Autor Thema: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang  (Gelesen 12637 mal)

Beschreibung:

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Darastin

  • Mitglied
Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
« Antwort #15 am: 03. März 2008, 11:08:58 »
Zuerst mal ein großes Danke! an Berandor für diesen tollen Artikel. Der gehört IMHO sogar ins Gate und sollte nicht in den Tiefen des Forums verschwinden.


Zitat von: "Wormys_Queue"
Was natuerlich wiederum voraussetzt, dass die Spieler die notwendige geistige Reife besitzen, um das System nicht auszunutzen.

Das sollte normalerweise selbstverständlich sein - siehe Regel Nummer zwei. Ich habe aber schon in vielen Foren die Tendenz festgestellt, daß sich SL oft für ein wenig schlauer oder reifer halten als ihre Spieler. Das wäre aber ein gefährlicher Trugschluß. Es ist unwahrscheinlich, daß der SL der schlaueste oder reifeste Spielteilnehmer ist und noch viel unwahrscheinlicher ist es, daß er schlauer ist als die anderen Spieler zusammen. Der o.g. Trugschluß wird nur häufig dadurch forciert, daß die Spieler aufgrund eines Informationsvorsprungs des SL für diesen "dumm" aussehen.

Ebenfalls schädlich sind da Texte in der Art des berüchtigten "Auf ein Wort". Hier wird eine ganze Spielergruppe absichtlich als extrem unreif dargestellt, was dem vom System vorgesehenen Highlord-Powertrip noch weitere Nahrung verleiht.

Zitat
Da stoesst auch ein basisdemokratisches System an seine Grenzen.

Wie gesagt ist das eher ein Problem in der Gruppe allgemein. Allerdings ist auch die demokratische Lösung immer etwas unfair; insbesondere in Spielen wie D&D wo die Spieler gemeinsam ein Ziel zu erreichen versuchen und dementsprechend befangen sind.

Nur ist die SL-Entscheidung auch eine sehr wackelige Sache. Sie beruht eigentlich zu einem Großteil auf Sympathie und kaum auf objektiver Beurteilung der gebotenen darstellerischen Leistung. Im schlimmsten Fall durchschaut ihn ein findiger Spieler und manipuliert ihn darüber gezielt. Ein objektives Resolutionssystem kann dem relativ stark entgegenwirken.

Zitat
Letzten Endes halte ich das daher fuer eine Sache, die man besser im Rahmen des Gruppenvertrags vor der Kampagne klaeren sollte, um einen Mechanismus zu finden, der der jeweiligen Gruppe am besten zu Gesicht steht.

Das gilt sowieso für alle Regeln und Kampagnen.

Bis bald;
Darastin
Darastins Grundregeln des Rollenspiels:
1. Sei kein Arschloch!  2. Spiele nicht mit Idioten!  3. Redet miteinander!

Wormys_Queue

  • Mitglied
Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
« Antwort #16 am: 03. März 2008, 11:20:27 »
Zitat von: "Darastin"
Ebenfalls schädlich sind da Texte in der Art des berüchtigten "Auf ein Wort". Hier wird eine ganze Spielergruppe absichtlich als extrem unreif dargestellt, was dem vom System vorgesehenen Highlord-Powertrip noch weitere Nahrung verleiht.


Kein Widerspruch meinerseits. Bisher hatte ich eigentlich auch nur immer dann ein Problem, wenn ein Spieler seinerseits selbst auch als Spielleiter taetig war und sich fuer besonders oberschlau hielt. Dann ist es aber keine Frage der Regeln mehr, sondern eine der Persoenlichkeitsstruktur.

Daher habe ich auch letztendlich nichts gegen Resolutionssysteme im Rahmen von Objektivitaet und Fairness einzuwenden, mir mangelt es lediglich an der Einsicht, dass das tatsaechlich positive Auswirkungen auf das Charakterspiel der betreffenden Spieler hat. Dass es sicherlich besser gehen kann als wie im Rahmen von D&D 3.5 verbrochen, streite ich dagegen gar nicht ab.
Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
Wormy's Worlds

Berandor

  • Mitglied
  • Verrückter Narr
    • http://www.p-pricken.de
Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
« Antwort #17 am: 03. März 2008, 13:52:59 »
Darastin: Danke!

Spoiler (Anzeigen)


Hat es positive Auswirkungen auf das Charakterspiel? Das ist eine gute Frage. Lass mich darauf im nächsten Beitrag eingehen (versprochen). Jetzt möchte zuerst noch ein weiteres Feld eröffnen, nämlich Uneinigkeiten in der Gruppe bzw. zwischen SL und Gruppe. Drei Situationen:

    [*]Der SL hat ein Abenteuer geplant. Darin arbeitet ein Adeliger mit einer Gruppe von Banditen zusammen, um sich zu bereichern, eine Stadtführung zu schwächen und die Macht zu übernehmen. Die SC bekommen nun davon Wind und machen sich zu dem Adeligen auf. Der SL hat schon geplant, sie entweder in einem Kampf aus dem Thronsaal entkommen zu lassen oder sie in den Kerker zu stecken, von wo sie fliehen müssen. Der Bardenspieler entschließt sich aber, dem Baron ins Gewissen zu reden. Das würde einen Teil des geplanten Abenteuers umwerfen und auch die weiteren Begegnungen erstmal ändern und vielleicht zu leicht machen – schließlich könnte der Baron die SC direkt ins Banditenlager führen.

    [*]Die Gruppe verfolgt einen entflohenen Mörder und stellt ihn schließlich in seinem Haus. Es stellt sich heraus, dass der Mann nur mordete, weil das Opfer seine Frau vergewaltigt hatte (Achtung: theoretisches Beispiel). Der Paladin hat natürlich jetzt Verständnis, der chaotisch gute Barde will den Kerl laufen lassen, aber der RN Tyrkleriker will den Gefangenen zurück in den Knast bringen.

    [*]Das Konzept, um die Gruppe zusammenzubringen, ist eine gemeinsame Elite-Einheit der Armee. Es gibt einen Späher, eine Artillerie, einen Scharfschützen, usw. Einer der Spieler baut seinen SC als Anführer der Gruppe auf. Er gibt also Befehle, denen die anderen Spieler aber nicht gehorchen wollen.[/list]

    Ich denke, alle Fälle sind denkbar, auch ohne dass Charaktere noch eigene, divergente Ziele verfolgen. Selbst in einer homogenen Gruppe kann es zu Spannungen kommen. Der erste Fall verlangt vom SL, von seiner Planung und den vielleicht ausgearbeiteten Abenteuerszenen abzurücken. Das wird nicht leicht fallen und ein objektives Urteil noch erschweren.

    Der zweite Fall ist noch interessanter, weil es nicht den SL selbst betrifft. Ohne CRP-Regeln würde hier entweder der dominante Spieler sein Recht bekommen, oder ein Spieler würde aus Gründen des Gruppenfriedens nachgeben. Aber das wäre keine im Spiel getroffene Entscheidung, sondern eine Spieltisch-Aushandlung.

    Den dritten Fall kenne ich zumindest zur Genüge, und wahrscheinlich auch andere. Ich würde es fast als gegeben hinnehmen, dass Rollenspieler sich sehr ungerne umherkommandieren lassen. Gleichzeitig verlangen militärische Strukturen, dass Befehlsgewalt eingehalten wird. Als Paladin habe ich es dauernd erlebt, dass selbst mein Knappe (ein anderer SC) tat, was er wollte. Für einen Anführercharakter ist das sehr schwer zu spielen. Eine CRP-Mechanik würde dann ermöglichen, die Untergebenen zumindest grummelnd den Befehl befolgen zu lassen. Das schließt weder aus, dass der Anführer vorher andere Meinungen anhört und einen gemeinsamen Plan fasst, noch, dass der Anführer wegen schlechter Befehle Probleme bekommt.

    Dazu kommen jetzt noch Fälle, in denen eine Gruppe vielleicht nicht völlig einverstanden ist. Spielt eine Gruppe z.B. Frodo, Sam und Gollum, so können sich alle darauf einigen, zum Schicksalsberg zu schleichen, aber wies dann weiter geht, da gibt es unterschiedliche Vorstellungen.

    Und jetzt kommen wir zu Wormys Frage...
    Bitte schickt mir keine PMs hier, sondern kontaktiert mich, wenn nötig, über meine Homepage

    Berandor

    • Mitglied
    • Verrückter Narr
      • http://www.p-pricken.de
    Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
    « Antwort #18 am: 03. März 2008, 14:08:31 »
    Zitat von: "Wormys_Queue"

    Daher habe ich auch letztendlich nichts gegen Resolutionssysteme im Rahmen von Objektivitaet und Fairness einzuwenden, mir mangelt es lediglich an der Einsicht, dass das tatsaechlich positive Auswirkungen auf das Charakterspiel der betreffenden Spieler hat.


    Das ist eine sehr gute Frage. Die Antwort darauf lautet leider nicht: natürlich hilft es! Die Antwort ist zwiespältiger.

    Zunächst einmal, das habe ich ja bereits dargelegt, fördert eine CRP-Regel das Spiel dahingehend, dass solche Konflikte gesucht werden und häufiger vorkommen. Eine Verbesserung sollte also alleine durch den Effekt der Erfahrung mit solchen Konflikten eintreten, eben durch Übung.

    Allerdings bedeutet ein CRP-System natürlich auch, dass man im Zweifel auch einfach die Würfel sprechen lassen kann, so, wie ja auch D&D-Kämpfe nicht sonderlich beschrieben werden, sondern über die Würfel geregelt wird.

    Dem kann man nur durch die Zwischenräume entgegenwirken. Damit meine ich, was zwischen und um die CRP-Regeln herum steht. Um das Beispiel von Burning Wheel zu nehmen, lautet der Text neben den eigentlichen Regeln so

    Zitat
    ...each player must describe his point in brief and why he is right.
    (...)
    Say it and Play it
    ...let the oration come organically in play. Include the intent (sic) of the action in the roleplay.
    (...)
    When scripting these maneuvers, players must speak their parts. Spitting out moves in a robotic fashion is not a viable use of these mechanics. The arguments must be made.


    Zunächst einmal sind also die Zwischenräume mit solchen Sätzen gefüllt: Teil der Regeln ist es also, nicht nur zu würfeln, sondern auch auszuspielen – da dies auch durch artha belohnt werden könnte oder zumindest damit, dass man durch entsprechendes Spiel Zusatzwürfel aus anderen Fertigkeiten bekommt oder von anderen Charakteren, die zustimmen, ist dies sowieso ein Reiz. Das wäre das drumherum, ebenso wie andere narrative Momente in Burning Wheel, z.B. die Tatsache, dass Extraerfolge vom Spieler erzählt werden dürfen. Da sich das ganze System hier erzählerischer spielt, ist die Gefahr, nur würfeln zu wollen, geringer.

    Es gibt ja auch noch extremere Beispiele. Polaris ist das extremste mir bekannte Beispiel für narratives Spiel. Dort ist ja selbst die Konfliktmechanik eine Erzählung. Ich denke, in deinen Sorgen und meiner Antwort steckt auch ein wenig das D&D-Denken drin, da D&D eben ein regelreiches System ist. Und Burning Wheel ist auch kein rules light.

    Aber es ist ganz sicher so, dass CRP-Regeln nicht qua ihrer Existenz besseres Rollenspiel zu Tage fördern. Nur häufigeres.
    Bitte schickt mir keine PMs hier, sondern kontaktiert mich, wenn nötig, über meine Homepage

    Berandor

    • Mitglied
    • Verrückter Narr
      • http://www.p-pricken.de
    Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
    « Antwort #19 am: 03. März 2008, 14:26:48 »
    Zitat von: "Wormys_Queue"

    Letzten Endes laeuft es wohl auf meine weltanschauliche Position wie auch auf meine persoenliche Einstellung zur Wichtigkeit von Regeln hinaus. Zum einen glaube ich ganz allgemein gesprochen nicht an die notwendige Ueberlegenheit von Mehrheitsentscheidungen gegenueber der Entscheidung eines Experten. Auf das Spiel bezogen heisst das fuer mich, dass ich es sowohl als SL wie uebrigens auch als Spieler recht angenehm finde, wenn die Regelhoheit in der Hand eines Schiedsrichters und Moderators liegt und die Spieler sich auf das fuer mich eigentliche am Spiel (Story und Charakter) konzentrieren koennen.


    Ich kann ehrlich sagen, in meiner Runde nicht der Experte zu sein. Selbst wenn ich mich als Experte bezeichne, bin ich nicht der Einzige. Gruppenentscheidungen von Laien gegen Expertenurteil – okay. Aber liegt das bei Rollenspielrunden wirklich vor?

    Du darfst auch nicht vergessen, worum es geht bzw. was da entschieden wird. Nämlich, wer von den Spielern für den meisten Spaß gesorgt hat. Wer am meisten mit seinem Rollenspiel fasziniert hat. Wer gerockt hat.

    Warum soll das denn nur der SL entscheiden? Schließlich sind die anderen Spieler genauso Teil des Publikums. Das ist ja keine Regelauslegung oder derartiges, sondern ein Lob auf Spielerebene. Und da halte ich es für absolut selbstverständlich, dass da alle was zu sagen haben.

    Nachdem ich noch einmal nachgelesen habe: bei BW wird artha vom SL vergeben, aber Spieler können einander und die NSC des SL nominieren. Außerdem stimmen sie ab, wer MVP und Arbeitstier eines Szenarios war. Du hast als SL also tatsächlich die letzte Entscheidungsgewalt, aber die Spieler sind ausdrücklich aufgerufen zu sagen: »das war cool, da sollte der einen Fate Point für kriegen.« Außerdem ist BW zwar momentan mein Steckenpferd, aber ja nur eine Möglichkeit von vielen.
    Bitte schickt mir keine PMs hier, sondern kontaktiert mich, wenn nötig, über meine Homepage

    Taysal

    • Mitglied
      • Taysals Abenteuerland
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #20 am: 03. März 2008, 16:21:14 »
    Zitat von: "Berandor"

    Spoiler (Anzeigen)
    (...)


    Ich wüsste nicht, dass ich mich und meine Spieler zu irgend einem Zeitpunkt gelobt oder über andere gestellt habe. Ich weiß gar nicht wie du dazu kommst, mir solch eine Arroganz zu unterstellen. Wir kennen uns doch gar nicht. Deswegen hast du doch keine Ahnung, wie lange wir spielen. Und ich weiß auch nicht, wie du von mir auf meine "Kumpels" schließt.

    Ich habe TheRavens-Thema verfolgt und dann hast du, darauf basierend, zwei eigene Themen eröffnet. Eines davon 'Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht'. In diesem Thema hast dann deine Ansichten, Argumente etc. vorgetragen.

    Meine Aussage war:

    Zitat von: "Taysal"
    Charakterspiel braucht nur dann Regeln, wenn es die Spielerschaft erfordert - was meistens der Fall ist. Ich habe allerdings schon - mit den richtigen Leuten und auf einer Wellenlänge - Spielrunden ohne Regeln und Spielleiter gespielt.


    Damit habe ich ebenfalls nur meine Meinung kundgetan. Und Meinungen sind nun einmal subjektiv. Jeder ist sicherlich davon überzeugt, dass seine Meinung die Beste ist, aber man muss sie ja niemandem aufzwingen.

    Und dann habe ich darauf hingewiesen, dass ich bereits ohne Regeln gespielt habe, ich also aus persönlicher Erfahrung spreche. In meinem Beitrag steht niergendwo, dass ich besser bin als du oder jemand sonst. Wie kommst du denn darauf?

    Spoiler (Anzeigen)

    Berandor

    • Mitglied
    • Verrückter Narr
      • http://www.p-pricken.de
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #21 am: 03. März 2008, 17:27:47 »
    Vorab: Anscheinend habe ich dich wirklich missverstanden. Tut mir leid. Zur Erklärung:

    Zitat von: "Taysal"
    Charakterspiel braucht nur dann Regeln, wenn es die Spielerschaft erfordert - was meistens der Fall ist. Ich habe allerdings schon - mit den richtigen Leuten und auf einer Wellenlänge - Spielrunden ohne Regeln und Spielleiter gespielt.


    Darauf bin ich abgegangen, weil sich das für mich so las wie: "Ihr braucht das alle, ich habs nicht nötig." Das fand ich wenig hilfreich, konstruktiv, produktiv, diskutabel. Und obwohl ich noch eine andere Entschuldigung habe, bringe ich die nicht, weil das zu blöd wäre.

    Ich habe vielmehr meinen eigenen Leitsatz:

    1) Immer das Beste annehmen
    2) Bei Zweifeln nachfragen

    nicht befolgt.
    Bitte schickt mir keine PMs hier, sondern kontaktiert mich, wenn nötig, über meine Homepage

    Wormys_Queue

    • Mitglied
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #22 am: 03. März 2008, 21:14:25 »
    Zitat von: "Berandor"
    Der SL hat ein Abenteuer geplant. Darin arbeitet ein Adeliger mit einer Gruppe von Banditen zusammen, um sich zu bereichern, eine Stadtführung zu schwächen und die Macht zu übernehmen. Die SC bekommen nun davon Wind und machen sich zu dem Adeligen auf. Der SL hat schon geplant, sie entweder in einem Kampf aus dem Thronsaal entkommen zu lassen oder sie in den Kerker zu stecken, von wo sie fliehen müssen. Der Bardenspieler entschließt sich aber, dem Baron ins Gewissen zu reden. Das würde einen Teil des geplanten Abenteuers umwerfen und auch die weiteren Begegnungen erstmal ändern und vielleicht zu leicht machen – schließlich könnte der Baron die SC direkt ins Banditenlager führen.


    Hört sich vielleicht blöde an, aber ich liebe es, wenn die Spieler kreativ werden und meine Vorplanungen als SL über den Haufen werfen. Stimmt, macht Arbeit, aber daraus entstanden einige meiner liebsten Rollenspielerinnerungen, insoweit würde ich das als SL nie zu unterbinden suchen. Ist aber für mich mit einem dicken Nachteil verbunden, dazu später.

    Die anderen beiden Beispiele und die damit verbundenen Probleme sind mir natürlich bewusst. Und ich erkenne anhand dieses Beispieles durchaus, wie eine vernünftige Regelung das Ausspielen solcher Konfliktsituationen überhaupt erst ermöglichen kann. 1:0 für Dich sozusagen :)

    Zitat
    Aber es ist ganz sicher so, dass CRP-Regeln nicht qua ihrer Existenz besseres Rollenspiel zu Tage fördern. Nur häufigeres.

    Danke für die ehrliche Antwort. Der ich durchaus folgen kann.

    Zitat
    Ich kann ehrlich sagen, in meiner Runde nicht der Experte zu sein. Selbst wenn ich mich als Experte bezeichne, bin ich nicht der Einzige. Gruppenentscheidungen von Laien gegen Expertenurteil – okay. Aber liegt das bei Rollenspielrunden wirklich vor?


    Vielleicht ist das bei mir teilweise ein Sonderfall, da ich einige Spieler habe, die sich für die Regeln eigentlich nicht im geringsten zu interessieren scheinen. Aber ich sollte mich an dieser Stelle vielleicht etwas exakter ausdrücken. Mir ging es weniger darum, den SL als alleinigen Experten in Sachen Regeln zu benennen, das würde sich in Runden mit wechselndem SL schnell ad absurdum führen. Und ich habe mindestens einen Spieler in meinen Online-Runden, der mir regeltechnisch weit überlegen sein dürfte.

    Lass es mich also anders versuchen: Ich leite aus Zeitgründen vor allem Kaufabenteuer und Kampagnen. Kampagnen a la Shackled City erfordern aber meines Erachtens zwei Dinge,wenn sie erfolgreich verlaufen sollen:
    • Die Spieler müssen zu einem gewissen Maße bereit sein, sich auf den Plot einzulassen.
    • Der SL muss die Kampagne sehr intensiv er- und bearbeiten, was zur Folge hat, dass er besagten Plot sehr genau verinnerlicht.
    Meine Herangehensweise an die Spielrunde ist nun die, dass ich im Rahmen der Kampagne versuche, den Spielern soviel Freiheit wie nur irgend möglich zu lassen. Das beinhaltet das Risiko, dass die Spieler auf eine Idee kommen, die per se möglicherweise sehr kreativ ist, aber das Gesamtgefüge der Kampagne zu sprengen drohen. In diesem Fall aber ist es mir (auch als Spieler) lieber, wenn der Kampagnenexperte (also der SL) die Entscheidung fällt, was geht und was nicht, und möglicherweise auch mal gegen die Idee (nichtgegen die Spieler) entscheidet, als dass er Dinge geschehen lässt, die der Kampagne insgesamt schaden.

    Ich gehe wohlgemerkt dabei nicht von dem Fall aus, dass die Spieler die Lust am eigentlichen Kampagnenplot verloren haben, in welchem Falle es natürlich haarträubender Unfug wäre, ihnen diesen weiter aufzuzwingen.  Aber für mich (jetzt wieder als SL) ist es einfach auch eine Frage des Zeitmanagement. Von meinen beiden Onlinekampagnen läuft eine inzwischen sehr frei und ohne detailliertes Skript ab, während die andere sich noch in den Anfängen befindet und daher noch sehr eng an den Handlungsvorgaben des AP orientiert. Ich finde beide Kampagnen bisher hochspannend, aber die erste erfordert für mich einen wesentlich höheren Zeitaufwand, den ich eigentlich nicht immer zu leisten in der Lage bin.

    Langer Rede kurzer Sinn: "Experte" war wahrscheinlich ein schlechter Ausdruck für das, was ich eigentlich meinte.
    Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
    Wormy's Worlds

    Wormys_Queue

    • Mitglied
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #23 am: 04. März 2008, 11:56:43 »
    Zitat von: "Amurayi"
    ]Statt dem üblichen etwas sinnfreien Bonusschinden (v3.5 Diplomatiewurf? Der Char mit dem höchsten Gesamtwert würfelt, alle anderen am Tisch unterstützen mit „Aid another“ - öde!) sollen die Stärken jedes Einzeln zu einem Gesamtergebnis beitragen. Der DM gibt zunächst ein Ziel vor (z.B. den Baron von etwas überzeugen, vor Verfolgern fliehen, im Dschungel überleben). Dann entscheidet jeder Spieler welchen Skill er einsetzen möchte, um der gesamten Gruppe dabei zu helfen (Spieler 1 benutzt „Diplomacy“ um einen Händler davon zu überzeugen ihn aus der Stadt zu schmuggeln, Spieler 2 benutzt „Thievery“, um fremde Kleidung von der Wäsche als Verkleidung zu stehlen, Spieler 3 benutzt „Streetwise“ um Fluchtwege aus der Stadt ausfindig zu machen etc.) . Je schwieriger sich ein Spieler sein Ziel setzt, um so höher ist die positive Auswirkung auf die Gesamtgruppe. Setzt sich der Spieler ein einfaches Ziel und misslingt dieses ist die Auswirkung schlechter als bei einem durchschnittlichen Herausforderung. Was genau der Spieler mit seinem Skill anstellt und was der DM daraus macht ist vollkommen offen und wird nur durch die Kreativität beschränkt. Gelingt der Großteil der Proben der Gruppe, ist die Skill Challenge erfolgreich. Leaddesigner James Wyatt hat dabei betont, dass so etwas vom DM nicht statisch vermitteln (also kein „You are now entering what's called a skill challenge, with the goal of [X]”) sondern so etwas fließend in ein Abenteuer miteingebaut werden sollte. Auch dafür ist natürlich Exp vorgesehen.


    Was halt ihr eigentlich von dieser Info?
    Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
    Wormy's Worlds

    Nathan Grey

    • Mitglied
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #24 am: 04. März 2008, 12:28:39 »
    Also die Grundidee dahinter finde ich richtig gut. Vielleicht werde ich der 4 Edition doch ne Chance geben. :?:

    Darastin

    • Mitglied
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #25 am: 04. März 2008, 12:50:59 »
    Zitat von: "Wormys_Queue"
    Was halt ihr eigentlich von dieser Info?

    Ich bin insofern etwas mißtrauisch, da anscheinend gerade bei Diplomatie alles völlig offen gestaltet ist (was auf gut Deutsch eigentlich so viel heist wie: da gibt's gar nix). Man weiß somit eigentlich nicht, was der Skill überhaupt wert ist.

    Beispiel: Wenn ich jetzt mal einen hypothetischen Wert in Klettern von +23 habe, dann kann ich ziemlich genau sagen welche Art von Kletterpartie ich damit machen kann. Mit einer +23 in Heimlichkeit kann ich zumindest anhand dessen, ob das gemessen anhand meinser Stufe viel oder wenig ist, meine Chancen gegen die Wahrnehmungswerte gleich starker Gegner einschätzen (und daß Bauer Randas vom Ackerfelde keine Schnitte hat ist gewiss). Aber was kann ich mit einer +23 in Diplomatie?

    Wenn ich z.B. wüßte daß ich damit die Will Defense meines Gegenübers schlagen muß um ihn zu einer kleinen Gefälligkeit zu überreden und sie um 10 überwürfeln muß um seine Weltanschauung ins Wanken zu bringen dann wäre das ein Anhaltspunkt. Ob das ein gutes System ist steht auf einem anderen Blatt, aber es erleichtert allen die Fähigkeiten des Charakters einzuschätzen und gibt auch dem SL eine Baseline für die Skill Challenges in die Hand, die nicht nur in bester Oblivion-Manier rein an den SC-Stufen orientiert ist sondern sich nach der tatsächlich vorliegenden Aufgabe richtet.

    Bis bald;
    Darastin
    Darastins Grundregeln des Rollenspiels:
    1. Sei kein Arschloch!  2. Spiele nicht mit Idioten!  3. Redet miteinander!

    Argamae

    • Mitglied
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #26 am: 04. März 2008, 17:07:35 »
    Zitat von: "Berandor"
    Drei Situationen:

    • Der SL hat ein Abenteuer geplant. Darin arbeitet ein Adeliger mit einer Gruppe von Banditen zusammen, um sich zu bereichern, eine Stadtführung zu schwächen und die Macht zu übernehmen. Die SC bekommen nun davon Wind und machen sich zu dem Adeligen auf. Der SL hat schon geplant, sie entweder in einem Kampf aus dem Thronsaal entkommen zu lassen oder sie in den Kerker zu stecken, von wo sie fliehen müssen. Der Bardenspieler entschließt sich aber, dem Baron ins Gewissen zu reden. Das würde einen Teil des geplanten Abenteuers umwerfen und auch die weiteren Begegnungen erstmal ändern und vielleicht zu leicht machen – schließlich könnte der Baron die SC direkt ins Banditenlager führen.
    • Die Gruppe verfolgt einen entflohenen Mörder und stellt ihn schließlich in seinem Haus. Es stellt sich heraus, dass der Mann nur mordete, weil das Opfer seine Frau vergewaltigt hatte (Achtung: theoretisches Beispiel). Der Paladin hat natürlich jetzt Verständnis, der chaotisch gute Barde will den Kerl laufen lassen, aber der RN Tyrkleriker will den Gefangenen zurück in den Knast bringen.
    • Das Konzept, um die Gruppe zusammenzubringen, ist eine gemeinsame Elite-Einheit der Armee. Es gibt einen Späher, eine Artillerie, einen Scharfschützen, usw. Einer der Spieler baut seinen SC als Anführer der Gruppe auf. Er gibt also Befehle, denen die anderen Spieler aber nicht gehorchen wollen.


    Um mal mit deinen drei Beispielen in diese Diskussion einzusteigen und anhand dieser aufzuzeigen, daß es meiner Meinung nach wenig bringt, (allzu komplexe) Regeln für Charakterspiel zu implementieren. Vorweg: ich hoffe, ich habe Dich mit deiner Absicht dieses Threads nicht mißverstanden.

    Erstes Beispiel: Nehmen wir als System mal D&D an. Der Barde möchte nun also versuchen, dem Adeligen ins Gewissen zu reden. Dazu hat er ja neben gewissen "Bardendingen" vornehmlich entsprechende Sozialfertigkeiten - allen voran Diplomatie. Eine Regelung für diese Art der Beeinflußung von NSC wird ja mit der Spielmechanik bereits mitgeliefert. Du kannst als Spielleiter jetzt somit einen SG festlegen, den der Barde mit einem Wurf auf Diplomatie erreichen muß, um dem Adeligen erfolgreich ins Gewissen zu reden. Aber was nun, wenn der Spieler in Rolle einen dermaßen schönen, runden und mitreißenden Monolog (oder auch Dialog, falls der Adelige durch den SL einbezogen wird) abliefert, daß sogar die anderen, nicht beteiligten Spieler gefesselt und unterhalten werden? Willst Du dann immer noch einen sachlichen Gradmesser haben, ob dieser Einsatz des Barden erfolgreich war? Willst du am Ende sagen: "würfel' mal auf Diplomatie" oder wie auch immer nun die Charakterspiel-Mechanik aussehen soll? Und der Spieler des Barden versägt leider seinen Wurf und du sagst dann: "Nee, das hat leider nicht funktioniert"? Natürlich ist es Spielleiterwillkür, ein Ergebnis einfach zu entscheiden - aber es ist in solchen Fällen sicher eine spielbereichernde Willkür. Darüber hinaus würde ich in gewissem Rahmen solche tollen Leistungen durch Spieler immer belohnen, selbst wenn ich damit vorgeplante Begegnungen abändern müßte. Ich laß mich als SL nämlich auch gern überraschen und hin und wieder von den Spielern führen - statt umgekehrt.

    Im zweiten Beispiel sehe ich nicht, wie eine Charakterspiel-Mechanik einen gruppeninternen Disput zu lösen imstande sein soll. Wie Du ja selbst sagst, lassen sich Spieler ungern etwas befehlen. Nichts anderes täte da doch auch eine Spielmechanik, die vorschriebe, zu welchen Ergebnissen nun ein gruppeninterner Charakterzwist führt. Solche Situationen, wie die aus diesem Beispiel, gibt es häufig und es bringt imho nix, den Ausgang solcher durch eine Spielmechanik zu ermitteln.

    Im dritten Beispiel schließlich bedarf es doch insbesondere des selbstkritischen, reflektierenden Rollenspiels aller Gruppenmitglieder. Bereits im Vorfeld müssen diese bereit sein, sich auf eine solche Rollenverteilung mit einem klar definierten Anführer einzulassen. Das widerspenstige Spieler mittels eines Würfelswurfs (oder einer sonstwie gearteten Spielmechanik) dazu gebracht werden, fügsame Befehlsempfänger zu werden, sehe ich nicht.

    Insgesamt erscheint mir Deine Forderung nach konkreten Regeln durchaus berechtigt, und einige Interaktionsregeln (etwa das Beeinflußen von NSC, um deren grundsätzliches Verhalten zu ändern - von "abweisend" nach "freundlich") halte ich auch für brauchbar, doch gerade die Beispiele aus deiner Kampagne machen deutlich, daß man imho nicht für alle Eventualitäten ein Regelgerüst zurate ziehen muß. Nicht nur sähe ich dadurch den Spielfluß gestört sondern auch einen guten Teil der Spielleiterrolle als "Erzähler" und "Regisseur" eliminiert. Absolute Simulationisten mögen mir da widersprechen, aber ich bin froh, daß ich als SL erzählerische Willkür walten lassen kann. Nur so kann ich flexibel genug reagieren. Es wäre wohl ein Albtraum, wenn ich nach jeder Runde "Burgfräulein betören" erstmal Modifikatoren errechnen und Boni bzw. Mali verteilen müßte.

    Was nun die objektiven Belohnungen angeht, die Sozialkonflikte erbringen sollen, so hat D&D da ja schon eine brauchbare HG-Regelung. Man kann schlicht die Stufe des beeinflußten NSC als Gradmesser für eine XP-Vergabe ansehen. Und was darüber hinaus geht, da nenne ich nochmal den bereits oben geschriebenen Satz: ich bin froh, daß ich als SL erzählerische (in diesem Fall belohnende) Willkür besitze. Denn anders könnte ich Geschichten mit der für mich nötigen Dramatik gar nicht erzählen.
    In Memoriam E. Gary Gygax (1938-2008)

    Arldwulf

    • Mitglied
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #27 am: 04. März 2008, 17:36:05 »
    Um mal auf die 3 Beispiele einzugehen:

    1. Der Einsatz von Diplomatie bei dem NPC.

    Effektiv ist hier das Problem dass beide klassischen Vorgehensweisen ("erst würfeln, dann ausspielen" oder "erst ausspielen, dann würfeln") einen hier zu keinem gutem Ergebniss bringen.

    Der erste Weg ist regelgerechter - ich würfle gut, also muss meine Rede gut sein, ich würfle schlecht also ist es nicht so.

    Das lässt sich ohne die Einberechnung des Ausspielens machen. Ist aber langweilig und zum Teil frustrierend.

    Der zweite Weg führt dazu dass man eigentlich Situationsboni geben muss - ansonsten spielt der Spieler tolle Argumente aus, die aber nicht in seinen Wurf einfliessen. Das ist also die klassische Stelle an der der SL sagt: Hast du toll gemacht, ich rechne mal noch 10 auf deinen Wurf drauf, dann klappts.

    Beides ist aber eigentlich keine gute Lösung. Was ich für eine gute Lösung halte wäre: Der Spieler spielt das Gespräch aus, und anhand seines Wurfes oder seiner Würfe bekommt er Hinweise zur Lösung des Problems.

    Das könnte dann so aussehen:

    *Barde würfelt auf Diplomatie* 15 -> er findet einen guten Einsprungspunkt in das Gespräch (SL gibt ihm wenn benötigt Hilfe, z.B. indem er ihm sagt wie die korrekte höfische Begrüssung wäre)
    SL antwortet
    *Barde würfelt auf Diplomatie* 20 -> Ihm fällt eine gute Möglichkeit ein das Problem anzusprechen. (SL gibt ihm wenn benötigt Hilfe - z.B. könnte er ihm oder seinen Begleitern einen Wurf auf Legendenkunde gewähren, mit dem sie rauskriegen dass er Baron früher mal sehr idealistisch war, und früher sowas nie gemacht hätte)
    SL antwortet
    *Barde würfelt wieder* 1 -> Ihm unterläuft ein Fauxpas
    SL reagiert darauf
    *Barde versucht das wieder gut zu machen, würfelt und erzählt wieder* -> 18 Diesmal gelingt es ihm dem Baron ins Gewissen zu reden.

    Der Vorteil bei dieser Methode ist dass würfeln und ausspielen ineinander übergehen. Wenn dem Spieler nicht einfällt wie er seinen Fauxpas wieder gutmachen könnte, dann bekommt er den letzten Wurf auch nicht. Wenn er zwar sich an die Legende von dem jungem Baron erinnert, aber das nicht ins Gespräch einbaut nützt es ihm nichts.

    2. Hier kann eine Regelmechanik eigentlich sehr viel bewirken. Sie kann dafür sorgen dass ein Char einen anderen einschüchtern kann, oder in einem eskalierendem Kampf den Ausgang bestimmen. Auch wenn es nicht dazu kommt, so kann sie doch Konsequenzen festlegen, z.B. dass dem Tyrkleriker wenn er gegen seinen Gott handelt diese drohen, er also motiviert wird so einen Konflikt auch auszuspielen.

    3. Hier sind eigentlich wirklich nur Hintergrundeinschränkungen relevant. Wenn die Charaktere keine Motivation haben ihrem Anführer zu folgen lässt sich wenig machen. Allerdings können auch hier Regeln helfen indem sie diese Motivation schaffen. Zum Beispiel indem ein Char in Taktik geschult ist - und dadurch eine Situation besonders gut analysieren kann.
    1st Edition Nekromantentöter
    --------
    Ich hab nichts gegen niedrige Wahlbeteiligung. Irgendwann regier ich den Laden eben alleine. ;-)

    Argamae

    • Mitglied
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #28 am: 04. März 2008, 18:16:31 »
    Zitat von: "Arldwulf"
    Um mal auf die 3 Beispiele einzugehen:

    1. Der Einsatz von Diplomatie bei dem NPC.

    Was ich für eine gute Lösung halte wäre: Der Spieler spielt das Gespräch aus, und anhand seines Wurfes oder seiner Würfe bekommt er Hinweise zur Lösung des Problems.

    Der Vorteil bei dieser Methode ist dass würfeln und ausspielen ineinander übergehen. Wenn dem Spieler nicht einfällt wie er seinen Fauxpas wieder gutmachen könnte, dann bekommt er den letzten Wurf auch nicht. Wenn er zwar sich an die Legende von dem jungem Baron erinnert, aber das nicht ins Gespräch einbaut nützt es ihm nichts.

    Ich fände es als Spieler extrem nervig, wenn ich a) während eines Gesprächs (das, wovon ich ausgehe, in-time als Charakter mit dem SL als NSC gesprochen wird) ständig durch Würfelwürfe unterbrochen würde - und b) insbesondere dann, wenn mir der SL plötzlich noch Infos gibt, die ich bei der Zurechtlegung meiner Rede noch nicht kannte ("Ach, der Baron war früher mal Mitglied einer Gruppe von Freiheitskämpfern? Wie gut, daß mir das JETZT einfällt...").

    Zitat von: "Arldwulf"
    2. Hier kann eine Regelmechanik eigentlich sehr viel bewirken. Sie kann dafür sorgen dass ein Char einen anderen einschüchtern kann, oder in einem eskalierendem Kampf den Ausgang bestimmen. Auch wenn es nicht dazu kommt, so kann sie doch Konsequenzen festlegen, z.B. dass dem Tyrkleriker wenn er gegen seinen Gott handelt diese drohen, er also motiviert wird so einen Konflikt auch auszuspielen.

    Keine Regelmechanik der Welt wird dir helfen, einem Spieler NICHT das Gefühl zu geben, er hätte keine Kontrolle über das, was sein Charakter tut. Wenn Du durch Regeln einem Spieler vorschreiben willst, jetzt bitte eingeschüchtert zu reagieren, dann wird das kaum zu einem befriedigendem Ergebnis am Spieltisch führen. Der Spieler muß sowas durch das Spiel primär selbst entscheiden - deswegen meine Rede von selbstkritischem, reflektiertem Rollenspiel. Wenn es um Gefühle und Überzeugungen geht, kann man sowas nicht durch Regeln bestimmen. Dies setzt natürlich eine reife Gruppe voraus, die in der Lage ist, für ihre Charaktere auch mal freiwillig Nachteile und Einschränkungen in Kauf zu nehmen, weil sie erkennt, daß es für die Stimmung und Dramatik der Szene/des Spiels eine Bereicherung wäre.

    Zitat von: "Arldwulf"
    3. Hier sind eigentlich wirklich nur Hintergrundeinschränkungen relevant. Wenn die Charaktere keine Motivation haben ihrem Anführer zu folgen lässt sich wenig machen. Allerdings können auch hier Regeln helfen indem sie diese Motivation schaffen. Zum Beispiel indem ein Char in Taktik geschult ist - und dadurch eine Situation besonders gut analysieren kann.

    Den Spielern muß klar sein (und dies wissen auch die Charakter in der erdachten Welt), daß es Konsequenzen für Befehlsmißachtung gibt. Die Gruppe muß ihren Vorgesetzten ja nicht mögen (tun wahrscheinlich nur die wenigsten Soldaten), aber die äußere und innere Struktur des Militärs sorgt dennoch für den Gruppenzusammenhalt. Der Anführer ist natürlich trotzdem gut beraten, sich mit seinen Leuten gut zu stellen.
    Das Regeln helfen können, Motivationen zu schaffen, würde ich mit einem dicken Fragezeichen versehen. Nur weil ein Charakter mal in Taktik geschult wurde, muß er doch nicht motiviert sein, dieses Wissen ständig und gerne anzuwenden?! Das er es KANN, ist die eine Sache, das er es auch WILL, eine völlig andere. Daran werden auch Regeln imho nix ändern.
    In Memoriam E. Gary Gygax (1938-2008)

    Arldwulf

    • Mitglied
    Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
    « Antwort #29 am: 04. März 2008, 18:29:10 »
    Ich verstehe da deinen Standpunkt durchaus Argamae. Ich frage mich nur ob er zielführend ist.

    Dies hier ist ein gutes Beispiel:

    Zitat
    Keine Regelmechanik der Welt wird dir helfen, einem Spieler NICHT das Gefühl zu geben, er hätte keine Kontrolle über das, was sein Charakter tut.


    Das stimmt. Ungeachtet dessen kann eine Regelmechanik einem Spieler helfen einzuschätzen was sein Charakter tut. Sie kann helfen wenn es darum geht einen Charakter stimmig auszuspielen.

    Das gilt doch nicht nur für Diplomatie. Nimm zum Beispiel klettern, einen sehr simplen Skill.

    Brauche ich diesen? Eigentlich nicht - jeder Spieler sollte für seinen Char selbst einschätzen können ob er gut klettern kann oder nicht. Trotzdem ist es hilfreich damit Spieler sich über die Stärken und Schwächen ihrer Charaktere Gedanken machen einen solchen Skill anzubieten. Er regt die Spieler dazu an schon vor einer solchen Situation sich Gedanken darüber zu machen ob sie gut klettern können. Genauso ist es mit dem Einschüchtern, Diplomatie oder Bluffen.

    Ein solcher Skill regt Spieler dazu an darüber nachzudenken ob ihre Chars gut oder nicht in solcherlei Dingen sind. Und das halt nicht erst dann wenn ihr Leben davon abhängen könnte, oder ihr Erfolg, sondern zu einem neutralerem Zeitpunkt.
    1st Edition Nekromantentöter
    --------
    Ich hab nichts gegen niedrige Wahlbeteiligung. Irgendwann regier ich den Laden eben alleine. ;-)