Ich habe die 4. Edition so aufgenommen und verfolgt, wie man es eigentlich tun sollte, wenn man objektiv an die Sache herangehen möchte:
nüchtern, trocken, sachlich (man könnte sagen auch langweilig oder eben mit der Juristenbrille).
Zugegeben, ich hatte einen Vorbehalt:
wir waren mit der 3.5 sehr zufrieden, hatten (und haben) sie nicht ausgereizt und vor allem: wir beherrschten die Regeln richtig gut, als dass es etwas ungünstig wäre, jetzt schon wieder etwas Neues anzufangen.
Nichtsdestotrotz verfolgte ich die Entwicklungen mit Interesse. Man kann die 4E ja immer noch losgelöst von der heimischen 3.5-Runde spielen. Man munkelt, es gäbe Spieler, die mehrere Systeme gleichzeitig spielen können, ohne die radikale "Entweder-Oder-Frage" stellen zu müssen. Es muss ja auch nicht immer ein Glaubenskrieg sein.
Anyways:
4E. Es wurde viel geredet darüber. Sehr viel. Zuviel für meinen Geschmack. Selbst mit der nüchternen Juristenbrille auf der Nase war das nicht mehr so einfach wie gedacht. Ständig wurde von "fun" gesprochen. Superlative, Superlative da.
Irgendwann war der Rummel auch mal vorbei und es war Juni.
In Mannheim habe ich mich dann mal an einer kleinen Proberunde im Laden beteiligt.
Mein Fazit war und ist:
das Spiel (ich nenne es bewusst das "Spiel" und nicht "D&D 4") war unterhaltsam und hat Spaß gemacht. Es war in der Tat flüssig, intuitiv und einprägsam.
Was es aber nicht war, das war "D&D."
Ich empfand (beim Spieltest darf man mittlerweile subjektiv empfinden, die Nüchternheit muss da nicht mehr sein) das Spiel einfach als Fremdkörper, als irgendein Rollenspiel, aber ich empfand es nicht mehr als D&D.
Man stellt sich dann natürlich die Frage: "Warum ist das so?"
Meine persönliche Antwort darauf beinhaltet diese Schlüsse:
- Zu D&D gehören fundamentale Eckpfeiler, die das System so prägen, dass es als D&D seinen Wiedererkennungswert hat. Beispiel: das Magiesystem. Viele dieser Punkte fand ich bei der 4E nicht mehr, weshalb die Wiedererkennung nicht möglich ist.
- D&D funktionierte bis dato derartig abstrahiert, dass genug Raum für andere Dinge übrigblieb. Das Rollenspiel, das Charakterspiel mit den Rassen und Kulturen, die Identifikation mit dem Setting (hier: Realms) konnte nach Belieben auf das System gestülpt werden.
Gewiss, das hatte auch Nachteile. Ich mochte Greyhawk nie sonderlich. Insofern waren viele Passagen des PHBs obsolet (Religion zB) und es erforderte Anpassung, wenn man in den Reichen spielt. Aber es ging.
Dieses abstrakte Gefüge war in der 4E so nicht mehr vorhanden. Auch wenn damit geworben wurde, dass alles einfacher, schneller und besser sei, so wurde man dennoch in eine bestimmte Richtung gelenkt.
Allein die Methodik, Fähigkeiten der Charaktere auf daily/at will/ pro encounter festzulegen, deutete zu stark in die kampflastige Systematik. Denn schliesslich interessiert es sonst auch niemanden, wie oft ein Charakter die Fähigkeit xy anwenden kann. Allenfalls die Zauberwirker oder bestimmte (Prestige-)Klassenfähigkeiten und Items hatten "daily doses."
Jetzt war es bei der 4E aber so, dass die Eckdaten eines Chars letzten Endes so aussahen, als würde man eine Powercard im Sinne eines Brett- oder Kartenspiels in den Händen halten.
Das war irgendwo auch das Interesse von WotC: es soll ja simpel gehalten werden. Für komplexe Charaktere war da nicht viel Platz. Dafür war der Platz dann so gering, dass man das auf eine Magickarte schreiben könnte.
Hier war schon der fahle Beigeschmack vorhanden, dass eine Reduktion stattfand: eine Reduktion auf einen vorgegebenen Stil, wie die 4E funktionieren soll.
Analog zeichnet sich das bei dem so genannten skill challenges ab: denn kommt es mal nicht zum Kampf, muss das schnelle und intuitive System ja trotzdem noch funktioneren. Was macht man also?
Alles, was man getrost übers "roleplay at good will" lösen kann, bekommt jetzt eine regeltechnische Ummantelung, genannt: skill challenge.
Blöd war diese Errungenschaft von WotC ja nicht: denn so kann man elegant die Vorteile des Systems darstellen, auch (und gerade!) wenn es nicht zum Kampf kommt. Dass das bisher auch ohne diese challenge funktioniert hat, stört wohl nicht.
Man spürt schon, mit dieser Methodik kann ich mich nicht anfreunden.
Zuviel Vorbestimmung, Gängelei und Beschränkung.
Wenn ein System als simpel und einfach beworben wird, dann - so die Erfahrung aus der 4E - kann das in einem Diktat des Spielstils enden.
Es ist ja auch die logische Konsequenz: ich kann ein System nur dann dynamisch und cineastisch gestalten, wenn ich den vermeintlich überflüssigen Regelkropf beiseite schiebe.
Darunter leidet dann eben die Vielseitigkeit, die Vielschichtigkeit und Komplexität, die ich mit der 3E zu schätzen gelernt habe.
Neben dieser mißglückten Methodik des Diktates kam dann noch hinzu, dass man diese Umstellung auch in der - eigentlich seit jeher - regelunabhängig geführten Spielwelt durchsetzen musste:
die Realms sollten (und mussten, leider) die neue 4E spüren.
Bei mir hat es sich der Verlag damit gründlich verscherzt.
Der apokalyptischen Zäsur kann ich so gar nichts abgewinnen, insbesondere dann nicht, wenn man institutionelle Einrichtungen beseitigt (Pantheon, das Gewebe & die Magie, komplette Königreiche usw).
Erschwerend kommt hinzu, dass diese neuen Reiche in einem nicht tragbaren Format präsentiert werden. Die neuen supplements sind ein Desaster. Nun, das hat man nun wohl davon, wenn man bisher mit hochwertigen Realmsbüchern verwöhnt wurde.
Dies alles war der Grund, warum ich mich dazu entschieden habe, die 4E fortan zu ignorieren. Als System ist mir das egal, für die Spielwelt ist es ein schmerzlicher Verlust. Die Kompensation findet in einer alternativen Geschichtsschreibung und im Spielen vor langer, langer Zeit statt (so daß die Spellplague nie wichtig sein wird).
Dennoch konnte ich nie nachvollziehen, wie man mit so einer Inbrunst und einem Eifer die Diskussion um die 4E führen musste. Ich für meinen Teil weiß, dass dies nichts für mich ist. Das reicht mir dann aber auch. Es bedarf keines missionarischen Feldzuges, um der "anderen Seite" in den Foren die Stirn zu bieten. Ist auch irgendwie zu zeitaufwendig und nerdy. Muss nicht sein.