Wenn ihr das Gate redesignt mit dem Ziel die "benutzerfreundlichkeit" zu erhöhen, und ich kurz darauf erkläre, dass ein User unfreundlich zu mir war, und ich das verhalten als "Benutzerfreundlichkeit" verstehe, dann ist meine Aussage zwar komplett richtig, aber daraus zu schließen, dass ihr versagt habe einfach keine logische Folge.
Ok, das ist eine wunderbar präzise Analyse dessen, was Du Justin vorwirfst, und gerade wegen Deiner Präzision wurde - zumindest für mich - ersichtlich, dass Dein Vorwurf nicht so leicht haltbar ist. Nicht dass Berandor nicht bereits alles dazu gesagt hätte, aber: ob ein SC, nachdem er seine besten Powers (ob jetzt Spells oder 4E-Derivate) verpulvert hat, dann
auf keine bzw. nur mehr auf gravierend weniger gute Powers zurückgreifen kann - das macht für Justins Gedankengang keinen Unterschied, sobald der Spieler des SC in beiden Fällen dazu tendiert, den SC rasten zu lassen, um wieder an die mächtigsten Powers zu gelangen. Selbst wenn also im Antezedens ("auf nichts
bzw. nur mehr auf weniger gute") eine Mehrdeutigkeit steckt, ist die Konsequenz ("der Spieler läßt den SC rasten") nicht mehrdeutig. Die Argumentation zielt aber auf die Konsequenz ab. Davon ab ist die Mehrdeutigkeit im Antezendens keine sog. "chance homonym" wie Dein "benutzerfreundlich" (vgl. "Parkbank" und "Deutsche Bank") sondern haben wir eine stark überlappende Bedeutung bei beiden Lesarten.
Jetzt zu etwas Allgemeinerem. Wo ich Arldwulf (zwar überhaupt nicht im Detail aber dafür) tendenziell zustimme, ist, dass Justins Rezension deren Schlussfolgerungen nicht auf mehrere Perspektiven hin durchleuchtet.
Nehmen wir mal die Problematik des 15-minütigen-Abenteuertages. Wie Justin zurecht sagt, liegt dieses Problem nicht am System, sondern an der Abenteuergestaltung und dem Spielleiterstil. Wenn die Party in einen Dungeon kommt, und sich dann nach jedem ersten oder zweiten Raum an einem sicheren Ort verbarrikadieren kann, um sich auszuruhen, dann hat der SL einen saudummen Dungeon, Marke "Eye of the Beholder", gestaltet. (Ich bin ja auch eher beschränkt in meinem Dungeon-Design, aber selbst ich weiß vom Nutzen ruhestörender streunender Monster, die dem Magier den Schlaf rauben.) Mehr noch, wenn der SL dieses Dungeon-Design zuläßt, wird die Gruppe jeden Encounter frisch gerastet entgegentreten, und erst dann wird die auf hohen Stufen ausufernde Machtdiskrepanz zwischen Castern und Nicht-Castern zutage treten (wie das
Justin auch sagt, ", you're back to a situation where spellcasters can blow massive amounts of spell power in a relatively narrow window of time and the spotlight balance between fighters and wizards becomes completely skewed.").
Daraus schließe ich aber folgendes.
Die 3E funktioniert als System erst dann, wenn sie von einem äußerst kompetenten und obendrein lernfähigen Spielleiter geleitet wird. Mangelt es an Erfahrungswert und einer relativ hohen Lernkurve - und das tut es bei Einsteigern oder Gelegenheitsspielern naturgemäß - fällt das System in sich zusammen. Ich habe das, ohne großen Zynismus, einem 3E-Spielleiter im Tanelorn-Forum
ins Gesicht geklatscht und ihm aus just diesem Grund einen Systemwechsel zur 4E angeraten (vgl. auch
hier). Denn die 4E wurde so gebaut, dass sie selbst von unerfahrenen oder lernfaulen Spielleitern geleitet werden kann, ohne dass das Spiel vollends aus den Fugen gerät (wie wir nämlich sehen, ist 1. das Problem des 15-minütigen Abenteuertages
weit weniger vehement in der 4E als in der 3E, und 2. die Diskrepanz zwischen Nicht- und Castern in der 4E vollständig aufgehoben).
Und genau so hat Rob Heinsoo die 4E auch am UK Games Day 2008 bepriesen: er hat sich an ein Publikum erfahrener 3E-Spielleiter gewandt, und gesagt "Wir (bei WotC) wissen, dass kompetente Spielleiter mit der 3E perfekt umgehen können. Aber es gibt zuviele, die mit der 3E immer wieder die gleichen Probleme haben - z.B., meine Gruppe hat mir meinen langwierig gebastelten NSC in einer Runde kaputtgehauen, oder: in meiner hochstufigen Gruppe gibt es brutale Power-Divergenzen unter den Charakteren - und für die haben wir die 4E gebaut."
Wenn man das mal sieht, dann fällt es schon viel schwerer zu sagen, dass die 4E nur imaginäre Probleme löst. Die 4E löst Probleme, die gewisse Leute wie Justin nie hatten. Und für diese Leute ist die 4E überflüssig. Nur: diese Leute machen gefühlte 10% der Gesamtspieler aus, während die restlichen 90% in der 4E echte Lösungen ihrer Probleme finden.