Zechi, mal eine Frage an Dich. Hast Du eigentlich die 4E auch mal für ein paar Abende als Spieler (also mit SC) kennengelernt, oder ausschließlich (wirklich ausschl. nicht nur "primär") als Spielleiter Erfahrungen gemacht?
Ich frage das deshalb, weil mein Eindruck ist (nicht nur bei Dir, sondern generell - auch bei mir), dass das Leiten in der 4E dem Leiten in der 3E sehr ähnlich ist. Beim Leiten habe ich wirklich das Gefühl, ja, ist immer noch sehr nah zu 3E, wenngleich ein paar Dinge wegfallen.
Wenn ich aber dann als Spieler am Tisch sitze, erkenne ich mein System nicht wieder.
Klar, kann man mich jetzt fragen wie das geht - immerhin interagiert und reagiert der SL auf die SC und deren Fähigkeiten. Eine legitime Replik, aber mein subjektiver Eindruck bleibt bestehen: wenn ich nur mit dem unmittelbaren Ergebnis der SC-Powers, und nicht den Auswahlmechanismen etc. dahinter konfrontiert bin, spüre ich die Neuerungen des 4E-Regelsystems (die für mich nunmal primär auf der Spielerseite liegen) weit weniger stark. Viel eher sehe ich die Monster-Statblocks, die wirklich "3E streamlined" sind, und die Mechanismen für Fallen, die für mich spätestens seit
Dungeonscape und
Slaughtergarde Teil meiner 3E-Spielleitererfahrung sind. Das viele Improvisieren beim Leiten, ob jetzt bei der Handhabe von Monstern oder beim Interpretieren von Spielerhandlungen mittels eines Stuntsystems, kenne ich ebenfalls schon (in dem Fall aus
Iron Might und
Pathfinder Beta), zwar nicht lange, aber immerhin.
Wenn Du also so ein Abenteuer wie Temple of Elemental Evil ansprichst (meinst ja mit "ToE", oder?) dann würde ich sagen:
1. Ob ich das Abenteuer mit 3E oder mit 4E leite, das ist für mich als Spielleiter kein Riesenunterschied.
2. Wenn ich das Abenteuer mit einem 3E-SC oder einen 4E-SC beschreiten würde, wären das zwei völlig unterschiedliche Spielerfahrungen.
PS. Und kurz zu diesem:
Was mich immer wieder erstaunt ist wie wichtig den Leuten regeltechnische Feinheiten sind ggü. dem was meiner Meinung nach Kern des Spieles ist, nämlich das spielen von D&D typischen Abenteuern/Kampagnen.
Dazu gibt es ein hervorragendes Zitat von Mike Mearls (wieder einmal - ich fürchterlicher Fanboy):
Removing a rule from D&D is no small task. Most people who play and love the game develop an attachment to all the bits and pieces that make D&D what it is. Each time a rule dies, we risk alienating people who really enjoyed using it.
Besonders bemerkenswert, ist dass Mearls hier zugibt, dass es in der Tat Regelmechanismen in D&D überhaupt gibt, die D&D zu dem machen
was es ist. Ich nenne zwei Beispiele aus den 4E Playtest-Zeiten, die auf so was hinweisen.
1. Sogenannte "attrition" Fähigkeiten, die einem SC nur ein (paar) mal pro Tag zur Verfügung stehen. In der Reinform existierten diese FÄhigkeiten in der 4E gar ich, bis die Spieletester protestierten: "ein D&D ohne attrition powers, ohne JEGLICHEM Überbleibsel vom Vance'schen System ist kein D&D mehr". Also hat man, erst nachträglich, die sogenannten daily powers eingeführt. (Nachzulesen in Races & Classes)
2. Die 4E Designer waren bzw. sind sich bewusst, dass es elegantere und taktisch dynamischere Initiative-Systeme gibt, als das von 3E. Der einzige Grund, warum man sich dieser Systeme in der 4E nicht bedienen wollte, war, dass man mit "Roll [a d20] for initiative!" einen der klassischsten Sätze in D&D damit entfernt hätte, und das wollte man nicht. (Nachzulesen auf Mike Mearls' Homepage.)
Wie Du also siehst, gibt es selbst für die innovationsfreudigen 4E-Designer Grenzen, wo ein neues D&D gar kein D&D mehr ist. Der einzige Unterschied zu Leuten wie Lich, Taysal, und Wormys_Queue ist, dass diese Leute die Grenzen einfach schon viel früher ziehen. Wo die Grenze objektiv liegt, ich glaube darüber könnte man streiten bis zum Sankt Nimmerleinstag (haben wir auch schon ausgiebig getan im Gate). Aber zu behaupten, dass diese Grenzen nicht existieren, das halte ich nicht für überzeugend.