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Autor Thema: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin  (Gelesen 45428 mal)

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Arldwulf

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Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #210 am: 24. Januar 2009, 11:36:42 »
zu 2) Der Grund warum ich den separaten Unterricht als potentiell "spaltend" einschätze ist nicht der möglicherweise einseitige Inhalt des Lehrplans sondern die Trennung des Klassenverbandes. Warum sollen Schüler unterschiedlicher Religionen nicht im Ethikunterricht miteinander diskutieren? Das ganze wirkt auf mich wie ein Versuch der Kirchen, ihre Schäfchen vor kritischen Fragen abzuschirmen.

Stimmt schon, auch wenn ich es nicht als den Versuch ansehe kritische Fragen zu vermeiden (die stellen Kinder eh immer), sondern eher als Versuch vor allem "die eigene Gruppe" zu unterrichten, und einer kritischen Diskussion über den Lehrplan zu vermeiden.

Also eher als Versuch nicht mit den anderen Kirchen diskutieren zu müssen, als den Versuch nicht mit den Kindern dies zu müssen. Machts aber auch nicht besser, ich bin auch kein freund dieser Lösung (auch wenn es ein Kompromiss sein könnte)

zu 3) Ich stimme deiner Auffasssung, dass Philosophie ein spannendes und wichtiges Element bei der Formung der Persönlichkeit ist, zu, verstehe aber nicht, was das mit meiner Aussage zu tun hat. Die hier von mir unglücklich verwendete Virus-Metapher sollte lediglich meinen Frust darüber zum Ausdruck bringen, dass dogmatischer Glaube sich sehr oft von den Eltern auf die Kinder überträgt. Und die angepeilte Regelung spielt diesem Prozess noch in die Hände (siehe Punkt 2).

Ehrlich gesagt ist mein Eindruck eher dass Kinder in den letzten Jahrzehnten weniger von ihren Eltern beigebracht bekommen, weniger Werte vermittelt erhalten. Und ich kann nicht unterschreiben dass ich dies gut finden würde. Eltern sollten immer die wichtigsten Vorbilder für ihre Kinder sein.

Aber mein Argument bezog sich auf etwas anderes. Aufklärung war ein Prozess bei dem man versuchte durch Bildung und eigene Gedanken alteingebrachte Vorurteile und festgefahrenen Meinungen zu überwinden. Es ist im wahrstem Wortsinn Philosophie, die Suche und Liebe nach und zur Wahrheit. Jeder Platz dem man der Beschäftigung mit derartigen Dingen gibt - wo Kinder sich Bildung aneignen können und eigene Gedanken finden - ist im Sinne der Aufklärung. Nicht in ihrem Sinne wäre das Gegenteil: Religionsunterricht abzuschaffen, weil das Vorurteil bestünde er sei überholt und würde in unserer Gesellschaft nicht mehr gebraucht.

Ich sehe mich vielleicht ein bisschen als Anwalt der Kinder, denn wie jeder Mensch kommen sie als Atheisten zur Welt, werden aber durch ihre Eltern frühzeitig auf eine religiöse Bahn X gelenkt, noch bevor sie alt genug sind, selbst entscheiden zu können, ob sie dieser Bahn folgen möchten. Wenn sie dann später alt genug sind, ist der Zug oft längst abgefahren.

Ich kann nur für mein Kind sprechen und andere die ich kenne. Und die kommen aus meiner Sicht nicht als Atheisten zur Welt. Man muss ihnen erst erklären dass es rationelle Gründe gibt warum die Dinge so sind wie sie sind. Kinder suchen ansonsten durchaus selbst nach Glaubensdingen, experimentieren damit genau wie mit allen anderen Dingen. So sehe ich es vor allem bei meinem Sohn. Er ist gläubig, vielleicht gläubiger als ich es in seinem Alter war. Doch ich kann weder sagen dass sein Glauben von mir beeinflusst wäre (dann würde sich dies an Inhalten niederschlagen die ich erkennen würde) noch von seinem Kindergarten in welchem sich Glaubensinhalte vor allem auf "St. Martin gab seinen Mantel aus Barmherzigkeit, und das ist etwas gutes" beschränken.

Tatsächlich merke ich es stattdessen wie er sich selbst etwas zusammenbastelt, und wie das mit dem er - seinem Glauben entsprechend - gestern noch experimentiert hat heute nicht zwingend Gültigkeit haben muss. Indoktrination sieht anders aus.
« Letzte Änderung: 24. Januar 2009, 11:41:53 von Arldwulf »
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Ich hab nichts gegen niedrige Wahlbeteiligung. Irgendwann regier ich den Laden eben alleine. ;-)

Selvan

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Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #211 am: 24. Januar 2009, 12:47:22 »
Ich sehe mich vielleicht ein bisschen als Anwalt der Kinder, denn wie jeder Mensch kommen sie als Atheisten zur Welt,(...)
Interessant Kinder kommen als mit der konkreten Vorstellung auf die Welt das es Gott NICHT gibt ????
Atheismus ist keine konkrete Vorstellung. Es ist das Fehlen eines konkreten Glaubens.
Ersetzte von mir aus "Atheisten" durch "keiner Religion angehörig".

EDIT: Kinder kommen ja auch nicht als Sozialdemokraten auf die Welt.
« Letzte Änderung: 24. Januar 2009, 12:49:10 von Selvan »

Fischkopp

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    • Rorschachhamster
Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #212 am: 24. Januar 2009, 13:12:56 »
Zunächst mal stimme ich dir zu, dass Ethik als Schulfach durchaus ihren Wert hat. Konfessioneller Religionsunterricht kann durchaus neben bzw. zusammen mit der Ethik existieren. Allerdings wertest Du hier zu stark. Auch Religionsunterricht ist ein ordentliches Schulfach, und das um so mehr, als der Staat daran interessiert sein, muss, dass seine Mitglieder ein gesundes (d.h. mit den vom Staat vorgegebenen Regeln) Verhältnis zu ihrer Religion aufbauen. Gerade im Hinblick auf unsere muslimischen Mitbürger ist es z.B. von höchstem Interesse, junge Moslems nicht den Wahabitischen Rachepredigern zu überlassen, die sie in den Koranschulen mit ihrer in höchstem Maße gefährlichen Ideologie impfen, sondern ihnen die positiven Werte (und auch die hat der Islam) zu vermitteln, die von anderen Glaubesngemeinschaften durchaus gepflegt werden.

Säkulärer Staat bedeutet in erster Linie nicht "atheistisch" , sondern "werteneutral". Der Staat bezieht keine Position im Streit der Religionen (stimmt in Deutschland ja nicht 100%) , tritt aber gleichzeitig als Garant der Glaubensfreiheit und der freien Religionsausübung auf. Der Staat muss aber Sorge tragen, dass diese Garantie nicht dazu führt, dass im Namen des Glaubens staatsfeindliche Interessen vertreten werden. Richtig gestalteter Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit den kirchlichen Organisationen kann gefährlichen Entwicklungen durchaus Vorschub leisten.
Ganz deiner Meinung....  wink
Zur Sache: Das eine Religion staatlich auf Verfassungstreue kontrolliert werden muß halte ich für Unsinn. Wenn die staatlichen Instutitionen ihre Arbeit machen (würden? das ist eine andere Diskussion...), dann wird durch die Schule und einen konfessionsübergreifenden Ethikunterricht bereits ein Gegenpol gesetzt. Statt das Religionen irgendwie angeglichen oder offizialisiert werden, werden sie durch konfessionellen Unterricht gefördert - im Guten wie im Schlechten (Das mMn überwiegt, aus offensichtlichen Gründen...  :P).
Zitat
Auch die USA sind übrigens ein säkulärer Staat. Und haben dennoch ein viel weniger feindliches Verhältnis zur Religion als die Europäer. Stimmt, George W. Bush ist Christ. Barack Obama aber auch.
:huh: Und?
Zitat
Zitat
2) Die Trennung der Schüler in Konfessionen führt zu weiterer Abkapselung der einzelnen Volksgruppen (Christen <-> Muslime um mal die prominentesten zu nennen) und vermutlich zu einer ungleichen Wertebildung. Gruselig separatistisch wirds auch wenn z.B. nur ein einziger Schüler jüdischen Glaubens dabei ist. Bekommt er dann Privatunterricht? (Ich weiß gerade nicht, wie das geregelt werden soll.)

Gerade eben nicht. Die Kinder werden von ihren gläubigen Eltern sowieso ihrer Religion ausgesetzt, dass kann der Staat gar nicht verhindern. Da der elterliche Einfluss viel stärker ist, als der Volksmund gemeinhin annimmt,
Aha. Du bist schlauer als der Volksmund.... wink
Zitat
wird Religion ausgeübt und wie oben ausgeführt ist es für den Staat von vitalem Interesse, dass diese Ausübung im Sinne des Staates abläuft. Möglicherweise kann auch ökumenischer Religionsunterricht das leisten (wobei das Problem ist, dass es keine ökumenischen Religionslehrer gibt), in jedem Fall aber hat der Staat die Möglichkeit im staatlichen Unterricht lenkend einzugreifen und sicher zu stellen, dass der Religionsunterricht keine Werte vermittelt, die im Gegensatz zu denen des Staates stehen
Aber nur sehr eingeschränkt, denn der konfessionelle Unterricht wird nicht vom Staat gestaltet, sondern von kirchlichen Instutitionen. Auf einen staatlichen Unterricht Ethik oder meinetwegen Religionskunde hat der Staat wesentlich mehr Einfluß.
Zitat
Zitat
Egal was die Eltern mir versichern wollen: Die Wahl wird letztendlich von ihnen getroffen und nicht von den Kindern, denn anhand welcher Kriterien sollen die Kinder entscheiden, welche Religion/Weltanschauung für sie den meisten Sinn ergibt? Da wird natürlich erstmal nach dem Glauben der Eltern geschielt, wodurch sich das Religionsvirus dann eine weitere Generation erkämpft hat.
Gute Nacht, Aufklärung!

Darauf hat Ardwulf bereits die richtige Antwort gegeben. Eliminatorischer Atheismus
 :huh: = Atheismus, der die Religion eliminieren will? Der Weg ist das Ziel  :D
Zitat
und Intoleranz gegenüber den Weltreligionen haben mit Aufklärung nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Doch. Weil erst die (historische] Aufklärung jemandem ermöglicht hat diese Ziele zu artikulieren ohne mit schwerer Repression wie Zuchthaus oder Tod zu rechnen.  wink Und der Wunsch die Weltreligionen abzuschaffen ist vollkommen legitim, solange die Mittel zivilisiert sind, Gentlemen, Intoleranz ist dagegen wirklich nicht ok, solange es einen gemeinsamen Nenner gibt, der eine Toleranz ermöglicht - der ist aber nicht immer gegeben. Da kann man dann so lange "Intoleranz" schreien wie man will, man selber hält es ähnlich. Soll ich Goodwyns Law nochmal verlinken?  :D
Zitat
Kinder müssen in die Lage versetzt werden, sich kritisch mit dem Thema Religion auseinanderzusetzen und gerade bei diesem hochheiklen Thema ist staatlich kontrollierter Religionsunterrich die bessere Lösung als der von religiösen Eltern als Religionsersatz sowieso abgelehnte Ethikunterricht.
Der konfessionelle Religionsunterricht ist nur sehr beschränkt staatlicher Kontrolle ausgesetzt, und Ethik sollte mMn ein Pflichtfach sein, in welcher Form auch immer, von Anfang bis Ende der Schulzeit. Da können dann intolerante Eltern  wink sich ärgern wie sie wollen - damit wäre den Zielen des sekulären Staates viel besser gedient.
Zitat

Wie Du selbst versichert hast, ist deine Haltung ebenfalls von deinem Elternhaus geprägt, Du bist also auch nicht nach reiflicher Überlegung und genauer Auseinandersetzung mit dem Thema Religion zum Atheisten geworden. Ich erkenne nicht, inwieweit das etwas mit Rationalität zu tun hat.
Wenn du da noch einmal drüber nachdenkst, dann wird das zu einem Gegenargument konfessionellen Unterricht angehend... mMn wink Wobei das Argument schlecht ist - das man irgendwie aufwächst heißt nicht, das man sich nicht rational damit beschäftigen kann. Ich kann aber verstehen wie jemand der an Götter glaubt, darauf kommen kann...  wink
Zitat
Fazit: Ich kenn die Details um "ProReli" nicht gut genug, um beurteilen zu können, ob der von dir verlinkte Spiegelartikel Fakten aufzählt oder in typischer Spiegelmanier maßlos und reißerisch übertreibt (ich hab zugegebenermaßen so meine Probleme mit dem Spiegel als Informationsquelle, das ist nicht mehr die Qualitätszeitung früherer Jahre). WENN die im Artikel angesprochenen möglichen Konsequenzen tatsächlich die logische Folgerung aus den Forderungen dieser Initiative sind, sehe ich das tatsächlich sehr skeptisch. Allerdings lebe ich in einem Bundesland, in dem konfessioneller Religionsunterricht und Ethikunterricht an jeder Schule einvernehmlich koexistieren, insoweit sehe ich nicht, warum die Trennung auf Schulen zwangsläufig eine Folge der Einführung von Religionsunterricht sein soll.

Unabhängig von der Einschätzung von "ProReli" als Initiative sollte man sich gut überlegen, ob die Vorteile des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen die möglichen Nachteile nicht überwiegen.Tatsächlich könnte man ja Voras' Vorschlag folgen: Ethik als allgemeinverbindliches Lehrfach, nach Religionen/Konfessionen getrennter Religionsunterricht als zusätzliches Wahlfach. Und wer diesem Unterricht nicht beiwohnen will, muss eben nach Ethik II, in der die im Grundkurs behandelten Themen weiter vertieft werden. Oder Erdkunde, das Fach ist (in der Praxis) mindestens genausoviel Zeitverschwendung wie Religionsunterricht. ;)
Dein Fazit finde ich fast akzeptabel (Ich ignoriere das Anzweifeln von Quellen, ohne bessere zu bringen, weil es um den Spiegel geht, und der war wirklich früher besser...), aber natürlich hat Konfessioneller Unterricht in der Schule immer noch nichts zu suchen, die Kinder sollen ja was Vernünftiges lernen...  :D ::)

ABER:
Diesen letzten Satz hättest du dir echt sparen können. Denn etwas über Aufbau und Geographie unserer Erde sowie Landeskunde zu lernen ist TAUSENDMAL wichtiger als Religionsunterricht, nein, falsch ist 10mal nützlicher als Religionsunterricht schädlich.  :X
(Und bevor das vorgeschoben wird: In der Praxis stimmt das es aus subjektiver Sicht der Schüler ähnlich nervig sein kann, mit schlechten Lehrern allemal, aber was man lernt, ist beständiger als jede religiöse Unterweisung.)
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Fischkopp

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    • Rorschachhamster
Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #213 am: 24. Januar 2009, 13:18:31 »
EDIT: Kinder kommen ja auch nicht als Sozialdemokraten auf die Welt.
Früher war das im Ruhrpott so...  :cheesy:
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Arldwulf

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Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #214 am: 24. Januar 2009, 13:23:06 »
Doch. Weil erst die (historische] Aufklärung jemandem ermöglicht hat diese Ziele zu artikulieren ohne mit schwerer Repression wie Zuchthaus oder Tod zu rechnen.  

Da wär ich vorsichtig, tatsächlich sind die Zeiten der Aufklärung ja durchaus unter "blutig" einzuordnen, zum Teil blutiger und grausamer als vorhergehende Jahrhunderte, und nicht zwingend von Toleranz andersdenkenden, anders aussehenden und ähnlichem gegenüber geprägt. Das Zeitalter der Aufklärung ist mitnichten frei von Kritik und die Umbrüche damals führten auch nicht nur zu guten Effekten.

Tatsächlich dürfte es zum Beispiel _vor_ der Aufklärung schwergefallen sein in ein Zuchthaus gesteckt zu werden, da es Zuchthäuser bei uns erst seit dem beginnendem 17. Jahrhundert gibt (und sich ihre Bedeutung seitdem gewandelt hat)
1st Edition Nekromantentöter
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Arldwulf

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Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #216 am: 24. Januar 2009, 13:50:40 »
Zitat
Außerdem ist Religion das einzige Schulfach, in dem Meinungen als Wahrheiten verkündet werden. Das Fach Ethik, in dem Religion und Demokratie vermitteln werden, ist die richtige Wahl.

Über den Satz hätte man gut und gerne nochmal nachdenken sollen. Auch Demokratie und die Frage ob sie lehrenswert ist stellt erstmal nur eine Meinung dar. Und auch in anderen Fächern haben Meinungen Bedeutung die eine Lehre darstellen - die als Wahrheit anzusehen ist.

Wer will Geschichte ohne die "Meinung" es sei verdammenswert andere Volksgruppen aufgrund eben ihrer Zugehörigkeit zu den anderen Gewalt anzutun? Nicht alles was eine Meinung ist hat deshalb gleich an öffentlichen Schulen nichts mehr zu tun. Im Gegenteil...es sollte eine Aufgabe von diesen sein Kindern beizubringen Meinungen zu bilden.

Zitat
Ein Schlussgedanke: In den USA ist der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen untersagt. Eine Kirchensteuer wäre undenkbar. Die Trennung von Staat und Kirche hat Verfassungsrang. Doch nirgendwo sind die Religionsgemeinschaften lebendiger.

Ich denke wenn die meisten hier eines nicht wollen dann amerikanische Verhältnisse in Glaubensfragen.
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Fischkopp

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    • Rorschachhamster
Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #217 am: 24. Januar 2009, 13:53:14 »
Doch. Weil erst die (historische] Aufklärung jemandem ermöglicht hat diese Ziele zu artikulieren ohne mit schwerer Repression wie Zuchthaus oder Tod zu rechnen.  

Da wär ich vorsichtig, tatsächlich sind die Zeiten der Aufklärung ja durchaus unter "blutig" einzuordnen, zum Teil blutiger und grausamer als vorhergehende Jahrhunderte, und nicht zwingend von Toleranz andersdenkenden, anders aussehenden und ähnlichem gegenüber geprägt. Das Zeitalter der Aufklärung ist mitnichten frei von Kritik und die Umbrüche damals führten auch nicht nur zu guten Effekten.

Tatsächlich dürfte es zum Beispiel _vor_ der Aufklärung schwergefallen sein in ein Zuchthaus gesteckt zu werden, da es Zuchthäuser bei uns erst seit dem beginnendem 17. Jahrhundert gibt (und sich ihre Bedeutung seitdem gewandelt hat)

Ähm, ja ok, und weil erst die historische Aufklärung die Grundlagen geschaffen hat, statt Ständedünkel und religiöser Unterdrücken so was wie Menschenrechte zu erfinden. Übrigens Zuchthäuser waren tatsächlich ein Kind der Aufklärung, das stimmt, weil die Alternativen vorher etwas ... ungeordneter waren. Zuchthäuser waren der Fortschritt... insofern habe ich mich zu sanft ausgedrückt. ::) Und "die Zeiten der Aufklärung waren wirklich blutig" ist ungleich "Die Aufklärung ist schuld an dem Blutvergießen", richtig?  wink
Zu Toleranz respektive Intoleranz siehe oben - oder meinst du die Aufklärung sei schuld an vorher nicht gekannten Ausmaßen der Intoleranz? Wie diese Hasschrift "Nathan der Weise?" :cheesy:
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Arldwulf

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Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #218 am: 24. Januar 2009, 14:17:51 »
Zitat
"Die Aufklärung ist schuld an dem Blutvergießen", richtig?

In gewissem Sinne ja, auch wenn man dies nicht überinterpretieren sollte. Es gab in jedem Fall genug Aufklärer die am Blutvergiessen nicht unschuldig waren, und desöfteren wurden schlimme Dinge mit guten Idealen begründet.

Es ist halt nicht immer leicht zu trennen, weil eine gute Idee zu haben nicht vor schlimmen folgen bewahrt. Oder man umgedreht manchmal auch schlimme Folgen in Kauf nehmen muss um Erfolge zu haben. Diese Einstellung ist im übrigem durchaus ein wesentlicher Punkt der Philosophie die hinter diesem Umbruchgedanken stand, der Satz selbst stammt aus der Zeit der französischen Revolution.

Ich kenne ihn deshalb noch weil es inzwischen interessante Parallelen zwischen ein paar späteren Diktatoren gab die sich auch darauf beriefen man müsse nur jetzt mal kurz die Grenzen der Menschlichkeit sprengen um anschliessend eine schöne neue Welt zu haben. Und sich auf derartige Ideen die in der Aufklärung geboren wurden beriefen. In erster Linie ist das Zeitalter der Aufklärung eine Umbruchszeit, und wie bei allen Umbrüchen ist dabei auch einiges bewahrenswertes zerbrochen worden.

Ich denke ich habe aber weiter oben schon recht klargemacht wie wichtig und gut ich die Gedanken der Aufklärung empfinde. Wie passt das also zusammen? Doch nur in dem Sinne dass man vorsichtig mit Philosophie sein sollte, genauso wie mit Geschichte.

Es bringt in jedem Fall nichts das Zeitalter der Aufklärung nur so zu betrachten als habe es uns nur gutes gebracht. So wie die Aufklärung auf der Reformation fusst so fusst auch das darauf folgende Zeitalter der Ideologien auf Ideen und Auswirkungen der Aufklärung.
« Letzte Änderung: 24. Januar 2009, 14:21:58 von Arldwulf »
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TheRaven

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Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #219 am: 24. Januar 2009, 14:22:33 »
Welt.de: Religionsunterricht an Schulen ist richtig
Welt.de: Religionsunterricht an Schulen ist falsch
Finde ich gut auch wenn ich denke, dass der "Pro-Artikel" definitiv von einer "Kontra-Person" geschrieben wurde, weil viele der Argumente lächerlich und gesucht wirken. Aber wer weiss, vielleicht ist das auch einfach so.
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Berandor

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Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #220 am: 24. Januar 2009, 14:27:44 »
Ja, ist es. :)
Bitte schickt mir keine PMs hier, sondern kontaktiert mich, wenn nötig, über meine Homepage

Arldwulf

  • Mitglied
Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #221 am: 24. Januar 2009, 14:32:37 »
Ehrlich gesagt empfinde ich auch den Contra Artikel so als ob der Autor nicht ernsthaft drüber nachgedacht hätte. Das ist alles sehr widersprüchlich.

Einmal wird Demokratie als Ersatzreligion hingestellt, dann heisst es sowas hat im Unterricht nichts zu suchen. Ist nur ein Beispiel. Da könnte man wohl auch annehmen dass es eigentlich ein verborgener Pro - Anhänger war der absichtlich ein paar offensichtlich unlogische Dinge hereingeschrieben hat. Was ja in seiner subtilität und seiner Ironie schon wieder fast eine Massnahme in aufklärerischer Tradition wäre. ^^
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Berandor

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Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #222 am: 24. Januar 2009, 14:54:46 »
Dritte Alternative: Das ist die Welt, eine Springer-Zeitung. Was erwartest du? Am Ende waren das Leserreporter.
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Fischkopp

  • Mitglied
    • Rorschachhamster
Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #223 am: 24. Januar 2009, 15:20:28 »
Zitat
"Die Aufklärung ist schuld an dem Blutvergießen", richtig?
Es bringt in jedem Fall nichts das Zeitalter der Aufklärung nur so zu betrachten als habe es uns nur gutes gebracht. So wie die Aufklärung auf der Reformation fusst so fusst auch das darauf folgende Zeitalter der Ideologien auf Ideen und Auswirkungen der Aufklärung.
Aber dieTatsache, das jemand sagen kann, das er alle Weltreligionen "eliminiert" sehen will, ohne Repressionen befürchten zu müssen (zumindest in einem ansatzweise sekulären, "aufgeklärten" Staat wie unserem), ist ja nun eindeutig ein positiver Aspekt der Aufklärung.  :D
Und an Blutvergießen ist die Aufklärung als Konzept schon gar nicht schuld, sondern nur die Reaktion einer unaufgeklärten Welt, und da schließe ich die Personen, die sich Aufklärung auf die Fahnen schrieben, nicht aus...  :-|
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Lich

  • Mitglied
Re: Pro Reli - Ethik und Religionsunterricht in Berlin
« Antwort #224 am: 24. Januar 2009, 16:15:32 »
Paß auf, du sagst:

Zitat
Ein für alle mal. Christentum und Wissenschaft schließt sich nicht aus. Wer etwas anderes behauptet hat weder von Wissenschaft noch von Religion Ahnung.

Und danach sagst du noch, daß manche nicht mehr erklären müssten, daß sie Recht haben, denn das haben sie in ihrer Erkenntnis nicht mehr nötig.

Ohne irgendwelche plausiblen, sinnvollen und erläuternden Untermauerungen dieser Behauptungen bist du nicht besser als jeder andere. Du bist in der Bringschuld.
Z
Darauf möchte ich noch Bezug nehmen.

!!! Christentum und Wissenschaft schliesst sich nicht aus. Eine Bringschuld oder Untermauerung ist hier nicht notwendig, da es sich nicht um eine empirische Untersuchung handelt, sondern um ein Axiom. Für jeden Naturwissenschaftler sollte das eigentlich zwingend naheliegend sein.

- Die Naturwissenschaften erklären nicht, ob und wie die Welt erschaffen wurde. Diesen Raum können selbst Fundamentalisten besetzen.

- Es gibt keine einziges Naturgesetz, welches im Widerspruch mit dem Christentum steht, weder Darwinismus noch Urknalltheorie.

- Etwa 60% aller Physiker und Mathematiker sind religiös (Nordamerika, Europa) [Stark, Finke 69, Flohr Technology Review 08]

Wenn Du Dich weiter Informieren willst, schau Dir folgende Literaturhinweise an bzw. beschäftige dich z.B.  mit Stichworten wie Ontologie, Reduktionsmus.
Kauffmann, Reinventing the Sacred, 2008
Gustav-Adolf Schoener, Techology Review 1/2009
Rodney Stark Acts of Faith, Explaining the Human Side of Religion, 2000
Shermer, Sacred Science, Scientific American 2/2008
Habermas, Zwischen Naturalismus und Religion
Liches are cold, scheming creatures that hunger for ever
greater power, long-forgotten knowledge, and the most terrible of arcane secrets. (MM 4Ed)
-4E is D&D for people who don't like D&D /A4L-Member

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