Vielleicht mal weniger abstrakt: Mein Neffe ist zehn Jahre alt. Zu seinem neunten Geburtstag bekam er ein Nintendo DS. Ich weiß, dass er mindestens 3 Spiele hat – irgendwas mit einer Hundeshow, Autorennen und Fluch der Karibik. Vorher "spielte" er mit dem kaputten Gameboy meines Bruders. Ab und zu darf er ein Jump&Run spielen, dass ich auf meinem Laptop habe. Computerspiele sind Normalität für ihn. Es gibt ein paar Serien auf KiKa oder diesem anderen Kinderkanal, die er gerne sieht (und die ich persönlich nicht für so toll halte). Er nimmt außerdem Cellounterricht und spielt Hockey. Einmal die Woche ist er bei meiner Oma – in den Ferien auch öfter – wo der gesamte Dachboden mit alten Playmobilfiguren, Modellautos usw. bedeckt ist. Dort ist er ein Milliardär, der gleichzeitig Pirat ist, König Artus war und mit Prinzessin Diana verheiratet ist, und meine Oma ist "Matschauge", sein bester Freund und Piratenkumpel. Außerdem klettert er schon mal auf Bäume.
Schließlich wurde kürzlich bei ihm Diabetes festgestellt, und inzwischen hat er so ein Computerdings am Gürtel, mit dem er Broteinheiten zählt und, ich glaube, sogar Insulin dosiert. Jedenfalls war es überhaupt kein Problem, den Umgang mit dem Ding zu lernen, er kennt das ja vom DS.
Ich denke weder, dass bei diesem Jungen die Erziehung versagt hat, nur weil er Computerspiele normal findet, und hier hat seine Computererfahrung sogar schon echten Nutzen gebracht.
Außerdem mal ein Beispiel aus dem Gate: Wir posten YouTube-Links, reden über Filme und Spiele (und posten Flash-Games), auch um eine Gemeinschaft zu schaffen und uns über ein Thema zu unterhalten, Gemeinsamkeiten oder Unterschiede (Darigaaz und ich bei Filmen) zu klären. Ebenso passiert das auch bei Jugendlichen mit Computerspielen, geschweige denn Internetnutzung, die ja ohnehin noch viel offensichtlicheren Nutzwert für das Kind hat.
Wer nun nur seufzt, weil Computerspiele im Kinderzimmer normal sind, der richtet auch nichts aus. Vielmehr müsste man aus der Tatsache, dass Computerspiele normal sind, eben die Notwendigkeit ableiten, bewussteren Medienumgang zu vermitteln – denn nur so können die Kinder und Jugendlichen dann auch alleine (und sie werden das wohl oder übel auch alleine) damit umgehen. Hier einfach nur die Eltern zu beschuldigen ist auch nicht ganz richtig, wenn sie auch sicher eine Verantwortung tragen; aber man darf auch nicht vergessen, wie neu diese Entwicklung immer noch ist. Ich bin 31 und gerade so mit Computern aufgewachsen. Wer jetzt jugendliche Kinder hat, ist wahrscheinlich noch erst als Erwachsener damit in Berührung gekommen, geschweige denn dem Internet und dessen Möglichkeiten. Ist es da ein Wunder, wenn diese Dinge nicht entsprechend vermittelt werden?
Ja, das ist kein Blankoscheck, bei der Fernsehkompetenz sind wir auch nicht viel besser, und das Medium existiert ja schon länger (wenn es auch nicht statisch ist). Trotzdem – so einfach: "keine Computerspiele als Normalität im Kinderzimmer" ist es nicht.