Autor Thema: Persönlichkeits-Simulation?  (Gelesen 6897 mal)

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TheRaven

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Persönlichkeits-Simulation?
« am: 23. September 2008, 20:27:56 »
Hallo zusammen,

Ich habe da mal eine Frage. Mir fällt auf, dass obwohl unser Hobby Rollenspiel heisst, ich bisher kein Rollenspiel-System gesehen habe, welches der Bedeutung nahe kommt. Fast alle Systeme bieten einem mehr als genug Regeln, manchmal bis zum Hirnschlag, die uns erlauben unsere Spielercharaktere genau zu definieren. Was können sie wie gut, wen kennen sie, mit welchen körperlichen und geistigen Vorteilen und auch Nachteilen sind sie ausgestattet und wie ist die prozentuale Chance ein Banjo spielend mit einer Hand die Decke entlang zu klettern.

Was ich mich nun aber frage ist, wieso in keinem System das Ausspielen des Charakters geregelt ist und die Mechaniken direkt damit zu tun haben. Wird der Charakter vor eine Entscheidung gestellt, dann entscheidet nicht der Spieler, was sein Charakter macht, sondern das System, basierend auf Wahrscheinlichkeit, Zufall, Ressourcen und ähnliche Einflüsse. Der Spieler hat die Aufgabe die Entscheidungen auszuspielen und kann natürlich, mittels gewissen Mechaniken Einfluss auf die Entscheidungen nehmen aber die Prämisse ist nicht, dass der Spieler den Charakter steuert, sondern das System bzw. eben der Charakter sich selbst.

Zum Beispiel wird in der dunklen Gasse jemand überfallen und der Charakter kriegt das mit. Der DM entscheidet, dass hier ein Handlungswurf fällig wird, auf den Aspekt "Hilfsbereitschaft". Je nach Resultat wird sich der Charakter einmischen und der Spieler hat dies auszuspielen. Dieser kann aber den Handlungswurf mit so Sachen wie "Todesangst" oder "Gute Erziehung" beeinflussen, je nachdem, welche Richtung er eher gehen möchte. Also im Prinzip eine beeinflussbare Persönlichkeitssimulation bzw. eine Art lenkbare künstliche Intelligenz.

Kennt ihr solche Systeme? Wieso gibt es nur wenige solche Systeme? Ich habe dazu bereits eine Meinung, aber würde vorgängig gerne mal eure Ansichten abholen.
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Xiam

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  • Mörder der 4E
Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #1 am: 23. September 2008, 20:41:48 »
Interesasanter Ansatz.

Dann läuft das ganze ja nur noch auf würfeln hinaus und der Spieler ist nichts weiter als ein Würfelarm, der seine Figur nur noch von Wahrscheinlichkeiten und Zufällen steuern lassen darf.

Ich denke, es geht am Sinn des Spiel vorbei. Der Sinn des Rollenspiels ist meiner Meinung nach, dass der Spieler sich die Charaktereigenschaften seiner Figur überlegt und sich dann in diese hineindenkt um sie dann so gut, wie es ihm möglich ist, auszuspielen. Man überlegt also praktisch die ganze Zeit "was würde mein Babar jetzt tun?" und handelt entsprechend.

Würfelwürfe sind nicht dafür da, den freien Willen der Figur zu simulieren, den versuche ich ja als Spieler gerade selbst zu emulieren. Würfelwürfe beschränken sich darauf, das abzuhandeln, was ich durch meinen Willen nicht beeinflussen kann, wo also die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Figur auf die Probe gestellt wird.

Natürlich könnte man wahrscheinlich auch ein System entwerfen, wie du es dir vorstellst, aber ich glaube nicht, dass es mir persönlich Spaß machen würde, das zu spielen. Man müsste praktisch jede Entscheidung des Charakters auswürfeln, von "gehe ich im Dungeon nach links oder nach rechts?" bis hin zu "helfe ich dem Opfer oder dem Räuber?". Abgesehen davon, dass es den Spielfluss sehr zäh machen würde, würde es mich als Spieler ja zum Zuschauer degradieren, wenn ich keine eigenen Entscheidungen bezüglich meiner Figur mehr treffen darf, sondern immer dem Diktat der Würfel folgen müsste.
« Letzte Änderung: 23. September 2008, 20:51:37 von Xiam »
1984 was not supposed to be an instruction manual.

Tanreh

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #2 am: 23. September 2008, 20:47:39 »
Als ich den Text von Dir gelesen habe, fing ich an zu überlegen, was Du denn *simulieren* möchtest.

Möchtest Du Aktionen und Geschehnisse simulieren, dann brauchst Du ein System, welches genau dieses regelt. Also im Beispiel den banjospielenden Deckenkletterer. Dann hast Du ein System, welches die Aktionen, die ein Spieler für seinen Charakter trifft, regelt bzw. auf eine Basis stellt.

Möchtest Du die Entscheidung simulieren (*Greift der Charakter jetzt ein oder nicht?), dann brauchst Du ein System, welches die Entscheidungsfindung simuliert. Das Regelsystem hat hier zwar eine andere Nomenklatur, letztendlich versuchst Du aber trotzdem, eine Regelbasis aufzustellen -> Es gibt Eigenschaften wie Todesangst, Gute Erziehung usw, die das Ergebnis (Eingreifen oder nicht ) simulieren.
Bei diesem System regelst Du dann womöglich nicht nur die Aktionen des Charakters, sondern auch die Entscheidung des Spielers.

Bei letzterem System frage ich mich dann, welchen kreativen Anteil bzw. was für einen Spaß bleibt für den Spieler über, nachdem er den Charakter entworfen hat. Prinzipiell kann er dann auch das Datenblatt mit den Werten abgeben und sagen
'Hier: alle möglichen Entscheidungen können nach den Werten getroffen werden. Es ist nicht nötig, daß ich anwesend bin'
(Achtung: überspitzt formulierte persönliche Meinung)

Vom Spielspaß her kann zumindest ich für mich sagen, dass ich lieber ein System spiele, welches die Aktionen meiner Spielfiguren bewertet als eines welches mir die Entscheidung praktisch abnimmt.

Bunt ist das Dasein ....und granatenstark.

Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.

TheRaven

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #3 am: 23. September 2008, 21:10:14 »
Dann läuft das ganze ja nur noch auf würfeln hinaus und der Spieler ist nichts weiter als ein Würfelarm, der seine Figur nur noch von Wahrscheinlichkeiten und Zufällen steuern lassen darf.
Wieso sollte so ein System Würfelintensiver sein als ein normales RPG. Dort würfelst du ja auch nicht um erfolgreich ein Stück Brot zu essen oder zu atmen. Gleichermassen würfelst du nicht für jede Entscheidung, sondern für jene, wo etwas auf dem Spiel steht und ansonsten darf man vom Spieler erwarten, dass er seinen erstellten Charakter auch im Sinne des Konzeptes spielt.

Ich denke, es geht am Sinn des Spiel vorbei. Der Sinn des Rollenspiels ist meiner Meinung nach, dass der Spieler sich die Charaktereigenschaften seiner Figur überlegt und sich dann in diese hineindenkt um sie dann so gut, wie es ihm möglich ist, auszuspielen.
Da malst du aber mit dicken Pinseln. Diese Aussage stimmt meiner Meinung nach nicht mal für die allgemein bekannten Rollenspiele.

Würfelwürfe sind nicht dafür da, den freien Willen der Figur zu simulieren, den versuche ich ja als Spieler gerade selbst zu emulieren. Würfelwürfe beschränken sich darauf, das abzuhandeln, was ich durch meinen Willen nicht beeinflussen kann, wo also die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Figur auf die Probe gestellt wird.
Naja, ich denke du siehst das zu digital. Der Würfel gibt die Richtung vor, wie der Charakter handelt und der Spieler nimmt dies als Vorgabe und kann sich dann immer noch selber entfalten. Im beispiel der dunklen Gasse bedeutet der Wurf nur, dass ich mich einmische aber nicht wie genau.

Man müsste praktisch jede Entscheidung des Charakters auswürfeln, von "gehe ich im Dungeon nach links oder nach rechts?" bis hin zu "helfe ich dem Opfer oder dem Räuber?".
Siehe Beispiele zuvor. Wie gesagt, würfelst du immer ob es dir gelingt einen Becher in die Hand zu nehmen oder um zu entscheiden ob dein Charakter akustisch das gehört hat, was ihm ein Händler sagt?

Abgesehen davon, dass es den Spielfluss sehr zäh machen würde, würde es mich als Spieler ja zum Zuschauer degradieren, wenn ich keine eigenen Entscheidungen bezüglich meiner Figur mehr treffen darf, sondern immer dem Diktat der Würfel folgen müsste.
Nein, denn du hast ja Fähigkeiten, Aspekte und Schicksalspunkte oder ähnliche Sachen, welche dir in einer Entscheidung entweder direkt die Kontrolle über einen Charakter geben oder aber das Resultat massgeblich beeinflussen können. Wieso nicht ein umfassendes Vetorecht des Spielers um eine Entscheidung umzustossen aber dafür kriegt er einen Schiksalspunkt, der ihn irgendwie in einer anderen Siutation einschränkt oder sonstwie abgearbeitet werden muss? Die Möglichkeiten sind unbegrenzt wie bei den Regeln eines normalen RPG auch.

Und die Idee ist eben gerade, dass du kein Zuschauer bist, sondern eben in der Pflicht, den Charakter gemäss Vorgabe auszuspielen. Die Herausforderung bei einem solchen System sind eben nicht Kämpfe oder physische Proben, sondern das Ausspielen der Persönlichkeit.
« Letzte Änderung: 23. September 2008, 21:21:13 von TheRaven »
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

DU#1229

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #4 am: 23. September 2008, 21:13:08 »
Super interessantes Thema! Bin gerade auf der Arbeit und kann deshalb nur kurz meine Gedanken dazu äussern. Ich sehe das wie Xiam, schlage aber vor, gewisse Mechaniken einzubauen, die den Charakter dazu bringen auch anders zu handeln, als der Spieler es gern wollte.

Was ich genau meine ist zB Deine geschilderte Situation und der Charakter hat einen Mut-Wert, den er bestehen muss um überhaupt selbst einzugreifen. Besteht er die Probe nicht, so kann er höchstens Hilfe rufen oder holen.

Das System von DSA mit den schlechten Eigenschaften finde ich schon etwas in diese Richtung entwickelt. Goldgierige Zwerge werden auch mal unvernünftiger handeln, als es der Spieler tun würde.

Meine kurzen und leider recht unprägnanten Gedanken dazu. Später (viel später!) mehr... vielleicht.

TheRaven

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #5 am: 23. September 2008, 21:19:28 »
Bei letzterem System frage ich mich dann, welchen kreativen Anteil bzw. was für einen Spaß bleibt für den Spieler über, nachdem er den Charakter entworfen hat. Prinzipiell kann er dann auch das Datenblatt mit den Werten abgeben und sagen
'Hier: alle möglichen Entscheidungen können nach den Werten getroffen werden. Es ist nicht nötig, daß ich anwesend bin'
Nein, du hast meine Idee noch nicht verstanden. Nehmen wir Schauspieler, Theaterspieler, Hörsprecher, Lehrer generell, Kursleiter usw. Die alle haben Vorgaben, was sie zu erzählen und wie sie zu handeln haben aber entscheiden zu einem nicht unerheblichen Teil selber, wie sie das genau machen. Gut, Lehrer haben ja auch keinen Spass so weit ich weiss aber bei den anderen gibt es durchaus Leute, die ihren Job gerne machen und das spannend finden.

Bei einem Rollenspiel ist das allerdings spannender und dynamischer, da ich ja im Voraus nicht weiss, wie die Vorgaben aussehen werden und ich habe mittels Spielmechanik auch einen direkten, wenn auch eingeschränkten Einfluss auf die Entscheidung/Vorgabe. Die Spannung kommt also nicht nur aus der Geschichte des GM, sondern auch aus der Handlung des eigenen Charakters und den Situationen in welche ihn diese bringen.
« Letzte Änderung: 23. September 2008, 21:23:00 von TheRaven »
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Berandor

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #6 am: 23. September 2008, 21:25:10 »
Xiam hat Unrecht. Der Sinn von Rollenspiel ist grundsätzlich, dass der Spieler sich selbst in eine fantastische Welt versetzt und darin handeln kann, meistens mit großer Macht ausgestattet. Natürlich gibt es gerade heutzutage auch Ausnahmen und Projekte, die davon abgehen, aber letzten Endes ist eine der grundsätzlichsten Eigenschaften dennoch die Flucht aus einer Welt von sozialen Zwängen und zu einer Welt, in der das autonome Subjekt noch wirklich autonom ist und Handlungsfreiheit existiert – zumal man keine Angst vor dem Tod haben muss.

Insofern würde deine Idee dieser Grundannahme total zuwiderlaufen und den Spieler in ein enges Korsett zwängen, in dem freier Wille eine Totalillusion ist und einzig übrig bleibt, die Ausschmückung zu erzählen. Das könnte sogar ein guter Ansatz für ein Indie-Game sein (wenn es das noch nicht gibt). Aber als Mainstream-Werk wird es m.E. nicht funktionieren.
Bitte schickt mir keine PMs hier, sondern kontaktiert mich, wenn nötig, über meine Homepage

Kilamar

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #7 am: 23. September 2008, 21:48:35 »
Man würde nicht viele Entscheidungen treffen.

Das ist wie Unreal Tournament, wobei man die Anzahl und Stärke der Bots aussuchen darf und anschließend zuschaut wie sie gegeneinander kämpfen.  -Spannend-

Kilamar

DU#1229

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #8 am: 23. September 2008, 21:53:37 »
Nicht, dass mein Post falsch verstanden wird. Ich meinte nicht, dass der Charakter dem Spieler vorgibt etwas zu tun oder zu lassen. Nur dass man den Charakter mit Werten von Eigenschaften versorgt, die eine bestimmte Richtung vorgeben aber kein "Muss" sind. War vielleicht etwas zu drastisch formuliert.

TheRaven

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #9 am: 23. September 2008, 22:15:21 »
Mit dieser Art von Defensive, Überreaktion und Polemik habe ich gerechnet. Der freie Wille gilt bei uns Menschen als das höchste Gut überhaupt und daher ist Skepsis und Antipathie einer Idee gegenüber, welche diese Freiheit zum Teil attackiert nicht überraschend. Aber gerade das ist doch eigentlich auch spannend.

Wie bereits mehrfach erwähnt geht es nicht darum jede Handlung und Entscheidung zu automatisieren aber bei wichtigen Fragen durch die beeinflussbaren Mechaniken zu steuern. Eigentlich wäre doch sowas nur konsequent. Wenn ich mir in irgendeinem  Mainstream-RPG einen Charakter erstelle, dann entscheide ich welchen Hintergrund dieser Charakter hat, was er gelernt hat, was er körperlich und geistig kann und welche Fähigkeiten er besitzt. All diese Entscheidungen führen eigentlich, zusammengenommen zu einem autonomen Charakter, der einen eigenen Willen haben könnte.

Der alte Zauberer, der 20 Jahre in seinem Turm war, wird wohl ein eher distanzierter und reservierter Charakter sein. Wie wird sich der Charakter also entscheiden, wenn er in ein wildes Dorffest gerät? Normalerweise entscheidet nun der Spieler, und zwar willkürlich, was sein Charakter macht und dies oft in Hinsicht auf seine eigene Präferenz. Wieso diese Entscheidung nicht "mechanisieren" und dem Spieler Werkzeuge in die Hand geben um diesen Mechanismus zu beeinflussen? Gut, das Beispiel hier ist nicht so toll, da es eine unwichtige Sache ist und wohl hier die Mechanik nicht angewendet würde. Nur wenn eine Entscheidung nicht glasklar ist und wenn die Entscheidung erhebliche positive oder negative Einflüsse hätte macht es Sinn das System zu nutzen. Aber bleiben wir trotzdem bei dem Beispiel.

DM: Mach einen Wurf auf deinen Aspekt "Alter, lebensfremder Zausel".
DM: Unter dem Wert: Du bleibst dem Fest fern und gehst einer eigenbrötlerischen Tätigkeit nach
DM: Über dem Wert: Du begibst dich in das Dorffest und nimmst aktiv teil
PL1: Ich möchte eigentlich beim Fest teilnehmen, also zahle ich einen Schicksalspunkt und nutze meinen Aspekt "belesener Theoretiker"

PL1: Unter dem Wert
PL1: (IC) "Nun, diese betrunkene, wilde Meute die da tanzt ist mir nicht geheuer aber über dieses Fest habe ich etwas gelesen. Am Besten ich schaue ich mal nach worum es da genau geht, bevor ich mich da dazugeselle."

PL1: Über dem Wert
PL1: (IC) "Ha, dieses Fest ist mir bekannt, dazu habe ich mal was gelesen. Wenn ich mich nicht täusche ist dies der Skirza-Tanz und laut dem Buch sollen die ein sehr würziges, traditionelles Biergetränk anbieten. Das muss ich mir ansehen, diese Chance das Fest direkt zu analysieren bietet sich einem nicht oft, da es nur alle 10 Jahre stattfindet."
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Curundil

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #10 am: 23. September 2008, 22:38:50 »
Zur Frage des Raben:

Ich würde sagen, so ein System gibt es bereits. Das Storyteller-System, so benutzt z.B. beim alten Vampire: The Masquerade, gibt dem Spielleiter bei den "crunch"-Mechanismen sehr freie Hand und ordnet Regelanwendung stets der Erzähldramatik unter. Demgegenüber haben die persönlichkeitsgestaltenden Charakterwerte bzw. Charakterinformationen einen wesentlich größeren Einfluß auf das Spiel, also Charakterdaten wie Wesen, Verhalten, Konzept, Pfad, Tugenden etc., die eine wesentlich zentralere Rolle auch in der Spielmechanik einnehmen als z.B. die Gesinnung bei D&D es jemals tut.
history ['hıstəri], n: an account mostly false of events mostly unimportant, brought about by rulers mostly knaves and soldiers mostly fools. -- Ambrose Bierce

Für mehr Handlung in Rollenspielen!

DU#1229

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #11 am: 23. September 2008, 22:47:14 »
Aber auch hier obliegt es der Willkür zwischen SL und Spieler, wie ein Mann, der sich 20 Jahre lang eingekerkert hat zu reagieren hat. Ich denke, da gibt es Probleme mit der psychologischen Analyse. Nicht dass es diese bei Spielerwillkür auch gäbe, aber so müsste man über viele Verhaltensmuster seines SC's im Voraus nachdenken, diese analysieren und vor allem in brauchbarer Form zu Papier bringen.
Wie würdest Du dieses umsetzen? Über "wenn... dann..." Programmierungen, oder eine Liste von X Wesenszügen?
Das Problem besteht genau solange, wie man keine nutzbare Lösung nachschiebt.
Ich finde es spannend, diesen Gedankengang weiterzuverfolgen, jedoch weiß ich schon jetzt, dass mindestens einer meiner Spielerkollegen aufschreit und sagt: "ich handele aber nicht willkürlich und nach meinem Gusto, sondern genauso wie mein Charakter es vorgibt..." Ob das dann stimmt, sei einmal dahingestellt  :D

Ich ordne mal meine weiteren Gedanken und schreibe später weiter...

Berandor

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #12 am: 23. September 2008, 23:06:40 »
Ich denke, man müsste das nocn ein wenig anders machen, als du da beschreibst, auch wenn ich diese Aspekte vielleicht beibehalten würde. Ich würde aber mit Persönlichkeitspaaren anfangen, der Einfachheit halber die Big Five als Beispiel:

Extraversion-Introversion,
Offenheit-Konventionalität,
Gewissenhaftigkeit-Entspanntheit,
emotionale Stabilität-emotionale Beweglichkeit
Verträglichkeit-Kantigkeit.

Je nach Situation ist dann eines davon gefordert, und der Spieler muss erwürfeln, ob sein Charakter genug aufbringt für die Situation. Und dann könnten solche Aspekte Boni oder Mali geben bzw. Würfe verlangen oder Fate-Punkte bringen.

"Du willst die ganzen Daten durchgehen? Mann. Mach mal einen Wurf auf Gewissenhaftigkeit."
-- "Vergiss nicht, dass ich "Aushilfe in der Buchhaltung" war."
"Ach ja, gut, dann +2."

"Ich stelle mich hin und versuche, die Panik einzudämmen."
-- "Ach ja? Extroversion, würde ich sagen. Und hast du nicht "Angst vor der eigenen Courage"?"
"Ja, hab ich."
-- "Also, entweder -2, oder du lässt es direkt bleiben, dann kriegst du nen Fatepunkt."
"Nix, das ist wichtig. Ich würfel."

Polemik und Defensive kann ich übrigens kaum in diesem Thema feststellen. Sicher, dass du dir das nicht nur einbildest?
Bitte schickt mir keine PMs hier, sondern kontaktiert mich, wenn nötig, über meine Homepage

DU#1229

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #13 am: 23. September 2008, 23:33:32 »
Vielleicht Deine Persönlichkeitspaare skalieren und dann gemäß der Skalierung Boni/Mali geben.

Extraversion 2 / 1 / 0 / 1 / 2 Introversion

Das würde auch gut bei einem W6 System umzusetzen sein...

TheRaven

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Re: Persönlichkeits-Simulation?
« Antwort #14 am: 24. September 2008, 00:14:59 »
@Berandor
Ja, genau sowas. Deine Beispiele sind gut und ich sehe, dass ich wenigstens eine Person habe, die das versteht und mir helfen kann mit Menschen zu kommunizieren. Ich stelle hier übrigens nicht primär in Frage wie so ein System aussehen muss oder kann, denn da gibt es Möglichkeiten wie Sand am Meer. Man könnte auch die Myers-Briggs Typendefinition vewenden oder die Keirsey Temperamentensortierung (die Big5 werden sicher einem Forenmitglied besonders gefallen, welches seinen Forennamen auf das Akronym abstützt). Es geht mir hier also eher um das Spielprinzip hinter der Idee und der Frage, wieso es sowas nicht wirklich gibt. Beispiele sind natürlich zu einem theoretischen System sehr willkommen. Und ich bilde mir so ungefähr alles ein. Ich bin nicht mal sicher, ob hier unterschiedliche Leute Beiträge schreiben oder ich mit mir selber kommuniziere.

@Curundil
Nein, nicht wirklich. Egal wie ausdefiniert die Persönlichkeit des Charakters ist, der Knackpunkt ist die Umstellung auf Handlungsentscheidungen nach System und nicht nach Spieler. Selbst eine hundertseitige Psychoanalyse eines fiktiven Charakters mit einer etablierten Lebensgeschichte ist da irrelevant. Solange der Spieler ohne Regelschranken selber Entscheiden kann, was sein Charakter macht ist es ein, auf dieser Achse gesehen, "klassisches System".
« Letzte Änderung: 24. September 2008, 00:17:04 von TheRaven »
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich