"So finster die Nacht" läuft natürlich nicht mehr. Also bin ich wieder zu Hause, habe Zeit und bin ein weing stinkig. Ich werde also die Wahrheit über ProReli ein wenig ausführen.
Vorabbemerkung: Ich finde es absolut richtig, die Möglichkeit der Volksabstimmung zu geben – die Stimmen wurden gesammelt und jetzt werden wir sehen, was die Berliner sagen.
In der Sache aber ist diese Initiative ein schönes Beispiel für Heuchelei.
1. Es geht dabei nicht um einen Rechtsanspruch, nur für diejenigen, die das GG eingebracht haben. Denn im GG wird nur der Religionsunterricht als ordentlicher Unterricht erwähnt, und den gibt es m.W. in Berlin. Nebenbei halte ich den Art 7 Abs 3 GG für eine der deutlichsten Zeichen der Historizität des Grundgesetzes und hätte persönlich nichts dagegen, den fallen zu lassen. Aber von voreiligen Grundgesetzänderungen lässt man zurecht die Finger.
2. Es geht nicht um Wahlfreiheit – zumindest nicht im positiven Sinn. Denn es besteht die Möglichkeit, zusätzlich zum Ethikunterricht einen Bekenntnisunterricht zu besuchen. Die Wahlfreiheit ist also nur in negativer, also beschränkender Hinsicht zu verstehen – die Kinder sollen nicht den Ethikunterricht besuchen, sondern stattdessen eben Religionsunterricht.
3. Der Religionsunterricht muss also in besonderer Weise geeignet sein, die Kinder vorzubereiten. Hier wird dann gerne (auch schon in diesem Thread) die Toleranz hochgehalten und ein Religionsunterricht geschildert, der nicht nur die eigene Religion behandelt, sondern auch andere und womöglich sogar naturalistische Philosophie. Das ist sicher i.d.R. der Fall. Aber völlig unerheblich, es sei denn, Ethikunterricht tue das nicht. Tut er aber. Und wer ist besser geeignet, über Religionen zu informieren, ein Unterricht, der von einem bestimmten Bekenntnis als Wahrheit ausgeht, oder ein freier Unterricht ohne diese Last? Allenfalls ist Religionsunterricht hier gleichwertig zu sehen.
4. Die Toleranzfrage im Speziellen angeht, habe ich nur eine Frage. Was ist toleranter: (a) Kinder an einem Ethikunterricht teilnehmen zu lassen und ihnen zusätzlich die Möglichkeit zu einem Unterricht einzuräumen, der ihrer eigenen Bekenntnis entspricht, oder (b) Kindern die Teilnahme an einem bekenntnisfreien Ethikunterricht zu untersagen und sie nur zum Bekenntnisunterricht zu schicken?
Nein, bei der Initiative geht es darum, dass das Schreckgespenst einer atheistischen Moral vertrieben wird – und das, obwohl Ethikunterricht eben KEIN "atheistischer Religionsunterricht" ist, sondern eine Einführung in philosphische Morallehre. Eigentlich schätze ich sogar Archoangel so ein, dass er seine täglichen Entscheidungen nicht nur nach der Bibel richtet, warum das also schlecht sein soll, ist mir grundsätzlich ein Rätsel...
...na ja, nicht so ganz. Denn Kinder werden nun mal von klein auf in ihre Religion erzogen. Das gibt Nachwuchs. Ethikunterricht, der nun nicht an eine Konfession gebunden ist, könnte einen freien Blick auf Alternativen ermöglichen, sodass man vielleicht die Religion wechselt, sie ganz ablegt oder sogar den Glauben aus dem Glauben heraus kritisiert. Das ist m.E. keine wahrscheinliche Folge des Ethikunterrichts, anders kann ich mir den Kampf gegen dieses Fach aber nicht erklären – außer natürlich mit wenig durchdachten Positionen, wie sie wahrscheinlicher sind. Aber wenn ich unterstelle, dass die Leute wissen, was sie tun*, dann fiele das ja raus.
*schon klar: Sie glauben, was sie tun.
Noch mal zusammenfassend: Pro Reli als Inititiative ist eine intolerante Erscheinung gegen Wahlfreiheit, die sich als das genaue Gegenteil verkauft.