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Autor Thema: Stadt der gläsernen Gesänge  (Gelesen 72242 mal)

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Nightmoon

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Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #345 am: 07. Juni 2014, 01:35:23 »
oh...dieses warten... wie beim Lied von Eis und Feuer...
Macht Telamont in der Kerzenburg dich fertig? ;)

Niobe

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Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #346 am: 14. Juni 2014, 03:11:54 »
Hm, ja, aber immerhin wisst ihr, wies ausgeht ;)
Mein Gedächtnis lässt mich dagegen inzwischen etwas im Stich und meine Aufzeichnungen sind auch ein weng kryptisch ... Aber die gute Nachricht ist: Es geht voran, wenn auch nicht besonders schnell ...

Nightmoon

  • Mitglied
    • Schicksalsstreiter
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #347 am: 15. Juni 2014, 01:22:58 »
Das ist auf jeden Fall gut! :)

Nightmoon

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    • Schicksalsstreiter
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #348 am: 06. Oktober 2014, 00:57:44 »
Ja, ich mal wieder... muss immer wieder in manchen Situationen oder bei manchen Songs aus Passagen der Kampage denken und denk dann auch wieder an die Story :)
Schreibst du eigentlich nur am Stück, oder hast du auch schon spätere Teile fertig aber eben noch keine Brücke dazwischen?

Niobe

  • Mitglied
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #349 am: 08. Dezember 2014, 22:50:13 »
Tja, was soll ich sagen? Shame on me ...
Vergessen habe ich die Schicksalsstreiter aber nicht, es geht weiter ... Alles Gute zum Geburtstag, Winter :)

Kapitel VII: Getrennte Wege

Faust
Hochmond, Hochtal, am nächsten Tag.

„Der magische Knoten regeneriert sich langsam – in wenigen Tagen dürfte die gesamte Anauroch wieder an das magische Gewebe angeschlossen sein. Die Silbermarken haben Truppen geschickt, um Rasilith zu sichern, und aus Cormyr und Myth Drannor erreichen uns täglich neue Ströme von Freiwilligen. Darunter ist auch ein elfischer Hochmagier, der die magische Abriegelung der Stadt in die Wege geleitet hat.“, schloss Faust seinen Bericht vor dem Rat der Talländer. Durch einen kurzen Blickwechsel mit Grimwardt vergewisserte er sich, dass er an alles Wesentliche gedacht hatte. Der Freund hatte ihm eingeschärft, auf unsachliche Ausschweifungen zu verzichten, und weil er wusste, wie wichtig Grim diese Provinzveranstaltung war, gab er sich alle Mühe. „Und damit übergebe ich das Wort wieder an den Schlachtenfürsten.“
Grimwardt, der neben ihm Platz genommen und die Präsentation genutzt hatte, um sich an dem üppigen Heldenmahl gütlich zu tun, das er beschworen hatte, um dem Kaffeekränzchen der zwölf Regenten ein wenig mehr Substanz zu verleihen, verschluckte sich bei Fausts letzten Worten an seiner Hähnchenkeule.
„Es gibt nur EINEN Schlachtenfürsten!“, hustete er.
„Kriegskanzler, meinte ich“, beeilte sich Faust, seinen Fuß aus dem Fettnäpfchen zu ziehen. „Kriegskanzler, Priestergeneral, Auserwählter des Feindhammers – bei all den Rängen kann man schon mal durcheinander kommen“, sagte er und erntete wohlwollendes Gelächter von den weniger militanten Talisern.
Erst recht, wenn man ständig von einer Flut fremder Gefühlsausbrüche überrumpelt wird, dachte er düster. Winter hatte ihn an ihren Plänen teilhaben lassen, in Rabenklippe ein monumentales Grabmal zu errichten – wohl eher für ihre Gewissensbisse als für Elijas. Fausts Schweigen kostete ihn einige Willenskraft. Leider musste er feststellen, dass eine talisische Ratssitzung als Ablenkung nicht viel taugte. Drei Stunden hatte er sich Berichte zu feldwirtschaftlichen Bepflanzungsplänen und Beschwerden über Marktrechtsverletzungen anhören müssen, bevor überhaupt die Sprache auf die „Unruhen in der Anauroch“ gekommen war. Frustriert ließ er seine Glücksmünze über die Fingerknöchel tanzen.
„Mit der Entsendung seiner Silbernen Ritter hat der Hochfürst von Silbrigmond de facto seine Bündnispartner Cormyr und den Elfenhof zu militärischem Beistand verpflichtet“, ergriff Grimwardt selbst das Wort. „Ein Krieg zwischen der Westallianz und Netheril ist nun nicht mehr aufzuhalten, denn Rasilith – oder vielmehr der Schattenknoten – ist der Kern des magischen Monopols der Tanthuls. Telamont kann es sich nicht erlauben, die Stadt an die Bedinen zu verlieren. Er wird versuchen, sie zurückzuerobern, bevor die Regneration des Gewebes Umbra erreicht. Ich selbst werde das Oberkommando über das Heer von Rasilith übernehmen. Die Talländer stehen nun vor der Entscheidung, welche Rolle sie in diesem Krieg spielen wollen. Mir ist bewusst, dass wir nicht die Truppenstärke haben, um eine Armee in die Anauroch zu entsenden – als aktive Kriegspartei würden wir zudem riskieren, in einen Zwei-Fronten-Krieg verwickelt zu werden, wenn das von Netheril kontrollierte Sembia in den Krieg eingreifen sollte. Ich schlage darum vor, unsere Truppen in den Grenzgebieten zu Netheril und Sembia zu verstärken und ein Handelsembargo gegen beide Länder zu verhängen.“
Betretene Blicke und unbehagliches Schweigen. Die talisische Geschichte war in Kriegsdingen kein unbeschriebenes Blatt. Offenbar war hier niemandem wohl dabei, die Schrecken der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Ein Handzeichen aus den hinteren Reihen des Saals ließ einen Schatten über Grimwardts Gesicht huschen.
„Ja?“
Eine junge Priesterin in dunkelblauen Gewändern hatte sich erhoben: Lydia von Schattental, die kleine Abenteurerin, die dem Kriegskanzler in der Vergangenheit so viele Scherereien bereitet hatte.
„Ich verstehe nicht viel von Kriegsdingen, außer, dass sie sehr viel Geld und noch mehr Leben kosten“, setzte sie arglos an. Faust hätte ihr ihre Naivität fast abgekauft, wenn der Bürgerherr von Federtal, der ihr unablässig den Arm tätschelte, nicht bei ihrer wohlplatzierten Andeutung von Kriegsausgaben unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht wäre. „Aber haben die Sandfürsten nicht Netherils Souveränitätsrechte verletzt, als sie in dieser Wüstenstadt eingefallen sind? Sie liegt doch mitten in der Anauroch.“
„Rasilith ist eine Bedinenstadt, die sich Umbra ungefragt einverleibt hat“, erklärte Grimwardt schroff. „Die Sandfürsten haben nur ihr Eigentum zurückgefordert.“
„Rasilith – das ist ein alt-illuskischer Name, nicht wahr?“, gab die Shar-Priesterin zu bedenken. „Also war die Stadt bereits Teil des Imperiums, lange bevor die Bedinen kamen. Wurde sie nicht sogar von den Netherim gegründet?“
„Von den alten Netherim. Das ist über zehntausend Jahre her. Die Gründung dessen, was die Tanthuls das ‚Imperium von Netheril‘ nennen, war ein einziger Raubzug durch die Wüste.“
„So oder so ist die Legitimation für den Krieg, den Ihr uns da aufdrängt, mehr als fragwürdig“, ertönte eine blecherne Stimme. Der Sprecher war einer der drei Kaufmannsfürsten von Bogental, die ihre Gesichtern der Tradition nach hinter goldenen Tiermasken verborgen hielten. „Fast so fragwürdig wie die Grundlage Eurer Kriegskanzlerschaft.“
„Wenn Ihr hin und wieder etwas anderem Gehör schenken würdet als dem Klimpern sembianischer Münzen, die Bogentals Staatskassen so prall gefüllt halten, hätte Euch zu Ohren kommen können, dass ich meine Ernennung längst durch Bürgerwahlen habe bestätigen lassen, wie es das Gesetz von Essembra fordert“, schnaubte der Kriegskanzler.
Ein hohles Lachen ertönte hinter der Stiermaske.
„Gehören zu einer Wahl nicht mindestens zwei Kandidaten? Nun, wenn Ihr zur Urnengang mit solch kriegerischer Unterstützung erschienen seid wie heute, hätte ich es wohl auch nicht gewagt, Euch meine Stimme zu verweigern. Weniger Stahl und mehr Stoff und wer weiß, vielleicht wäre die Wahl anders ausgegangen …“
„Weniger Schwachsinn und mehr Schneid und Ihr bräuchtet Euch nicht hinter einer Bullenmaske zu verstecken“, murmelte Faust trotz Grimwardts warnender Blicke. Dieses scheinheilige Getue war ihm zuwider. Soweit er wusste, hatten die Drei Kaufmannsfürsten das Volk von Bogental noch nie um seine Meinung gefragt, also was sollte diese Farce?
„Wie auch immer Ihr an den Titel des Kriegskanzlers gekommen seid, durch ihn ist Euer Schicksal unwiderruflich mit dem der Talländer verknüpft. Für die Umbranten macht es keinen Unterschied, ob Ihr die Rebellen von Rasilith als Auserwählter des Tempus oder als Kriegskanzler von Schlachtental ins Feld führt. Mit Eurer Kriegstreiberei in der Anauroch bringt Ihr den Zorn Netherils über uns. Und wer soll uns beschützen, während Ihr diese Wüstenprovinz verteidigt?“
Damit hatte er offenbar einen empfindlichen Nerv getroffen. Aufgeregtes Stimmengewirr erhob sich unter den Regenten.
„RUHE!“, donnerte Grimwardt. Augenblicklich kehrte Stille ein. Der Auserwählte des Tempus schritt mit schwerem Tritt zwischen den Tischen entlang und ließ grimmige Blicke über die Anwesenden schweifen. „Reden wir nicht länger um den heißen Brei herum. Es ist ganz offensichtlich, dass einige der hier Versammelten nicht mehr imstande sind, für die Talländer zu sprechen. ICH stehe für einen Talisischen Rat ein, der nicht aus Furcht vor Netherils Macht den Missionierungsversuchen der Sharianer erliegt oder habgierig nach Sembias Handelsprivilegien schielt. Telamont braucht keinen weiteren Vorwand, um mit der Invasion der Talländer zu beginnen. Das hat er längst getan. All jene, die wie ich für ein Handelsembargo und für die Grenzschutzverstärkung sind, die mögen sich jetzt erheben.“
Der alte Ritterherr von Narbental und die Bürgerherrin von Misteltal waren die ersten, die sich erhoben. Nach und nach folgten die anderen Regenten, wenn auch zögerlicher. Am Ende saßen nur noch die Kaufmannsfürsten von Bogental und Baleira von Federtal auf ihren Plätzen.
Grimwardt nickte zufrieden in seinen Bart hinein.

Grimwardt
Rasilith, am Tag darauf.

„Ich habe es wirklich versucht!“
Als er eintrat, lief Scarlet aufgebracht in ihrem Zelt auf und ab. Fast wäre sie über die langen, seidenen Priestergewänder gestolpert, die an ihr noch so ungewohnt waren, und Strähnen ihrer roten Mähne lugten unter dem silbernen Kopftuch hervor. Mit einer unwirschen Handbewegung schickte sie die verschüchterte Elah-Novizin hinfort, die ihr im vergeblichen Versuch, ihre Frisur zu bezwingen, mit einer sichelförmigen Haarspange hinterher tapste.
„Ich habe versucht, mich damit abzufinden, dass meine Mutter eine Götzenanbeterin ist!“, schimpfte sie drauflos, kaum dass das Mädchen fort war. „Ich dachte, ich könnte damit leben, dass sie Shar ihre Gebete schenkt! Immerhin hat sie es für uns getan, für dich und mich, wegen dieser Vision. Aber Seelen, beim Feuersch…, äh ich meine, ach verflucht! Sieht sie denn nicht, was sie damit anrichtet? Die Clanführer werden uns beide steinigen, wenn dieser Richter seine Drohung wahrmacht und ihr Geheimnis an die große Glocke hängt! Blut ist Blut!“
„Hades hat also mit dir gesprochen“, schloss Grimwardt aus ihrer wirren Schimpftirade.
„Was hat sie sich dabei gedacht?“, wetterte Scarlet. „Dieser Avariel wird hier als Volksheld gefeiert. Dass niemand Fragen stellen würde, wenn er einfach verschwindet?“
„SCHLUSS JETZT!“, dröhnte Grimwardt. Verblüfft sank Scarlet auf einen Stuhl und sah verschüchtert zu ihm auf.
„Du weißt, deine Mutter würde alles für dich tun“, wies er sie zurecht. „Ein Wort von dir und sie würde auf Nimmerwiedersehen von hier verschwinden. Aber nicht sie steht jetzt hier, sondern ich. Also willst du mir weiter Moralpredigten halten oder sagst du  mir endlich, warum du nach mir hast rufen lassen?“
Beschämt grub sie die Sandalen in den Boden.
„Der Richter wird ernsthaft zum Problem“, sagte sie schließlich gedämpft. „Zum ersten Mal seit zehn Jahren haben wir eine reelle Chance gegen den Usurpator. Und wir … wir brauchen sie, wir brauchen euch – die Schicksalsstreiter.“ Sie sah niedergeschlagen zu ihm auf. „Kannst du ihn zum Schweigen bringen?“
Grimwardt stieß düster die Luft aus.
„Ich schätze, ich werde Hades lehren müssen, dass dies nicht die richtige Zeit ist, um Hetzreden zu schwingen.“
Er spürte Scarlets zaudernden Blick in seinem Rücken, als er sich auf den Weg zur Unterkunft des Kelemvor-Priesters machte, doch er teilte ihre Gewissensbisse nicht. So sehr er die Kaufmannsfürsten von Bogental verachten mochte, in einem hatten sie Recht: Als Kriegskanzler trug er nicht nur Verantwortung für seine Taten, sondern auch für das Bild, das der Rest der Welt von ihnen gewann. Dies wäre nicht der erste Krieg, der durch innere Zwistigkeiten verloren wurde. Und das Wort des Obersten Richters von Rabenklippe hatte Gewicht. Wenn Hades bereits damit gedroht hatte, Winter an den Pranger zu stellen, war Eile geboten.
Rasilith platzte aus allen Nähten. Mit dem Heer der Sandfürsten, den Silbernen Rittern und den Freiwilligen aus  den umliegenden Ländern beherbergte die Stadt nun fast das Vierfache ihrer Bevölkerung. Trotzdem hatte Hades eine Baracke ganz für sich allein – offenbar hatte er keine zwei Tage gebraucht, um seine Gastgeber aus dem Haus zu vergraulen. Ein Jüngling mit jenem beflissen-hysterischen Blick, der charakteristisch für jene bedauernswerten Geschöpfe war, die mehr Zeit mit Hades verbrachten, als ein gesunder Verstand ertrug, öffnete Grimwardt und ließ ihn wissen, dass „Meister Hades“ zurzeit keine Besuche empfing. Wo trieb der Richter bloß an jedem Ort so schnell einen Lakaien auf? Der Kriegskanzler trat an dem protestierenden Jungen vorbei und überraschte den „Hausherren“ beim Essen.
„Hades, auf ein Wort“, sagte er bestimmt. Unglückliche Wortwahl. „Es können auch mehrere Wörter werden“, schob er schnell nach, um dem unverbesserlichen Pedanten keine Vorlage für ein allzu kurzes Gespräch zu liefern.
„Ich muss Euch vertrösten, Kriegskanzler, in einer Viertelstunde bin ich mit dem Hochfürsten von Silbrigmond verabredet.“
Hades wischte den leeren Teller mit einem Brotrest blank. Kaum hatte er sich erhoben, war der unfreiwillige Knappe auch schon herbei, um seinem Herrn in die Rüstung zu helfen.
„Ich kann mir denken, worum es geht. Ihr beschädigt mein Kriegsinstrument und das kann ich nicht dulden.“
„Ich verstehe nicht.“
„Eine Diffamierung Winters zu diesem Zeitpunkt würde die Stellung der Elah’ni gefährden und könnte unsere Bündnispartner ins Wanken bringen. Einigkeit ist das erste Gebot im Krieg.“
„Ich diffamiere nicht, ich spreche die Wahrheit.“
Mit einem unterstreichenden Ruck rückte der Richter den Harnisch zurecht.
„Eure Wahrheit schadet meinem Krieg.“
„Es ist nicht meine Wahrheit. Wahrheit ist unparteiisch. Euer Krieg ist bedeutungslos verglichen mit der Häresie Eurer Schwester. Die göttliche Ordnung muss wiederhergestellt werden.“
„Mein bedeutungsloser Krieg dient dazu, einen Tyrannen zu stürzen“, knurrte Grimwardt.
„Es geht hier nicht um Gut und Böse, sondern um Recht und Unrecht.“
„Und nach welchem Recht wiegt Winters Schuld mehr als ihr Nutzen in diesem Krieg?“
„Nach dem Gesetz der Ewigen Seelen.“
„Darüber sollen Schwert und Axt entscheiden.“ Grimwardt sah keinen Sinn darin, das Unvermeidliche hinauszuzögern. „Hades, ich erwarte Euch in einer halben Stunde am Somaj-See.“
„Warum?“
Er riss sich seinen Panzerhandschuh von der Rechten und schleuderte ihn dem Unbelehrbaren vor die Füße.
„ICH FORDERE EUCH ZUM RICHTKAMPF“, donnerte er. „IST DAS DEUTLICH GENUG?“
Hades‘ Mundwinkel zuckten. Es schmeckte ihm nicht, dass ein Turniersieg über Wahrheit oder Unwahrheit entscheiden sollte, doch er konnte nichts dagegen tun, solange der Richtkampf von der Mehrzahl der Gerichte Faerûns als Rechtsmittel anerkannt wurde. Den Kelemvorianer schlug man am besten mit seinen eigenen Mitteln.
„Also gut.“ Er sah seinem Herausforderer in die Augen. „Aber ich bestehe auf einen anderen Austragungsort. Der Kampf soll auf dem Marktplatz stattfinden.“
Grimwardt schnaubte. Die Kehrseite seiner Taktik. Nach einem Richtsieg in aller Öffentlichkeit würde es niemand wagen, Hades‘ Worte in Zweifel zu ziehen – selbst, wenn sie sich gegen ein Mitglied der mächtigen Schicksalsstreiter richteten.
„Lassen wir die Münze entscheiden.“ Klimpernd zog er ein Goldstück hervor. „Kopf oder Zahl?“
Hades zog die Stirn in Falten.
„Sagt bloß, dafür gibt’s keine Richtlinie!“, frotzelte Grimwardt.
„Zeigt mir die Münze!“
„Ihr verletzt meine Ehre“, sagte er trocken und reichte ihm das Goldstück.
„Zahl“, sagte Hades.
Grimwardt warf die Münze. Zahl. Kopfschüttelnd sah er den Priester an.
„Zufall oder göttliche Eingebung?“, brummte er.
„Es ist eine gerade Zahl“, belehrte ihn Hades mit eiserner Miene. „Gerade ist gut.“
„Das solltet Ihr Euch auf Euren Umhang sticken lassen.“

Faust
Das Scheppern der Rüstungen und das Singen der Klingen waren bis an die Stadtgrenzen zu hören. Ansonsten war es in der ganzen Stadt so still, dass man den Sand wandern hören konnte. Auf den Stufen zur Sandfeste, auf den Dächern rund um den Marktplatz und auf der Wehrmauer tummelten sich die Zuschauer in gebanntem Schweigen. Jene, die dem Geschehen am nächsten standen, konnten spüren, wie jeder Hieb der beiden Kontrahenten bis tief in den Boden drang.
Wenn Krieg und Tod sich eine Schlacht liefern …, dachte Faust. Das klang wie der Anfang eines apokalyptischen Schauerreims. Der Auserwählte des Tempus und der Richter des Kelemvor waren so mit göttlicher Energie aufgeladen, dass sie die Gestalt ihrer Herren angenommen hatten. Und offenbar waren sie gleichermaßen entschlossen, die Redensart „unumstößlich im Glauben“ wörtlich zu nehmen. Die Sonne, die zu Beginn des Kampfes noch über dem Osttor gestanden hatte, brannte nun im Zenit auf den Markplatz und ließ ihnen den Schweiß in Strömen über die verbissenen Grimassen rinnen. Doch keiner von beiden hatte auch nur einen Fußbreit seiner Stellung abgetreten. Mit jedem Axthieb, jedem Schwertstreich stemmten sie die Füße fester in den Boden und der aufgepeitschte Sand hatte einen Ringwall um die beiden Unerschütterlichen geformt wie um einen Einschlagskrater.
Plötzlich tauchte Winter lautlos wie ein wandernder Dünenschatten neben Faust auf. Es gehörte nicht viel Kombinationsgeschick dazu, zu erkennen, dass sie auch diesmal die Ursache dieses epischen Scharmützels war. Er trug ihr die Sache mit Elijas immer noch nach – trotzdem musste er bei ihrem Anblick ein spontanes Glücksflattern unterdrücken. Immerhin konnte er die daraus resultierende Grimasse damit rechtfertigen, dass Hades gerade nach einem schmetternden Hieb in die Weichteile in die Knie gegangen war. Offenbar gab es doch einen Teil von ihm, der nicht aus Eisen war.
Oder doch nicht.
Grimwardt stieß einen unwilligen Laut zwischen Grunzen und Kampfgebrüll aus, als sein am Boden liegender Gegner schweratmend wieder auf die Beine kam. Der Tempus-Auserwählte war fraglos der zähere Kämpe, aber Hades‘ Sturheit war legendär. Zudem waren sich die beiden in ihrem Kampfstil und ihren Überzeugungen so ähnlich, dass es ihnen schwerfiel, den anderen zu überraschen. Wahrscheinlich sahen Kelemvor und Tempus in diesem Schauspiel eher eine Art waffenbrüderliche Stichelei als einen handfesten Glaubensstreit. Noch zweimal musste Grimwardt seinen Kontrahenten Sand schlucken lassen, ehe dieser besinnungslos liegenblieb.
Alles war still bis auf Grimwardts Schnaufen, als er seinen Blick über die Menge schweifen ließ, bis seine Augen an Scarlet hängenblieben.
Er hob die Axt, sodass sie wie ein Richtbeil über Hades‘ Nacken schwebte. Eine stumme Frage.
Scarlet zögerte nur kurz, dann schüttelte sie den Kopf.
Faust stieß scharf die Luft aus.
Wenn dein Bruder sich auf deine Seite schlägt, dann tut er’s richtig, wie?“ murmelte er an Winter gewandt.
„Er ist nicht auf meiner Seite; er hasst mich“, sagte sie sachlich. Ihr Blick war nachdenklich auf ihre Tochter gerichtet. „Ich sollte Hades‘ Erinnerung löschen, bevor er den nächsten Plan ausheckt, uns in die Quere zu kommen.“
„Ich habe letztens von einem Zauber gelesen, der den Körper eines Sterblichen unter der Erde einsperrt und seine Seele auf Eis legt.“ Faust verschränkte die Arme. „So eine Art Tod auf Zeit, bis der Zauberwirkende ihn wieder befreit. Xara könnte dir vermutlich eine entsprechende Schriftrolle besorgen. Danach tauchst du noch ein, zweimal in Verkleidung als Hades in Rasilith auf, murmelst irgendwas von einer dringlichen Ordensmission und die Sache sollte erst mal gegessen sein … Ich meine, es sei denn, du brauchst seelenmäßig noch einen Nachschlag.“
Den Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen, doch er bereute ihn sogleich, als er sah, wie Winters Kiefer zu mahlen begannen, als sie sich bemühte, ihre gerade erst zurückgewonnene Fassung zu wahren. Plötzlich kam er sich schäbig vor. Vielleicht war er auch nicht besser als diese Jämmerlinge von Maskenfürsten, die ihre Gesichter verbargen, sodass sie nicht die Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen mussten. Mal ehrlich, was würde er schon dagegen tun, wenn Winter sich entschließen sollte, seinen gesamten Bekanntenkreis zu entseelen? Er sagte sich immer, dass sie diese Sache schon in den Griff bekommen würden, wenn die Tanthuls besiegt wären, wenn Scarlet in Sicherheit wäre, wenn sich Desayeus‘ Vision als Trug herausstellte …
Ziemlich viele Wenns.

Grimwardt
Am nächsten Abend.

Breitbeinig hatte sich Grimwardt vor dem umbrantischen Prinzen aufgebaut. Melegaunt Tanthul hatte Schweißperlen auf der Stirn, das lange Haar hing ihm strähnig in die Stirn und seine schweren Roben mussten ihn in der Hitze umbringen, die sich über den Tag in dem kleinen Nomadenzelt aufgestaut hatte. Er wirkte fehl am Platz, auf dem schlichten Schemel kauernd wie ein Büßer auf dem Beichtstuhl. Nachdem sich der Kriegskanzler das versiegelte Schreiben, das der Umbrant bei sich getragen hatte, zweimal sorgsam durchgelesen hatte, ließ er die Schriftrolle bedächtig sinken.
„Ein Sohn des Hochprinzen schleicht sich bei Nacht ins Heerlager der Bedinen. Ohne Gefolge. Ohne magischen Schutz … Die Wachen hätten Euch töten können, ohne zu wissen, wer Ihr seid, bevor überhaupt irgendjemand dieses Schreiben zu Gesicht bekommen hätte.“
 „Ich schätze, diese Möglichkeit hat mein Vater in Betracht gezogen, als er mich herschickte“, erwiderte der Netherprinz mit einem gequälten Lächeln.
„Ihr habt es verbockt, hm?“, erriet Faust. „Ihr konntet Rasilith nicht halten und jetzt lässt er Euch dafür den Kopf hinhalten.“
„Ich war 26, als ich den ersten Kreis der Magie meisterte, mein jüngerer Bruder war 5“, erwiderte Melegaunt bitter. „Ich schätze, was Rasilith angeht, habe ich den Erwartungen meines Vaters voll entsprochen.“
Faust lachte beinahe mitfühlend, aber Grimwardt war nicht bereit, Melegaunt die Schwarze-Schaf-der-Familie-Nummer so schnell abzukaufen. In dem Schreiben, das er bei sich trug, bat Hochprinz Telamont Tanthul höchstpersönlich „die Schicksalsstreiter“ noch in dieser Nacht um eine „Aussprache“ auf neutralem Territorium in der Kerzenburg. Weder die kurzfristige Einladung noch die Art ihrer Überbringung gefielen dem Kriegskanzler. Und Melegaunts Versagen als Verteidiger der Stadt verstärkte nur seine Not, gegenüber seinem Vater einen Erfolg vorzuweisen.
„Was garantiert uns, dass dies keine Falle ist?“, knurrte er und wedelte mit der Schriftrolle.
„Mein Vater ist ein Mann der Politik, kein Meuchelmörder.“
Winters höhnisches Schnauben quittierte Melegaunt mit einem herablassenden Stirnrunzeln. Er stand unter dem Einfluss eines Wahrheitszaubers. Wusste er tatsächlich nicht, wer ihnen Artemis Entreri auf den Hals gehetzt hatte?
Grimwardt musste zugeben, dass es ihn in den Fingern juckte, dem berüchtigten Schattenherrn gegenüber zu treten, den außerhalb der Stadt der Schatten kaum jemand je zu Gesicht bekam.
„Ich will mich darüber erst mit den anderen Heerführern beraten.“
„Er hat ausdrücklich verlangt, mit den Schicksalsstreitern zu sprechen.“
„Ich werde mich nicht zu geheimen Absprachen verführen lassen.“
„Das Treffen ist nicht geheim. Aber Telamont wird niemanden außer Euch empfangen.“
Grimwardt beriet sich kurz telepathisch mit den anderen beiden.
„Wir kommen mit Euch“, brummte er schließlich in seinen Bart hinein. „Aber Ihr zahlt für den Eintritt in die Kerzenburg.“
Wie sich herausstellte, als sie wenig später an der berühmten Bibliothek an der Schwertküste ankamen, erwartete man sie dort bereits. Melegaunt führte sie zu einer Nachtpforte, wo ihnen einer der Oghma-Mönche Einlass gewährte, ohne wie üblich eine teure „Leihgabe“ in Form eines Buchs im Wert von 1.000 Gold zu verlangen. Sie folgten dem Mönch durch das Labyrinth der Bücherhallen, bis sie an einer unscheinbaren Holztür ankamen. Nachdem Winter sie mit Schutzzaubern eingedeckt hatte, traten sie ein.
Kerzen brannten vereinzelt in dem Raum – einem einfachen Lesesaal –, doch ihr Licht wirkte kraftlos und verloren, als existiere es nur, um den tiefen Schatten, die in den Ecken lauerten, eine Leinwand zu bieten. Telamont Tanthul saß lesend an einem Pult. Als die Schicksalsstreiter eintraten, legte er das Buch beiseite – ohne Hast, aber auch ohne unhöfliche Verzögerung – und deutete auf die bereitstehenden Stühle. Der Hochprinz von Netheril war vor allem eines – alt. Unter der schwarzen Robe war er ausgemergelt und kahl und  tiefe Schatten zerfurchten sein langes, graues, faltiges Gesicht wie Risse ein altes Monument. Er trug keinen Schmuck bis auf einen Siegelring, keine Krone, kein Zepter, keine Symbole der Macht. Grimwardt hatte vor genug Thronen und Herrschern gestanden, um zu wissen, dass Diplomatie im Krieg eine Schlacht wie jede andere war, wo der Auftritt über Sieg und Niederlage entschied. Wenn Telamont sich entschlossen hatte, keine „Waffen“ mitzubringen, dann wollte er sie entweder täuschen oder Ihnen zeigen, dass er sie nicht brauchte. Grimwardt tippte auf Letzteres. Die Umwandlung zum Umbranten verlängerte das Leben eines Menschen, doch sie machte ihn nicht unsterblich. Telamont hätte den Untod wählen können wie Szass Tam oder sich in Illusionen hüllen können, die alle sichtbaren Zeichen des Alters verschleiern. Aber die Zurschaustellung seines Alters war eine Botschaft: Seht her, ich habe Karsus‘ Fall überlebt und den Niedergang des alten Imperiums und die Jahrtausende währende Diaspora meines Volkes. Die Jahre haben meinen Körper zerfurcht wie einen alten Baum, aber meinen Geist haben sie geschärft, den Geist, der sich noch an das Goldene Zeitalter von Netheril erinnert und nicht eher ruhen wird, bis es wieder erstrahlt.
Grimwardt war erleichtert, als er spürte, wie in ihm so etwas wie Respekt für den alten Tyrannen aufkeimte. Nichts war bedauerlicher als ein Feind, der den Stahl nicht wert war, der ihn richten sollte. Nachdem sie die üblichen Förmlichkeiten ausgetauscht hatten, kam Telamont gleich zur Sache.
„Man hat einen Angriff auf eine meiner Städte verübt.“ Der Blick der nebeltrüben Augen in den tiefen Höhlen war unverwandt auf Grimwardt gerichtet. „Es ist meine Pflicht, meine Bürger zu schützen und Rasilith zurückzuerobern. Viele werden in diesem Krieg sterben. Nicht Ihr. Nicht ich. Ihr denkt vermutlich, dass ich Tausende opfern würde, um Faerûn unter meinem Banner zu vereinen. Doch dieser Krieg nützt niemandem. Ich habe Netheril unter einem Glauben vereint und ich werde Faerûn unter diesem Glauben vereinen. Ich habe viele Tausend Jahre gewartet und wenn es mich weitere tausend Jahre kosten soll, bis die Menschen erkennen, dass die Stärke in der Einheit der Dunkelheit liegt, dann soll es so sein. Dies sind meine Forderungen: Die Sandfürsten und ihre Verbündeten ziehen sich aus Rasilith zurück und kommen für die Reparatur des magischen Knotens auf.“ Faust stieß ein empörtes Schnauben aus, das der Herr von Netheril ignorierte. „Die Stadt wird künftig von einem Rat regiert, der zu gleichen Teilen aus Bedinen und Netherim besteht. Die Bedingung: Alle Bedinen haben in Rasilith oder einer anderen Wüstenstadt sesshaft zu werden und die Sandfürsten müssen ihre Waffen abliefern und ihre Aktivitäten einstellen.“
„Das ist lächerlich“, bemerkte Faust. „Die Bedinen sollen zulassen, dass Ihr all diejenigen, die sich nicht zu Eurer Dunklen Göttin bekennen, wieder vom magischen Netz abschneidet und auch noch dafür bezahlen?  Vielleicht ist Eure Stadt nicht das einzige, das ein bisschen Erhellung gebrauchen könnte.“
Telamont Tanthul verzog keine Miene, als er Faust musterte.
„Für einen Mann Eurer Stellung seid Ihr offenbar schlecht geschult in diplomatischen Fragen, sonst wüsstet Ihr, dass Mangel an Respekt kein Zeichen von Mut ist.“
Wo er Recht hat, hat er Recht.
„Was mein Begleiter auf seine ungehobelte Art ausdrücken will“, brummte Grimwardt, „ist, dass die Bedinen in ihrer derzeitigen Situation einem solchen Handel niemals zustimmen werden.“
Was wollte Telamont mit diesem Angebot bezwecken? Ihm musste klar sein, dass seine Forderungen unrealistisch waren. Warum sollten sich die Bedinen auf einen solchen Kuhhandel einlassen, wenn sie die Unterstützung der Westallianz hatten? Hoffte er tatsächlich, einen Krieg abwenden zu können und zu seiner alten Taktik der schleichenden Unterwanderung zurückkehren zu können?
„Darum sollt Ihr es ihnen ja auch unterbreiten.“ Der Hochprinz sah Winter an. „Euch sollte am meisten daran gelegen sein, diesen Krieg zu verhindern mit Eurer Attentäterin von einer Tochter in der Schusslinie. Oder glaubt Ihr, ich hätte vergessen, wer für den Tod meines Sohnes Hadhrune verantwortlich ist?“
Grimwardt stutzte.
Hadhrune?, wunderte sich auch Faust. Das ist eine halbe Ewigkeit her. Was ist mit dem Zwilling, den ich in Eileanar geköpft habe? Entweder der Kerl kann nicht richtig zählen oder er weiß nicht, was unter seinem eigenen Dach passiert.
Womöglich ist die Intrige der Eileanar-Verschwörer gegen den Hochprinzen selbst gerichtet, mutmaßte Grimwardt. Er zögerte einen Moment, dann sagte er telepathisch: Wir sollten ihn aufklären.
Warum?,
wandte Winter ein. Was kümmert es uns, wenn seine Söhne ihn stürzen wollen.
Wir wissen nicht, was sie planen, hielt ihr Bruder dagegen.
Sehe das wie Winter, pflichtete Faust der Zauberin bei. Alles, was Umbra schwächt, stärkt uns.
Grimwardt verzog missmutig das Gesicht. In letzter Zeit wurde er nur allzu häufig überstimmt und sowohl Winters zynischer Pragmatismus als auch Fausts draufgängerische Brecheisen-Tour stießen ihm immer bitterer auf.
Wir. Sagen. Es ihm.
Grimwardts Kieferknochen mahlten. Er hatte lange genug tatenlos zugesehen, wie die beiden diesen Krieg zu ihrem persönlichen Schlachtfeld machten.
Wie du meinst.
Schulterzuckend wandte Faust sich an den Hochprinzen: „Vielleicht solltet Ihr Euren Blick statt in die Wüste einmal nach innen richten und Eure Söhne durchzählen.“
Telamont zog verärgert die Augenbrauen zusammen.
„Sofern Ihr Eure kryptischen Andeutungen nicht weiter ausführen wollt, darf ich diesen Einschub wohl als Desinteresse an unseren Verhandlungen werten.“
„Vielleicht könnte ich ausführlicher werden, wenn Ihr gewillt wäret, Euer Angebot ein wenig zu erweitern.“ Faust machte sich nicht einmal die Mühe, seinen Hohn zu kaschieren. Grimwardt konnte nur verdrossen den Kopf schütteln.
Telamonts Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Ich glaube, Ihr missversteht meine Absicht“, sagte der Hochprinz schneidend und mit einer Kälte, die die Kerzen zum Flackern brachte und die Schatten noch tiefer in sein zerfurchtes Gesicht grub. „Ich bin kein Händler, der um ein Gut feilscht, sondern ein Bestohlener, der sein Eigentum zurückfordert. Nur dem Umstand, dass netherisches Blut durch ihre Adern fließt, haben die Bedinen es zu verdanken, dass sie nicht längst unter dem Wüstenstaub der Anauroch begraben liegen.“ Er erhob sich. „Ich erwarte Eure Antwort innerhalb von drei Tagen. Ansonsten werde ich entsprechende Schritte einleiten.“
Auf eine harsche Geste trat sein Sohn Melegaunt an seine Seite und setzte zu einer Teleportationsformel an. Das Gespräch war beendet. Kopfschüttelnd starrte Grimwardt auf die Stelle, an der er verschwunden war. Seine Zornader grub sich tief in seine Stirn. Winter und Faust schienen es nicht einmal zu bemerken, während sie ihre weiteren Schritte diskutierten, als hätten sie nicht soeben den mächtigsten Mann des westlichen Faerûns aufs Schändlichste beleidigt und jede Hoffnung auf eine diplomatische Lösung für diesen Konflikt in den Wind geschlagen. Ihre Worte rauschten an Grimwardt vorbei wie ferner Schlachtenlärm.
„ … hast recht. Wir sollten nicht zu den Sandkämpfern in die Anauroch zurückkehren und mit ihnen in den Krieg ziehen. Genau das erwartet Telmont doch. Gehen wir lieber dem Geheimnis von Eileanar auf den Grund“, drangen Fausts Worte schließlich zu ihm durch.
„Ohne mich.“
Grimwardts Worte drangen ganz tief aus dem Keller. Die beiden sahen ihn verwundert an.
„Ein General lässt seine Truppen nicht im Stich, erst recht kein Priestergeneral. Unsere Wege trennen sich hier.“

Nightmoon

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Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #350 am: 09. Dezember 2014, 01:20:30 »
Wow, das kam unerwartet, obwohl ich immer wieder überlegt habe, wie es wohl weitergeht! Aber das Warten hat sich ja gelohnt! Inhaltlich echt schwerer Stoff den du da in eine schöne Form gebracht hast! Gerade der Kampf der beiden Auserwählen war legendär! Da werden Erinnerungen wach! ...hab ja im Januar auch bald Geburtstag... ;)

Winter

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Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #351 am: 09. Dezember 2014, 22:43:49 »
Oh was für ein wunderbares Geschenk   ::)
Ich denke immer wieder gern an diese Kampagne...und bin froh dass wir die Gelegenheit hatten, sie zu vollenden...

Nightmoon

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    • Schicksalsstreiter
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #352 am: 14. August 2015, 20:06:16 »
Lang ists her, aber ich denk immer wieder an die alte Runde zurück... irgendwann muss ich glaub ich wieder nen Faust spielen, egal in welchem System. Ich habe die Theorie aufgestellt, dass Rollenspiel mehr ist, oder sein kann, als eine andere Rolle zu spielen. Wie Faust schon sagt "zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust", doch ich glaube es sind eben noch mehr. In der realen Welt gibt es aber zumindest immer den Teil des eigenen Ichs, welcher eher bodenständig ist und ein "normales" Leben anstrebt und den Teil, welcher eben immer nach mehr strebt. Man kann aber nur dem einen Weg folgen, da sich beide gegenseitig mehr oder weniger ausschließen. Rollenspiel gibt einem die Möglichkeit dem anderen Ich seinen Lauf zu lassen, ihm ein alternatives Leben zu ermöglichen. Ich glaube Faust ist sozusagen mein rastloser Part, der nie zum Augenblick "verweile!" sagt. Ab und zu bricht der Gute auch so nochmal im wahren Leben aus einem raus, aber durch das Rollenspiel kann man ihn wirklich leben lassen. Wenn ich mit allen Prüfungen durch bin, werd ich die Geschichte nochmal ganz von Anfang an lesen, hab ich mir vorgenommen, da es sich anfühlt, als hätte wirklich ich diese Dinge erlebt und es einem wie ein Schwelgen in alten Erinnerungen vorkommt.

Denk also nicht wir würden nicht mehr auf weitere Kapitel warten! ;)
Hab nur leider im Moment echt viel um die Ohren...

Winter

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Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #353 am: 20. Januar 2018, 21:58:07 »
 Schaue einen der diversen Teile aus Pirates of the Carribean und muss an euch, an uns denken

Nightmoon

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    • Schicksalsstreiter
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #354 am: 11. September 2023, 18:01:19 »
Muahahahaha...
da ich hier noch ein Ende brauche, habe ich mich dran gemacht mit dem Rest meiner Erinnerungen und ein paar Erfindungen und Sachen aus Meta-Gesprächen weiterzuschreiben. Natürlich nicht in der Qualität wie das Original, aber ich brauche ein Ende für die Reihe... und chat gpt hat leider nur Müll ausgespuckt...



Kapitel VIII: Schach

Winter
Irgendwo in Thay, drei Tage später
Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen, doch als Grims Sturheit in die Schlacht zu ziehen plötzlich obsiegte, fühlte es sich dennoch an, als hätte man einen Teil von ihr plötzlich abgehackt. Sie kämpften nun nicht mehr gemeinsam. Faust und Winter hatten immer wieder auf ihn eingeredet und argumentiert, doch sie hätten genauso gut auf eine Statue von Tempus selbst einreden können.
Es stand fest: Grimwardt würde mit den Sandkämpfern in die Schlacht ziehen.
Weder Faust, noch Winter waren jedoch bekannt für ihr großes strategisches Können in der Schlacht. Doch Fausts Frust lieferte ihr einen Strohhalm, nach dem sie griff.
„Zum Kotzen, diese ganze Kriegsscheiße. Für Telamont ist das ganze doch nur ein Spiel, dass clevere Magier in ihren Elfenbeintürmen spielen. Und Grim spielt freiwillig den Bauern auf dem Schachbrett..."
Die Metapher verleitete Winter zu der Idee, entgegen ihrem Bauchgefühl den mächtigsten Magier von Thay zu kontaktieren. Sein Angebot bestand noch immer und so dauerte es nicht lange und Drake arrangierte ein Treffen. Diesmal ohne Grimwardt und somit mit sehr viel weniger Moral im Gepäck.
Der Duft der exotischen Gewürze, welche in der Küche des kleinen Gasthauses irgendwo im Nirgendwo Thays verwendet wurden, hätte Winter früher sicher ins Schwärmen gebracht, hätte sie den Moment mit Dorien verbracht und das Leben genossen. Doch scheinbar konnten auch Gerüche an Farbe verlieren und immer grauer werden, dachte sie melancholisch.
„Wie schön euch in meinen Landen willkommen heißen zu dürfen." Wie aus dem nichts stand Szass Tam in seiner unversehrten Wahlgestalt vor ihnen und setzte sich an den Tisch. „Ich kann euch nur empfehlen zum Essen zu bleiben, die Speisen hier sind ein wahrer Geheimtip." Lächelte er süffisant. Ob er wohl ihre Gedanken gelesen hatte?
Ziemlich sicher war nur, dass der Lich in seiner Planung den beiden bereits um einiges voraus war. Winter konnte die Methoden von Magiern noch nie wirklich nachvollziehen. Die wunderbare Komplexität der Magie auseinander zu nehmen und auswendig zu lernen, anstatt sie einfach zu spüren und fließen zu lassen, wäre nie ihr Weg gewesen. Doch die emotionslosen, weitreichenden Gedankengänge dieser Gruppe der Magieanwender hatten natürlich auch durchaus ihre Vorteile. Und darum brauchten sie ihn in diesem Spiel.
„Die Freude ist natürlich ganz auf unserer Seite, bla bla bla. Können wir jetzt Klartext reden?" brach es aus Faust hervor. „Es ist doch so, Wir können dich nicht leiden und du uns vermutlich auch nicht, aber das ist gerade ja auch scheiß egal. Telamont muss weg. Und das wollen wir alle. Nur wird uns dein magischer Firlefanz, den deine roten Magier an jeder Ecke verkaufen dabei nicht helfen."
„Viel mehr sind wir an eurer Erfahrung und eurem Wissen interessiert." rette Winter das Gespräch, bevor Faust den nächsten mächtigen Magier verärgern konnte. „Ihr habt schon zahllose Schlachten geschlagen und die meisten davon ohne selbst viel zu kämpfen. Einfach durch eure hervorragende Planung. Wie ihr schon sagtet: Ihr seid die Spieler, wir sind die Figuren in diesem Schachspiel. Welcher Zug könnte Telamont zu Fall bringen?"
Szass Tam lehnte sich in seinem Stuhl zurück und steckte sich in aller Ruhe eine Pfeife an. „Nun, ihr scheint euch ja dieser zugeschriebenen Rolle schon ganz gut gefügt zu haben. Das ist fast schon bedauerlich, bedenkt man das Feuer und die rohe Energie die in eurer Gruppe steckt. Aber ihr habt recht. Telamont wird euch immer zehn Schritte voraus sein, so lange ihr sein Spiel spielt. "
Faust probierte bereits das scharfe Chili, welches ihm gerade serviert wurde und sprach mit vollem Mund „Mag sein, aber vielleicht wissen wir einiges, was einige seiner Söhne gegen ihn und die anderen aushecken. So was können wir uns doch zu nutze machen? Ein kleiner Familienkrieg und wir haben die Typen nicht mehr als unser Problem."
Winter wartete gespannt auf die Reaktion und Antwort des Leichnams. „Ah, Intrigen. Auch sie gehören zu diesem Spiel und ein guter Spieler kann sie nutzen um seinen Gegner zu überraschen und sich einen Vorteil zu verschaffen." Er schaute den beiden mit seinem scharfsinnig schneidenden Blick in die Augen. „Aber ohne euch zu nahe treten zu wollen, das seid ihr nicht. Dieses Spiel zu spielen erfordert Jahrhunderte der Erfahrung und diese Zeit habt ihr nun einmal nicht."
Winter verschränkte die Arme „ Und jetzt kommt vermutlich der Teil bei dem wir EUCH diese wichtigen Informationen geben sollen, damit IHR sie in eurer Allwissenheit gegen Telamont einsetzen könnt?"
Szass Tam setzte ein gütiges Lächeln auf „Das wäre aber auch wirklich zu einfach, oder? Vielleicht würden mir eure Informationen nutzen." Er blies eine Rauchwolke aus „Wenn ich aktiv gegen ihn vorgehen würde. Doch Thay ist nicht im Krieg mit den Umbranten."
„Also willst du uns nicht helfen. Toll, danke für gar nichts. Keine Angst, ich bezahl mein Chili auch selber!" Faust wollte aufstehen, als die kalte Hand des Zulkirs sich auf seinen stählernen Arm legte.
"Ihr seid so überstürzt. Als ich sagte, welches Feuer in euch brennt, da meinte ich es ehrlich." Faust setzte sich wieder, trotz seiner Ungeduld. „Ihr werdet Telamont nie in seinem Spiel besiegen. Darum müsst ihr ein anderes Spiel daraus machen. Egal wie viele Züge man beim Schach bedacht hat, tauchen aus dem nichts mehrere Damen auf, was die Regeln nicht vorsehen, so nützt einem all sein Wissen über das Spiel gar nichts mehr und damit könnt ihr ihn bezwingen." Der Lich ließ seinen Worten ein wenig Zeit, auf seine Hörer zu wirken. Winter meldete sich als erste zu Wort.
„Ihr meint, wir tun etwas, womit er nicht rechnen kann? Aber, was sollte das sein?"
„Wisst ihr, ich plane auch gerne im voraus. Es verschafft mir Sicherheit und ich kann mich entspannt auf die nächste Situation einlassen, da es eine der vielen Situationen sein wird, die ich vorher bedacht habe. Und Plötzlich taucht eine Gruppe von Spielfiguren aus dem nichts auf, die schon lange aus dem Spiel genommen wurden." Er hatte Recht. Ihr Auftauchen aus dem Zeitstrom schien niemnd vorhergesehen zu haben. „Egal welchen Zug sie nun machen, er zerschießt alle vorher getroffenen Pläne. Euer Begleiter, der Kriegspriester, er ist zu durchschauen und Telamont wird das zu nutzen wissen. Aber ihr beiden..." Wieder musterte er Winter und Faust, als suche er etwas in ihnen, das sich versteckte „Ihr seid Chaos. Aber nicht das von der lästigen Sorte wie eine Fliege, die man erschlägt, sondern Chaos mit Macht. Nur das Undenkbare kann einen Denker zu Fall bringen. Das unaufhaltsame und gnadenlose Feuer das in euch brennt. Wenn ihr bereit seit es zu entfachen, mit dem Risiko oder der Gewissheit auch euch selbst damit auszulöschen und die Grenzen des Denkbaren zu verbrennen, dann besteht die Chance, dass Telamont all seine Pläne nichts mehr nützen." Winter und Faust tauschten Blicke aus. „Jedoch wisst ihr viel besser als ich, zu was eure Kraft euch treiben könnte, zu was ihr Fähig wäret, würdest ihr all euer Potential ausschöpfen. Darum ist das alles was ich euch bieten kann. Abgesehen von meinem magischen Firlefanz." So erhob sich Szass Tam und lächelte mit einer Mischung aus Neugier und Ermutigung und verabschiedete sich, wissend, dass sein Zug so verlief wie er es geplant hatte.


Faust
Silbrigmond, einige Tage später

Weil du das aufregendste Ergebnis versprichst... Deine Entscheidungen sind völlig unvorhersehbar ... Die Worte des Sarrukh schallten durch seinen Kopf, als er sich eine Pause von seinen Recherchen gönnte. Noch immer konnte er trotz aller Informationen, die er zu den Titanen zusammengetragen hatte keinen Anhaltspunkt finden, wie es ihnen möglich war die Götter zu töten.   Und doch klang bei dem Namen des ersten und letzten Titanen, Kronos, etwas in seinem Geist nach...
„Bist du so weit?" Winter riss ihn aus seinen Gedanken, als er sich selbst auf den manifesten Teil seiner Tattoowierung starrend ertappte. Er hatte inzwischen immer mehr feinheiten und Details des Wortes entziffern können und verstand einige der Zusammenhänge. Doch manches war ihm noch immer unklar.
„Wenn du es bist. Eileanar wird kein Spaziergang. So wie wir Karsus Zuhause verlassen haben dürfte dort nun alles zugewuchert sein von diesem Pilzmatsch."
„Ich schätze, das wird unser kleinstes Problem sein. Wir müssen damit rechnen, dass die Umbrantenprinzen wieder dort sind, aber diesmal haben wir weder Drizzt, noch Grim dabei. Und was genau uns im Allerheiligsten von Karsus selbst erwartet wissen wir auch noch nicht."
Faust runzelte die Stirn. „Mag sein, aber die Jungs haben ordentlich was auf die Fresse bekommen und nachdem Papa nun vermutlich nochmal genauer hinschaut, wird der verbliebene Glatzenzwilling damit beschäftigt sein in Umbra alles normal aussehen zu lassen. Wir bekommen raus, was die Chorknaben da gesucht haben und dann schauen wir, ob wir ihre Revolution oder Telamont selbst unterstützen um die Anauroch zu befreien, während die sich gegenseitig zerfleischen. Grim wird zwar rumheulen, wenn wir diesen glorreichen Krieg verhindern, aber Scarlet und die anderen werden heil davon kommen. Außerdem platzt du förmlich vor Energie seit..." Der stille Schmerz in seiner Brust ließ ihn stoppen und auch Winters Miene zeigte ihm, dass Elias Opfer sie beide tief verletzt hatte.
„Faust, ich..." „ich hätte es auch getan." Ohne sie anzuschauen unterbrach er sie. „Wir sind nur noch hier, weil wir sind was wir sind. Kompromisslos wenn es sein muss. Elias wusste das, weil er so war wie wir. Er war der erste, aber auch du und ich werden irgendwann an unserer zerstörerischen Art zu Grunde gehen." Er schaute ihr wieder in ihre smaragdgrünen Augen, welche der umbrantischen Blässe noch immer trotzten. „Fragst du dich manchmal, was gewesen wäre, wenn wir auf der anderen Seite gelandet wären? Ich denke die Welt hatte einfach nur Glück, dass wir durch verschiedene Zufälle gegen Teufel und Umbranten kämpfen und nicht mit ihnen. Natürlich sage ich mir, dass wir das Richtige tun, aber Macht und Chaos sind das was uns beide immer anziehen wird."
Winter setzte sich ihm gegenüber. Ihr Gesicht vermochte immer schon mehr auszudrücken als die meisten Menschen mit Worten sagen konnten. Es war Zeit offen zu sprechen.
„Ich war mit Werwölfinnen, Halblinsdamen, Riesinnen und Erzdämoninnen zusammen, aber keine war auch nur im Ansatz so wie du. Du bist die Perfektion dessen was Macht und Chaos hervorbringen können. Hades und Elias sehen ein Monster in dir, aber sie konnten nur nicht unter die Rüstung deiner Macht schauen. Ich sehe dich wie du bist. Deine innere Stärke, auch wenn die ganze Welt gegen dich ist, selbst deine Tochter für die du alles tun würdest."
Er spürte ihre zarte Hand auf seiner ruhen. Wieder musste sie kein Wort sagen. Ihre Berührung unterstrich wie sehr sie sich zueinander hingezogen fühlten, doch ihr Blick machte ihm klar, dass nicht einmal Sune selbst jemals die Wunde heilen könnte, die Dorien in ihrem Herzen hinterlassen hatte. Aber es war ihm egal. Auch wenn alle anderen sie aufgegeben hatten, er würde einen Weg finden Winter zu der zu machen die sie verdiente zu sein. Kaum jemand hatte unter der eigenen Macht so gelitten wie sie und das musste ein Ende haben. „Ich werde bei dir bleiben. Bis zum Ende. Deinem, meinem oder unserem."
Gerne hätte er die Zeit eingefroren um ihre Umarmung ewig festzuhalten. Er versuchte jede Einzelheit des Moments in sich aufzunehmen um sich daran erinnern zu können. Eines hatte die Zeit ihn gelehrt: Jeder erlebte Augenblick ist der letzte seiner Art. Und irgendetwas fühlte sich bereits nach einem Ende an, so sehr er sich auch wünschte, dass es der Anfang von etwas neuem wäre.

Einige Stunden später trafen sie sich mit Drake und Miu in Winters Haus. „Wisst ihr was ich mich frage?" Drake blickte über die Schriftrollen und die anderen schönen Dinge, die Szass Tam ihnen als magischen Firlefanz mitgegeben hatte. „Warum arbeitet ihr jedes mal umsonst?" Ihr wollt gar nicht wissen, wie viel die Thayanischen Glatzen mir für den Ausflug nach Eileanar zahlen und das alles hier gab es gratis dazu. Und ihr nehmt keine scheiß Kupfermünze, obwohl euch hier keiner mehr leiden kann. Selbst unsere kleine Kung-Fu Nonne hier scheint langsam gefallen an den angenehmen Seiten des Lebens zu finden."
Natürlich sagte Miu dazu nichts, aber Faust meinte ein kleines fick dich, Drake in ihren Augen gelesen zu haben.
„Du kannst uns doch leiden, Drake. Das reicht uns vollkommen aus." lächelte Winter entwaffnend. „Können wir dann nun endlich los?" Bereit zur Teleportation hielt Winter ihre Hand über die Mitte des Tisches, während Drake alles einpackte. „Bereit." nickte Miu nur kurz und legte ihre Hand auf Winters. „Natürlich, wer träumt nicht davon, sich von den Prinzen von Umbra schmelzen zu lassen? Wenigstens kann ich durch diese eklige Pilzmasse einfach hindurchgleiten, während ihr euch stinkend und verschleimt durchhacken müsst." Auch Drake legte seine Hand auf Winters. Faust schaute sich den Haufen den man einmal die Schicksalsstreiter nannte noch einmal an und legte seine Hand dazu. „Dann mal auf ins Verderben." Und nach einem Lidschlag versetzte Winter sie aus dem Raum.



Winter
Rasilith, einige Stunden zuvor

Ihre Unterhaltung mit Faust war ihr unter die Haut gegangen. Er war nun der vielleicht größte Krieger Faeruns geworden. Doch zu welchem Preis? Seine Schwester war tot, getötet von seinem einstigen Waffenbruder, den er daraufhin auch töten musste. Sein Freund Elias von ihr ermordet und  der Orden vernichtet. Sein Vater war nun ein Erzteufel und selbst seine Mutter war aus seinem Leben getreten. Grim, Miu, sie und sogar Drake waren alles was ihm noch geblieben war. Alle anderen wurden letztenendes von seinem Streben nach Macht vernichtet. Und Winter selbst ging es kaum besser. Ihr wurde übel beim Gedanken daran wie kurz die Vision des Desayeus davor stand in Erfüllung zu gehen. Was bliebe noch von ihr, wenn sie Scarlet nicht... nein, daran durfte sie nicht denken. Doch die Schatten einer Welt in der Faust und sie die letzten waren, die noch übrig blieben, kratzten an ihrem Verstand. Und Szass Tams Vorschlag all ihre Macht zu nutzen, befeuerte diese Vorstellung noch mehr. Sie musste hier her kommen. die letzten Anker an ihr altes Leben waren alle hier.
Grim? Nach einem Moment der Stille antwortete ihr Bruder ihr in Gedanken. Was gibt es? Hast du dich doch entschieden mir in der Schlacht zu helfen? Selbst in Gedanken war sein Ton rau, doch es war auch sein rauer Ton, der ihr immer ein Gefühl von Geborgenheit gegeben hatte. Egal wie viel er fluchte, sie wusste immer, dass sie bei ihm in Sicherheit war. Nein, aber ich wollte nach euch sehen.  Geht es Scarlet gut? Und wie geht es dir? Sie merkte noch beim Fassen des Gedankens, dass das Keine Frage mehr war, die man dem Auserwählten des Tempus stellte, aber ganz weg war ihr Bruder schließlich auch noch nicht. Er wurde immer mehr zu dem Idealbild seiner selbst, doch die kleinen Risse in seiner Fassade legten für sie doch immer noch den Blick auf ihren Bruder frei. Jaja, mir geht es wunderbar und Scarlet, Laguna und Nimoroth auch. Zufrieden? Sagst du mir jetzt, was du und die anderen Chaoten vor habt? Sie zögerte kurz, aber er würde sie ohnehin nicht aufhalten können und das wusste er genau wie sie. Wir gehen nocheinmal zurück nach Eileanar und werden herausfinden was Telamonts abtrünnige Söhne vorhatten.
Seine Schweigen hielt einige unerträglich lange Sekunden an. Das wird nicht leicht. Aber vielleicht ist es klug. Ihr könntet eine weitere Unsicherheit beseitigen, die uns im Kampf gegen Telamont in den Rücken fallen und unseren Plan zu Nichte machen könnte. Winter runzelte die Stirn. Was für ein Plan? Es schien, als hätte Grim die Zeit gut genutzt, ob als Spieler oder Spielfigur vermochte sie nicht zu sagen. Das erfährst du dann, wenn du wieder hier bist. Wir werden dich brauchen. Ich werde dich brauchen. Darum gefällt es mir nicht, dass du jetzt dein Leben auf´s Spiel setzt, aber in Karsus Bibliothek könnte auch eine Antwort liegen auf Fragen die wir noch gar nicht gestellt haben. Aber kommt wieder! Es wird nicht gestorben, ist das klar? Sie nickte, als ob er sie sehen könnte und musste kurz kichern, als sie sich dabei ertappte. Nein, wir kommen wieder und dann erledigen wir das hier zusammen. Wie früher. Und Grim, wir müssen Telamont überraschen, ich meine so richtig, etwas tun womit er niemals rechnen kann, weil er es nicht für möglich hält! Wieder eine lange Pause. Das weiß ich auch. Gut, aber lasst euch nicht zu lange Zeit!

Sie wollte gerade wieder gehen, als sie die Gestalt vor sich bemerkte. „Nimoroth?" er drehte sich erstaunt um und lächelte freudig über sein ganzes Gesicht. Eine Reaktion die Winter lange nicht mehr hervorgerufen hatte. „Winter! Es ist schön, dass du da bist!" Bei niemandem klang diese Floskel so ehrlich gemeint wie bei ihrem früheren Waldelfengefährten. Doch das war es nicht, was Winters Augen glasig werden ließ. Natürlich mochte sie ihn - wie jeder - doch sie hatte Nimoroth immer für einen naiven Weltverbesserer gehalten, der in seinem Glauben an das Gute blind war für die Komplexität der Welt. Er war sich immer treu geblieben, egal was kam. Damals dachte sie, dass es irgendwann sein Verderben werden würde, oder er an der Menge des Übels in der Welt verzweifeln würde. Doch hier standen sie nun und sie sah sich selbst. Was sie hätte sein können. Sie hätte ihm folgen können, damals, als sie die Suche nach der Bastion der ungeborenen Seelen aufgegeben hatten.
„Was ist los? So kenne ich dich gar nicht. Ist etwas mit Scarlet?" Behutsam legte er seine Hand auf ihre Schulter.
„Nein, das ist es nicht. Ich wünschte ich hätte die Welt immer so sehen können wie du. Sie zusammen mit dir, Kalid, Dorien und Grim zu einem besseren Ort machen. Du hast so viel aus deinem Leben gemacht, so vieles erreicht. Und ich... ich mache alles kaputt was ich anfasse. Warum verachtest du mich nicht, so wie es die anderen tun? du weißt, dass ich es verdient hätte."
Er hielt einen Moment inne, ehe er ihr mit seinen ehrlich gütigen Augen ansah. „Die Ältesten in meinem Stamm halten sich für reiner als die anderen, denn sie töten kein Lebewesen. Auch in den Augen der meisten anderen Waldelfen hebt sie das von den anderen ab. Aber sie verschweigen die Wahrheit, dass wir nur leben können, weil wir anderes Leben nehmen. Die Jäger schämen sich gar, wenn sie den Ältesten begegnen und zuvor ein Tier ausgeweidet haben. Doch nehmen sie die Gaben  von Wildbret gerne an, denn eigentlich wissen sie, dass sie ihr reines Leben nur leben können, weil es die Jäger gibt."Der Waldelf hatte tatsächlich die Fähigkeit in allem das Gute zu sehen. auch dort wo sie und andere nur Schatten und Leere sahen.
„Dass wir damals versagt haben, habe ich mir nie verzeihen können. Ich musste weiter mit ansehen, wie immer häufiger seelenlose Kinder geboren wurden. Ashardalon hatte damals so viel Leid über diese Welt gebracht und ich konnte nichts tun. Mir fehlte der Mut zu tun was du tatest. Du hast Recht, Kalid und ich helfen dabei diese Welt zu einem besseren Ort zu machen." Wieder eine Pause. Sein Blick wurde ernster. „Doch Heldinnen wie du sind der Grund warum es noch eine Welt gibt, in der ich Gutes tun kann. Du siehst die Dinge die ich tue, doch ich sehe auch jeden Tag die Dinge die ich nicht getan habe. Und ich danke dir, dass du diese Bürde für uns alle trägst." Nimoroth unterstrich seine Worte mit einer elfentypischen Verneigung. „Ich weiß du hast viele Schlimme Dinge getan. Doch ich freue mich auf den Tag, an dem du getan hast, was du tun musstest. Wir werden einen Weg finden, dich von deiner Last zu befreien, wenn es so weit ist... elen síla lúmenn' omentielvo, Winter. Auf dass wir uns bald unter schöneren Umständen wiedersehen!"
Sie dachte noch eine Weile über Nimoroths Worte nach und auch wenn sie sich und Faust nicht so sehen konnte wie er, ahnte sie doch, dass eine gewisse Wahrheit in seinen Worten steckte, die ihr neuen Antrieb verlieh. Sie würde sein, was sie für diese Welt sein musste.


Grimwardt
Rasilith, am Abend

„Es wird meiner Mutter nicht gefallen, aber es ist die einzige Chance, die wir haben, Onkel!" Scarlet hatte mit beidem Recht, wie er es auch wendete und welchen anderen Plan er auch in Angriff nahm, es lief immer wieder darauf hinaus. doch etwas in Grimwardt weigerte sich es zu akzeptieren.
„Vergiss es. Ich werde dich nicht zu diesem Schattenknoten bringen, damit du dich opfern kannst. Deine Tempusgefällige Bereitschaft in den Tod zu gehen ehrt dich, doch das wird nicht reichen. Telamont wird einen neuen Schattenkonten errichten und dann war dein Opfer umsonst. Der Schlachtenherr hat mich nicht zurückgeschickt, damit ich ungestüm die nächstbeste Gelegenheit nutze um mich und dich in den Kampf zu werfen."
Ihre geballte Faust donnerte auf den Tisch. „Und wie sollen wir es sonst schaffen? Ist der Knoten zerstört, sind die Umbranten lange genug geschwächt, damit ihr Telamont und seine Brut auslöschen könnt! Das ist es wert! Und ich bin es meinem Volk schuldig!"
Er sah seine eigene Zornesfalte auf Scarlets Stirn blitzen. Wie gerne er sie bis zum Ende ausgebildet hätte. „Und du denkst, sie überlassen uns den Knoten einfach so? Telamont weiß doch genau wie du, dass wir nur diese Möglichkeit haben ihn zu bezwingen. Er hat sicher schon jedes Detail durchdacht und für jeden unserer Züge einen Gegenzug parat." Grimwardt merkte selbst, wie hoffnungslos seine Worte klingen mussten. Scarlet warf sich frustriert auf eines der ledernen Sitzkissen. „Also willst du nun was tun? Gar nichts? Wirklich? Dann haben wir bereits verloren, Onkel."
Der Auserwählte des Tempus starrte den Schlachtenplan mit seinen Figürchen an, als hoffte er sie würden diesen Kampf für ihn austragen. Hatte sie Recht? War sein Urteilsvermögen getrübt, weil Scarlet die Tochter seiner Schwester war? Die zu alledem zu einer Frau herangereift war, von der sich die allermeisten Heerführer eine Scheibe hätten abschneiden können? Selbst wenn er all seine emotionale Bindung an seine Nichte beiseite schieben würde, so wäre es immer noch ein unvergleichbar hoher Preis sie zu verlieren. Sie zu opfern um möglicherweise diesen Schlacht zu gewinnen - alles daran fühlte sich falsch an. Verdammt. Rote Ritterin, steh mir bei. Was übersehe ich? Grimwardt fühlte sich in diesem Moment hilflos und er hasste dieses Gefühl. So sehr dass er gar nicht bemerkte, wie seine geballte Faust zornig auf den Tisch schlug und dabei die kleinen Figürchen wild herum purzeln ließ. Scharf sog er die warme Luft der Wüste durch seine Nase ein um wieder klar denken zu können und betrachtete das Chaos, das sein Faustschlag verursacht hatte. Die Soldaten und anderen Avatare der Kriegsbeteiligten lagen kreuz und quer verteilt, als hätte die Schlacht schon stattgefunden. Seine eigene fand er irgendwo in der Mitte wieder, die seiner Schwester war in Umbra gelandet. Dann hielt er inne. Ein Teil des Modells der fliegenden Stadt war abgebrochen und weggerollt.
Ein Schauer lief ihm über den Rücken, denn er musste unweigerlich zurückdenken an den Tag seines Todes. Der Moment, als er nur hilflos niederknien konnte, während sich die Tentakel des Gedankenschinders in sein Hirn und seine Gedanken bohrten. Und doch hatten Winter und Faust ihn besiegt, obwohl Morloch alles bedacht hatte. Wir müssen Telamont überraschen, ich meine so richtig, etwas tun womit er niemals rechnen kann, weil er es nicht für möglich hält!
Er sandte ein innerliches Stoßgebet an die Rote Ritterin und seine Mundwinkel formten sich zu einem leichten Lächeln, während Scarlet ihn fragend anschaute.
„Was? ist dir was eingefallen oder drehst du jetzt auch durch?" Er sah seine Nichte an und hielt dabei das abgebrochene Stück in der geballten Faust. „Ich weiß jetzt wie ich meine mächtigste Waffe in diesem Krieg einsetzen muss. Doch, mit Verlaub, das bist nicht du, Scarlet." Die hohen Fürsten von Umbra würden bald erfahren was Angst bedeutet, wenn die Vergangenheit sich wiederholen würde.


Winter
Eileanar, am Abend

Faust hatte dieses mal nur wenig Arbeit mit dem Zerhacken von Pilzgewebe. Winter hatte sie ziemlich nah an die Akademie des Karsus heran teleportiert und nach einigen Metern waren sie dort. Welche Magie dem Ort auch noch immer innewohnte, sie war stark genug, um auch nach tausenden von Jahren das Pilzmonster fernzuhalten.
„Ich fürchte, die sind uns zuvorgekommen." Winters Wahrem Blick war Drakes geisterhafte Gestalt zwar bereits aufgefallen, bevor er sich wieder materialisierte, doch ein wenig unheimlich war ihr seine Fähigkeit noch immer. „Warum, was hast du gesehen?" Mit verschränkten Armen blickte er in die Runde. „Da drinnen ist natürlich alles zerstört, vom Absturz, aber der Staub wurde auch vor kurzem aufgewirbelt. Gesehen hab ich aber keinen mehr von denen. Schätze die haben was sie wollten." Faust knackte mit dem Genick. „Egal, die Burschen haben vielleicht etwas übersehen oder wir finden vielleicht zumindest heraus, was genau sie denn hier gefunden haben." Unbeeindruckt wie immer stapfte er los, in der Innere der Akademie. Miu folgte ihm, während Drake mit dem Kopf schüttelte und wieder in seine Äthergestalt wechselte.
Trotz all der Zerstörung war noch zu erahnen, was für ein prachtvoller Ort Eileanar einmal gewesen sein musste. Jedoch war auch zu sehen, was Drake gemeint hatte. Sie waren nicht die ersten gewesen, die hier hergekommen waren. Auch wenn sie wenig Hoffnung hatte noch etwas zu finden, konzentrierte sich Winter auf die Auren magischer Gegenstände - was ihr sofort eine Menge Kopfschmerzen bereitete. Die Aura der Akademie selbst war so gewaltig, dass es unmöglich war auf diese Art etwas zu finden. Nachdem Faust sie stützte und sie den Zauber fallen ließ ging es ihr glücklicherweise schnell wieder besser.„Alles ok? was hast du?" „Magie entdecken wirkt hier wie tausend Nadeln direkt ins Gehirn. Aber wenn es mir so geht, wird es den Prinzen nicht anders ergangen sein. das heißt, wir haben vielleicht doch noch die Chance etwas zu finden. Aber dazu müssen wir noch tiefer rein."
Auch wenn sie ein ungutes Gefühl hatten folgten alle Winters Plan. Tatsächlich wurden die frischen Spuren hier auch weniger. Sie waren vermutlich in einem Bereich angelangt, den nur noch die Prinzen selbst betreten hatten. Um schneller fündig zu werden teilte sich die Gruppe auf, wenn auch nicht zu weit. Dass die Sklaven der Umbranten diesen Bereich nicht mehr betreten hatten machte auch Winter skeptisch. Faust schmökerte in einem Buch, welches er vermutlich kaum lesen konnte. Drake schmiss ständig ein Kleinod nach dem anderen auf den Boden, welches ihm nicht wertvoll genug erschien, Nur Sie und Miu schienen sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der fein verzierte Schreibtisch, den Winter untersuchte war von einem Felsbrocken zerschmettert worden. Schnell war jedoch klar, das bereits jemand anders sämtliche Schubladen herausgerissen hatte und sich allem bemächtigt haben musste, was sich darin befunden haben mag. Dann stolperte sie jedoch über das abgebrochene Bein des Tisches, wodurch es einen halben Meter zur Seite rollte - und den Blick auf ein geheimes Fach preisgab! Winters Herz bebte, als ihre Hände zitternd den Inhalt herauszogen. Ein kleiner Schriftrollenbehälter. Versteckt. in der Akademie von Karsus selbst. Natürlich gut verschlossen und magisch gesichert wie sie gleich merkte und was ihre Neugier noch mehr anfachte. „Hier lag vor kurzem noch ein Buch!Man sieht die Umrisse im Staub." Miu hatte etwas gefunden und riss sie aus ihren Gedanken.
Alle betraten nun den großen Saal. Fausts Augen weiteten sich. „Das ist der Raum! hier ist Karsus..." Sein Blick fiel auf ein erbärmlich aussehendes Bündel Haut und Knochen, gewickelt in eine immer noch kostbar aussehende Robe. Winter betrachtete den Leichnam mit gemischten Gefühlen. Im Tod sahen wohl auch die größten ihrer Zeit ganz klein aus und verloren damit allen Glanz und Ehrwürdigkeit, die sie im Leben einst besessen hatten. Ein trauriges Ende... „Seltsam, dass die Prinzlein nicht noch mehr haben mitgehen lassen. Der Fummel von dem Gerippe sieht wertvoll aus!" Hallte Fausts Stimme durch durch den Saal.
Und dann erstarrte Winter. Sie konnte sich nicht mehr rühren, nahm die verwirrten Blicke ihrer Gefährten auf sie nur peripher wahr. Alles in ihr ergab sich nun der Präsenz vor ihr, die die anderen noch nicht sehen konnten. Der Geist des mächtigsten Magiers, den die Menschheit je kannte schwebte erhaben vor ihr. Als auch die anderen erstarrten wurde ihr klar, dass Karsus sich nun vor ihnen allen manifestiert hatte. Sein Blick glänzte vor Scharfsinn, doch zugleich mit einer getriebenen Rastlosigkeit. Diebe. Es ist mein Werk. Mein Meisterwerk. Ihr werdet nicht noch mehr erbeuten! Die Feindseligkeit der kalten Stimme in ihrem Kopf war unverkennbar, wie auch die Erkenntnis, was die Söhne Telamonts erbeutet hatten. Der Abdruck im Staub. Karsus´ Meisterwerk. Und sofort setzte der Geist zu einem Zauber an. Faust klappte zusammen, als hätte man ihn aller Muskeln beraubt. Sofort folgte ein weiterer Zauber und Drake wurde zur Statue, während einen Wimpernschlag später Miu erstickend im Staub landete. Es war dieser Augenblick, der Winters Geist erlaubte alle Anstrengungen zu mobilisieren und sich aus der Starre zu befreien. Nur der Umstand, dass die anderen sich um die Leiche des Erzmagiers gestellt hatten retten ihnen im letzten Moment das Leben. Winter spürte noch den Hauch der unglaublichen Kraft eines Zaubers, der sie alle vernichtet hätte, als sie sich und die Versehrten mit einem Teleportationszauber nach Rasilith brachte. Zum Glück waren Grimwardt und Nimoroth schnell zur Stelle, so dass alle Beteiligten den Ausflug nach Eileanar überlebten.
„Grim, wir müssen reden." Entmutigt nahm Winter ihren Bruder beiseite. „Ich weiß jetzt was sie vorhaben. Sie haben Karsus´ Zauberbuch. Einer von ihnen wird sich einen Gott einverleiben" „Shar..." Winter konnte sehen, dass Grimwardt besorgt war, allerdings nicht so sehr wie er es sein sollte. „Du hast einen Plan, oder?" Sein Blick musterte sie. „Vielleicht. Wie stark sind deine Kräfte inzwischen." „Jedenfalls nicht so stark wie die von Shar!" Was sollte diese Frage? Er setzte das Gespräch in ihrem Geist fort. Natürlich nicht wie Shar! Aber du hast doch selber gesagt, wir müssen etwas unerwartetes tun. Das einzig Vernünftige wäre es den Schattenknoten zu vernichten. Aber das weiß auch Telamont. Winters Blick verfinsterte sich in Anbetracht des Ernstes der Lage. Grim, ich versuche dir gerade zu sagen, dass es nicht Telamont ist, der Shar in seinen Körper zwingen will, sondern einer seiner Söhne! Grimwardts Augenrollen deutete an, dass er diesen Punkt bereits bedacht hatte. Hörst du jetzt mal zu? Wer auch immer von den Söhnen versucht seinen Vater hinters Licht, oder besser hinter den Schatten zu führen, hat uns damit einen Gefallen getan. Der Fürst von Umbra wird den Großteil seiner Verteidigung in die Bewachung des Schattenknotens setzen, weil er denkt, dass seine Söhne alles andere im Blick haben. Doch die haben nun andere Pläne, zumindest einige von ihnen. Wir werden nicht den Schattenknoten angreifen, Winter. Sein Blick war nun wie aus Stahl. Du wirst Umbra zu Fall bringen. Es ist mir egal wie du es machst, aber du zerstörst diesen Mythal, der die Stadt in der Luft hält. Den Rest erledigen Scarlet und ich dann mit unseren Truppen.
Winter konnte es nicht fassen. Mit offenem Mund und hochgezogenen Schultern starrte sie ihren Bruder an, der ganz nebenbei meinte, sie solle quasi die Welt aus den Angeln hebeln. Wirklich? Das ist dein Plan Grim? Ich glaube, du hast wirklich keine Ahnung, was für eine Macht in so einem Mythal steckt. Als der Ilithid dich getötet hat, habe ich mit all meiner Kraft geschafft den Mythal um ein paar Meter zu verschieben und nun willst du, dass ich einen zerstöre? Ich glaube die Sonne bekommt dir nicht gut! Grimwardt verzog weiter keine Miene. Das war damals, du bist heute eine andere. Und das ist die Aufgabe, die ich dir in diesem Krieg zugedacht habe. Wenn du mich enttäuschst, werden Scarlet, ich und alle die in diese Schlacht ziehen sterben. Ich schlage also vor, du nutzt die Zeit und tust was nötig ist um dein Ziel zu erreichen! Er drehte sich um und sprach nun wieder laut weiter. „Ich mobilisiere alle Truppen. Morgen schlagen die Willigen der Talländer und die Bedinen zu und greifen Umbra an!" Er blickt über seine Schulter in Winters Richtung. „Und keine Angst, ich werde an Scarlets Seite bleiben. Mit meiner Axt, keinem schwarzen Schwert."

Etwas später hatte sie sich zurückgezogen. Es dauerte eine Weile, bis sie die magischen Schutzzauber der Schriftrolle bannen konnte, doch es gelang ihr. Leider überstiegen die zweifellos sagenhaft mächtigen Zauber auf den beiden Schriftrollen ihr Verständnis für Magie. Es war viel mehr der strahlende kleine Edelstein, dem noch einen Zauber der intuitiven Magie von Mystryl selbst innewohnte. Scheinbar hatte ihn Karsus in seiner Vorbereitung auf seinen mächtigsten Zauber genutzt um seine gegebenen Kräfte noch weiter zu Verstärken. So etwas wie Hoffnung keimte in Winter auf. Vielleicht gab es doch noch eine kleine Chance, dass Grims "Plan" aufgehen würde.

Niobe

  • Mitglied
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #355 am: 11. September 2023, 23:12:42 »
You did it :))
Diesmal bin ich diejenige, die gespannt ist, wie es weitergeht!

Winter

  • Mitglied
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #356 am: 14. September 2023, 17:15:42 »
Es ist so wunderschön 🥹 ich bleibe auch dran und warte gespannt

Nightmoon

  • Mitglied
    • Schicksalsstreiter
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #357 am: 26. September 2023, 17:10:21 »
Kapitel IX: Das Lied von Licht und Schatten

Grimwardt
Anauroch, Nacht vor der Schlacht

In den Geschichten, die er als Junge gelesen hatte, stellte er sich die Anauroch immer als einen brennend hellen Ort vor, an dem ständig das Heulen es Wüstenwindes zu hören war. Grimwardt hatte bisher nie die Zeit dazu gefunden, doch nun betrachtete er die Schönheit der Wüste bei Nacht. Die Sterne waren so klar über den Dünen zu sehen wie sonst nirgendwo und alles wurde beherrscht von der Stille. Es gab meilenweit nichts, was einen Ton hätte zurückwerfen können und so war es das völlige Fehlen des kleinsten Lautes, was ihm die Ruhe vor dem Sturm schenkte, als er außerhalb des Zeltlagers in seine Gebete vertieft war.
Mit dem ersten Purpur der sich anbahnenden Sonne, erklangen nun auch zunehmend die Zeltlager der Sandkrieger, der Elfen und der Talländer, die sich regten. Und bald der Lärm, den die Truppen der Umbranten vor sich herschoben. Er war inzwischen zu Scarlet zurückgekehrt. Zusammen mit den besten Kriegern und Zauberwirkern beider Lager, bildeten sie die Speerspitze in dieser Schlacht. Winters Gestalt, die über ihm schwebte und ihren Schatten auf sie warf, ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen, genau wie Fausts typisches Gelächter neben ihm. Es musste alles echt wirken und für alle die die beiden epischen Abenteurer nicht kannten tat es das auch. Für ihn wirkten die beiden illusorischen Doppelgänger zwar wie eine etwas überzogene Kopie seiner Gefährten, doch die Täuschung war fast tadellos. Winter hatte neben einer ordentlichen Portion ihrer neuen Macht auch sehr viel Liebe für die Details mit in den Zauber gewebt, so dass keiner ahnte, dass sie sich gerade an einem völlig anderen Ort befand. Sie hatten herausgefunden, dass der umbrische Meister der Erkenntnismagie einer von Telamonts abtrünnigen Söhnen war. Ihre Chancen standen also gut, dass ihr Bluff aufgehen würde. Doch zur Sicherheit war seine Verbindung zu Winter nun gekappt. Sollte sie jemand im stillen Gedankengespräch belauschen, könnte das alles ruinieren. Nach langen Jahren als Abenteurer war er nun also endlich wieder Teil - und Anführer - einer wahrhaften Schlacht. Faust konnte nur den Zweikampf genießen, doch das geplante Getümmel der entschlossenen Krieger die einander Vernichteten, das war es, was Grimwardts Herz innerlich beruhigte. Dieser Umstand war es wohl auch, der es zuließ, dass er seine Gefährten nicht verurteilte wie Hades es tat. Natürlich ging es ihm auch immer darum, für die gerechte Sache zu kämpfen. Doch war es seine Lust am Gemetzel, welche seine Leidenschaft immer wieder entfachte und auf das Schlachtfeld zog, anstatt in einem modrigen Saal Pläne zu schmieden und junge Soldaten als Ware des Krieges zu sehen.
„Elah steh uns bei. Warum sind es so viele, Onkel?" Der Auserwählte des Tempus wandte seinen Blick nun auch zu den Dünen, als das Ausmaß der umbrantischen Truppen sich zeigte. Doch Scarlet hatte recht. Es waren zu viele. "Scheinbar hat Telamont seine illusionsverliebten Zwillinge für diese Schlacht verpflichtet - oder was von ihnen noch übrig ist." Seine Augen gingen scharf hin und her. „Etwa ein Drittel der Truppen sind echt. Der Rest besteht aus einer mächtigen Illusion." Scarlet schnaubte ungeduldig. „Verdammt und wie sollen ich und meine Leute echte von falschen Gegnern unterscheiden?" Eindringlich blickte Grimwardt seiner Nichte in die Augen. „Tempus wird das Feld reinigen von jenen die keine Krieger sind. Nur wer blutet wird in diese Schlacht ziehen."
Ein unerfahrener Kriegsfürst hätte vermutlich bereits beim Anblick der übermächtigen Armee kapituliert. Ein erfahrenerer Heerführer hätte die Illusion durchschaut, sich aber um die Moral seiner Truppen Sorgen gemacht. Doch der Erste Heerführer des Schlachtenherrn wusste, dass dieser Zug nur eine Einladung war. Telamont würde nicht auf einen Taschenspielertrick setzen um zu siegen. Also reckte Grimwardt Ambrosia gen Himmel und sprach die heiligen Worte während seine Augen glühten. Nur die mächtigsten Priester des Krieges wurden von Tempus mit diesem Zauber gesegnet. Ehe die Sonne richtig aufgehen konnte, verdunkelten die Wolken den Himmel über dem Heer der Umbranten. Doch nun wuchs auch Grimwardts Sturm der Vergeltung weiter an als erwartet. Nein, ein weiterer Sturm gesellte sich dazu, um Grimwardts Zauber zu übertreffen und aufzulösen.
Dabei bemerkte er nun die Gestalt am Horizont, die sich ihm entgegenstellte. Er hatte bisher nur von Clariburnus Thantul gelesen und Geschichten gehört, doch ihm war sofort klar, wen er dort in den Reihen erblickt hatte. Die schwarzen Augen seiner Feindes ließen keinen Zweifel an dessen Optimismus. Er war sich sicher, diese Schlacht zu gewinnen. Groß, stark, gerüstet und Narbenübersäht. Ein Krieger wie er im Buche stand, mit einer fein gearbeiteten Rüstung, welche Tempus Wappen trug - und einer schwarzen Klinge. Fast hätte sich Grimwardt dazu hinreißen lassen sich umzudrehen um nach Scarlet zu sehen, doch sein Geist hielt stand. Ehe der Sturm von Clariburnus etwas gegen den von Grimwardt ausrichten konnte, zerfetzte der gewaltige Donner bereits die ersten Trommelfelle seiner Feinde. Grimwardt spürte, dass Clariburnus´ göttliche Kraft der seinen überlegen war, doch noch hielt er stand. Die Wolken öffneten sich und der Säureregen ergoss sich über die Umbranten. Für die meisten von ihnen war es schmerzhaft und demotivierend, doch die Trugbilder schmolzen dahin wie Kerzen. Erst jetzt obsiegte Clariburnus´ Sturm und breitete sich zur Antwort über den Kriegern der Alianz aus. Die falschen Abbilder von Winter und Faust verpufften unter einem Blitzeinschlag.
„DUCKEN UND DANN VORRÜCKEN! LASST EUCH NICHT TÄUSCHEN!" donnerte die von göttlicher Macht beseelte Stimme der Elah´ni gegen den Sturm an und Grimwardt folgte ihrem Kommando wie die anderen Kämpfer, ohne sie aus den Augen zu lassen. Er wusste, dass die Schlacht ihn zu Clariburnus spülen würde, ob er diesen Kampf suchte oder nicht.


Faust
Gefängnis von Umbra, zur gleichen Zeit

„Also nochmal, damit ich diesen ganzen Wahnsinn in meinen Schädel kriege: Was zur verfluchten Hölle machen wir hier eigentlich?! Und wo bleibt diese verkackte Katze?" Vor einer Stunde klang die Idee für Faust noch gut, die ihnen dieser seltsame Kerl namens Fardo in den Kopf gesetzt hatte. Aber nun steckten sie in einer Zelle im Gefängnis ihrer Feinde. Zwar verkleidet, aber früher oder später würde ihre Maskerade auffliegen. Der fremde Glatzkopf hatte die Katze bereits vor einer halben Stunde losgeschickt, doch sie war immer noch nicht zurückgekehrt. Langsam kamen ihm Zweifel an der Geschichte. Hatten die Prinzen wirklich ihren jüngsten Bruder, das Wunderkind Brennus eingesperrt? Und war die Katze wirklich seine Vertraute? Arbeitete dieser Fardo wirklich für Brennus? Oder wusste Telamont, dass er einfach nur eine komplett irre Geschichte auftischen musste, um ein paar komplett Irre in sein Gefängnis zu locken? Sachlich und wie ein Wasserfall sprudelnd ergoss sich Fardos Anwort wie jedesmal über seiner Zuhörer, ob sie es wollten oder auch nicht. „In Anbetracht der Strecke, die die Katze zurücklegen muss und der Variablen, wen genau sie antreffen wird, ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass sie sich auf dem Rückweg zusammen mit einem Verbündeten befindet. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass sie aufgeflogen und nun bereits tot ist, was das baldige Erscheinen eines unserer Feinde zur Folge hätte. Wir müssen also gerade sowohl annehmen, dass die Katze noch lebt, als auch, dass sie tot ist - Ein Klassiker, nicht wahr?" Die säuerlichen Mienen der anderen Insassen spiegelten deren Ahnungslosigkeit, wie auch Entnervtheit. Der Umstand, dass der Fremde aus Darkon kam, einer Domäne jener gruseligen Nebelwelt, der Faust einst entkam, hatten ihn neugierig gemacht und der dicke Kerl war eindeutig klüger als sie alle zusammen, aber er hatte doch auch einen ordentlichen Dachschaden, was gesunden Menschenverstand anging. Oder besser gesagt Elaner-Verstand. Die fehlenden Augenbrauen und die Art seiner Gesten, hatten Faust erkennen lassen, dass Fardo ein Exemplar der seltenen Spezies war, der auch Omega angehörte.
„Mir ist ehrlich gesagt egal, ob sich gerade wer mit der Katze den Arsch abwischt oder ob sie jetzt Kaviar futtert, Hauptsache es geht weiter! Uns fehlt die Zeit für..." „Ihr? Das kommt... unerwartet." Melegaunt Tanthul, der verzichtbare Prinz stand vor ihnen, die Katze auf seinem Arm. „Habt ihr euch einfach gestellt oder steckt hier irgendein perfides Spiel dahinter?"
Drake klatschte in die Hände. „Na siehst du Winter, die Muschi hat es geschafft, du schuldest mir 2.000 Mäuse!" Faust lenkte die Aufmerksamkeit des Prinzen wieder auf sich. „Pass auf Mann, wir haben nicht viel Zeit! Dein fanatischer Bruder Rivalen hat sich mit ein paar anderen Brüdern zusammengetan und gegen deinen Papa verschworen. Brennus hat was mitbekommen und sie haben ihn eingesperrt und jetzt ist der Irre vermutlich bereits dabei Shar in seinen eigenen Körper zu beschwören, wie Karsus höchstpersönlich vor ihm!" Es herrschte ein Moment der Stille. Dann musste Melegaunt lachen. „Eure Geschichte ist doch frei erfunden, und dabei nichtmal besonders gut! Auch wenn Rivalen radikaler ist als mein Vater wäre er niemals so töricht! Wenn er Shar in sich avatieren lässt würde die ganze Stadt..." Der Prinz geriet ins stocken und Fardo nickte grinsend ehe er fortsetzte. „Nein... sie würde nicht abstürzen. Der Mythal kann ja nun vom anderen magischen Gewebe zehren, seit ihr den anderen Knoten vom Schattengewebe befreit habt. Wenn ich es mir recht überlege... Das erklärt auch, wie die Elani entkommen konnte. Man hat sie laufen lassen... Und es war Yder, Rivalens rechte Hand, der mich entsandte um Rasilith zu schützen." Deprimiert wie ein gescholtener Hund schaute der Prinz drein und schien um einige Zentimeter geschrumpft zu sein. „Er wusste, dass ich nichts gegen euch ausrichten würde. Es gehörte alles zu seinem Plan."
Lärm und ein monströses Kreischen weiter hinten unterbrach seine Gedankengänge. „Das sind Yders Veserab-Reiter! Wir müssen uns beeilen!" Faust brummte der Kopf, er wollte nicht mehr warten. „Ja, schön! Dann bring uns doch bitte jetzt zu Papa und wir regeln die Sache." Melegaunt schüttelte den Kopf. „Unmöglich, er empfängt und traut niemandem mehr, seit er aus der Kerzenburg zurückgekehrt ist. Was auch immer ihr zu ihm gesagt habt, es hat ihn sehr misstrauisch gemacht. Ich habe keine Ahnung wo er sich versteckt hält und wohl auch sonst niemand. Ich versuche ihn irgendwie zu finden, aber ihr..." Er schrumpfte noch ein paar Zentimeter und blies dabei die Luft aus. „Ihr müsst Rivalen aufhalten. Ich teleportiere euch in den Tempel. Danach müsst ihr alleine zurechtkommen."
Vermutlich war es nicht klug gewesen, aber Faust genoss diesen Augenblick, als auf einmal er und die anderen meist gefürchteten Feinde Umbras in der Mitte des Tempels von Shar standen und  Panik unter den Umbranten ausbrach. Sie stürmten aus dem Tempel, als wäre Selune selbst in ihr allerheiligstes eingedrungen. Auf der Kanzel stand Rivalen. Höchster Priester der Shar und zugleich Erzmagier der Akademie. Faust hatte keine Zweifel, dass der mächtigste der Prinzen Fähig war Shar in seinen Körper zu befehlen. Sein Gesicht zeigte keine Furcht, nur eine leichte Verärgerung. „Es scheint, als hätte mein Vater recht gehabt, was euch und eure Manieren angeht. Aber ihr seid doch cleverer als ich gedacht hätte. Ich bin neugierig. Sagt mir, wie seid ihr mir auf die Schliche gekommen!" Fardo wollte gerade ansetzen um alles im Detail zu erzählen, doch Faust unterbrach ihn jäh. „Das spielt jetzt keine Rolle mehr, Prinzlein. Wir wissen, was du vorhast und ich werde dir nicht die Chance geben deine Grufti-Schlampe von einer Göttin auf unsere Welt loszulassen." Das überhebliche Grinsen auf Rivalens Gesicht gefiehl ihm nicht. „Mir nicht die Chance geben? Es ist wirklich erheiternd, wie naiv ihr seid. Doch eure Blasphemie wird euch bald teuer zu stehen kommen." Winter meldete sich in seinem Kopf: Faust, das ist ein Trugbild! Er will Zeit schinden! Faust rannte los, den falschen Rivalen ignorierend. „Spar dir dein Gelaber. Jetzt weiß ich, dass du es eilig hast, Prinz von Umbra!" Auf einen stillen Befehl hin wurden sie nun von einer Priesterin und Tempelkriegern angegriffen. Die Schreie und das zischende Quietschen ihrer verdorrten Körper hinter ihm, ließen Faust jedoch wissen, dass Winters Magie und Fardos Psychotricks die Lage unter Kontrolle hielten.
Miu und er erreichten Rivalens Zimmer. Melegaunt hatte ihnen eine kurze Instruktion gegeben, wie er das Portal benutzen musste. „Na los Miu, eher er den Zauber durchziehen kann." Die kleine Karaturianerin blieb stehen. „Warum eigentlich?" Was für eine bescheuerte Frage war das denn? „Was soll das heißen, warum? Hast du was auf den Kopf bekommen?" Sie schaute ihm ernst in die Augen. „Was erreichen wir denn, wenn wir Rivalen töten? Telamont wird den Krieg weiterführen. Es wird sich nichts ändern." Ungeduldig sog Faust die kühle Luft durch die Nase ein. „Das fällt dir ja früh ein. Das sind zumindest er und vielleicht noch ein paar Prinzen weniger. Hast du eine bessere Idee?" Miu schaute sich um und eine ungewohnte Kälte und Entschlossenheit trat in ihre Stimme. „Wir könnten Shar töten. Du könntest Shar töten." Eine endlos scheinende Pause zeigte ihr, dass Faust der Gedanke gefiehl, auch wenn er gerade noch andere Pläne hatte, aber es wäre nicht das erste mal, dass er seine Pläne von einem auf den anderen Moment änderte. Miu wusste das und er wusste auch, dass sie ihn gerade manipulierte. Doch es war ihm egal. „Du weißt warum ich dir folge, oder? Was dich zum Auserwählten macht? Ich habe die Wahrheit lange nicht verstanden, warum die Ahnen mich zu dir sandten. Aber du hattest recht. Wir sind besser ohne sie dran. Ohne die Götter. Ich sehe es inzwischen, Fardo sieht es genau so und auch du weißt es." Sie sprach ihm aus der Seele, doch er spürte, dass sie nicht mehr seine Miu war. Er hatte sie verändert. Es hätte ihm ein Gefühl der Genugtuung geben sollen, doch es fühlte sich falsch an. „Miu..." ihre Hand griff ihn feste am Arm. „Das ist die beste Gelegenheit. Das Schicksal hat dich dafür hier hergeführt! Du kannst jetzt die Welt retten und diesen Krieg beenden!" Scheiße, sie hatte recht.
„Warum seid ihr noch nicht durch das Portal gegangen?" Winter, Drake und Fardo waren nun auch da. Faust beendete gerade einen seiner Stärkungszauber. „Das machen wir zusammen. Sie werden wissen, dass wir kommen und uns mit Zaubern und Dunkelheit vernichten wollen. Seid ihr dafür bereit?" Alle nickten. Tatsächlich war er der einzige, der in der Dunkelheit nichts sehen konnte. Doch es gab auch andere Wege als Magie. Nachtmond, Omegas bestiales Schoßtier war immer ein unangenehmer Zeitgenosse gewesen, doch hatte er Faust auch gelehrt, seine Instinkte zu schulen. Und die meisten Gegner, die sich auf ihre leisen Schritte und Unsichtbarkeit verließen, dachten nicht an ihren eigenen Geruch. Eine Schwäche, ohne die Faust keine Chance gehabt hätte.
Sobald sie den Raum betraten umfing sie eine undurchdringliche Finsternis und ein Hagel aus Zaubern. Trotz der mächtigen Schutzzauber, die Winter und Fardo gewirkt hatten wurde es schnell brenzlig. Drake entging den meisten Angriffen durch seine Geistergestalt, Winter und Faust konnten durch ihre Zauber und Manöver zumindest den schlimmsten Wunden entgehen. Miu und insbesondere Fardo hingegen hatten stark mit der schieren Menge an roher Magie zu kämpfen und gingen fast in die Knie. Faust roch hinter einem Schleier aus Schutzzaubern die Präsenz von Yder und einem weiteren Prinzen, doch war noch etwas. „Sie haben Schattenklone dabei! Wir müssen Dethud ausschalten um sie loszuwerden!" Rief Winter, während ihre Seelenmagie langsam die Barrieren des Prinzen zersetzte. Gerade noch rechtzeitig konnte Fardo sie mit einem psionischen Schild verteidigen. Yder hingegen warf sich gegen Miu. Im letzten Augenblick bemerkte Faust die Finte, die ihn aus der Ebene hätte bannen sollen. Doch er schaffte es auch ohne in die magische Falle zu treten, Miu zu helfen. Auch wenn er dafür nun den gewaltigen Schalg von Yder ertragen werden musste. Es war jedoch Fardos Psistrahl, der dabei war Yders Geist aufzulösen und Faust vor dem Hieb bewahrte. Dafür ließ der Streiter der Shar seinen Schild gegen den Strahl gerichtet Zerfetzen und Fardo wurde von den Scherben und seiner eigenen Kraft getroffen. Gut nur, dass er quasi in Mius Arme fiel. Dumm gelaufen, aber gut für mich, dachte sich Faust, denn nun war Yders gefährlicher Schild vernichtet und Faust musste sich nicht mehr zurückhalten. Zwiespalt ignorierte die Drachenrüstung und zerfetzte Stück für Stück den Körper des Umbranten. Sein Konter hinterließ kaum mehr als einen Kratzer und Faust bekam seine Genugtuung, als die beiden Spitzen seines gespaltenen Schwertes das Herz von Yder Tanthul durchbohrten und dieser zu Boden sackte.
Ein Geschoss traf Faust an der Schulter und warf ihn nach hinten. Scheiße, nicht schon wieder, sie wollen ihn wieder retten! Unerwartet stand Winter plötzlich neben dem sterbenden Prinzen und blitzschnell fuhr ihr Dolch durch seine Kehle und besudelte sie mit einer Menge an Blut, die mit dem Leben nicht vereinbar war. Die gewaltige Macht ihrer Magie ließ ihn manchmal vergessen, dass seine Gefährtin auch eine hervorragende Attentäterin hätte werden können, deren Dolch immer die empfindlichsten Stellen traf.
Leider war das die Gelegenheit für Dethud gewesen, seine Schutzzauber wieder aufzubauen und es ging von vorne los. Verdammt, ich muss irgendwie da rein! Anstelle einer Anwort packte ihn eine kalte Hand und ließ ihn ätherisch werden. Halt die Klappe und greif an, sobald ich dich loslasse, Senftopf! hörte er Drakes Stimme in seinem Kopf, während sie durch den ungeschützten Boden waberten. Er hätte gerne mit ihm diskutiert, warum er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen wollte, doch er kannte Drakes Talent sich aus den gefährlichsten Situationen herauszuhalten. Und ehrlich gesagt wollte er genau diesen Moment des Ruhms für sich beanspruchen. Drake ließ los. Es war nur ein einziger sauberer Schlag und Dethuds Gesicht schaute noch immer ungläubig, als sein abgetrennter Kopf auf dem Boden aufprallte. „Das war der vierte..."
„Er ist nicht hier. Uns rennt die Zeit davon!" Rief Winter gehetzt, während Miu die Wunden versorgte. „Vielleicht strengt unser schwabbeliger Katzenliebhaber mal seinen haarlosen Kopf an und sagt uns wo wir den letzten von der Liste finden. Ich würde gerne die Belohnung einstreichen, die Szass Tam mir dafür geben wird." Drängte auch Drake auf seine liebenswerte Art, worauf Fardo natürlich gleich zu einer ausführlichen Antwort ansetzte: „Betrachten wir hierbei sämtliche Variablen unter dem Licht der Wahrscheinlichkeit, so lassen sich diverse Positionen zwar nicht ausschließen, sie bewegen sich jedoch im Feld des Unwahrscheinlichen. Wir sollten unseren Fokus also auf jene Koordinaten richten, welche eine Prozentuale Wahrscheinlichkeit größer als oder gleich einiger Prozent..." „Wir kehren zu unserem ursprünglichen Plan zurück." Unterbrach Faust ihn und schaute dabei Winter tief in die rastlosen Augen. „Du musst den Mythal zerstören! Rivalen hat genau das vielleicht auch bedacht und befindet sich nun dort. Auch als Shar hat er kein Interesse daran, dass seine Stadt abstürzt und seine Anhänger sterben." Fardo nickte beipflichtend, während er sich durch den nicht vorhandenen Kinnbart strich. Winter schüttelte jedoch den Kopf. „Faust, ich..." „Nein, erzähl mir jetzt nicht schon wieder, was du nicht kannst! Du bist es Elias und den anderen schuldig! Du wirst Karsus den Mittelfinger zeigen und diese beschissene Stadt abstürzen lassen!" Winter schluckte betroffen. Doch dann trat eine fatalistische Entschlossenheit in ihren Blick. „Na gut. Gebt mir eure Hände! Wir teleportieren zum Mythal!"


Grimwardt
Anauroch, Schlachtfeld vor Umbra

Wieder und wieder durchtrennte Ambrosia seine Gegner, während ihre Angriffe an seiner Rüstung und seinem Schild zerschellten. Scarlet versengte die Umbranten mit gleißend hellen Mondstrahlen und Laguna schnitt zusammen mit Kalid, Nerul und seinem Vater ihre Reihen. Es war ein erhebendes Gefühl mit ihnen allen in die Schlacht zu ziehen und die Feinde der Allianz zu fällen. Besonders an der Seite seiner alten Gefährten, dem Löwen Mielikkis und dem obersten Marshall von Myth Draenor zu streiten verlieh ihm die Kraft das feindliche Heer zu teilen und sich dem falschen Grimwardt unaufhaltsam zu nähern. Seiner Schwester wäre es sicher lieber gewesen, wenn er sich mit Scarlett zurückgezogen hätte, doch sie verstand nichts von solchen Dingen. Ihre Tochter jedoch hatte seine Werte verinnerlicht, was ihn mit ganzem Stolz erfüllte, egal für welchen Gott sie stritt. Gerade hatte er noch einem Veserab den Flügel durchtrennt, als eine dunkle Welle der Kraft seine Gefährten zurückwarf. Geistesgegenwärtig hatte er Scarlet mit seinem Schild geschützt und nun standen nur noch sie beide vor ihrem Gegner. Der Anführer des umbrantischen Heeres grinste höhnisch, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. Ohne es zu merken, hatte Grimwardt die fliegende Bestie von Clariburnus selbst zur Strecke gebracht.
„So begegnen wir uns Endlich,  Auserwählter des Tempus." Einander musternd umkreisten sich die Gegner, während beide sich durch ihre Zauber in immer mächtigere Abbilder ihres Gottes verwandelten. „Ich diente dem Feindhammer bereits, als er noch ohne seinen Helm in die Schlacht zog, als er noch wild und aufbrausend war, nach seinem Sieg über Targus."  Erst jetzt bemerkte Grimwardt, dass die Schlacht zum erliegen gekommen war und sich alle Blicke auf die beiden Diener des Feindhammers richteten. „Kämpfen wir, Grimwardt Fedaykin! Nach dem althergebrachten Gesetz der Vorkämpfer. Nur ihr und ich. Und der Gewinner hat die Schlacht gewonnen. Schont das Leben eurer Krieger... und Kriegerinnen." Sein Blick schielte in böser Absicht zu Scarlet.
Grimwardt hielt einen Moment inne, um die Situation abzuwägen. Dann drehte er sich um und kniete vor ihr nieder, wissend, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. „Ich bitte euch, Elah´ni, im Namen meines Gottes: Lasst mich diesen Kampf austragen und bringt meine Truppen weit weg und in Sicherheit!" Mit gesenktem Haupt hielt er ihrem Blick stand. Ihren eigenen Stolz überwindend nickte sie ihm zu. „Gut. Tut es. Gewinnt diese Schlacht für uns, Onkel!" Widerwillig drehte sie sich um und verließ langsam den Schauplatz zusammen mit seinen anderen Gefährten. Ein Schmerz breitete sich in seiner Brust aus, doch zugleich das bestärkende Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Gestärkt richtete er sich wieder auf und blickte in die Augen seines Feindes. „Gut gespielt, Grimwardt. Obgleich es für mich ruhmreicher gewesen wäre euch vor den Augen eurer Truppen zu töten. Seid ihr bereit in die Hallen von Tempus zurückzukehren?" Noch einmal sog Grimwardt die heiße Wüstenluft ein. Und da er Tempus´ Segen auf sich spürte, antwortete er gefasst und schlug seine Axt martialisch gegen seinen Schild. „Fangen wir an!" 
Und Clariburnus fing an. Von einem Auf den anderen Moment stand er in Grimwardts Rücken und rammte die Schwarze Klinge in seine Wirbelsäule. Sein herumwirbelnder Axthieb hätte Clariburnus eigentlich hart treffen müssen, doch dieser hatte sich sofort wieder hinter Grimwardt teleportiert und schlug wieder empfindlich zu. Als wäre das nicht schlimm genug, spürte er, wie das Schattenschwert ihm einen seiner Zauber beraubte und diesen auf seinen Träger übertrug. Elende Derwisch-Technik. Dachte er sich und beendete das Spiel mit einer Antimagischen Zone. Clariburnus kam zum Stillstand. Dabei fiel Grim auf, dass unter den wabernden schwarzen Wolken der Klinge eine Waffe lag, die eher einer Glefe ähnelte, länger als erwartet. Sein Gegner hielt also gerne Abstand. Dummerweise wusste Clariburnus diese Reichweite nun auch zu nutzen. Er hatte zu viele Duelle gewonnen um sich von einer Antimagischen Zone aus der Ruhe bringen zu lassen. Immer wieder tänzelte er erstaunlich behände um Grimwardt herum und erwischte ihn an seinen ungerüsteten Stellen. Auch er selbst landete immer wieder Treffer mit Ambrosia, doch er musste sich eingestehen, dass der erfahrenste Krieger der Umbranten sich ohne Magie scheinbar wohler fühlte als er selbst. „Genug herumgehüpft!" Er unterbracht den nächsten fatalen Hieb, indem er seine Zone der Antimagie fallen ließ und sich in seinen mächtigsten Schutzzauber hüllte. Die Regenbogensphäre umschloss ihn und gewährte ihm die Möglichkeit sich schnell zu heilen und zu stärken. Dabei vernahm er die Stimme seines Gegners. „Das sieht ja hübsch aus. Bei meinen Brüdern besteht das Ding immer aus Grautönen. Ihr habt wirklich Geschmack, Auserwählter des Tempus. Aber wollt ihr nicht herauskommen und kämpfen?" Was folgte war ein Katz- und Mausspiel. Grimwardt Schritt aus seiner Sphäre heraus um anzugreifen, Clariburnus teleportierte, Grimwardt hechtete wieder in seine Sphäre. So ging es eine ganze Weile weiter... Bis die Erde und der Himmel plötzlich zu beben schienen. Im letzten Moment flüchtete sich Grimwardt in seine Sphäre, als eine Lawine aus Sand sich über ihm und Clariburnus ergoss.

Winter
Umbra, Einige Minuten zuvor

Offenbar war der Raum des Mythals gegen Teleportation geschützt. So landeten sie in einem Gang, der sich in der Nähe befinden musste. An dessen Ende befand sich ein ominöser Vorhang. Schon nach dem ersten Schritt hörte sie eine bekannte und doch befremdlich klingende Stimme in ihrem Kopf und die Vision einer Schlacht im heißen Wüstensand spülte sich vor ihre Augen. Der Grim aus ihren Alpträumen stand mit einem Fuß auf der Blut spuckenden Scarlett und schaute Winter direkt in die Augen. „Ich bin hieeer! Und nun werde ich es beenden. Sag deiner Tochter aufwiedersehen!" Die Vision endete. All ihre Instinkte wollten sie sofort in die Anauroch teleportieren um Scarlet zu retten.  Doch es waren kleine Details in der Vision, die nicht passten. Der genaue Ort, Eine Leiche die im falschen Winkel da lag. Sie hatte diesen Alptraum so oft wieder und wieder durchlebt, dass sie jede grausame Kleinigkeit verinnerlicht hatte. Faust trat zu ihr „Alles klar?" Sie schüttelte ihren affektiven Wunsch zu verschwinden ab und nickte. „Rivalen. Oder ein anderer Prinz. Er versucht mich mit meiner Vision in die Wüste zu locken." Faust spuckte aus. „Dieser Bastard. Er will dich verarschen." „Ich weiß, aber er wird schlampig. Ich glaube wir sind hier genau richtig."
Sie schritten weiter den Gang entlang. Keine Fallen, keine Wächter. Nur dieser Vorhang, den Faust nun lüftete und seine Begleiter im gleichen Moment Damit bewarf. „Was soll das? drehst du jetzt komplett durch, Senftopf?"Drakes Empörung wurde durch ein Scheppern unterbrochen. Als Winter sich vom Vorhang befreit hatte, stand Faust auf einem umgeworfenen Spiegel. „Ich hab davon gelesen. Die Dinge sperren entweder deine Seele ein oder erschaffen einen rachsüchtigen Doppelgänger von dir, wenn du reinschaust. Beides keine tolle Option. " Es waren diese Momente, die Winter immer wieder ins Gedächtnis riefen, wie vielseitig begabt der Kämpfer unter seiner grobschlächtigen Hülle war.
Sie tasteten die scheinbar nackte Wand ab, bis Drake aus seiner Geisterform zurückkehrte und mit einer belanglosen Geste einen geheimen Schalter betätigte. „Gern geschehen. Dahinter ist ein Portal. Ich denke ihr seid da." Winter runzelte die Stirn. „Ihr seid da? du meintest wohl wir?" „Nein danke, den Rest erledigt ihr. Oder auch nicht. Ich hab das Gefühl, dahinter lauert nur der Tod. Also, war schön euch gekannt zu haben. Aber mit meinem Herzen bin ich ganz bei euch! Wenn ihr es verkackt bekomme ich schließlich nur einen Teil der Belohnung. Also, macht mich stolz!"
Mit diesen Worten verschwand der Attentäter. Außer Fardo war niemand überrascht. „Oh, das kam etwas unerwartet, aber euren Blicken nach zu urteilen, hattet ihr solch ein Verhalten bereits einkalkuliert." Sie zuckte mit den Schultern. „Ja. Er ist ein Arsch." Diese Antwort schien ihm zu genügen. „Na gut. los geht es!" Tief einatmend folgte Winter den anderen in das  dunkel wabernde Portal.
Ein kurzer heftiger Schmerz erfasste ihren Verstand, als sie sich nach dem Betreten gleich in einem schattigen Mahlstrom wiederfand, der ihren Geist angriff. Wie sie bemerkte, schienen auch die anderen dem Sog zu widerstehen - bis auf Faust, der wie ein ertrinkender Hund in das gefährlich aussehende Zentrum gesogen wurde. Den Mythal. Und in der Luft darüber flog... „RUNTER!" im letzten Moment  konnten ihre Gefährten ausweichen, während Winter selbst sich mit einer magischen Barriere vor dem seelenfressenden Odem des großen Schattendrachen schützte. „Fardo, kümmer dich um Faust!" Zusammen mit Miu folgte der Psioniker Winters Anweisung und befreite den Geist ihres Freundes.
Sie konzentrierte sich auf den Mythal, doch ihn zu bewegen bedeutete, die ganze Stadt zu bewegen, wie sie schnell merkte. Also konzentrierte sie sich stattdessen auf den Drachen, der nun zum Angriff auf sie ansetzte. Ihr neues drittes Auge glühte mit dem Feuer der ersten Göttin der Magie und eine Woge aus purer Kraft erfasste die überraschte Kreatur und schleuderte ihren Körper direkt in den Mythal, der sie innerlich verbrannte. Doch die Freude über ihren Triumph wisch einem Moment der Panik, als sie die Gestalt sah, die über dem Mythal thronte. Rivalen Tanthul, nein, nicht mehr. Sie waren zu spät. Sie sah und spürte es. Shar war fast ganz in seinen Körper herabgefahren und drohte jeden Moment in all ihrer schrecklichen Herrlichkeit komplett zu manifestieren.
Ihre Knie wurden schwach. Ihre Gefährten waren nicht mehr zu sehen. Waren sie schon tot? Die Präsenz einer der mächtigsten Göttinnen ließ all ihre Hoffnungen schwinden. Bis Faust sie unsanft herumriss und sie mit seinem Blick durchbohrte. „Ich fliege jetzt da rauf. Aber du musst sie schwächen, mit dem Mythal!" Tränen standen in ihren Augen in Anbetracht der immer stärker werdenden göttlichen Aura. „Wir sind zu spät Faust. Wir haben verloren." „Sieh mich an! Wir sind genau richtig. Das ist der Moment in dem wir alles ändern können." Seine Hände lösten sich von ihren Schultern. „Wir sehen uns auf der anderen Seite, Winter." Dann flog er hinauf in sein Verderben.
Sie hatte den Tod schon akzeptiert. Aber er hatte Recht. Sie würde nicht kampflos untergehen. Kaum mehr anwesend nahm sie wahr, wie Fardo niedergestreckt wurde und bewusstlos oder tot in der Luft schwebte. Wie Miu ungewöhnlich aggressiv angriff und doch selbst auch scheiterte. Und wie Faust seinen Zorn auf alles Göttliche freien Lauf ließ. Wie eine simple Handbewegung der Göttin seinen halben Körper zerfetzte, während seine Klinge immer wieder schattiges Götterfleisch aus Shars Leib schnitt - scheinbar vergeblich. Doch all das ließ sie nun im Hintergrund ihres Bewusstseins verschwimmen. Ein kurzer Moment der Ruhe ließ sie die Welt um sich herum anders sehen. Sie sah alles in ihrer Umgebung in seine Bestandteile aufgelöst. Alles war Teil eines Gewebes. Das meiste war bloße Materie. Simpel zusammengesetzte Bestandteile, die zusammen eine feste Anhäufung ergaben. Doch hier trafen nun auch die gewaltigen Mengen des Schattengewebes und der magischen Verknüpfungen des Mythals aufeinander. Er sah so vollkommen aus. Ein Gebilde von Sterblichen erschaffen und doch stark genug einen Gott zu verletzen. Die meisten verstanden das Gewebe der Magie nicht, da die Metapher nicht ganz eindeutig war. Doch sah man es so vor sich, so vollkommen, sah man wie kunstvoll die Bestandteile der Existenz miteinander verwoben waren und so zu etwas neuem wurden, mehr als die Summe seiner Teile, eine Emergenz - Magie. Und der Mythal war die Krone der magischen Schöpfung in all seiner Komplexität. Ließe er sich doch nur bewegen. Ihr Blick  auf die magische Kugel wurde durch einen Schleier des Schattengewebes unterbrochen. In diesem Moment fand sie sie... die Schwachstelle. Telamont hatte einst die Stadt vor dem Absturz bewahrt. Mit seiner eigenen Magie aus Schatten. Sie musste nicht den Mythal zerstören! Nur seine magische Verbindung zu der fliegenden Stadt, den magisch gewobenen Anker, der die Kugel mit Umbra verband!
Sie setzte all ihre Konzentration in einen gewaltigen Auftrennungszauber. Fast tat es ihr selbst weh, als ihre Magie des Nichts die Fäden des Schattengewebes um den Mythal herum zerriss... Und sie den Boden unter den Füßen verlor. Umbra stürzte in die Tiefe und der Mythal war befreit. Winter wurde eins mit seiner rohen Kraft. Sie verband sich intuitiv mit ihm. Etwas wofür ein Magier hätte Jahre lang studieren müssen. Doch als die vielleicht mächtigste lebende Zauberin Faeruns atmete sie die Magie wie Luft. Sie musste sie nicht verstehen, nur fühlen. In diesem Augenblick war es Winters Mythal. Und sie ließ ihn nach oben schießen. Ein Kampf zwischen magischem und Schattengewege entbrannte, als die Kugel Shars Körper traf. Die Anstrengung war eigentlich zu viel für sie, doch Winter wusste, was auf dem Spiel stand und setzte unerbittlich nach, all die Seelenenergie verbrauchend, die sie in sich trug. Ein letzter Blick hinauf. Auch Faust rann das Blut aus Nase, Augen und zahllosen Wunden, als sich alle verbliebenen Muskeln in seinem Leib bis zum bersten anspannten. Dann schlug er zu und die Welt wurde schwarz. Ein letzter kalter Schmerz bohrte sich in ihre Schulter.
« Letzte Änderung: 26. September 2023, 17:15:38 von Nightmoon »

Niobe

  • Mitglied
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #358 am: 26. September 2023, 20:52:21 »
Sau spannend. Ernsthaft, ich hab so viel vergessen  :blink:

Winter

  • Mitglied
Stadt der gläsernen Gesänge
« Antwort #359 am: 04. Oktober 2023, 23:01:19 »
OmG 🥹
Liebs 🥰

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