Man könnte auch D&D mit DSA, Earthdawn, ERPS, GURPS Fantasy, Warhammer, Ars Magica oder einem beliebigen anderen Rollenspiel vergleichen, welches sich als Fantasy darstellt. Rollenspiel in Form von Charakterausgestaltung, Gesprächsausführung oder einfach nur einem bestimmten Verhalten wird ganz sicher nicht von den Regeln bestimmt, würde mir auch nie in den Sinn kommen, so etwas zu behaupten. Aber ein Regelsystem beeinflußt (ich verzichte hier auf ein "kann") die Richtung des Spiels, eben den Flair oder vielleicht besser ausgedrückt, die Herangehensweise eines Spieler die Spielwelt zu betrachten und seinen Charakter aufzubauen. Das hindert einen Spieler nicht daran gutes Rollenspiel mit seinem Charakter zu betreiben, aber es verändert vielleicht sein Verhalten als Spieler, als reale Person und die Konsistenz zwischen den Werten auf dem Papier und der dargestellten Person.
Dabei interagiert das benutzte Regelsystem natürlich mit der Kampagnenwelt, ich spiele FR sicher anders als Midnight. Dennoch verschwinden bestimmte Aspekte, die durch Regeln betont werden, nicht einfach so. Vielleicht versuche ich mal ein Beispiel, welches nicht unbedingt mit Kampf zu tun hat, um zu veranschaulichen an welcher Stelle eine gewisse Stimmung durch Regeln produziert wird. Bleiben wir dabei gleich im Bereich d20, das macht es einfacher zu betrachten und zeigt vielleicht, daß es nicht darum geht d20 zu verdammen oder sowas....
Die Magie in Midnight wird anders gehandhabt als normalerweise in D&D, keine Sprüche pro Tag usw., sondern Konstitutionsschaden und noch weitere Gimmicks. Diese Regelmechanismen spiegeln den Kampagnenhintergrund wieder und verändern das Standard-D&D dahingehend, daß Magie eben seltener und gefährlicher wird. Regeln unterstützen also den Flair eines Settings und beeinflussen so den Spieler, anders mit Magie umzugehen als er das in D&D tun würde. Andere Systeme treiben das noch viel weiter, so daß nachher bspw. der Fokus total auf einem komplexen und ausgefeilten Magiesystem liegt. Das ließe sich mit d20 nicht so ohne weiteres umsetzen, vermutlich wäre es nachher dann kein d20 mehr. Insofern gibt es also ein Barriere, die d20 von anderen System trennt und diese Barriere besteht eben in einem bestimmten Fokus, welcher in d20 nicht wiedergegeben werden kann (wenn man jetzt nicht alles neu schreiben wollte, alle Zauber z.B.).
Insofern verleitet also auch ein magiestarkes System dazu, anders mit Magie umzugehen, das gilt für anderen Bereiche auch: in D&D ist der Kampf z.B. recht ausgefeilt, das verleitet dazu, dies auch auszunutzen und zu einem wichtigen Element im Spiel zu machen. Insofern werden dann starke Charaktere wichtig und der Fokus des Spiels einer bestimmten Spielrunde wandert dann ein wenig. Im Prinzip muß das nicht passieren, nach meinen bisher Erfahrung passiert es aber. Darunter muß das "normale" Rollenspiel nicht notwendigerweise leiden, kann es aber durchaus, wenn z.B. ein Spieler keinen Bock hat, seinen Charakter auf Kampf zu trimmen und dieser dann unter "Normalbedingungen" untergeht, weil Kämpfe eben wichtiger geworden sind. Den Aspekt von stufenlosen System gegenüber stufenabhängigen Systemen wollen wir mal ausklammern....
Ein bedeutender Punkt dabei und das wurde ja auch schon mehrfach angesprochen, ist sicherlich Wizards Produktpolitik, welche den Fokus eigentlich nur noch stärker auf Feats, magische Gegenstände und PKs verschiebt. Mag man von halten, was man möchte. Vielleicht wird ja jetzt etwas klarer, was zumindest von meiner Seite gemeint ist, Rollenspiel und Regeln sind schließlich keine Gegensätze, aber sie interagieren miteinander. Letzendlich mag das vielleicht ein bisschen (zumindest in Teilbereichen) die Frage sein, wie sehr man gerne eine gute Übereinstimmung zwischen Charakterbogen und dem im Spiel erlebten Charakter hat.