Leider bin ich, was die Demokratie in meinem Land angeht, derzeit tatsächlich in einer Art Sinnkrise. Ich hab früher immer zu den Leuten, die über die Verhältnisse gemeckert haben, gesagt: "Mecker nicht, wählt dir eine andere Regierung, die die Gesetze entsprechend ändert, das ist Demokratie und du bist der Souverän."
Heute kommt mir dieser Satz nicht mehr so flott über die Lippen. Ich habe resigniert und bin in einem Loch gefangen, in dem sich mir der Gedanke aufdrängt, dass es völlig eal ist, wen ich wähle, es wird sich eh höchsten im Detail, nie aber irgendwas grundsätzlich ändern. Die letzten Jahre haben so viele Gelegenheiten gebracht, bei denen "gewählte" Volksvertreter entgegen ihrer Wahlversprechen und ganz bewusst gegen den erklärten Willen der Bürger gehandelt haben.
Jetzt kann man sagen: "Das war doch schon immer so." War es auch, aber ich finde, es ist noch nie so deutlich hervor getreten, wie in denletzten Jahren. Durch die neuen Medien ist es für den Bürger einfacher geworden, seinen Willen zu erklären, und dadurch mutet es wahrscheinlich umso skandalöser an, wenn dieser nun von der Politik gnadenlos ignoriert wird, als es früher war, wo man sich mühsam in Bürgerinitativen zusammenfinden und dann noch mühsamer über die Presse Gehör verschaffen musste.
Ich bin mir sicher - und das ist mein persönliches Dilemma - dass dieser Staat eigentlich gar nicht mal so sehr demokratisch ist. Man hat vierzig Jahre lang mehr oder weniger gut den Schein gewahrt. Hier und da gab es mal Skandälchen - wie überall auf der Welt. Aber je leichter der Bürger es durch z.B. neue Medien hat, seine Rechte in Anspruch zu nehmen, desto mehr wird von der Politik dagegen gesteuert - freilich unter dem Deckmantel der "Inneren Sicherheit" und des "Kampfes gegen die Kinderpornografie" oder ähnlichen Schmutz.
Was nach der nächsten Bundestagswahl - welche meiner Überzeugung nach leider eine neoliberale, schwarz-gelbe Regierung und damit mMn ohnehin den endgültigen Ruin für dieses Land bringen wird - als eines der ersten Dinge geschehen wird, ist die Abschaltung der Online-Petitionen im Bundestag. Es mehren sich ja jetzt schon die Stimmen aus der Union, die genau das fordern, da es im Moment zu leicht sei für den Bürger im Vorbeigehen durch einen Mausklick und ohne eine bewusste Beschäftigung mit dem Thema, eine Petition zu zeichnen.
Ich fange nur langsam an, mich zu fragen, was ich bei dieser persönlichen Sinnkriese als Politiklehrer meinen Schülern erzählen soll
So, und damit Schluss jetzt mit Off-Topic