Autor Thema: Der Fluch des Roten Throns  (Gelesen 18067 mal)

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DU#1229

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Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #45 am: 19. September 2009, 00:31:26 »
Klar gerne. Der komponiert sogar noch eine ausschweifende Geburtstags-Arie in 4 Sätzen ;D

Zellara

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Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #46 am: 19. September 2009, 10:21:02 »
Klar gerne. Der komponiert sogar noch eine ausschweifende Geburtstags-Arie in 4 Sätzen ;D

Der soll lieber die Ballade von Kazavon einstudieren. :D (Vorsicht: wirklich spoily!)

Zellara

  • Mitglied
Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #47 am: 04. Oktober 2009, 00:01:42 »
2. Gozran, 4708 AZ

Der Keller von Zellaras Haus war noch immer nicht viel mehr als ein dunkles, feuchtes Loch in das eine wacklige Treppe führte und ein paar Holzpfeiler ragten. Mercutio hatte sich einen massiven Schreibtisch angeschafft, der im Moment das einzige Mobiliar des behelfsmäßigen Studierzimmers darstellte und somit hoffnungslos überladen war.

Eigentlich mochte es der Magier ordentlich und aufgeräumt, doch mittlerweile stapelten sich hier im Kerzenschein Folianten, Schriftrollen und Zauberbücher.

Am Tag nach der Geburtstagsfeier fiel es dem ehrgeizigen Arkanisten zudem nicht besonders leicht sich auf seine arkanen Studien zu konzentrieren. Er hatte unglaubliche Kopfschmerzen von der Zecherei am Vorabend und die Handwerker hatten nach der Begleichung ein paar ausstehender Zahlungen ihre Arbeiten bereits in den frühen Morgenstunden wieder aufgenommen gehabt.

Entnervt strich er sich die schwarzen Haare nach hinten und starrte einfach nur auf das Chaos von Schriftstücken auf seinem Tisch. Da fiel ihm das Flugblatt auf, das ein Bote vergangene Woche vorbeigebracht hatte. Auf der Suche nach Ablenkung zog er das gelbe Stück Papier aus dem Stapel alter Manuskripte.

Mit gehobenen Augenbrauen überflog er das Schreiben:

"... ein Stück Thassilon ... mehr Macht für jede Beschwörungsformel ... varisianische Idole ... Mondtag 2. Gozran ... Heckenzauberei!"

Mercutio legte das Stück Papier zur Seite und beugte sich wieder über eine Schriftrolle, an deren Entzifferung er schon eine Weile gearbeitet hatte. Doch das Hämmern in seinem Kopf machte alle Versuche sich zu konzentrieren zu nichte und der Magier griff wieder zu dem Flugblatt. Vorbeischauen konnte man ja mal und die frische Luft würde ihm bestimmt auch gut tun, dachte sich Mercutio. Eilig räumte er halbherzig seine Manuskripte weg und machte sich auf den Weg zu Phaeton Skodas Laden.

Endlich war auf den Strassen Korvosas wieder Normalität eingekehrt. Mercutio genoss den ruhigen Spaziergang zu Eodreds Wandelhallen. Der Laden des Zauberkundigen befand sich dort zwischen zahlreichen anderen Geschäften im Zentrum von Mittland, neben dem Goldmarkt.

Der Laden war gut besucht. Mercutio hatte noch nie so viele Leute in der Heckenzauberei gesehen. Für gewöhnlich war er mit Phaeton Skoda allein.

Neben den hohen Regalen waren kleine Ausstellungstische mit uralten Schrifttafeln, Kunsthandwerk und Götzenbildern aufgestellt worden.

Die Statuette eines sich aus Flammen erhebenden Teufels mit ausgebreiteten Fledermausflügeln erregte sofort die Aufmerksamkeit des Magiers. Nahezu magisch angezogen schob er sich durch die grummelnde Menge gerobter Männer und Frauen, die allesamt einen eher düsteren Eindruck machten. Er war gerade dabei die Statuette von ihrem kleinen Sockel zu nehmen, um sie besser begutachten zu können, da stieg ihm einer der finsteren Magier auf den Fuß. Das Gewicht des unglaublich fetten Mannes war überwältigend. Nur mit Mühe und Not konnte Mercutio einen Schmerzensschrei unterdrücken.

Eine grünliche Flüssigkeit ergoss sich über ihn, als er schwer kämpfend versuchte seinen Fuß zu befreien. "Pass doch auf, du Hexenmeister!", schrie ihm der fette Magier ins Ohr. Mit dem fauligen Atem des wabbligen Bergs aus rot verhülltem Fleisch, spritzten Mercutio schleimige Kuchenbrösel ins Gesicht.

In der einen Hand hielt der Fettwanst noch einen letzten Rest der Sahnetorte, die sich mittlerweile auf seiner Robe, größtenteils in seinem Bauch und eben auf Mercutios Gesicht befand. In der anderen Hand trug er einen hohen, zylindrischen Glasbehälter in dem schwarze Blutegel in einer grünlichen Flüssigkeit trieben.

Angewidert wischte sich Mercutio die Krümel aus dem Gesicht. Innerlich fragte er sich was er denn verbrochen hatte, waren die höllischen Kopfschmerzen nicht schon genug? Nein, nun musste er sich auch noch mit diesem Fettwanst rumschlagen. Er tippte dem Arkanisten auf die Schulter. "Ich denke ihr habt euch im Laden geirrt, werter Herr. Der nächste Zuckerbäcker ist die Straße weiter rauf. Hier gibt es nur Zauberuntensilien, also nichts womit ihr etwas anfangen könntet."

"Du billiger Tä..äää...nzer!", rülpste das Schwergewicht auf Mercutios Fuß. Der Fettwanst wischte seine verschmierte, klebrige Linke an der dunklen Robe des Magiers ab und klatschte ihm diese dann gegen die Stirn. Sie war kalt und nass, wie die Blutegel in der anderen Hand des Mannes. Mercutio spürte ein leichtes Kribbeln über seiner Nasenwurzel, bevor sein Angreifer diese mehr als unangenehme Berührung wieder löste.

Jedoch waren die Befreiungsversuche des Magiers trotz Mühe und Not nicht von Erfolg gekrönt. Mit einem breiten, widerlich schlüpfrigen Grinsen nam der Fettwanst langsam und genüsslich den Fuß von Mercutio.

Ein schockiertes Raunen ging durch die dicht gedrängten Zauberwirker zwischen den varisianischen Idolen, als der fettleibige Mann kichernd zurücktrat.

Mercutio versuchte sich die letzten Momente noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Hatte dieser ekelerregende Fettwanst ihn etwa verzaubert? Was hatte dieses Kribbeln zu bedeuten? Schnell riss sich der Magier wieder zusammen und rief: "He, Skoda, lasst ihr etwa zu, dass man so mit Stammkunden umgeht?"

Wie seine Kunden, blickte auch Phaeton Skoda eingeschüchtert zu Boden. Viele verließen unter aufgebrachtem Gemurmel kurze Zeit nach dem Fettwanst den Laden. Die dürre Gestalt des Besitzers hingegen huschte hinter dem Verkaufstresen hervor und schob Mercutio durch einen purpurfarbenen Samtvorhang hindurch.

Die beiden landeten in einer düsteren, unaufgeräumten Alchemistenküche. Hier waren farbige Pulver auf einer massiven Werkbank verteilt und von der Decke hingen unzählige obskure, getrocknete Reagenzien aus Varisias Wildnis und Korvosas Handelsbeziehungen zu fernen Ländern.

"Hier!", zischte der Heckenzauberer und zog einen Silberspiegel aus einem schwarzen Kohlenbecken. Er wischte ihn hastig mit seinem lumpigen Ärmel ab, bevor er ihn an den anderen Magier weiterreichte.

"Na, los! Schau hinein, Mercutio!"

Verdutzt ob der Reaktion des Ladenbesitzers nahm Mercutio den Spiegel und blickte hinein.

Und da fügte sich alles zu einem erschreckenden Bild zusammen. Der Fettwanst hatte ihm ein Zeichen aufgedrückt. Es war ein blauer Stern mit sieben Zacken in einem Zirkel aus alten, thassilonischen Runen, die Mercutio nicht entschlüsseln konnte. Aber er kannte das Symbol an sich und es war sicher nicht das persönliche Zeichen dieses fetten Magiers. Der Tiefling im Unterschlupf hatte es in Form von blauen Flammen heraufbeschworen gehabt.

Besorgt musterte Skoda seinen Stammkunden.

Was bei Asmodeus ist das? Kennt ihr dieses Zeichen, Skoda?", fragte Mercutio den Ladenbesitzer.

Skoda blickte verschwörerisch über die Schulter, bevor er Mercutio antwortete: "Kennen wäre zu viel gesagt. Ich weiss nur so viel, dass es sich dabei um das Zeichen einer Gruppe von Duellanten handelt. Niemand weiss wer von Korvosas Arkanisten dieser Geheimgesellschaft angehört oder was für Ziele sie gar verfolgen. Jedenfalls wurdet Ihr gerade zu einem ihrer tödlichen Duelle herausgefordert!"

Erstaunt zog Mercutio eine Augenbraue hoch. "Duellanten also... Dann macht das Sinn!", murmelte der Magier vor sich hin. "Pah! Törichte Dummköpfe. Wer sollte mich zwingen an so einem Duell anzutreten? Das möchte ich sehen. Aber nun zu dem warum ich eigentlich hier bin, Skoda. In einem Flugzettel eures Ladens las ich, dass ihr momentan varisianische Idole zu einem günstigen Preis anbietet."

Nun war es an Skoda ob der Reaktion seines Gegenübers erstaunt zu sein. Er ging auf den Themenwechsel des anderen Magiers folglich nur sehr zögerlich ein: "Äh, ja. Wie Ihr bereits in der Auslage sehen durftet, haben mir meine Agenten thassilonische Relikte in Hülle und Fülle vermittelt. Wäret Ihr etwa interessiert?"

"Das kommt darauf an, was sie kosten sollen", antwortete Mercutio, der sich dabei anstrengte so wenig Interesse wie möglich zu zeigen um den Preis nicht unnötig in die Höhe zu treiben.

"Mehr als ein Fünftel des gewöhnlichen Preises kann ich Euch nicht erlassen." Nach einer kurzen Pause appellierte Skoda jedoch noch einmal an seinen Stammkunden: "Aber das sollte im Moment Eure geringste Sorge sein. Mogg Soggog ist ein gefährlicher Mann! Ein Egelmagus aus Kaer Maga, der an der Acadamae Nekromantie studiert und er wird sicher darauf beharren seine Todesmagie an Euch zu erproben."

"Er studiert an der Acadamae, sagt Ihr?", fragte Mercutio neugierig. "Ach, was interessiert mich der, ich werde diesen aufgedunsenen Dummkopf in sein Rattennest zurückschicken, sollte er sich mir entgegenstellen."

"Nun, er wird sich Euch entgegenstellen. Besser gesagt das hat er bereits.", erinnerte Skoda Mercutio an das arkane Mal auf seiner Stirn. "Natürlich könnt Ihr Euch vor ihm verstecken, doch bis das Mal verschwunden ist schreiben wir Desnus."

"Wäre doch gelacht, wenn ich dieses Mal nicht selbst verschwinden lassen könnte. Sagt, Phaeton, habt Ihr eine magiebannende Schriftrolle in eurem Sortiment?"

Skoda hielt dem Blick seines Kunden nicht mehr stand. "Nein. Selbst wenn ich eine Schriftrolle mit dem richtigen Zauber hätte, so würde ich sie Euch dennoch nicht verkaufen. Ich will einfach keine Schwierigkeiten mit diesen Leuten. Es tut mir leid."

"Na wenn das so ist", meinte Mercutio trocken, "dann werde ich Euch nicht länger in Schwierigkeiten bringen. Ich komme wieder, wenn ich diese Unannehmlichkeit aus der Welt geschafft habe." Dann drehte sich der Magier um und verließ die Heckenzauberei, wobei er leise Flüche vor sich hin murmelte.

Mercutio fand das gemeinsame Haus in der Lanzettenstrasse verlassen vor. Weder Cael noch die gesellige Zanovia war zugegen.

Als der Magier jedoch die Falltür zu seinen Räumlichkeiten öffnen wollte, fiel ihm ein Pergamentstreifen auf, der sorglos auf dem dunklen Metall abgelegt worden war.

Eine düstere Vorahnung überkam Mercutio. Er hob das Schreiben dennoch auf. Es war nicht die erste Nachricht die ihn an diesem Tag mehr oder weniger ungewollt erreichte.

Mit rotbraunen, krakeligen Buchstaben stand dort geschrieben:

"Heute.
Bei Mitternacht.
Steinschleiferstrasse Ecke Klunkergasse.
Für Sekundanten ist gesorgt."

Erbost knüllte Mercutio die Nachricht zusammen und warf sie in die Ecke. Dann machte er sich wieder an seine Studien. Doch immer wieder stand er auf und lief in seinem Keller auf und ab, er überlegte ständig ob er die Herausforderung annehmen sollte. Es reizte ihn schon.

Ein paar Stunden später, kurz vor Mitternacht, war er auf dem Weg zur Steinschleiferstrasse...



Zu so später Stunde war das Lächeln Desnas das einzige Licht auf den Strassen Korvosas, während In den engen Gassen eine tiefschwarze Dunkelheit herrschte.

Mercutio war noch vor Mitternacht am verabredeten Treffpunkt.

Es gab keinen Grund sich zu verbergen, also wartete er im silbrigen Mondlicht, nicht in den dunklen Schatten der Klunkergasse. Nach einer kleinen Ewigkeit an Wartezeit fiel die Nervosität langsam von ihm ab und wurde von Verärgerung über die Unpünktlichkeit seines Kontrahenten ersetzt.

Mercutio ging vor sich hinschimpfend auf und ab.

Dann riss ihn plötzlich ein scheussliches Husten aus seinen finsteren Gedanken. Es kam aus der Gasse, aber er konnte die Quelle nicht genau festmachen. Mann oder Frau? Mensch oder Tier?

Mercutios Körper stand sofort unter vollkommener Anspannung und der Magier wollte schon reflexartig einen Zauber wirken, rief dann aber nur in die Dunkelheit: "Wer ist da?"

Ein weiteres grässliches Husten war Mercutios einzige Antwort. Dann kam etwas durch die Schatten auf ihn zugekrochen. Dürre, bleiche Finger erschienen im silbrigen Mondschein. Der Magier vermutete bereits, dass sie einem Daemon aus Abaddon gehörten, als sich die zittrige Stimme eines Bettlers zu Wort meldete: "Ein paar Münzen für Medizin, werter Herr?"

Angewidert schubste Mercutio den Mann nach hinten. "Scher dich weg!"

"Aber, mein Herr..." Der Bettler hatte ein grässlich entstelltes Gesicht.

Im fahlen Licht des Mondes konnte Mercutio es nicht mit Gewissheit sagen, doch es sah so aus als sei es eine rotbraune Masse aus Schwellungen und offenen Pocken. Wehrlos und offensichtlich von Schmerzen gepeinigt ging der Mann zu Boden.

Während Mercutio das Stöhnen des Bettlers in den Schatten verfolgte, erklang erneut eine unbekannte Stimme hinter ihm:

"Wie wir sehen, habt Ihr einen Bekannten getroffen.", stellte die kühle, selbstsichere Stimme fest. "Entschuldigt bitte die Verzögerung, doch wir mussten sichergehen, dass Ihr allein gekommen seid."

Als Mercutio sich dem Sprecher zuwandte, sah er sich sechs gerobten Gestalten mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen gegenüber. Noch bevor er antworten konnte hoben alle sechs ihre Hände. Jeder von ihnen hielt einen Zauberstab in der Linken und ein Tuch in der Rechten.

"Wählt Ihr die Augenbinde oder den Zauberstab, Meister Dragonetti?"

"Sechs gegen einen. Ihr scheint ja ziemlich mutig zu sein. Als erstes möchte ich aber wissen warum Ihr mich ausgewählt habt. Dieser verfluchte Tiefling gehörte doch auch zu Euch, oder?"

Die Antwort der Unbekannten kam schnell: "Das Duell findet nicht hier statt. Wollt Ihr Euch freiwillig die Augen verbinden lassen oder sollen wir anderweitig für Eure Unkenntnis des Weges sorgen?"

Mercutio zog eine Augenbraue hoch, obwohl es in der Dunkelheit wahrscheinlich ohnehin niemand sehen konnte. "So, so... Für wie dumm haltet Ihr mich eigentlich? Dann könnte ich doch auch gleich Selbstmord begehen. Das war nicht abgemacht und somit werde ich nicht zum Duell antreten." Entschlossen verschränkte der Magier seine Hände hinter dem Rücken.

Alle sechs gerobten Gestalten streckten ihre linke Hand aus und sprachen ein einziges drakonisches Wort: Nachtklaue.

Und tatsächlich huschte ein dunkler Schatten über Mercutios Blick. Er versuchte ob dieser offensiven Geste des Zauberns zu flüchten, doch seine Beine wollten ihn nicht davon tragen. Der Magier war wie versteinert.

Dann beschworen die Sechs einen Nebel aus dem Kopfsteinpflaster der Klunkergasse empor, der Mercutio kurz die Sicht raubte und dann das Bewusstsein nahm.



"... kommt zu sich.", waren die ersten Worte die Mercutio wieder bewusst aufnehmen konnte.

Um den Magier herum war es dunkel. Und es war an diesem Ort kälter als in den nächtlichen Gassen Korvosas. Er fragte sich wo ihn die gerobten Gestalten hingeschleppt hatten. Der kalte Stein auf dem Mercutios Gesicht lag wurde von blauen Flammen erhellt, die an den hoch erhobenen Waffen von sieben Statuen züngelten. Unter den finsteren Blicken der steinernen Männer und Frauen erhob sich der Magier vorsichtig, gefasst auf Angriffe jedweder Art.

Der Angriff blieb aus. Die raunende Stimme ertönte jedoch auch kein zweites Mal.

Mercutio befand sich auf einer großen, kreisrunden Scheibe aus hellem Stein. Über die gesamte Oberfläche dieses kunstvoll gefertigten Podests verlief das arkane Symbol, das ihm sein Herausforderer auf die Stirn gezaubert hatte. Die sieben Statuen standen im Kreis um das Podest verteilt. Auch sie waren gerobt, wie die Unbekannten in der Klunkergasse. Hinter dem blauen Licht ihrer prachtvollen Fackeln blieb der Rest des Raumes  von schwarzer Dunkelheit verhüllt.

Mercutio drehte sich im Kreis und schrie: "Los zeigt euch, wer immer ihr auch seid!"

Auf des Magiers verzweifelte Rufe schlurfte etwas durch die Schatten hinter der Steinscheibe.

Dann stieg jemand langsam die Stufen zu dem kunstvoll verzierten Podest empor. Es war der Fettwanst aus dem Zauberladen, der auf der gegenüberliegenden Seite der Scheibe Stellung bezog. Im blauen Licht der magischen Fackeln sah er wie das unförmige, menschliche Abbild eines fernen Mondes aus. Auf seiner bleichen Haut waren dunkle Blutergüsse und schwarze, schimmernde Egel zu sehen. Ein beunruhigendes Grinsen machte sich auf dem feisten Gesicht des Mannes breit, bevor in den Schatten eine unbewegte, androgyne Stimme erklang:

"Initiationsriten werden in jedem Fall bis zum Tode ausgefochten. Möge der Mächtigere siegreich sein."

Mercutio streckte seine Hand mit gespreizten Fingern vor sich aus und intonierte eine arkane Formel. In einem Kreis vor seiner Brust leuchteten gelbe Symbole auf, die auch gleich wieder verschwunden waren.

Der fettleibige Magier auf der anderen Seite der Plattform streckte ebenfalls seine dicken Finger vor sich aus. Er hielt ein Stück Leder in Händen. Auch er murmelte eine Zauberformel und legte einen magischen Panzer aus rötlicher Energie um seinen mächtigen Körper.

Sogleich lief Mercutio mit wehender Robe auf seinen Gegner zu. Im Laufen streckte er die Rechte aus und zielte auf den Fettwanst. Ein grüner Säurepfeil löste sich aus Mercutios Zeigefinger und schoss zischend auf den Unbekannten zu.

Die Säure fraß sich in den massigen Leib des anderen Magiers, der dabei schrill zu kreischen begann. Dann vernahm Mercutio plötzlich, zwischen den Schmerzensschreien eine weitere Zauberformel. Der Fettwanst fuhr dabei mit einem grauen, krallengleichen Fingernagel die purpurfarbenen Adern unter seiner bleichen Haut nach, bis er ihn schließlich in seinem eigenen Fleisch vergrub. Dunkles, dickes Blut trat aus der Wunde und lief den Arm des Magiers entlang, wo sich die Tropfen bald zu einer Klinge geformt hatten.

Mit einem hinterhältigen Grinsen in seinem feisten Gesicht wartete Mercutios Gegner ab.

Unbeeindruckt feuerte Mercutio sogleich noch ein Säuregeschoss ab und lief dann schnell aus der Reichweite schwächerer Zauber.

Wieder traf Mercutios Säurepfeil den anderen Magier und frass sich zischend in dessen Haut. Die weiße, dunkel geäderte Masse warf bereits große, widerliche Brandblasen, während der Mann schreiend auf seinen Kontrahenten zustürmte. Nur wenige Schritte trieben dem Fettwanst bereits dicke Schweissperlen auf die Stirn und so gab er sein Vorhaben keuchend auf. Sein wutverzerrtes Gesicht zeigte einen Anflug von Ratlosigkeit. Nahezu verzweifelt schleuderte er die dunkle Klinge aus seinem eigenen Blut auf Mercutio.

Der Dolch prallt jedoch vom magischen Schild des Beschwörers geräuschvoll ab und schlittert quietschend über die Plattform in die Schatten darunter.

Während sich Mercutio wieder etwas von dem Egelmagus entfernte rief er diesem höhnisch zu: "Von mir aus können wir das ewig so machen, Dicker. Oder aber du gibst gleich auf, dann verschone ich vielleicht dein Leben!" Dann machte sich der Teufler bereit einen weiteren Säurepfeil auf seinen Gegner zu schleudern.

Der Fettwanst wich der Säure mit einem unbeholfenen Schritt zur Seite aus. Und da erschien wieder das hinterhältige Grinsen in seinem bleichen Mondgesicht. Mit seiner schrillen Stimme entgegnete er: "Nur einer von uns beiden verlässt diesen Ring lebend! Wenn du es nicht sein willst...". Dann sprach er eine Zauberformel die Mercutio erst vor kurzem tief unten in den Totentunneln gehört hatte. Sein Kontrahent beschwor eine geisterhafte Hand vor seiner Brust, eine dunkle, schattenhafte Klaue. Der verrückte, blaue Gnom hatte damals mit einer solchen Klaue versucht verschiedene tödliche Zauber über ihn und seine Gefährten zu bringen.

"Du wolltest es ja nicht anders, Fettsack!", schrie Mercutio seinen Widersacher entgegen als er sich zum Rand des blauen Kreises begab. Dabei holte er eine kleine Kugel aus Spinnweben aus seiner Gürteltasche. Er verteilte die Spinnweben zwischen seinen Händen und blies dann zwischen den Handflächen hindurch. Ein Schleier aus Spinnenseide flog zugleich auf den dicken Magier und hüllte diesen vollständig ein.

Mit einer Schnelligkeit, die ihm wohl niemand angemerkt hatte, wuchtete sich dieser zur Seite und damit aus dem magischen Netz von Mercutio. Doch das war es nicht was den Beschwörer in Staunen versetzte. Die milchigen, weiße Stränge hörten exakt an der Kante der Plattform auf, auf der die beiden ihr Duell ausfochten.

Währenddessen konzentrierte sich der Fettwanst auf die geisterhafte Hand, die vor ihm schwebte. Er murmelte ein paar arkane Worte und das Grau der schattenhaften Klaue wandelte sich zu einem tiefen Schwarz. Im Schein der blauen Fackeln schien sie dampfen. Dann schickte der Magier sie mit einem Wink seiner eigenen Hand auf Mercutio.

Die schwarzen Finger der Schattenhand krallten sich tief in die Brust des Beschwörers, der spürte wie eine mächtige, unnatürliche Kälte sich ihm bemächtigt.

Innerlich verfluchte Mercutio den fettleibigen Nekromanten. Dann würde das Duell vielleicht doch länger dauern. Etwas ratlos mit welche Zauber ihm nun einen Vorteil verschaffen würden, schoss Mercutio vorerst einen weiteren Säurepfeil auf den Fettwanst. Vielleicht würde ihm das etwas Zeit verschaffen.

Diesmal konnte der Egelmagus dem Säurepfeil nicht entkommen. Die Blasen auf der verbrannten Haut des Mannes platzten auf und bespritzten seinen schwabbeligen Oberkörper mit noch mehr Blut. Er schrie als würde er in Flammen stehen, doch sein wutverzerrtes Gesicht zeigte tödliche Entschlossenheit. Wieder schickte er Mercutio die Schattenhand an den Hals, die ihre frostigen Finger in den Beschwörer rammte. Es fühlte sich wie das splittern eines Eisbrockens in seiner Kehle an.

Mercutio zuckte unter der eiskalten Berührung zusammen. "Verfluchter Leichenschänder!", fluchte der Beschwörer innerlich. Er musste sich einen Vorteil verschaffen und hatte dafür genau den richtigen Zauber. Er holte eine Hand voll Silberstaub aus seiner Gürteltasche und schleuderte es seinem Gegner entgegen. Zugleich sprach er eine Zauberformel, woraufhin der Goldstaub zu Leben zu erwachen schien, in Richtung des Angreifers flog und diesen in eine grell glitzernde, funkelnde Wolke hüllte.

Geblendet warf der Egelmagus die Hände vors Gesicht. "Ich bin blind!", schrie er panisch und stolperte ein paar Schritte nach hinten. Am Rand der Plattform angekommen verlor er sein Gleichgewicht dann völlig und rutschte ab. Wie ein nasser Sack klatschte der Nekromant auf den Steinboden.

Kaum hatte er den Boden berührt, da schlugen fünf magische Geschosse in seinem massigen Körper ein.

Zellara

  • Mitglied
Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #48 am: 01. November 2009, 22:47:16 »
Eigentlich (#1) wollten wir eine fulminante Halloween-Runde in einer Hütte am Dorfrand, auf dem ehemaligen Galgenberg mit zahlreichen Nebenangeboten wie Kürbisschnitzen, Gruselgeschichten hören und eine Nachtwanderung durch den Wald, spielen. Nach langem Kampf mit anderen Verpflichtungen schien der Abend (oder besser die Nacht) in trockenen, wenn auch schwarzen, Tüchern. Die Erkrankung eines Spielers und dadurch der Wegfall einer weiteren Spielerin, haben uns jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir haben nicht gespielt.

Und eigentlich (#2) hatte unsere Chronistin bereits alles von uns gespielte niedergeschrieben, doch ein unglaublich unglücklicher Speicherfehler hat uns auch da einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Daher habe ich einen kleinen Auszug aus Daros Leben für euch, ein Moment wie es ihn wohl schon sehr oft gab. Übrigens habe ich die derzeitigen (digitalen/englischen) Charakterbögen übertragen. Nur Cael ist noch nicht, immer noch nicht, aktuell. Eigentlich (#3) sind wir auf die deutsche Version des PFRPG umgestiegen, die Charakterbögen müssen aber noch digitalisiert werden. Ausserdem ist Daro auf den Spell-less Ranger aus dem KQ umgestellt worden, also doch wieder nicht aktuell.

Aber nun Motivation für Ruth und eine gute Besserung an Daros Spieler Nico:



30. Lamashan, 4706 AZ

Der Große Turm ragte hoch in das Rot der späten Abenddämmerung hinauf, wie die geballte Faust Abadars, wie der Streitkolben Korvosas, hoch erhoben zum Kampf gegen Chaos und Unfrieden.

Von Baumeistern aus dem fernen Süden errichtet, erhob sich der Turm aus Granit und Stahl über alle Gebäude der Stadt, nur die Zinnen Schloß Korvosas waren noch Höher, thronend auf der Stufenpyramide.

Mit mächtigen Schwingen trugen kreischende Pferdegreifen, schwarz uniformierte Reiter von der Spitze des riesigen Bauwerks in die Nacht hinaus.

Die Schwarze Kompanie bekämpfte die Feinde des Stadtstaats vom Rücken ihrer treuen Reittiere.

Sie schützte Korvosa vor den Seeräubern des Nordens, den Wegelagerern der Berge im Osten und trieben die Ungeheuer aus den Sümpfen wieder zurück in ihre nassen Nester im Westen. Die Reiter patrouillierten in ihren schwarzen Lederpanzern entlang der Grenzen mit Janderhoff, Magnimar und Kaer Maga. Sie waren die bewunderten Helden Korvosas Truppen.

Daro träumte oft davon einer von ihnen zu sein, ein Hüter über die Handelswege zu Land und zu Wasser. Er würde die Wälder Nirmathas sehen, die Schatten Nidals zwischen den Berggipfeln des Südens erspähen und über das verwüstete Land der Orks fliegen.

Doch sein Ziehvater hatte ihn stets in der Werkstatt gebraucht. Der Zwerg war zudem nicht so einflussreich wie die Oberhäupter der alten Adelsgeschlechter oder Dockfamilien, und so waren dem ehemaligen Straßenjungen die Tore der Endrin Militärakademie immer verschlossen geblieben, in deren ehrwürdigen Hallen die Schwarze Kompanie ausgebildet wurde.

Er saß dabei wie jedes Mal vor seiner Dachkammer auf den Holzschindeln des Werkstattdachs. Hier in den Schindeln war er den silbernen Sternen nah, die den Pferdegreifenreitern als Wegweiser dienten, hier gab ihm der kalte Seewind in seinem Gesicht das Gefühl im Dienste der Krone lautlos durch die Lüfte zu gleiten.

Der ohrenbetäubende Schrei eines Pferdegreifen, dicht an seinem Ohr, riss den jungen Mann aus der Träumerei. Eine Einheit der Schwarzen Kompanie jagte mit atemberaubender Geschwindigkeit nach Nordosten über Alt Korvosa hinweg.

Daro blickte den Soldaten noch lange nach, bis sie in der sternengesprenkelten Dunkelheit des Nachthimmels verschwunden waren.

Zellara

  • Mitglied
Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #49 am: 02. November 2009, 20:48:12 »
Nur ein kleiner Hinweis, dass im ersten Post des Threads ein Inhaltsverzeichnis eingefügt wurde das über Links zu den einzelnen Abschnitten der Kampagne führt. Auch die Erklärung mit welchem Regelwerk wir eigentlich spielen wurde aktualisiert.

Zanovia

  • Mitglied
Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #50 am: 02. November 2009, 23:31:36 »
Oh, das ist ja wirklich eine Überraschung! Tolle Begegnung mit Mercutio, will sagen: sehr gut beschrieben! Hat mir  ausnehmend gut gefallen.
Ich hoffe, bald die Aufzeichnungen des Tagebuchs liefern zu können. Saudumm gelaufen.
Ist schon was geplant, wann wir uns zum Spielen treffen? Liebe Grüße und gut Nacht! -_-

Zellara

  • Mitglied
Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #51 am: 09. Januar 2010, 23:35:55 »
5.Gozran, 4708 AZ

Cael und ich saßen in der Stube. Er erzählte mir von den Gerüchten, die er in den Trinkhallen und Tavernen der Stadt aufgeschnappt hatte: Die Blaue Liga rangte angeblich um ihre Vormachtstellung in Kovosas Unterwelt.

Ich konnte damit gar nichts anfangen, und nur Cael zu Liebe tat ich so, als hörte ich aufmerksam zu. Meine Gedanken schweiften ab zu Daro. Der Kleine befand sich im Dienste der Garde in Altkorvosa, und ich machte mir ein wenig Sorgen um ihn. Er war  einerseits verdammt naiv, andererseits aber auch ein abgebrühter Straßenjunge. Ein Einzelgänger. Wie Mercutio eigentlich auch.

Cael redete und redete, und ich war erst wieder mit meinen Gedanken bei ihm, als er erwähnte, dass wir mit Daro in der Hängematte verabredet seien.

In der Hängematte tauchten wir tief und tiefer in den Sud der Gerüchte ein. Wieder ging es um Kroft, die angebliche Werratte, um Leichenfunde in den Schindeln und um Ogerspinnen.

Daro erzählten ein paar weitere Geschichten die bei der Garde im Umlauf waren. Es freute mich, den Kleinen wieder zu sehen. Der Halbelf konnte es nicht lassen, er wollte zur Acadamae und sich über Werratten schlau machen. Außerdem hatte er vor Mercutio zum Magierduell anzumelden. Von diesen Plänen konnten wir ihn jedoch wieder abbringen.

Stattdessen schlugen wir vor, uns bei Carmelizzia über die Lykantropen zu erkundigen und bei der Orisini Akademie vorbeizuschauen, denn ich wollte mich weiter in Fechtkunst schulen.

Cael ließ es sich nicht nehmen auf dem Weg zur Kathedrale der Pharasma Blumen für Carmelizza zu kaufen. Scheint ihn doch ganz schön erwischt zu haben!

Die Halbelfin war bei unserer Ankunft im Altarraum beschäftigt, und höchst erfreut uns, zumindest Cael, zu sehen. Über Werratten, kenne sich die Bischöfin besser aus, meinte sie und legte die Blumen liebevoll in einen Seitenschrein.
Die beiden Turteltäubchen verabredeten sich und wir verließen Grau wieder.

Daro war in Altkorvosa zuhause und deshalb führte er uns zur Hügelkronenstraße 16, der Orisini Akademie für Fechtkunst.
Ein Schild am Tor verriet, dass der heutige Unterricht ausgefallen war. Trotzdem klopften wir an die massiven Türen aus weißem Eichenholz. Die Türringe zeigten einen Imp und einen Pseudodrachen, verschlungen im tödlichen Kampf.

Orsini öffnete uns höchstpersönlich, und ich bemerkte an seinem gesamten Auftreten eine gewisse Besorgnis. Er führte uns in ein Hinterzimmer. Eine Dame mit Hut aus dem rote Locken auf ihre schlanken Schultern fielen, erwartete uns. Mir fiel sofort auf, dass es sich um künstliches Haar handelte. Doch Orsini begann zu sprechen, bevor ich mich weiter dazu äussern konnte.

Er stellte die Dame als Trinia Sabor vor. Die Königsmörderin, die mit der Hilfe des Schwarzen Falken ihrem Todesurteil entkommen war.

Sie entschuldige sich für die Unannehmlichkeiten, die sie uns in den Schindeln bereitet hatte und Orisini erklärte uns, dass sie gemeinsam mit ihrem maskierten Rächer noch in der Nacht der Hinrichtung vor der Tür gestanden hatte. Der Schwarze Falke habe ihre Unschuld beteuert und um Hilfe gebeten.
Daro raunte mir leise ins Ohr, dass er an ihrer Unschuld zweifelte.

Orsini bat uns Trinia aus der Stadt zu einem Gasthaus vor den Toren Korvosas zu bringen. Er gestand auch, dass es nicht ganz ungefährlich war, einer verurteilten Königsmörderin zur Flucht zu verhelfen. Trinia Sabor gesucht und 5.000 Goldsegel waren auf ihren Kopf ausgesetzt. Sofort kam mir der Einfall Trinias Aussehen zu verändern. Ich wollte sie als Elfin herrichten und Cael wusste auch schon wie weiter zu verfahren war: Nachts, bei Dunkelheit, in einem Boot den Jeggare Richtung Nordosten überqueren und sich dann durchs Unterholz schlagen. Sollten wir angehalten oder angesprochen werden, hätten wir die elfische Botschafterin Alowin Goldschimmer bei bestimmten Ritualen begleitet.

Daro erklärte sich bereit, ein Boot für die Flucht zu organisieren. Wir verabredeten ein Klopfzeichen und Cael beeilte sich, Camelizzia noch einmal zu treffen.

Es nahm ein wenig mehr Zeit in Anspruch, aber es gelang mir außerordentlich gut, Trinia in „Alowin“ zu verwandeln.

Wir warteten auf Daro.

Kein Klopfen.

Keine Spur von ihm.

Auch nicht, als ich zu dem bestimmten Felsen schlich, wo das Boot festgemacht werden sollte. Was war los? Konnte oder wollte er sich nicht an unsere Abmachung halten?

Ich hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken und lief zurück in die Hügelkronenstraße, wo sich inzwischen auch Cael wieder eingefunden hatte. Wir brachen auf. Ohne Daro.

Am Fluß angekommen, entdeckten wir ein herrenloses Ruderboot im Wasser. Cael ließ Nebel aufsteigen, und im Schutz dieses grauen Schleiers gelangten wir unentdeckt die Felsen hinunter.

Über meinen rasanten Abstieg möchte ich mich hier nicht weiter auslassen, denn noch da ich diese Zeilen schreibe, spüre ich die unsanfte Landung.

In dem geliehenen Boot gelangten wir sicher und halbwegs trocken ans andere Ufer.

Wie gehetzte Füchse schlugen wir uns ins Dickicht neben der Straße nach Norden. Wir wollten noch im Schutz der Nacht, im silbernen Licht Desnas, das Gasthaus erreichen, also rannten wir als wäre ein Rudel Höllenhunde auf unseren Fersen.

Wir waren noch vor Sonnenaufgang da.
« Letzte Änderung: 24. Januar 2010, 20:14:22 von Zellara »

Zellara

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Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #52 am: 24. Januar 2010, 01:21:04 »
6. Gozran, 4708 AZ
 
Wieder in der Lanzettenstrasse angekommen, fand ich Zeit und Ruhe (die Handwerker schienen eine größere Pause eingelegt zu haben) meine Eintragungen nachzuholen.

Als wir Trinias Staubwolke im Zwielicht der Morgendämmerung verschwinden sahen, beschlossen wir zufrieden uns ein Frühstück zu gönnen.

Wir folgten dem Handelsweg zurück nach Korvosa. Am Stadttor wurden wir von zwei Grauen Jungfern angehalten und durften erst passieren als wir unsere Abzeichen hergezeigt hatten. Über die Nordbrücke kehrten wir zurück in die Stadt. Als wir Nordend durchquerten, begann ich nach Daro Ausschau zu halten.

Nichts war von ihm zu sehen! Eigenartig! Er wusste doch was wir geplant hatten. Wir brauchten uns nicht darüber zu unterhalten, es war selbstverständlich, dass wir zur Werkstatt eilten.

Und ich war doch mehr als überrascht, dass Daro hinter dem Verkauftresen vom alten Bergbolzen stand. Stammelnd berichtete er, dass er verfolgt worden war, es mit der Angst zu tun bekommen hatte und nach Hause gelaufen war.

Was sollten wir nur davon halten?



Mercutio ließ sich auch später am Tag immer noch nicht blicken, Cael war mit sich selbst und seinen Herzenangelegenheiten beschäftigt und Daro war in der Werkstatt geblieben.

Am frühen Abend, Cael war inzwischen wieder zuhause, brachen wir zu Carmelizzia auf. Ob sie schon etwas von der Bischöfin über Werratten erfahren hatte?

Caels Vögelchen war ausgeflogen. Ein blasser junger Mann berichtete uns, dass Carmelizzia ausgegangen war. Wir vermuteten sie sogleich in der Trinkhalle, und so blieb mir nichts anderes übrig, als Cael dorthin zu begleiten.

Aber warum nicht? Etwas Kühles trinken, eine Kleinigkeit essen. Man musste sich ja nicht gleich besaufen!

Wir fanden Camelizzia tatsächlich in der Ostufer Trinkhalle, doch sie war so betrunken, dass sie keinen Ton herausbrachte. Sie lallte zwar etwas von Werratten, aber uns brachte das in unseren Ermittlungen nicht wirklich weiter.

Ein paar Uskeba genehmigte ich mir auch.

Doch dann ging es Carmelizzia immer schlechter, sie war sternhagelvoll und stürzte förmlich aus der Trinkhalle. Wir brachten sie zu uns nach Hause in die Lanzettenstrasse. Ständig musste sie sich übergeben. Es war keine angenehme Nacht! Für keinen von uns.

Wir schliefen zu dritt auf einem Lager in der Stube. Als romantisch konnte man dies gerade nicht bezeichnen. Armer Cael!
« Letzte Änderung: 17. Februar 2010, 17:08:39 von Zellara »

Zellara

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Der Fluch des Roten Throns
« Antwort #53 am: 17. Februar 2010, 17:00:34 »
7.Gozran, 4708 AZ
 
Heftiges Klopfen an der Tür ließ uns hochschrecken. Als ich einen Spalt öffnete, erkannte ich Grau Soldado mit frisch gebackenem Brot. Es duftete herrlich und kam zum Frühstück gerade recht.

Wir setzten uns an den Tisch und Grau erzählte von seiner Nichte Brienna aus Wegesend. Die Kleine war wohl sehr krank, denn er berichtete von roten Flecken auf ihrem ganzen Körper. Grau erklärte, dass die Familie sich magische Heilung durch Priester nicht leisten konnte.

Ohne zu zögern, machte sich Cael bereit aufzubrechen und deutete mir an, dass wir Grau begleiten werden. Allerdings mussten wir vorher noch bei Daro vorbeischauen. Ihn wieder einmal abholen.

Mir war der alte Bergbolzen, Daros Ziehvater, wirklich nicht sympathisch. Er musterte mich ständig verächtlich und schnaubte dauernd, wenn ich Daro aufforderte uns zu begleiten.

Aber gut, wir erreichten zu dritt das winzige, heruntergekommene Fachwerkhaus der varisianischen Familie. Graus Schwägerin empfing uns bereits auf der Türschwelle und erzählte uns, dass ein fremdländischer Heiler vom Tempel Abadars gerade versuche der kleinen Brise zu helfen.

Cael eilte sofort ins Haus, um sich ein Bild von der Kranken zu machen. Kurz darauf berichtete er uns was dann geschehen war:

Brise war am ganzen Körper mit roten, blutigen Flecken übersät und litt unter starken Hustenanfällen. Sie war sehr schwach. Der andere Heiler, Ishani Dhatri, und er selbst waren einfach ratlos.

Die Kleine hatte ihm davon erzählt, am Wasser gespielt zu haben und so hatte er versucht die genaue Stelle herauszubekommen. Erst meinte sie, es sei ein Geheimnis, und sie dürfe nicht darüber sprechen. Doch Cael entlockte ihr, dass sie eine Schachtel gefunden hätte, eine Schatzkiste voller Silbermünzen.

Als sie nach Nordend lief, um es dort auszugeben, wurde sie verdächtigt, es gestohlen zu haben. Dann sei sie schnell nach Hause gelaufen. Während sie aufgeregt erzählte, quälte der juckende Ausschlag immer mehr und der Husten schüttelte sie, bis sie völlig erschöpft wieder einschlief.

Cael schlug vor, sie mit göttlicher Magie zu heilen, denn nur so könnte man sie wieder zur Genesung bringen. Er selbst würde die Kosten von 150 Goldsegeln dafür aufbringen. Nachdem Cael den Heiler verabschiedet und nach unten begleitet hatte, stieg er noch einmal hoch zu Brise.

Er fragte, ob er den Schatz mal sehen dürfe, und bot der kleinen Brise einen Tauschhandel an: eine Bootsfahrt gegen den Fundort der Schatzkiste und Gold gegen ein paar der Silbermünzen aus der Schachtel.

Tatsächlich zeigte ihm Brise das Kästchen, das sie unter dem Bett versteckt hielt. Auf den unversehrten Holzteilen waren Totenköpfe eingelassen, während die Münzen, in ein schmuckloses Tuch eingewickelt, vollkommen gewöhnlich aussahen.

Cael nahm die Münzen an sich und legte dafür ein paar Goldsegel unter die Matratze der Kleinen.
« Letzte Änderung: 25. Februar 2010, 23:09:52 von Zellara »