Talwyn: Müssen denn gleichzeitig auch Pastafarianer im Namen des fliegenden Spaghetiimonsters getötet haben? Nur zur Sicherheit.
Es wurde im Namen der Kirche bzw. im Namen der machtpolitischen Interessen der Kirchenvertreter gemordet, nicht im Namen des christlichen Glaubens.* Dabei ging es um handfeste machtpolitische Interessen, die man auch nur deswegen mit der Bibel legtimieren konnte, weil das gemeine Volk weder lesen noch schreiben und schon gar kein Latein oder Griechisch konnte. Wenn du den Text der Bibel als Grundlage nimmst (und damit meine ich die Revised Edition im Sinne des Neuen Testaments, weil die alttestamentarischen Texte weitgehend aus einer Zeit stammen, in der die Unterscheidung zwischen "gut" und "böse" noch nicht existent oder zumindest nicht sehr verbreitet war), dann lässt sich damit kein Mord und kein Krieg und kein Verbrechen rechtfertigen. Es sei denn, du behauptest einfach fälschlicher Weise, dass da drinsteht: Fahrt nach Jerusalem und bringt die ungläubigen Moslems um. Das kann man einfach dem Text nicht entnehmen, wenn man ihn selbst gelesen hat. Insofern sollte doch jeder zustimmen, dass es sinnvoll ist, wenn jeder aus erster Hand über den Text der Bibel Bescheid weiß, eben damit nicht im Namen dieses Buchs Verbrechen begangen werden.
Während man aber Völkermord, Krieg und andere Verbrechen beim besten Willen nicht anhand des Neuen Testaments rechtfertigen kann, transportiert das Buch sehr wohl die moralischen Werte, auf die sich wie gesagt zum Beispiel die Geschwister Scholl berufen haben, und die auch die Grundlage des modernen Begriffs der Menschenrechte sind. Ob nun dieser Gott der Bibel und sein Sohn existieren oder nicht, ist dabei völlig unerheblich. Wer dagegen nun argumentiert, dass Religionsunterricht genau diesen Gott als Tatsache verkauft, der hat möglicher Weise sogar Recht. Wer mir aber erzählen will, dass man dadurch einem Jugendlichen die freie Wahl nehmen würde, sich für oder gegen den Glauben zu entscheiden, der redet Unsinn. Streicht man den Religionsunterricht hingegen, entzieht man den Schülern Informationen, und
dann können sie wirklich keine informierte Entscheidung mehr treffen.
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Spoiler (Anzeigen)Das Dilemma der Kirche besteht natürlich darin, dass diese Institution sich selbst als untrennbaren Teil ihrer eigenen dogmatischen Lehre betrachtet (die "heilige katholische Kirche"). Insofern kann sie z.B. nicht den Zusammenhang zwischen der Lehre und den durch Kirchenvertreter verübten oder befohlenen Grausamkeiten abstreiten, ohne dabei jegliche Autorität zu verlieren - denn dadurch würden sie ja zugeben, dass das Dogma teilweise unwahr ist, bzw. sich selbst widerspricht. Blöderweise sind Dogmen entweder vollständig wahr oder eben Schall und Rauch.