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Autor Thema: Cthulhu: Das Sanatorium  (Gelesen 36577 mal)

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Halvar

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Cthulhu: Das Sanatorium
« Antwort #120 am: 19. September 2009, 22:43:01 »
Teil 28: Phönix

Session: 19.04.2008

7. Tag

Ich erwachte, als das Licht der aufgehenden Sonne auf meine Augen fiel. Ich blinzelte, richtete mich auf und sah mich um - ich war allein? Meine Taschenuhr zeigte 7 Uhr an. Ich beschloss, aufzustehen und nachzuschauen, wo die anderen waren.

Als ich aus der Bibliothek ins Foyer trat, fiel mir als erstes Lady Gordon auf, die in einer unnatürlich verkrümmten Haltung auf einem Stuhl auf der Empore im ersten Stock saß - oder besser: lag. Der Stuhl war einem der Fenster zugewandt, die über dem Haupteingang in Richtung des Wegs zum Steg zeigten, so dass ich sie nur von hinten sehen konnte. Erschrocken hastete ich so schnell es mir in meinem Zustand möglich war die Treppe hinauf und zu ihr hin.

"Lady Gordon?", versuchte ich, sie anzusprechen, während ich mich ihr näherte. Sie schrak auf - ein Glück, sie hatte nur geschlafen! Einen Moment lang blickte sie sich verwirrt um, dann beugte und streckte sie sich, um ihre Knochen zu sortieren, wobei sie ihr Gesicht schmerzhaft verzog. "Verflixt, ich muss eingeschlafen sein", stellte sie dabei fest. "Was machen Sie denn hier oben?", wollte ich von ihr wissen. "Na, Wache halten", antwortete sie mir in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie dies für eine ausgesprochen dumme Frage gehalten hatte. "Sie scheinen ja alle der Auffassung zu sein, dass wir uns keinerlei Sorgen mehr zu machen brauchen", fügte sie mit leicht vorwurfsvollem Unterton hinzu. Ich beschloss, darauf nicht näher einzugehen. "Wo sind überhaupt die anderen?", fragte ich stattdessen. "Die Patienten sind auf ihren Zimmern und Mrs. Stevens-McCormmick, Pater Benedict und Dr. Tiller haben sich erlaubt, sich jeweils in eines der Gästezimmer zur Ruhe zu betten", antwortete sie, ohne die ironische Färbung ihrer Stimme abzulegen. Offenbar war sie etwas empört darüber, dass sich niemand bereit erklärt hatte, sie bei ihrer Wache zu unterstützen oder abzulösen.

Wie auch immer - ich beschloss, das Frühstück vorzubereiten, während Lady Gordon sich zunächst einmal frisch machen wollte. Nach und nach kamen auch die anderen die Treppe herunter und Dr. Tiller holte Darlene und Colonel Billings aus ihren Zimmern, so dass wir wenig später alle am Frühstückstisch versammelt waren.

Ich kündigte den anderen an, dass ich mich ab jetzt würde schonen müssen, um meine Gesundheit nicht noch weiter zu gefährden, dann stellte ich die folgende Frage, die mir auf den Nägeln brannte: "Hat sich von ihnen schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, was wir erzählen sollen, wenn wir von der Insel herunterkommen? Denn wenn wir sagen, was wirklich passiert ist, dann landen wir mit Sicherheit in der Klapsmühle." Keiner der Anwesenden reagierte auf meinen Einwurf. Ich blickte etwas erstaunt in die Runde, aber scheinbar wollte mich niemand gehört haben. Den Rest des Frühstücks nahmen wir schweigend ein, dann zog sich Dr. Tiller mit den Patienten in die Bibliothek zurück und ich beschloss, mich in eines der Gästezimmer zu legen, um mich auszuruhen.

Wenig später klopfte es an meiner Zimmertür. Als ich öffnete, blickte ich in die Gesichter von Lady Gordon, Mrs. Stevens-McCormmick und Pater Benedict. "Wir sollten durchaus darüber sprechen, was Sie vorhin am Frühstückstisch erwähnt haben", eröffnete Lady Gordon das Gespräch, "aber vielleicht sollten wir Dr. Tiller dabei erst einmal außen vor lassen." Ich bat sie herein. "Wir müssen ihn aber schon irgendwann mit einbeziehen", erwiderte Pater Benedict, "denn wenn sich unsere Aussagen unterscheiden, werden entweder wir oder er im Gefängnis landen." - "Aber wenn wir uns erst einmal alle abgesprochen haben, dann wird es vielleicht auch einfacher, ihn davon zu überzeugen, sich dem anzuschließen", entgegnete Lady Gordon. Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden.

Nachdem sich alle einen Sitzplatz gesucht hatten, versuchten wir uns zunächst an einer Bestandsaufnahme: Die Leichen von Dr. Brewer, Ebenezer, Bobby Birch, Catherine Ames und Melba Carson, die allesamt von Charles Johnson umgebracht worden waren, hatten wir nahe der Steilküste verbrannt, wovon die Überreste noch deutlich zu erkennen waren. Die Leiche von Charles Johnson, den ich erschossen hatte, war verschwunden. Der vertrocknete Körper von Blanche lag noch immer im Foyer und die gleichsam zugerichteten Überreste von Henry Adam Barber und Leonard Hawkins hingen noch in den Fenstergittern in ihren jeweiligen Zimmern. Hinzu kam der aufgeplatzte und zerkochte Leichnam von Allen Harding im Behandlungszimmer im Obergeschoss, sowie die zerstückelten Überreste von Cecil Randolph und des Ornithologen auf dem Steintisch im Norden der Insel. Schnell wurde uns klar, dass es unmöglich war, eine Geschichte zu erfinden, die imstande gewesen wäre, diese ganzen Toten und vor allen Dingen deren Zustand plausibel zu erklären und im Zweifelsfall sogar einem Verhör standzuhalten, ohne dass wir uns verdächtig machen oder für völlig übergeschnappt gehalten würden.

Und - wie Pater Benedict anmerkte - war das ja noch nicht alles: Der Steg war halb abgebrannt, der Leuchtturm völlig, und ein paar Stellen des Waldes hatten wir ebenfalls angezündet. Auch das Sanatoriumsgebäude selbst machte einen alles andere als unverdächtigen Eindruck: Mehrere Einschusslöcher in den Wänden, überall Kampf- und Blutspuren, zerschlagene Fensterscheiben, die zerschmetterte Hintertür, und nicht zuletzt unser eigener Zustand und derjenige unserer Kleidung - all dies würden wir zu erklären haben.

Nein - uns blieb nur, so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben, andernfalls würden wir uns mit Sicherheit in Widersprüche verstricken. Bis zu jenem Punkt, an dem ich Charles Johnson erschossen hatte, war dies ja auch unproblematisch - obschon wir inzwischen auch diese Ereignisse nicht mehr beweisen konnten, da Johnsons Leichnam verschwunden war und wir dessen Opfer bis zur Unkenntlichkeit verbrannt hatten - eine Kurzschlussreaktion, für die ich mich nun hätte ohrfeigen können. Aber zumindest würden sich unsere Aussagen bis zu diesem Zeitpunkt decken, auch mit derjenigen von Dr. Tiller. Die Frage war bloß, was danach kommen sollte.

Lady Gordon schlug vor, wir sollten die Vermutung vorgeben, dass das Wasser oder die Lebensmittel vergiftet gewesen seien und dies Wahnvorstellungen bei uns ausgelöst hätte. Diese Idee stieß bei mir und den anderen allerdings auf wenig Gegenliebe: Einerseits erschien uns das kaum glaubhaft, andererseits zu leicht nachprüfbar. Pater Benedict war eher dafür, unsere "Wahnvorstellungen" - wenn wir diesen Weg schon einschlagen wollten - allgemein mit den traumatischen Ereignissen zu begründen, die wir vorher bereits erlebt hatten. Aber auch mit diesem Vorschlag war keiner von uns wirklich glücklich.

In diesem Moment hörten wir Schritte aus dem Foyer. Durch die noch offen stehende Zimmertür sahen wir Dr. Tiller, der aus der Bibliothek gekommen war und nun zum Haupteingang hinausging. Pater Benedict warf einen Blick aus dem Fenster. "Er geht in Richtung Steg", informierte er uns schließlich. "Solange wir nicht genau wissen, was Dr. Tiller den Beamten sagen wird, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns dumm zu stellen und zu erzählen, dass wir gar nichts gesehen hätten", merkte ich an. "Dann wird es vielleicht mal an der Zeit, herauszufinden, was Dr. Tiller weiß oder zu wissen glaubt", erwiderte Mrs. Stevens-McCormmick. Damit waren wir einverstanden. Da wir jedoch nicht allesamt über ihn herfallen wollten, erklärte sie sich auch gleich dazu bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, und folgte dem Doktor in Richtung Steg. Lady Gordon beschloss, nun endlich ihre entgangene Nachtruhe nachzuholen, und zog sich auf eines der Gästezimmer zurück, während sich Pater Benedict und ich in die Bibliothek begaben, um auf Mrs. Stevens-McCormmicks Rückkehr zu warten.

Es dauerte keine zwanzig Minuten, bis sie wieder in die Bibliothek trat, offensichtlich etwas gereizt. "Er hält nach Schiffen Ausschau", verkündete sie, "und wenn man das Gespräch auch nur ansatzweise auf das Thema 'außerirdisches Monster' lenkt, reagiert er äußerst ungehalten." - "Hat er wirklich 'außerirdisches Monster' gesagt?", fragte ich sie. Mrs. Stevens-McCormmick bejahte. Das erschien mir merkwürdig. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir Dr. Tiller gegenüber noch nie den Verdacht geäußert hatten, dass dieses Ding außerirdischen Ursprungs sei - mir jedenfalls war dieser Gedanke überhaupt noch nicht in den Sinn gekommen. Hatte er vielleicht doch mehr gesehen als er zuzugeben bereit war und sich schon selbst etwas zusammengereimt? Oder hatte er diese Begriffe gewählt, um seiner Verachtung Ausdruck zu verleihen? Wie auch immer, im Grunde war es einerlei - er würde kaum bereit sein, dies zu diskutieren, und ganz sicher würde er nichts davon bei einem Verhör zu Protokoll geben.

Ich fragte Mrs. Stevens-McCormmick, welche Erklärungen er denn für die ganzen Vorgänge hier hätte, und sie berichtete, dass er Charles Johnson für einen wahnsinnigen Mörder halten würde, dessen Beweggründe er aber nicht erahnen könne. Bezüglich Allen Harding wäre er wohl der Ansicht, dass es sich um spontane Selbstentzündung oder ein bisher unbekanntes medizinisches Phänomen gehandelt hätte, und auf die anderen Toten wäre er überhaupt nicht eingegangen. Was unser Verhalten anginge, so würde er eine Massenhysterie beziehungsweise -halluzination vermuten.

Das war im Wesentlichen das, womit wir gerechnet hatten, und wir waren uns auch ziemlich sicher, dass Dr. Tiller dies alles auch genau so den Beamten erzählen würde, sollte es tatsächlich zu einem Verhör kommen - was uns angesichts der Umstände, unter denen man uns auffinden würde, mehr als nur wahrscheinlich erschien. Ich befürchtete sogar, dass man uns zumindest so lange aus dem Verkehr ziehen würde, bis der Sachverhalt geklärt wäre oder feststand, dass man uns nichts nachweisen konnte. Wenn es ganz schlecht lief, wäre es auch gut möglich, dass man uns sicherheitshalber bis ans Ende unserer Tage wegsperren würde. Besser, ich dachte nicht darüber nach. Noch waren wir ohnehin nicht gerettet.

Wir einigten uns jedenfalls schnell darauf, dass es das Klügste und Plausibelste wäre, wenn wir bei Dr. Tillers Aussage einfach mitspielen würden: Die schrecklichen Ereignisse hätten unsere Sinne vernebelt und wir könnten uns an nichts mehr erinnern. Eine Erklärung für die entstellten Leichen hätten wir nicht - fertig. Eine andere Möglichkeit, die ganze Sache glaubwürdig zu erklären, ohne uns mit Dr. Tiller zu widersprechen, sahen wir nicht.

"Ach, da war noch etwas", merkte Mrs. Stevens-McCormmick an, "Dr. Tiller hat mich gefragt, ob wir schon mal nach der Leiche von Charles Johnson gesucht hätten." Pater Benedict hielt das für eine gute Idee, ich jedoch wusste nicht, wo wir damit hätten anfangen sollen - am Wahrscheinlichsten erschien es mir noch, dass das Blasen-Ding, als es den Lichtschlauch um das Sanatorium gebildet hatte, den Leichnam mitgenommen und dann irgendwo fallengelassen hatte - vielleicht sogar ins Meer. Pater Benedict schlug vor, dass wir ja wenigstens mal am Leuchtturm nachschauen könnten, bevor wir hier nur nutzlos herumsitzen würden. Mrs. Stevens-McCormmick erklärte sich bereit, ihn dabei zu begleiten, ich jedoch zog es vor, mich dieser Anstrengung nicht zu unterziehen, und mich stattdessen auf die Couch in der Bibliothek zu legen, um mich zu schonen.

Gut anderthalb Stunden später trat Mrs. Stevens-McCormmick wieder in die Bibliothek, um mir zu berichten, dass sie die Leiche von Charles Johnson tatsächlich oben auf dem ausgebrannten Leuchtturm vorgefunden hätten. Allerdings sei sie nur noch durch den zerstörten Hinterkopf, den meine Gewehrkugel verursacht hatte, zu identifizieren gewesen, und hätte sich ansonsten in einem ähnlichen Zustand befunden wie die Leichen von Blanche, Henry Adam Barber und Leonard Hawkins. Ich nahm es zur Kenntnis, wusste allerdings nicht, was uns diese Information nun gebracht hatte. "Und wo ist Pater Benedict jetzt?", fragte ich. "Zum Steg hinunter, er will noch mal mit Tiller reden", lautete ihre Antwort.

Wir warteten noch bis zur Mittagszeit auf Pater Benedicts Rückkehr, jedoch vergeblich. Dann ging Mrs. Stevens-McCormmick in die Küche, um das Essen zuzubereiten. Auf dem Weg dorthin begegnete sie dem Pater offenbar im Foyer, als dieser gerade von draußen hereingekommen war. Durch die offen stehende Bibliothekstür konnte ich ihre Unterhaltung mit verfolgen: Pater Benedict berichtete, dass er mit Dr. Tiller zumindest ins Gespräch gekommen wäre. Die beiden hätten sich dazu entschlossen, an der Steilküste ein Signalfeuer zu entfachen und nach vorbeifahrenden Schiffen Ausschau zu halten, was in der momentanen Situation sicherlich das Sinnvollste wäre. Pater Benedict wollte zwei Stühle und zwei Decken aus dem Sanatorium holen, damit es die beiden draußen etwas bequemer hätten. Mrs. Stevens-McCormmick erklärte sich bereit, eine heiße Kanne Tee aufzubrühen, dann entschwand sie in die Küche, während Pater Benedict offenbar ins Obergeschoss ging, um die gewünschten Utensilien zu holen. Wenig später hörte ich, wie er - etwas schwerfälliger - die Treppe wieder herunterkam und das Gebäude verließ.

Als Mrs. Stevens-McCormmick mit der Zubereitung unseres Mittagsmahls fertig war, holte sie mich und die Patienten aus der Bibliothek, weckte Lady Gordon und rief auch nach Pater Benedict und Dr. Tiller. Letztere wollten aber wohl ihren Posten nicht aufgeben, und so kam nur der Pater kurz vorbei, um für sich und Dr. Tiller etwas zu essen und die Kanne mit dem Tee zu holen.

Nach dem Mittagessen zogen wir uns mitsamt den Patienten in die Bibliothek zurück und verbrachten dort den gesamten restlichen Nachmittag. Ich versuchte, mich mittels leichter Lektüre etwas von den Geschehnissen der letzten Tage abzulenken. Lady Gordon tat es mir gleich, während Mrs. Stevens-McCormmick sich eingehend mit dem Castro-Manuskript beschäftigte. Als die Dämmerung hereinbrach, gesellte sich auch Pater Benedict wieder zu uns und berichtete, dass er und Dr. Tiller kein Schiff gesehen und schließlich beschlossen hätten, es für heute gut sein zu lassen. Der Pater machte Darlene und Colonel Billings bettfertig und brachte sie auf ihre Zimmer, dann griff er sich ebenfalls irgendein Buch aus einem der Regale und begann zu lesen. Lady Gordon verkündete jedoch, dass sie sicherheitshalber auch diese Nacht wieder auf der Empore Wache halten wolle. Sie begab sich wieder auf ihren Posten über dem Haupteingang, von dem sie den Weg zum Steg und durch die geöffnete Tür des Gästezimmers auch den Weg in Richtung Leuchtturm im Auge behalten konnte.

Mit dem fortschreitenden Abend wuchs in mir die Hoffnung heran, dass wir es tatsächlich überstanden haben könnten - immerhin war es nun schon gegen Mitternacht und das Blasen-Ding hatte sich nicht mehr gezeigt. Wenn wir nur noch bald gerettet werden würden...

In diesem Moment riss mich die Stimme von Lady Gordon aus meinen Gedanken, die in markerschütternder Lautstärke jenen Satz kreischte, der sofort jegliches Gefühl der Zuversicht in mir wie eine Seifenblase zerplatzen und in blankes Entsetzen umschlagen ließ:

"ES IST WIEDER DA!"

Für eine Sekunde starrten wir uns nur erschrocken und ungläubig an. Dann warf Pater Benedict sein Buch beiseite und war mit einem Satz am Fenster. "Nein", brachte er nur hervor, dann stürmte er zur Tür hinaus. Mrs. Stevens-McCormmick war nur den Bruchteil einer Sekunde langsamer und stürzte die Treppe zu Lady Gordon hinauf. "Ich will mit der Muschel zum Steg, kommen Sie mit?", schrie diese ihr entgegen. "Aber... was soll ich denn machen?", fragte Mrs. Stevens-McCormmick verzweifelt. "Weiß ich auch nicht", entgegnete Lady Gordon ihr nur, dann hasteten sie die Treppe wieder hinunter und hinter Pater Benedict her zum Haupteingang hinaus.

Ehe ich mich versah, war ich allein. Ich sah keinen Sinn darin, den anderen kopflos hinterher zu rennen. In meinem Zustand würde ich eh nicht mit ihnen Schritt halten können und eine Hilfe wäre ich ihnen auch nicht gewesen. Ich wusste aber auch nicht, was die Damen und Pater Benedict jetzt noch zu erreichen hofften - mit nur einem einzigen Symbol würden sie das Ding nicht in Schach halten können.

Ich stand auf und schlurfte ins Foyer. Durch den geöffneten Haupteingang konnte ich es nun auch sehen: Über die Kante der Steilküste schien das rötliche Leuchten, das mir inzwischen nur allzu vertraut war - genau an der Stelle, an der sich der Steg befand. Kein Zweifel: Dieses Mistding war wieder aus dem Meer gekrochen. Davor konnte ich noch die Silhouetten von Pater Benedict, Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick erkennen, die auf das Leuchten zueilten - zweifelsohne in ihr Verderben.

Ich wand mich ab und ging wie in Trance in den Patiententrakt, schloss die Sicherheitstür zum Foyer und kauerte mich in die Nische, in der wir Bobby Birch gefunden hatten, und in die wir uns nun schon so oft hatten zurückziehen müssen. Dort wartete ich, den Kopf in den Armen vergraben. Wir hatten alles versucht: Wir hatten dieses Ding am Leuchtturm durch eine Flammenhölle gejagt und es hatte ihm scheinbar nichts ausgemacht. Das Sonnenlicht schien es zwar zu meiden, aber wirklich gefährlich konnte es ihm wohl auch nicht werden. Es ins Meer zu treiben, war unsere letzte Hoffnung gewesen. Wenn das nun auch nicht funktioniert hatte, was blieb dann noch? Mir fiel nichts mehr ein und ich hatte auch keine Lust, noch länger darüber nachzudenken. Ich war es einfach satt. Ich wollte nur noch, dass es endlich vorbei war.

Ich zog den Colt meines Cousins Edward aus der Innentasche meiner Jacke. Er hatte ihn bei seinen Luftgefechten immer bei sich getragen, um seinem Leben ein Ende setzen zu können, bevor er im schlimmsten Fall dazu verdammt sein würde, in seinem brennenden Wrack einen qualvollen Flammentod zu erleiden. Bei seinem letzten Flug hatte er es jedoch aus irgendwelchen Gründen nicht geschafft, ihn abzufeuern. Jetzt hatte ich den Colt und befand mich in einer ähnlichen Situation. Ironie des Schicksals? Ich überprüfte die Waffe - die einzige Kugel steckte noch immer im Lauf. Würde ich die Chance bekommen, die Edward versagt geblieben war?

Ich hörte ein Geräusch aus dem Foyer. Ich nahm den Colt in die Hand und presste die Mündung an meine rechte Schläfe, dann richtete ich den Blick starr auf die Sicherheitstür. Ich wusste nicht, ob ich den Mut aufbringen würde, im entscheidenden Moment abzudrücken.

Aber eines wusste ich ganz genau: Lebend sollte mich dieses Mistvieh nicht bekommen.

Fortsetzung in Teil 29: Das Ende
Take me out to the black, tell 'em I ain't comin' back.

Osric

  • Mitglied
Cthulhu: Das Sanatorium
« Antwort #121 am: 21. September 2009, 17:19:53 »
Und noch ein Cliffhanger. Immer wenn man denkt es geht nicht mehr, kommt von irgendwo eine rosa Blase her.
Was würde Robert Jordans Frau dazu sagen?

Halvar

  • Mitglied
Cthulhu: Das Sanatorium
« Antwort #122 am: 21. September 2009, 22:27:19 »
Und noch ein Cliffhanger.

Naja, aber dafür ist es auch - wie Du Dir sicher denken kannst - der Letzte. :)
« Letzte Änderung: 21. September 2009, 22:32:04 von Halvar »
Take me out to the black, tell 'em I ain't comin' back.

Der Wurm

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  • Hair Loss is God's Way to tell me I'm human
    • http://www.lastfm.de/user/Rentner65/
Cthulhu: Das Sanatorium
« Antwort #123 am: 22. September 2009, 14:11:06 »
Danke fürs update. Auch wenn diesmal ja (ausnahmsweise :)) nichts actionreiches passiert ist.
Arbeitslos in Grönland
"I'm burning gas until I feel all right"

Fliege

  • Mitglied
Cthulhu: Das Sanatorium
« Antwort #124 am: 23. August 2010, 18:18:54 »
gibt es eigentlich Hoffnung, dass das Ende noch veröffentlicht wird *>*?

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