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Theorie: Metasystem versus Charaktersystem

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TheRaven:
Hallo zum zweiten Teil dieser kleinen Serie bezüglich Ansätzen und Philosophien im Rollenspiel. Während wir im ersten Teil über Konflikte und Aufgaben diskutiert haben würde mich nun eure Meinung zum Thema Metaregeln und Charakterregeln interessieren. Hier geht es um ein Thema, welches mir vor einigen Tagen durch den Kopf gegangen ist und mich seither fasziniert. Dazu kurz eine Erklärung, was ich damit meine, denn auch diese Begriffe lassen sich schlecht aufgrund ihres Namens einordnen.

Bei Rollenspielen gibt es meiner Auffassung nach zwei Hauptebenen wo die Regeln ansetzen. Die Metaebene oder die direkte Charakterebene. D&D selber ist der Archetyp des Charaktersystemes, wo die Regeln direkt die Handlungen des einzelnen Charakters simulieren. Die Fähigkeiten, Talente, Fertigkeiten und alles andere spiegeln direkte Aktionen des einzelnen Charakters wieder. Ich bewege also direkt meinen Charakter und führe sequenziell dedizierte Handlungen anhand der Regeln aus.

Metaregeln präsentieren hier einen komplett anderen Ansatz. Es handelt sich hierbei um ein einfaches System, welches auf einer erzählerischen Ebene angesiedelt ist. Das eigentliche Spiel mit Glücksfaktor und Einflüssen auf Probabilität finden auf der Metaebene statt und die Wendungen und Resultate dort werden dann im Rollenspiel selbst interpretiert.

Ich denke hier ist ein Beispiel von Nöten, da dieses Prinzip nicht sofort klar wird und für viele sicherlich sehr ungewöhnlich wirkt. In D&D spiele ich im Prinzip ein komplexes und umfangreiches Schach. Eine Bewegung der Figur repräsentiert eine Bewegung meines Charakters, ein erfolgreicher Angriff auf eine andere Figur ist ein erfolgreicher Schlag mit meinem Schwert. Jeder Zug dauert 6 Sekunden in der Spielzeit und die Handlungen repräsentieren direkt das, was ich in diesen 6 Sekunden mache.

In einem Metasystem spiele ich wirklich Schach (Um bei dem Beispiel zu bleiben. Könnte aber auch Poker, Jassen oder ein anderes einfaches, abstraktes Spiel sein). Meine Züge symbolisieren hierbei nicht direkt die einzelnen Handlungen meines Charakters, sondern den Verlauf des Konfliktes. Was das Besiegen einer Figur bedeutet entscheide und erzähle ich und mein Gegner macht dasselbe. Zeit, Ort und Ablauf spielen eine untergeordnete Rolle. Schlage ich einen seiner Bauern, dann erkläre ich, dass ich ihn mit gezogenem Schwert attackiere, einen Stich antäusche und ihn dann mit einem Tritt zu Boden werfe. In seinem Zug schlägt er eine Figur von mir und erklärt, dass er sich am Boden liegend wegrollt, behende aufsteht, sich den Dreck aus den Kleidern klopft und einem versteckten Bogenschützen das Signal gibt auf mich zu feuern. Derjenige, welcher das Spiel am Ende gewinnt wird erzählen, wie er seinen Gegner tötet.

Bei dem Metasystem spielen Fähigkeiten, Ausrüstung und andere Aspekte natürlich auch eine Rolle auf der Regelebene aber diese sind meist erzählerischer Natur und werden jeweils frei interpretiert. Das kann eine Beschreibung sein wie "Vater war ein bedeutender Fechtmeister", ein Talent wie "schnell mit dem Messer" bis hin zu Gegenständen wie "krummer Dolch". Das Metasystem setzt natürlich Rahmenbedingungen und Empfehlungen um das Spiel zu jeder Zeit fair zu halten wie zum Beispiel, welche Art von Auswirkungen der Spieler bei einem Sieg in einer Diskussion beschreiben kann und was Etappensiege in einem laufenden Konflikt maximal bedeuten können. Ein Metasystem geht daher Hand in Hand mit der Anforderung an ein Konfliktsystem, wo die Auswirkungen am Anfang des Konfliktes festgelegt werden.

Ich sehe da Vorteile, wie einfache Sicherstellung der Ausgewogenheit, Anwendung desselben Systemes auf alle Konfliktarten und nicht nur den Kampf, Einfachheit der Regeln, freie Charaktergestalltung, dynamischere Abläufe und stärkere Involvierung der Spieler. Nachteile können Eintönigkeit, Überforderung der Spieler (auf narrativer Ebene) und Lächerlichkeit sein.

Welche Systeme kennt ihr, die einen solchen Ansatz nutzen und was haltet ihr davon? Könnt ihr euch einen Rollenspielabend mit einem solchen System vorstellen und was müsste man beachten oder was würde euch stören? Was sind die Vorteile, was sind die Nachteile? Was bevorzugt ihr?

Vhalor:

--- Zitat von: "TheRaven" ---In einem Metasystem spiele ich wirklich Schach (Um bei dem Beispiel zu bleiben. Könnte aber auch Poker, Jassen oder ein anderes einfaches, abstraktes Spiel sein). Meine Züge symbolisieren hierbei nicht direkt die einzelnen Handlungen meines Charakters, sondern den Verlauf des Konfliktes. Was das Besiegen einer Figur bedeutet entscheide und erzähle ich und mein Gegner macht dasselbe. Zeit, Ort und Ablauf spielen eine untergeordnete Rolle. Schlage ich einen seiner Bauern, dann erkläre ich, dass ich ihn mit gezogenem Schwert attackiere, einen Stich antäusche und ihn dann mit einem Tritt zu Boden werfe. In seinem Zug schlägt er eine Figur von mir und erklärt, dass er sich am Boden liegend wegrollt, behende aufsteht, sich den Dreck aus den Kleidern klopft und einem versteckten Bogenschützen das Signal gibt auf mich zu feuern. Derjenige, welcher das Spiel am Ende gewinnt wird erzählen, wie er seinen Gegner tötet.
--- Ende Zitat ---
Das Konzept selbst finde ich durchaus interessant obwohl es für mich etwas seltsam anmutet, dass das Können des Spielers (nicht des Charakters) in einem anderen Spiel den Ausgang des (in deinem Beispiel) Kampfes bestimmt. Willst du damit sämtliche Skills, Attribute, usw. des Charakters aus dem Spiel nehmen und durch das Geschickt/Können/Taktik/etc. des Spielers selbst ersetzen?

Berandor:
Ich weiß nicht, ob deine Unterscheidung sinnvoll ist, also weiterhilft. Zunächst einmal ist m.E. der Unterschied zu Teil 1 (Task und Conflict) nicht so groß, da Task-Systeme eben auch genau beschreiben, welche Aktionen durchgeführt werden.

Außerdem begibst du dich hier teilweise in die GNS-Theorie, und dann würde ich schon eher diese oder eine andere übergreifende Theorie wählen.

Schließlich weiß ich nicht einmal, ob sich die beiden von dir angesprochenen Ansätze wirklich trennen lassen, denn selbst bei z.B. D&D habe ich ja die Freiheit, den Task im Detail auszuschmücken.

Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen D&D-Konfliktlösung und der in Primetime Adventures, um ein Beispiel zu nennen. In lezterem zieht man ja, wie du schriebst, Karten und vergleicht, wer mehr rote Karten hat. Der gewinnt das Ding, und wie er gewinnt, das erzählt dann der mit der höchsten Karte. Da ist das ganze natürlich fast völlig losgelöst vom eigentlichen Geschehen (mit Ausnahme von Traits vielleicht), allerdings haben Charaktere bei PtA auch keine wirklichen Werte (außer den Traits vielleicht), es gibt also wenig, auf dem man ein System aufbauen könnte.

Auf der anderen Seite gibt es Polaris, ein Spiel ohne SL, bei dem reihum die Spieler NSC bzw. ihre Charaktere übernehmen und Konflikte nur durch Erzählung und tatsächliches Aushandeln gelöst werden; da gibt es auch die erzählerische Freiheit, aber eigentlich gar kein System mehr, wenn man von ein paar Code-Phrasen absieht, die das Verhandeln erleichtern.

Wenn du auf den Grad der Regelabstraktion hinaus willst, könnte man das sicher diskutieren, aber ich weiß nicht, ob dann deine Begriffe so glücklich gewählt sind.

DU#1229:
Wir haben bereits eine lange Kampagne vor einigen Jahren komplett auf der Metaebene gespielt. Rein vom Erzählerischen und vom Charakterspiel war das eine sehr wertvolle und interessante Erfahrung. Wir haben uns noch mehr Mühe gemacht unsere Charaktere mit Wesenszügen auszuschmücken, einzelne Handlungen/Attribute/etc zu beschreiben. Auch der SL hat sich etwas tiefer in Erzählungen und Beschreibungen verloren. Ohne das ist solch ein Spiel gar nicht möglich.
Warum sind wir wieder auf eine Regelebene, bzw. Charakterebene gewechselt? Uns sind wichtige Unterschiede unserer Charaktere einfach nicht offensichtlich genug gewesen. Weder untereinander, noch gegenüber Nsc's und/oder Monstern. Es ist halt einfacher, anhand von Werten zu argumentieren.

Ein Beispiel: Ich habe damals einen ungewöhnlich starken Waldelben Waldläufer gespielt und dem SL Platz im Hintergrund meines Charakters gelassen, sich für diese übernatürliche Stärke einen Grund auszudenken. Doch kam der Unterschied zu "Normalsterblichen" oftmals nicht richtig rüber. Selbst in einem Handgemenge mit anderen Unbewaffneten, konnte sich dieser Charakter nicht behaupten. Und das trotz seiner übermenschlichen Begabung/Fähigkeit.
Solche Dinge lassen sich einfacher über ein fixes System regeln und Unterschiede werden bei weitem klarer.

Wobei ich sagen muss, dass ich so langsam mal wieder Lust hätte, eine Kampagne ohne Regelmechanik zu spielen und somit der Erzählung wieder mehr Raum geben kann/muss.

Ich hoffe, ich habe sachgerecht auf Deine These geantwortet, denn so ganz klar hat sie sich mir leider nicht erschlossen...   :unsure:

Berandor:

--- Zitat von: "Vhalor" ---Das Konzept selbst finde ich durchaus interessant obwohl es für mich etwas seltsam anmutet, dass das Können des Spielers (nicht des Charakters) in einem anderen Spiel den Ausgang des (in deinem Beispiel) Kampfes bestimmt. Willst du damit sämtliche Skills, Attribute, usw. des Charakters aus dem Spiel nehmen und durch das Geschickt/Können/Taktik/etc. des Spielers selbst ersetzen?
--- Ende Zitat ---


Die Frage ist, wie weit man geht. Gerade D&D z.B. belohnt ja auch sehr stark das taktische Können des Spielers im Kampf und das strategische Können in der Charakteroptimierung. Da herrschen ja nicht nur die Würfel vor.

Andererseits hat PtA, dass ich nach Ravens Einführung in die Meta-Ecke stellen würde (auch wenn mir der Begriff nicht gefällt), ein sehr zufälliges System der Konfliktlösung, wo die Charaktere allenfalls bestimmen können, wie viele Karten sie ziehen möchten.

Andere Systeme kommen vielleicht ohne Würfeln aus, weil dort feste Werte verglichen werden (Amber?) – da ist der Zufall völlig aus dem Spiel, ebenso in "Systemen", in denen die Spieler gemeinsam entscheiden, was passiert (Polaris).

Allerdings kenne ich jetzt kein Spiel, dass tatsächlich mit Schach o.ä. funktioniert, und zuerst war ich da auch verwirrt, aber das ist wohl nur ein Beispiel, das sich aus der Analogie des D&D-Kampfes mit einer Schachpartie ergab.

Es ist aber durchaus denkbar, dass man normale Spiele wie Schach (schwer, Können), Poker (Mix aus Können und Glück) oder Mensch ärgere dich nicht (mehr oder weniger Glück) verwendet, um damit die Ereignisse im Spiel zu simulieren. Das sind auch nur Systemmechanismen. Und bei Malefiz ist das vielleicht sogar richtig nett: wenn man einen weißen Stein bewegt, legt man dem Gegenüber auch in der Spielwelt ein Hindernis in den Weg...

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