Ich bin regelmässig Gast in umliegenden Spielfachgeschäften (naja, so viele sind das ja nun eh nicht) und kenne die Besitzer. Also auf Board/Cardgame spezialisierte Einzelhandelsgeschäfte. Ich kenne die Stammkunden dort und ich kenne den normalen Kunden. Jugendliche fahren auf TCG (trading card games) wie World of Warcraft, Magic, Poke'Oh'Blah, usw ab, während die ältere Generation klassische GBG (german board games) wie Siedler, Puerto Rico, Agricola, Ra usw bevorzugt. Alleine eine als klein empfundene Gruppe zwischen diesen beiden Demographien spielen FBG (fantasy board games) wie Runebound, Descent, Talisman, usw.
Genau diese Gruppe ist es auch aus welcher die potentiellen Rollenspieler kommen aber ich habe unzählige Male gehört, dass diese Leute zwar Rollenspiele mal ausprobiert haben aber schlicht von den komplexen Regelwerken abgeschreckt wurden und sich nicht für Spiele interessieren, die so viel Zuwendung und Pflege bedürfen. Wohlgemerkt, komplex, nicht kompliziert. Und das Problem mit der Komplexität ist nicht, dass die Leute zu dumm dafür sind, sondern sich schlicht nicht mit solchen Regeln rumschlagen wollen, da dies in keinem Verhältnis zu der Spielzeit steht.
Man sehe sich das D&D Regelwerk nur mal unter der Berücksichtigung der Tatsache an, dass man vielleicht einmal im Monat für fünf Stunden spielt. Völlig unbrauchbar. Eine Kampagne ist da sowieso Schwachsinn, da nach vier Wochen eh niemand mehr an die Erlebnisse anknüpfen kann und die Regeldetails werden in der Zeit auch vergessen. Also lieber ein FBG, welches in vier bis fünf Stunden abgeschlossen ist und einfache Regeln hat. Da man eh selten spielt stört es überhaupt nicht, dass die Regeln simpel und trivial sind, im Gegenteil.
Rollenspiele generell (bis auf einige Indy-Ausnahmen) sind für Hardcore-Spieler, die sich entweder einmal in der Woche in einer einigermassen konstanten Gruppe treffen und dann auch immer dasselbe spielen oder sich generell sehr stark mit dem Hobby Gaming in jeglicher Form abgeben. Alle anderen sind mit FBG bestens bedient. Man sehe sich nur mal diese vorzüglichen, absolut genial produzierten Brettspiele an. Jedes davon liefert ein in sich geschlossenes Erlebnis, wo das benötigte Material vollumfänglich enthalten ist und die Abwechslung innerhalb dieser Sandkästen ist mittlerweile so perfektioniert, dass man mit drei Spielen für Jahre ausgesorgt hat.
P&P war einmal erfolgreich, weil es dazu kein Material benötigte und man eben einfach so losspielen konnte. Man brauchte keine teuren Gerätschaften, Zinnfiguren oder Modellgelände. Ich denke P&P ist aus der Not der Leute, insbesondere der Studenten, erfolgreich geworden. Heute ist es gerade umgekehrt. Die Regeln sind umfangreich, komplex und in den meisten Fällen ohne Material nur noch erschwert zu gebrauchen, während die Brettspiele nun ein erschwingliches und visuell faszinierendes aber dennoch einfaches Erlebnis bieten. World of Warcraft ist im Prinzip sowas wie ein digitales FBG, wo man nie nach Spielern suchen muss.