Mann.
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Mann.
Wow. Ich hätte meinen Rant zum Thema Religion gerne schon im Was-lest-ihr-gerade-Thread abgegeben und hab's mir verkniffen. Zur Grundfrage würde ich sagen: Klar sollte Religionsunterricht in Deutschland verpflichtend sein, und zwar christlicher Religionsunterricht. Und zwar nicht etwa, weil ich ein lithurgiefester Katholik wäre, sondern weil wir ganz einfach im christlichen Abendland leben und unsere gesamte kulturelle Identität ohne den christlichen Glauben nicht einmal ansatzweise vorstellbar wäre. Selbst (und gerade) die Aufklärung wäre nicht denkbar gewesen ohne den Einfluss der Kirche. Man bedenke, dass vor der Zeit der Aufklärung die Klöster die großen Bildungszentren waren. Auch modernstes Gedankengut wie die Genfer Konventionen sind etwa ohne die Bergpredigt nur schwer vorstellbar.
Auch Kunst und Kultur wären nicht da, wo sie heute sind, da die Kirche über die Jahrhunderte unabstreitbar der wichtigste Auftraggeber für Künstler aller Herren Länder gewesen ist (zumindest bis zur Aufklärung und der darauf folgenden Säkularisierung). Bei unzähligen Meisterwerken von Künstlern wie Caravaggio, Bernini, Rafael, Michelangelo, Leonardo daVinci, Dürer, Cranach oder Altdorfer handelte es sich um Auftragsarbeiten für die Kirche. Dichtung und Literatur im Allgemeinen enthalten unzählige Referenzen auf die Texte der Bibel und auch die Musik ist nicht gänzlich unabhängig von der Religion. Kurzum: Das, was wir heute als mitteleuropäische Kultur betrachten ist in erster Linie eine christliche Kultur. Und auch die Wissenschaft hat doch in Europa zweifellos in den Klöstern begonnen.
Aber natürlich sind es nicht nur gute Dinge, die aus der Religion entstanden sind: Die Kreuzzüge, der Dreißigjährige Krieg, Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung der Juden als „Christusmörder“ sind nur ein paar Beispiele für die Gefahr, die von der Religion ausgehen kann – bzw. vom Missbrauch der Religion für andere Zwecke.
Meiner Meinung nach ist es aus all diesen Gründen vollständig undenkbar, die Bibel und die Kirche nicht zu einem zentralen Bestandteil der Schulbildung in Europa zu machen. Besonders das Gymnasium soll den Schülern ja eine breite Allgemeinbildung vermitteln, und die ist ohne Beschäftigung mit dem Christentum schlicht unmöglich. Dabei geht es natürlich nicht darum, das Christentum als die „richtige“ Religion darzustellen, sondern eben als diejenige, auf deren geistigem Fundament das heutige Europa errichtet wurde – und so habe ich den Religionsunterricht zu Schulzeiten übrigens auch erlebt, und das hier im erzkatholischen Bayern. Da wollte uns kein Lehrer weismachen, die Erde sei tatsächlich in sieben Tagen durch Gottes Willen erschaffen worden. Stattdessen ging es z.B. um eine kritische Beschäftigung mit dem Text der Genesis, seinen Verfassern und den Umständen unter denen er geschrieben wurde – und nicht zuletzt natürlich auch um die Botschaft.
Was der einzelne glaubt ist seine Sache, das geht weder die Schule noch die Kirche etwas an – und letztendlich bleibt auch der Atheismus bis auf weiteres nur eine äußerst dogmatische Religion, die nicht mehr überprüfbare Aussagen anbieten kann als das Christentum, der Islam, der Buddhismus oder der Glaube an das Fliegende Spaghettimonster.
Der fanatische Eifer, mit dem viele Atheisten andere religiöse Überzeugungen als „falsch“ brandmarken, ist meiner Meinung nach dabei nicht unbedingt ein Merkmal eines wirklich aufgeklärten Menschen, sondern ein Zeichen von Intoleranz, Verblendung, Ignoranz gegenüber der eigenen Geschichte und einem beschränkten Horizont im allgemeinen.