geldem?“, fragte eine Stimme.
Es handelte sich um einen Kellner, der diskret neben Adamant gewartet hatte, bis dieser sich statt gesehen hatte.
„Ja, in der Tat.“
„Es wurde ein abgeschiedener Raum bereitgestellt, wenn Ihr mir bitte folgen würdet.“

***

Ohne Turins Hilfe wäre Thalaën wahrscheinlich nie bis zum Klub gelangt. Diese Stadt war ein Labyrinth! Entworfen von einem wahnsinnigen Magier der Luftebene! Anders war es gar nicht möglich.
Doch mit Turin stand er pünktlich vor dem Klub und wurde auch prompt von zwei grobschlächtig aussehenden Türstehern aufgehalten.
„Habt Ihr eine Einladung?“
„Selbstverständlich. Mein Name ist Thalaën Tedaé.“
Der Hobgoblin nickte.
„Dann mal rein in die gute Stube.“
Thalaën nickte knapp und trat durch die Tür, als er hinter sich Stimmen hörte.
„Halt! Wo wollt Ihr denn hin?“, rief eine dunkle Stimme und dann hörte man einen unterdrückten Schmerzensschrei.
Überrascht sah sich Thalaën um und erblickte, wie Turin – nicht gerade sanft – von den Türstehern am weitergehen gehindert wurde.
„Er gehört zu mir“, stellte der Elf klar.
„Das mag ja sein“, erklärte einer der Hobgoblins. „Aber er hat keine Einladung. Und ohne kommt er hier nicht herein. Nicht einmal, wenn es König Borenal persönlich wäre.“
„Turin?“, verlangte Thalaën eine Erklärung.
„Entschuldigt“, presste der Kapitän hervor. Offensichtlich wurde ihm durch den Haltegriff des Hobgoblins die Luft abgeschnitten. „Aber man kann es ja mal probieren.“
„Ja kann man. Lebt wohl!“, stellte Thalaën klar und betrat den Klub.

***

Etwas wackelig auf den Beinen trat Esra aus der Kutsche. So schnell brauchte sie keinen Flug mehr! Während sie wieder zu sich fand, bezahlte Astamalia bereits.
„Los, lass uns nach drinnen gehen, bevor wir bis auf die Knochen durchnässt sind!“, schlug die Halb-Elfe vor.
Esra hatte zwar prinzipiell nichts dagegen, bis auf die Knochen nass zu sein. Aber einem warmen Fleckchen nach dem doch sehr zugigen Flug, war sie doch nicht abgeneigt. So folgte sie Astamalia.
Diese überholte kokett die Schlange an wartenden Personen und stelle sich direkt vor einen der beiden imposanten Türwächter. Esra hatte von diesen riesigen Wesen, diesen Hobgoblins, bereits gehört. Jedoch sahen sie in diesen Anzügen nicht wie die unerschrockenen Krieger aus, als die sie bekannt waren. Vielmehr, nun ja, etwas lächerlich.
„Na, wer drängt sich denn hier vor?“, fragte der Wächter, indem er Astamalia von Kopf bis Fuß musterte.
„Ein Gast, der gerne ins trockene möchte.“
„Normalweise stellt man sich hier dennoch an. Habt Ihr denn eine Einladung?“
„Ja. Wir stehen auf der Liste. Mein Name ist Astamalia d’Lyrandar und das da“, erklärte sie, indem sie Esra am Ärmel neben sich zog, „ist Esra Emorien. Wir sind Gäste des Dekans Geldem.“
„Ihr steht auf der Liste. Für das vordrängen schuldet Ihr mir aber noch einen Krug Bier, meine Dame“, lächelte der Hobgoblin und öffnete dabei charmant die Tür.
„Wenn Ihr bezahlt, kein Problem“, erwiderte Astamalia und zog Esra mit sich ins Innere.
Esra war erstaunt über die Dreistigkeit dieser Person. Nie hätte sie es gewagt so aufzutreten. Aber für Astamalia schien das vollkommen normal zu sein.
Auch das Innere des Klubs schien auf Astamalia kaum Eindruck zu machen. Esra selbst hätte hier auf der Galerie Stunden zubringen können, ohne alles genau gesehen zu haben. Astamalia aber sprach sofort einen der Kellner an, der sie dann auch prompt in ein abgelegenes Zimmer führte.
Dort warteten bereits zwei weitere Personen auf sie. Ein Elf in merkwürdiger Tracht, sowie ein monströser Kriegsgeschmiedeter. Beide waren ebenso durchnässt wie sie und konnten daher wohl noch nicht so lange gewartet haben. Beide musterten sie als Neuankömmlinge ebenso genau, wie es Esra mit ihnen tat.
Der Kriegsgeschmiedete trug die Pfeilspitze mit der darin eingelassenen silbernen Flamme als Wappen auf seinem Rock. Anscheinend das einzige Kleidungsstück an ihm. Esra war er etwas unheimlich. Sie hatte gelernt aus Gesten und Mimik von sowohl Menschen als auch Tieren zu lesen, aber das konnte sie bei diesem… Ding nicht. Der Elf hatte ebenfalls wenig Mimik. Zudem waren seine Augen erschreckend kalt.
„Hallo! Ich bin Astamalia d’Lyrandar“, stellte sich die Magierin vor und nahm auf einem der noch freien Stühle vor. „Ich nehme an, ihr kennt ebenfalls alle Bonal Geldem? In dem Fall sollten wir und doch bekannt machen, nicht wahr?“
„Mein Name ist Adamant“, brummte der Kriegsgeschmiedete mit dumpfer Stimme, die klang wie ein Donnern aus der Ferne.
„Thalaën Tedaé“, hielt sich der Elf kurz.
„Ich bin Esra Emorien“, stellte sich nun auch Esra vor und glitt auf den nächsten Stuhl.
„Gibt es hier auch was zu bestellen?“, fragte Astamalia und winkte dem in der Ecke wartenden Kellner.
„Bringt mir Wachteln mit Beilagen und ein Glas Regenbogenwein.“
„Sehr wohl.“
Der Elf schien kurz irritiert, bestellte dann aber auch Wachteln und ein Glas Wein.
Esra war überfordert.
„Ah, ich weiß nicht…“, stotterte sie.
„Wir haben frisches Krokodil aus den Schattenmarschen“, schlug der Kellner vor.
„Ähm ja, das klingt gut. Und Bier, bitte.“
„Sehr wohl“, lächelte der Kellner und zog sich diskret zurück.
„Uns scheint ein gemeinsamer Freund zu verbinden“, nahm Astamalia das Gespräch wieder auf.
„Ich kenne Bonal Geldem nicht“, gab Adamant zurück. „Aber er war, ist, ein guter Freund meiner Mentorin Nerina Lichtbringer. Sie ist Klerikerin im Tempel der Silbernen Flamme hier in Sharn.“
Er machte eine Pause.
„Es dringt sich mir da eine Frage auf: Seid Ihr Anhänger der Flamme?“
Drei Köpfe schüttelten den Kopf.
„Ich bin Anhänger des Todlosen Hofstaates“, stellte Thalaën klar, während er gebannt auf das Essen blickt, das gerade serviert wurde.
„Ihr verehrt die Untoten?“, schrie Adamant auf und sprang erschrocken von seinem Stuhl hoch, so dass dieser klappernd nach hinten fiel.
Thalaën sah ihn ruhig an.
„Setz dich. Ich sagte Todlos. Nicht Untot. Wir verachten Nekromanten und die Untotenverehrung von Vol ebenso wie es die Kirche der Flamme tut. Aber wir verehren die Todlosen. Unsere unsterblichen Ahnen, die uns mit Rat und Tat zur Seite stehen.“
Esra war verwirrt.
„Und wo ist der Unterschied, zu den Untoten?“
Thalaën seufzte und warf seinem Essen einen sehnsüchtigen Blick zu. Währenddessen hatte sich Adamant anscheinend wieder einigermaßen gesammelt und setzte sich wieder zu den anderen an den Tisch.
„Untote stellen eine Verspottung des Lebens und eine Versündigung am natürlichen Kreislauf von Leben und Tod dar“, begann Thalaën aus den Lehren seines Volkes zu rezitieren.
Adamant nickte zustimmend und der Elf fuhr fort:
„Im Gegensatz dazu schieben die Todlosen die Unaufhaltbarkeit des Todes nur weiter hinaus, um einem gerechten Zweck zu dienen. Untote beziehen ihre Kräfte von der Ebene Marbar, dem Ort ewiger Nacht; die Todlosen bekommen sie von Irian, dem Ort des ewigen Tages und dem Ursprungsort aller Seelen.“
„Meiner Meinung nach kein großer Unterschied. Ich glaube, ich kann mich mit beidem nicht anfreunden“, erkörte Esra kauend. „Das Krokodil ist übrigens hervorragend.“
„Ich war bis jetzt mit dem Glauben der Elfen nicht sehr vertraut. Ich werde mich hierüber wohl etwas mehr informieren müssen“, entschuldigte sich Adamant, auch wenn es nicht wie eine Entschuldigung, sondern eher wie eine Vertagung der Diskussion aussah.
„Wie habt Ihr eigentlich Bonal Geldem kennen gelernt?“, erkundigte sich Astamalia, nachdem sie fertig gegessen hatte und sich gemütlich in ihrem Stuhl zurücklehnte, den Rest Elfenbogenwein in ihrem Glas schwenkend.
„In Valenar“, erklärte Thalaën. Die lange Rede zuvor schien seine Anzahl an gesprochenen Wörtern an diesem Tag überstiegen zu haben.
„Er war bei mir und meinem Freund Matuc im Eldeenreich um dort die Portale der Siegelbewahrer zu studieren. Und Ihr?“, fragte Esra.
„Ich habe ihm als Assistentin bei seinen Forschungen geholfen.“
Esra verdrehte die Augen. Das waren hervorragende Bedingungen für neue Freundschaften. Glaubensstreitigkeiten zwischen den einen und ein grundsätzlicher Mangel an Kommunikation und Informationsaustausch zwischen jedem einzelnen.
„Mir fällt gerade auf, ist der Dekan nicht schon überfällig?“, fragte Adamant.
„Das ist er in der Tat“, stellte Thalaën trocken fest.
Wie auf Kommando klopfte es an der Tür ihres Separées und ein Kellner trat ein.
„Eine Nachricht wurde für Euch hier abgegeben.“
Astamalia nahm sie ihm ohne zu fragen aus der Hand und las vor:

Hallo Freunde!
Ich wurde leider in der Bibliothek aufgehalten und konnte daher nicht kommen. Da es eilt, bitte ich Euch zu mir ins Haus. Kelsaspitze Mitte, Stock 4, Tür 12. Es ist nicht schwer zu finden. Vom Klub aus könnt Ihr den Dalannanturm sehen, in diesem befindet sich die Universität. Von dort aus geht Ihr über die westliche Brücke weiter, bereits der nächste Turm ist die Kelsaspitze.
Bonal Geldem

Sie faltete den Brief wieder zusammen.
„Sieht so aus, als wären wir dann hier fertig. Wer bezahlt das Essen?“, fragte sie in die Runde.
„Das geht auf Kosten der Universität“, beantwortete der Kellner ihre Frage.
„Bestens“, knurrte Thalaën und griff nach seinem Umhang. „Dann wollen wir mal los.“

Sirius:
Sehr gut geschrieben und es verspricht eine spannende Geschichte zu werden. Ich freue mich auf mehr.

Nathan Grey:
Gefällt mir auch sehr gut, bitte weiter schreiben. Habe das Abenteuer vor ein paar Wochen selber mit ner Grupper gespielt. Hast Du danach vor die Abenteuer Trilogie zu spielen??

Hunter:
Ja, wir haben danach die Trilogie gespielt. Meistens sehr nah "by the book", allerdings mit einen - hoffentlich - interessanten Nebenhandlungen.

Der zweite Part der Kampagne - Selbstgeschriebene Abenteuer, die an die Kauftrilogie anschließen - ist gerade in Planung. Ich hoffe nur, dass er auch stattfindet, da im Moment alle meine Spieler etwas im Stress sind und nicht spielen können...

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