MalgarioDas Innere Malgarios ähnelte stark dem Inneren des Astes, der auf Occipitus zum Schädel hinaufführte. Allerdings war die Luft zwar stickig, aber nicht so faul, und die Wände der organischen Höhlen pulsierten beständig von Leben. Auch veränderten sich die Gänge ständig – anders war es kaum zu erklären, dass nach Dirims zwergischem Gespür die Höhle, in der die Kettenbrecher sich befanden, sich hätte bereits mehrmals kreuzen müssen, ohne dass sie tatsächlich an eine Kreuzung gekommen wären. Man gewann den Eindruck, absolut von dem Willen Malgarios geführt zu werden, was in sich wieder die Frage aufwarf, warum Malgario sie nicht einfach zwischen seinen Wänden zerquetschte, oder alle Luft aus seinem Inneren zog, wie er es sicher vermutete. Die einzige Antwort, die ihnen einfiel, war Neugier. Die Kettenbrecher nahmen sich vor, sie zu belohnen.
Sie waren vielleicht eine halbe Stunde unterwegs gewesen, als sich der Gang plötzlich in eine Höhle öffnete. Diese Höhle war über und über von Ranken und Moos überwuchert und hatte aus Sicht der Kettenbrecher sowohl nach links wie auch nach rechts eine Ausbuchtung. Thamior machte seinen Bogen bereit, und Boras zog die Axt. Jørgen ging langsam in die Höhle hinein.
Eine große, schwarze Gestalt schälte sich aus der Unsichtbarkeit, als der Paladin in ihrer Nähe war. Der humanoide Körperbau mit den langen Klauenhänden und die Tatsache, dass das Geschöpf sowohl drei Meter hoch war wie auch aus lebenden Schatten zu bestehen schien, erklärten es zu einer Nachtschattenkreatur derselben Art, wie sie in der Verteidigung Cauldrons bereits Boras’ Axt
Blutrache zerbrochen hatte. Die Klauen griffen sofort nach Jørgen, aber der tat einen Schritt nach hinten und schützte
Läuterung für den Moment mit seinem Schild. Thamior feuerte ein halbes Dutzend von
Seelenfeuer leuchtende Pfeile in den Nachtwanderer, und unter dieser Deckung steckte Jørgen sein Langschwert wieder in die Scheide und zog seine silberne Axt. Kaum war Thamiors Salve vorbei, stürmte er hinterher und riss weitere tiefe Wunden in die Kreatur, bis sie sich gerade dann auflöste, als von der anderen Seite ein zweites Nachtschattenwesen angriff.
Dirim wollte sofort einen
Flammenschlag auf die Kreatur niedergehen lassen, aber plötzlich türmte sich der Boden zu beiden Seiten des Zwerges auf und fiel über ihm zusammen. Malgario griff in den Kampf ein. Boras und Thargad befreiten Dirim. Währenddessen war Jørgen wieder unter Thamiors Deckung zum zweiten Angreifer vorgedrungen und zerfetzte diesen mit der Silberaxt.
Spoiler (Anzeigen)(Im Folgenden habe ich Malgarios Eingreifen nicht beschrieben, aber der Baum hat jede Runde etwas getan, um mitzukämpfen. Vielleicht eine Bodenwelle, oder mit Tentakeln geschlagen oder gegriffen, Säre regnen lassen usw. Insgesamt gab es 9 Effekte, haben also alle Kämpfe bis zum Treffen mit Malgario selbst 9 Runden gedauert.)
Boras und Thargad standen immer noch unschlüssig neben Dirim. Sie hatten ihre Waffen nicht riskieren wollen, wenn es nicht absolut notwendig wäre. Zum Glück war es das nicht gewesen.
»Stattdessen«, sagte Dirim zum Trost, »haben wir die erste Prüfung bestanden, würde ich sagen. Was meint ihr?«
»Ich meine: weiter«, sagte Thamior. »Wir sollten uns hier nicht ausruhen.«
Dirim rieb sich den blauen Fleck, den Malgarios Angriff an seiner Schulter hinterlassen hatte. »Stimmt. Gehen wir weiter.«
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Es war eigentlich nicht ganz korrekt, von Malgario als einer Person zu sprechen. Vor Äonen, als ihn der Dämonenprinz Xi’valanbobrig (genannt Bob) erweckt hatte, um ein Tor in die Höllenebene zu schlagen, wo seine Geliebte von ihrem Vater hin versperrt worden war, war es schon nicht korrekt gewesen, denn die drei mächtigen Dämonen, die Bob im Ritual geopfert hatte, waren von Beginn an nicht vollständig in Malgario aufgegangen, sondern als teilweise autonome Geister erhalten geblieben. Über die Jahrtausende hatte der Dämonenbaum die Seelen derer, die in ihm oder für ihn geopfert wurden, aufgesogen und sie den drei Richtungen zugeordnet, sodass aus drei Geistern drei Fraktionen geworden waren. Diese drei Fraktionen sprachen mit den vielen Stimmen ihrer Seelen, und momentan stritten sie darüber, wie mit den Eindringlingen zu verfahren war, die gerade die zwei Nachtschreiter besiegt hatten.
»Wir müssen sie töten«, zischte die Fraktion des ehemaligen Tanar’ri-Hauptmanns Krang. Bei Krang hatten die Seelen Zuflucht gefunden, denen die pure Lust an der Zerstörung inne gewohnt hatte. Wie üblich sprach Krang mit mehreren Stimmen, die alle dasselbe ausdrückten, aber anders formulierten, sodass gleichzeitig töten gesagt wurde wie auch massakrieren, vernichten, zerreißen und eine Vielzahl anderer Wörter. »Sie sind gefährlich!«
»Gefährlich!«, höhnte Ting. Der Eroberer sprach mit einer Stimme, in der die übrigen Seelen nur flüsternd wahrzunehmen waren. »Nützlich trifft es wohl eher. Wir können sie für unsere Zwecke einspannen. Danach können wir sie immer noch töten.«
»Einspannen? Sie haben einen Paladin dabei, und einen Tyrkleriker.«
»Ting hat Recht«, meldete sich die dritte Stimme, die selbst nur einem Zischen glich. Weitere Stimmen hörte man nicht heraus. Die Seelen, die sich um Arda gesammelt hatten, waren nur auf eines konzentriert, und das so sehr, dass sie mit einer Stimme sprachen: Rache. »Sie könnten nützlich sein. Vielleicht können wir sie gegen jene hetzen, die uns nun beherrschen, und sie als Instrument unseres Zorns verwenden. Wir sollten sie prüfen, um zu sehen, ob sie unseren Herrschern gefährlich werden können.«
»Schicken wir sie zu den Würmern!«, rief Krang. »Die Würmer!«
Die drei Fraktionen wandten ihre Aufmerksamkeit wieder den Eindringlingen zu, während Malgario den Gang, in dem sie wanderten, in die nächste Kammer münden ließ.
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»Was ist es diesmal?«, fragte sich Dirim. »Was müssen wir jetzt töten?«
Der Gang mündete in einer langgezogenen, gekrümmten Kammer. Überall wuchsen große Stämme aus dem Boden, die wenig mehr als einen breiten Weg durch die Mitte gangbar ließen. Es war die perfekte Umgebung für eine Falle.
»Lassen wir uns überraschen«, meinte Thamior und ging voraus. Er hielt sich dank seines Tempos problemlos ein wenig abseits der anderen Kettenbrecher, damit sie nicht alle ein einfaches Ziel boten, ebenso wie Dirim mit etwas Abstand die Nachhut bildete.
Der Boden wölbte sich vor und hinter ihnen, und dann stießen zwei riesige Würmer aus der Erde hervor. Erst kamen ihre Mäuler zum Vorschein. Mehrere Meter weiter brachen giftstachelige Hinterseiten aus dem Boden. Aus der Decke bohrten sich zwei weitere Würmer. Dann begann es, Säure zu regnen.
Thamior hastete von Deckung zu Deckung, um dem Regen zu entgehen, und feuerte Pfeile auf einen der Würmer. Währenddessen griff Jørgen einen weiteren an. Einer der Würmer schnappte nach Thargad und verletzte den Schurken schwer genug, dass der Säureregen ihn zu töten drohte. Dirim stellte sich mit seinem Schild schützend über ihn, war dadurch aber wehrlos, als sich der zweite Wurm mit Stachel und Maul über ihm positionierte. Der Wurm kreischte.
Plötzlich tauchte auf seinem Rücken Boras auf. Der Barbar dampfte, weil die Säure langsam seine Pflanzenrüstung zerfraß, aber er kümmerte sich nicht. Stattdessen hob er
Uthgars Zahn zu einem Überhandschlag und ließ die Axt wie ein Holzfäller niederfahren, der auf einem Stamm balancierte und diesen spalten wollte. Und er spaltete.
Uthgars Zahn versprühte Eiskristalle, als sich ihre Klinge durch den Hals des Wurms fraß und den Kopf sauber abtrennte. Blut schwallte heraus und über Dirim und Thargad, während sich der kopflose Wurm in Muskelzuckungen wand. Anstatt sich festzuhalten, nutzte Boras den Schwung einer solchen Zuckung, um zum nächsten Wurm geschleudert zu werden, den Thamior ja bereits schwer verletzt hatte. Er landete mit der Axt voraus und schlug sich selbst tief in die Haut des Wurmes vor, sodass auch dieser zu Boden ging.
Jørgen sah sich um. Sein Wurm war schwer verletzt gerade von Thamiors Pfeilen ins Jenseits befördert worden. Der Säureregen hielt an. »Wir müssen hier raus«, rief er den anderen zu. »Kommt schon!«
Die Kettenbrecher hasteten zum Ausgang der Höhle, während der letzte Wurm sich in der Decke anschickte, ihnen zu folgen. Jørgen sah sich noch einmal um. Dirim folgte so langsam wie üblich, und Thargad war wieder auf den Beinen. Thamior war bereits am Ausgang angekommen. Nur Boras fehlte… da war er. Er stand mitten auf dem Weg und blickte dem Wurm in der Decke entgegen.
»Boras!«, rief Jørgen.
Boras drehte sich um. Er grinste. »Geht schon mal vor«, rief er. »Ich komme gleich nach.« Er spannte die Muskeln an und fasste die Axt fester. Der Wurm konnte einem fast leidtun.
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»Ahh«, machte Krang, als der Hüne den letzten Wurm der Länge nach aufschlitzte. »Mehr!«
»Sie sind nicht sehr organisiert.« Man konnte Tings Kopfschütteln fast hören. »Ineffizient.«
»Aber effektiv!«, sagte Krang.
»Noch ein Test?«, fragte Arda.
»Jaa!«, rief Krang.
»Ja«, sagte Ting. »Das wäre besser. Ein Test, bei dem sie Taktik anwenden müssen.«
»Der Barbar braucht keine Taktik«, gab Arda zu bedenken. »Er könnte selbst uns gefährlich werden.«
»Pah!«, machte Krang. »Wir könnten ihn zerfetzen.«
»Dann tu es doch!«, sagte sie.
»Wir wollen nicht.«
»Arda hat Recht«, sagte Ting. »Außerdem ist der Barbar schwer zu kontrollieren. Ein Risiko. Wir sollten ihn aus dem Spiel nehmen. Wenn die anderen ohne ihn hilflos sind, dann sterben sie eben.«
»Sterben! Vergehen! Fallen!«, machte Krang.
»Und wenn nicht, dann haben wir sogleich ein Faustpfand, das sie gefügiger machen wird.«
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Boras kam tatsächlich kurze Zeit später nach. An ihm klebte immer noch feuchtes Wurmblut. »Habe ich etwas verpasst?«
Plötzlich wurde er von einer dünnen, viskosen Blase umgeben, und bevor einer der Kettenbrecher reagieren konnte, versank er im Boden, der sich über ihm nahtlos schloss, als habe man einen Stein im Sand versenkt.
»Boras!«, rief Dirim. Er wollte einen Zauber beginnen, aber Thargads warnende Hand auf seinem Arm ließ ihn innehalten. Der Schurke sah den Gang entlang, wo sich gerade die Öffnung erst schloss und dann in eine weitere Halle öffnete.
»Der nächste Test«, mutmaßte er.
Dirim zog
Schuldspruch. »Gut«, sagte er. »Ich habe gerade Lust, jemanden zu töten.«
(to be continued)
Spoiler (Anzeigen)Boras war bei dem nächsten Spieltermin nicht dabei, so wie Thargad bei diesem...