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Autor Thema: [Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung  (Gelesen 23686 mal)

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Tzelzix

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #15 am: 21. Februar 2010, 20:43:30 »


sehr rantig.   :D
Never attribute to malice that which can be adequately explained by stupidity.

Windjammer

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #16 am: 21. Februar 2010, 21:11:23 »
Da fliegen aber eine gaaaanze Menge an Annahmen daher, was Immersion bedeutet und beinhaltet. Da ich diese nicht teile (dazu gleich mehr) hat für mich Dein Posting primär autobiografischen Wert. Und das ist nicht ab- geschweige denn ent-wertend gemeint, da ich ja auch das verlinkte Posting, wo ich meine Position darlege, ganz streng an meine Eigenerfahrung mit dem Rollenspiel knüpfe. Das nur vorweg.

Jetzt zu den Annahmen. Ich formuliere das zunächst mal negativ - als das, was ich nicht teile.

Um Immersion zu betreiben brauche ich keinen vorgefertigten Charakterhintergrund; und muss weder wissen, wo kommt der Charakter her (Familie und Heimatort), noch, was hat er für ein Psychogramm. Es geht mir also an keiner einzigen Stelle darum, dass ich eine fiktive Persönlichkeitsstruktur dezidiert entwerfe, und dieses Konstrukt dann aus der Ich-Perspektive kontrolliere, indem ich noch dazu auf diese (von mir selber) vorgefertigten Informationen zurückgreife.

Sondern. Es geht darum, sich vorzustellen, selber in der D&D-Welt zu leben. Natürlich als jemand mit gewissen Fähigkeiten. Aber letztlich erlebt man diese Welt, und sogar die Fähigkeiten des Charakters, aus der Ich-Perspektive. Es gibt Kinderbücher, die zu dieser Erfahrung perfekt einladen und sie über das Lese-Erlebnis transportieren. Das sind nicht Drizzt und Co., sondern passiert im Genre, wo ein Mensch (oft ein Kind) aus unserer Welt in eine Fantasiewelt hineingezogen wird, und dort was erlebt. In neuerer Zeit wäre das Harry Potter, aber Deutschland-bezogen wären Hohlbeins "Märchenmond" und "Drachenfeuer" zu nennen. D&D-bezogen ist der Klassiker hier "Three Hearts and Three Lions" von Poul Anderson. Ein Däne aus unserer Welt schläft ein und wacht in der Welt Greyhawk auf. Er findet ein Pferd und eine Paladinrüstung an einem Baumstamm vor, und mit diesen macht er sich in dieser anderen Welt auf die Reise. Er trifft auf Trolle und Drachen, muss Feen befreien und sich mit wortspielerischen Gnomen auseinandersetzen.

Und deshalb betreibe ich Rollenspiel als Spiel. Es macht Spass, sich in eine andere Welt zu begeben, dort einzutauchen - meine Psyche, meine Ich-Perspektive, genau dieselbe, die ich ohnehin schon habe - und mir vorzustellen, was wenn ich dieser Paladin wäre.

Zu mehr sind die Klassen bei D&D auch nicht gedacht. Man kann darüber hinaus auch in komplexere Figuren mit ausgearbeiteten Psychogrammen hineinschlüpfen - das ist dann aber ein gänzlich anderer Prozess. Das ist dann dieses "Was würde Herr Lavendel jetzt wohl tun?"-Spiel, dem ich persönlich nichts abgewinnen kann.

Und schließlich ist dann noch die dritte Frage, "Wie sollte Herr Lavendels Geschichte jetzt weitergehen?". Das erinnert mich an ein lustiges Party-Spiel, wo man zusammen eine Geschichte schreibt: der erste schreibt den ersten Satz der Geschichte, faltet das Blatt um, und reicht das Papier weiter. Immer so fort, und zum Schluß schaut man, was dabei herauskommt. Man kann das auch anders gestalten, und das Papier nicht umfalten sondern einfach weiterreichen. Aber das ist nicht die Sorte Spiel, weswegen ich mich mit Freunden an einen Rollenspieltisch setze.
« Letzte Änderung: 21. Februar 2010, 21:14:35 von Windjammer »
A blind man may be very pitturesque; but it takes two eyes to see the picture. - Chesterton

Tyrion the Imp

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #17 am: 21. Februar 2010, 21:33:51 »
Der vorgefertigte Charakterhintergrund ist keinesfalls nötig.

Ansonsten würde ich höchstens hinzufügen: dann lies halt ein Buch. Rollenspiel ist nicht dazu da, dass du irgendwo eintauchst und weder selbst alleiniger Autor bist noch einfach nur in einer Welt herumschwimmst. Dazu führen allein Würfelergebnisse dazu, dass "störende" Entwicklungen entstehen. Was du beschreibst ist dann ja eine NOCH passivere Haltung, sich vom SL bespaßen zu lassen, damit die Welt um einen herum lebendig wird und man sich vergessen kann.

Wenn du mit mir am Tisch sitzt, sollst du dich aber nicht vergessen, sondern deinen Teil dazu beitragen, dass alle Spaß haben. Zum vergessen kannst du dir Avatar angucken und die Hand nach den schwebenden Blumen ausstrecken, als Techniker, der die Blumen erschafft, ist das die falsche Einstellung. Beim Rollenspiel erfährst du kein fertiges Produkt, sondern du bist Teil der Crew, die es erstellt. Und Method Acting funktioniert nur, wenn du einen festen Charakter mit vorgeschriebenem Ausgang hast. Daniel Day-Lewis taucht in seinen Charakter ein und lebt ihn, aber wenn dann der Regisseur käme und sagen würde: "Wir haben den zweiten Teil des Films umgeschrieben, deine Figur adoptiert jetzt ein Kind und wird ein herzlicher Vater", dann würde der wahrscheinlich verrückt werden.

In Abwandlungen gilt daher m.E. immer noch das, was ich gesagt habe. Es ist verfehlt, das Ziel der Immersion im Rollenspiel zu suchen. Du kannst dir immer noch Spielsituationen erfahrbar machen – gerade da kann und sollte sogar das System mitspielen, z.B. kannst du bei "Steal Away Jordan" erfahrbar machen, wie afroamerikanische Sklaven in den Südstaaten lebten, und Grey Ranks zeigt dir die Unausweichlichkeit der Ereignisse im Warschauer Ghetto – aber erfahrbar machen ist etwas anderes als in einer Geschichte aufzugehen, und vielleicht ist Immersion sogar hinderlich, wenn es stattdessen um bewusste Erfahrung geht.
Gewinner des WM-Tippspiels 2010
»For it is the chief characteristic of the religion of science that it works«

Tzelzix

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #18 am: 21. Februar 2010, 21:36:06 »
Dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht, was für dich deine Wahrnehmung von Immersion stört, wenn in BW eine Probe stattfindet. Warum genau reißt dich die Definition des Konflikts aus der "Ich-Perspektive"? Nehmen wir ein einfaches Beispiel, um etwas konkreter an die Sachen gehen zu können, auch wenn das erst einmal zu kurz greifen mag.

Dein Charakter, Lord Lavendel ;), strebt an, seinen Thron zu erkämpfen, weil ein Thronräuber diesen an sich gerissen hat, als Lavendels Vater noch regierte und er deswegen ins Exil gehen muss. Entsprechen sehen dann halt die Beliefs aus, ich denke, man kann sich das vorstellen, da wir ja alle BW spielen. Nun kommt es zu einem ersten Hindernis, man lässt den (selbsternannten) Lord natürlich nicht an den Hof, wo er seine Vorhaben umsetzen könnte, Unterstützer zu finden. Also nimmt sich Lord Lavendel vor, hinein zu kommen.

Intent: Ich will Zutritt zum Hof erlangen.

Der GM fragt also daraufhin "wie genau?"

Task:  Ich überzeuge die Wach von meiner Herkunft

Ganz klar ein Test auf "Persuasion", die Schwierigkeit ist "Will" vorgegeben durch die Wache. Der GM setzt die Konsequenz des Scheiterns fest: "Wenn du scheiterst, lässt dich zwar die Wache hinein, informiert aber postwendend deinen Erzfeind, den Thronräuber über deine Ankunft".  Alles klar, es wird gewürfelt und fertig.

Wie genau reißt dich eine solche Abfolge aus der Immersion (Definition jetzt mal aussen vor)? Ist es mehr die Pause, die entsteht, wenn der GM sich nicht sicher ist, welche Konsequenz angemessen erscheint? Ist es deine eigene Unsicherheit, eine akzeptable Absicht (Intent) zu formulieren? Ist es die Definition der Konsequenz bevor die Probe gewürfelt wird? Die Probe selbst kann es ja nicht sein, denn dieser Art wird es in praktisch allen RPGs gehandhabt.
« Letzte Änderung: 21. Februar 2010, 21:38:22 von Tzelzix »
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Windjammer

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #19 am: 21. Februar 2010, 21:39:56 »
Und noch zwei Detailrepliken als P.S. zu meinem Beitrag darüber (super, sehe gerade, dass Ihr bereits geantwortet habt! :) ). Unwichtig, aber nur der Vollständigkeit halber.

1. Aus Deiner Ablehnung gegenüber "Charakterspiel braucht keine Regeln" sehe ich jetzt den Umkehrschluß "Ohne unterstützendes Regelwerk auch kein Charakterspiel". Anders kann ich mir diese seltsamen Tiraden gegen D&D, wo diplomatische Adeligen (angeblich) unspielbar sind, nicht erklären.

2. Ob ein Spieler sich in einer Runde als asoziale Schildkröte, der die Spielerfahrung der restlichen Gruppe (und der Gruppe als ganzes) egal ist, verhält, hängt nicht davon ab, ob er in das Spiel mit seinem eigenen Ich eintaucht - sondern welches Ich (welche Person) das ist, das da eintaucht.
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Windjammer

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #20 am: 21. Februar 2010, 21:44:25 »
Super Beispiel, danke Tzel.


Ganz klar ein Test auf "Persuasion", die Schwierigkeit ist "Will" vorgegeben durch die Wache. Der GM setzt die Konsequenz des Scheiterns fest: "Wenn du scheiterst, lässt dich zwar die Wache hinein, informiert aber postwendend deinen Erzfeind, den Thronräuber über deine Ankunft".

Herr Lavendel würde das niemals im Vorfeld wissen!  :cheesy:

Würde ich diese Dynamik unter Beibehaltung meiner präferierten Spielweise durchdrücken wollen, müsste mein Spielleiter mir praktisch diese Dinge über eine Figur in der Spielwelt vermitteln.

Ich: Ich möchte in den Burghof hinein! Und die Wache niederquasseln.

Talwyn (als die kleine Grille): Aber Pinnocchio! Du weißt schon, was Dir blüht wenn das schiefgeht?



... und dann:

Talwyn (als die kleine Grille): legt die Konsequenzen dar

Ich: Hm, könntest Du es nicht einrichten, dass, wenn ich scheitere, der böse Fuchs doch nichts erfährt, sondern nur der Kater? Bitte bitte?

Talwyn (als die kleine Grille): Na gut, Pinnocchio. Abgemacht. Und jetzt sehen wir mal, ob Du es in die Burg schaffst!
« Letzte Änderung: 21. Februar 2010, 21:48:14 von Windjammer »
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Windjammer

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #21 am: 21. Februar 2010, 21:53:58 »
Was du beschreibst ist dann ja eine NOCH passivere Haltung, sich vom SL bespaßen zu lassen, damit die Welt um einen herum lebendig wird und man sich vergessen kann.

Wie kommst Du denn darauf? Poul Andersons Däne ist ja auch in die andere Welt eingetaucht und hat dort nicht Däumchen gedreht - sondern Drachen erschlagen.

Ich gehöre ja eher zu der Kategorie Spieler, die sich ihre Drachen suchen, wenn die nicht rechtzeitig auftauchen. ;)

Davon ab entsteht so eine Spielwelt, in die man eintauchen kann, bei uns weniger aus Erzählpassagen des Spielleiters sondern aus dem unmittelbaren "in-character" Gespräch der Spieler untereinander.
« Letzte Änderung: 21. Februar 2010, 21:57:21 von Windjammer »
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Tzelzix

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #22 am: 21. Februar 2010, 21:59:50 »
Hmm, ok. Das ist dann also ein Problem der Umsetzung. Das Festlegen der Konsequenz im Vorfeld ist ja kein absolutes Muss und als GM würde ich dem "Mimimi" der Spieler auch keinen Raum einräumen. Harte Entscheidungen sind gefragt und die Aufgabe der Spieler ist es, ihre Beliefs zu verfolgen, komme da, was da wolle. Das ganze darf natürlich nicht in "Arschlochverhalten" ausarten, aber zu verhandeln gibt es an der Stelle rein gar nichts.

Was Spieler vs. Charakterwissen angeht, muss ich jetzt allerdings Tyrions Rant aufgreifen, denn an der Stelle macht sich jeder etwas vor, der glaubt, er wäre besser dran und könne sich das ja alles so viel besser vorstellen, wenn er nur genau das wisse, was auch sein Charakter weiß. Das ist im Spiel nie erfüllt und es ist auch gänzlich unmöglich, dies jemals umzusetzen. Man muss bei Rollenspiel damit Leben, dass der Spieler immer mehr weiß als der Charakter (auf vielfältigen Ebenen). In diesem speziellen Fall ließe sich natürlich ein Teil davon vermeiden, indem der GM einfach nur nickt und deinen Charakter trotzdem durchwinkt. Selbst dann wüsstest du aber natürlich, dass der Wurf fehlgeschlagen ist. Irgendetwas muss also noch darauf folgen. Ob das nun deinem persönlichen Anspruch gerechter wird, kannst nur du allein sagen, aber in meinen Augen ändert das faktisch gar nichts am Spiel (es bedingt aber sehr wohl, dass man als Spieler seinem GM unbedingt vertrauen muss, eine "gute" Konsequenz parat zu haben).

Das interessante daran ist aber, finde ich jedenfalls, dass durch das Aushandeln der Konsequenz eigentlich viel mehr Möglichkeiten geschaffen werden, als dass dadurch irgendetwas (auch die "Ich"-Vorstellung) eingeschränkt wird. Man kann dann nämlich mit der gespannten Erwartung auf einen absolut köstlichen Konflikt das Hofgeschehen betreten und sich schon darauf freuen, vor versammelter Mannschaft höchst theatralisch ein Duel of Wits zu inszenieren, in dem man natürlich alle Anwesenden von der Rechtmäßigkeit des eigenen Thronanspruchs überzeugt. Andere Art von Spannung, für mich aber eindeutig der bessere Weg, zusammen eine spannende Geschichte zu erzählen. Ich betonten es ja schon, aber an dieser Stelle muss man bei BW auf jeden Fall einen Schritt zurück treten von der Vorstellung, man verkörpere "nur" seinen Charakter. Ich habe mich jetzt schon ein paar Mal als Spieler dabei ertappt, mir zu wünschen, der Wurf möge fehlschlagen, weil mir die Entfaltung der angedrohten Konsequenz einfach zu verlockend erschien.
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Tzelzix

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #23 am: 21. Februar 2010, 22:08:20 »
Davon ab entsteht so eine Spielwelt, in die man eintauchen kann, bei uns weniger aus Erzählpassagen des Spielleiters sondern aus dem unmittelbaren "in-character" Gespräch der Spieler untereinander.

Das kitzelt natürlich sehr am Bauch der Indy-Elemente in BW, weil genau diese Aussage eigentlich ein klassisches Beispiel dafür ist, was resultiert, wenn ein System rein gar nichts dafür tut, dass die Spieler Einfluss auf die Handlung bekommen. Man verlagert seinen kreativen Auslass darauf, Interaktion aufzubauen, die (sehr wahrscheinlich) stark von der Handlung getrennt ist, die vom Spielleiter präsentiert wird. Man spielt im Prinzip einfach so vor sich hin und vielleicht hat das sogar Auswirkungen auf das Spiel und es gibt Auseinandersetzungen zwischen den Spieler, aber es gibt einfach rein gar keine Handhabe, das wirklich ins Spiel zu binden, weil es dafür keine Regelbasis gibt, die das unterstützt. Letztendlich basiert alles nur auf gutem Willen.

Das Gegenteil versucht man in BW zu erreichen. Interaktion zwischen Spieler sollten immer durch Beliefs unterstützt werden, damit diese hinreichend "Prime Time" im Spiel bekommt und von den Mechanismen abgedeckt wird, die BW bereit hält. Auf diesem Weg werden alle eingebunden, die Spieler und der Spielleiter. Durch die Konfliktmechaniken kann man sich jetzt sogar ganz wunderbar ingame die Köpfe einhauen ohne hinterher auch beleidigt vom Tisch aufzustehen (ich glaube, das können nur ganz wenige ohne einen festen Rahmen leisten). Das, was dir also am Herzen liegt, um das Eintauchen in die Welt zu schaffen, die Gespräche zwischen den Spielern, die Konflikte, die draus entstehen können und die persönlichen Motivationen, die darin eine Rolle spielen, sind in BW alle vollkommen ins Spiel eingebunden. Von da her, sollte dir das eigentlich sogar mehr liegen als D&D z.B.
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Wormys_Queue

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« Antwort #24 am: 21. Februar 2010, 22:10:07 »
Und jetzt kommen wir zum zweiten Punkt, den BW erkennt: immersive Spieler sind feige Säue. Da ihr einziger wirklicher personalisierter Spaß darin besteht, Autorenkontrolle auszuüben, und die im Rollenspiel ohnehin ständig gefährdet ist, ist es auch nachvollziehbar, dass man diesen Hintergrund, diese Charaktereigenschaften nicht aufs Spiel setzen will.

Nur kurzer Zwischeneinwurf, weil ich nach deinem Rant gar keine Lust habe, mich mit dir auf eine Diskussion über Immersion einzulassen (und in einem Burning Wheel-Thread eh nix verloren habe ^^):

Interessanterweise ist meine Erfahrung genau die umgekehrte: Die Immersionsspieler, die ich kenne (und ich bin in so einer Gruppe großgeworden), waren eigentlich immer auch sehr konsequente Spieler, die oftmals sehenden Auges die für ihren SC falsche Entscheidung trafen, weil sie diesem Charakter entsprochen hätte. Feigheit (im Sinne von aus der Rolle fallen, weil das sonst dem Charakter schaden würde) finde ich meistens bei Spielern, bei denen es mit dem Charakterhintergrund eh nicht allzuweit her ist und die vor allem in Regeln und Werten denken.

Abgesehen mal davon natürlich, das Immersion und Autorenkontrolle nix miteinander zu tun haben. Als Immersionsspieler spiele ich meinen Charakter, nicht die Story (die ich , so vorhanden, als Spieler gar nicht kenne), und schon gar nicht die Welt. Störend wirds dann nur, wenn tatsächlich jemand meint, die Autorenkontrolle übernehmen zu müssen, und ich ständig gegen meinen Charakter spielen muss, oder sogar vorgeschrieben bekomme, wie ich meinen Charakter spiele soll (dein Beispiel).

Ansonsten siehe Windjammer.
Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
Wormy's Worlds

Wormys_Queue

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #25 am: 21. Februar 2010, 22:12:00 »
Letztendlich basiert alles nur auf gutem Willen.

Gibts eigentlich einen Grund, warum ich mit Leuten spielen sollte, bei denen dieser fehlt?
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Wormy's Worlds

Windjammer

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #26 am: 21. Februar 2010, 22:12:12 »
Was Spieler vs. Charakterwissen angeht, muss ich jetzt allerdings Tyrions Rant aufgreifen, denn an der Stelle macht sich jeder etwas vor, der glaubt, er wäre besser dran und könne sich das ja alles so viel besser vorstellen, wenn er nur genau das wisse, was auch sein Charakter weiß. Das ist im Spiel nie erfüllt und es ist auch gänzlich unmöglich, dies jemals umzusetzen.

Naja, die von mir erwähnten Bücher oder auch Stephen King Thriller funktionieren nun mal nach dem Prinzip, dass man in dem Moment, wo was Fürchterliches bevorsteht, noch nicht weiss, was geschehen wird. Also man weiß jetzt nicht, was die möglichen Konsequenzen sein können. Das ist ja das Spannende, und deckt sich mit dem Teilsatz "the sense of a life being lived", der Tyrion so stört. Es geht um die Unmittelbarkeit der Erfahrung, wo man sich immer auf das, was jetzt momentan im Leben des Charakters geschieht, konzentriert.

Dass ein Spieler immer viel mehr als sein Charakter weiß (etwa rein naturwissenschaftlich) ist mir auch klar, aber dieses Urprinzip von Spannung wird davon nicht notgedrungen untergraben. Bei BW tut es das nunmal. Ich seh etwas hier aber auch ähnlich wie Du: es entstehen dabei auch enorme Vorteile. Etwa, dass die Bandbreite der Konsequenzen viel weiter ist (bei D&D ist das sehr "zwei-gepolt" und die Konsequenzen und Handlungen sind natürlich sehr monoton: treffe ich mit dem Schwert oder nicht, kann ich mich vorbeischleichen oder nicht, und alles dieser Art).
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Windjammer

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« Antwort #27 am: 21. Februar 2010, 22:19:12 »
Davon ab entsteht so eine Spielwelt, in die man eintauchen kann, bei uns weniger aus Erzählpassagen des Spielleiters sondern aus dem unmittelbaren "in-character" Gespräch der Spieler untereinander.
Das kitzelt natürlich sehr am Bauch der Indy-Elemente in BW, weil genau diese Aussage eigentlich ein klassisches Beispiel dafür ist, was resultiert, wenn ein System rein gar nichts dafür tut, dass die Spieler Einfluss auf die Handlung bekommen. Man verlagert seinen kreativen Auslass darauf, Interaktion aufzubauen, die (sehr wahrscheinlich) stark von der Handlung getrennt ist, die vom Spielleiter präsentiert wird.

Sag das nicht. Ein Paradefall ist, dass die Spieler, nachdem oder bevor sie einen meinen NSC in einem Gespräch in die Mangel nehmen/genommen haben, sich nochmal "unter 4 Augen" beratschlagen, in die Herberge gehen, und dann geistreiche Gespräche führen wie diese hier: "Hat der jetzt die Wahrheit gesagt?" "Wenn ja/wenn nicht, was sollen wir dann als nächstes unternehmen?" Die klassischen Entscheidungen, die Spieler in einem D&D Abenteuer treffen - wohin geht's als nächstes, sollen wir A als Verbündeten nehmen und uns B zum Feind machen -, werden bei uns im Laufe dieser "in character"-Gespräche getroffen. Die sind jetzt nicht hochliterarisch (im Gegenteil ;) ), aber die Leute nehmen sich ja gegenseitig als die anderen Charaktere wahr und reden sich so an.

Den anderen Löwenteil der Lebendig-isierung der Spielwelt bilden natürlich die Gespräche mit den NSC selber. Das verläuft selten so, dass da nur ein SC redet und der Rest der Gruppe den Mund hält.


Man spielt im Prinzip einfach so vor sich hin und vielleicht hat das sogar Auswirkungen auf das Spiel und es gibt Auseinandersetzungen zwischen den Spieler, aber es gibt einfach rein gar keine Handhabe, das wirklich ins Spiel zu binden, weil es dafür keine Regelbasis gibt, die das unterstützt. Letztendlich basiert alles nur auf gutem Willen.

Täterätätä! (s.v. "Die Zereissprobe" / Tynar)  :D
« Letzte Änderung: 21. Februar 2010, 22:23:16 von Windjammer »
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Tzelzix

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« Antwort #28 am: 21. Februar 2010, 22:22:00 »
Letztendlich basiert alles nur auf gutem Willen.

Gibts eigentlich einen Grund, warum ich mit Leuten spielen sollte, bei denen dieser fehlt?

Ja, den kann es geben. Darüber hinaus gibt es an dieser Stelle keine absoluten Aussagen. Wie viel guter Wille ist genug? Wann überspannt man diesen? Was macht der GM mit all seinem guten Willen, wenn die Spieler etwas tun, das alles kippt, was er sich vorher zurecht gelegt hat? Da gibt es so wahnsinnig viele Situationen, in denen es einfach nicht reichen mag, dass man auf Basis guten Willens einen Teil der Fiktion allem anderen vorbei schmuggelt, das man meiner Meinung nach etwas verpasst, wenn man sich diese versperrt, um "nicht über die Stränge zu schlagen". In einer Gruppe wird sich sicher immer ein "akzeptables" Maß etablieren, an dem sich alle ausrichten. Wenn man Glück hat, dann funktioniert das für alle ganz toll und jeder ist glücklich. Meine Erfahrung sagt mir aber, dass auf lange Sicht die meisten Rollenspielgruppen nicht homogen genug sind, um so weit zu kommen. Letztendlich hängt das aber natürlich auch davon ab, was man sich vom Spiel verspricht. Nicht jede Art Spiel ist für jedermann etwas. Ich persönlich bin mit BW sehr glücklich, für andere mag das nicht so gut funktionieren.
« Letzte Änderung: 21. Februar 2010, 22:41:31 von Tzelzix »
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Tzelzix

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #29 am: 21. Februar 2010, 22:30:40 »
Sag das nicht. Ein Paradefall ist, dass die Spieler, nachdem oder bevor sie einen meinen NSC in einem Gespräch in die Mangel nehmen/genommen haben, sich nochmal "unter 4 Augen" beratschlagen, in die Herberge gehen, und dann geistreiche Gespräche führen wie diese hier: "Hat der jetzt die Wahrheit gesagt?" "Wenn ja/wenn nicht, was sollen wir dann als nächstes unternehmen?" Die klassischen Entscheidungen, die Spieler in einem D&D Abenteuer treffen - wohin geht's als nächstes, sollen wir A als Verbündeten nehmen und uns B zum Feind machen -, werden bei uns im Laufe dieser "in character"-Gespräche getroffen. Die sind jetzt nicht hochliterarisch (im Gegenteil ;) ), aber die Leute nehmen sich ja gegenseitig als die anderen Charaktere wahr und reden sich so an.

Alles gut und schön, so sollte das wohl laufen. Haben die SC dabei eine Agenda? Gibt es Streit? Wie wird der gelöst? Agieren die SC dabei jetzt nur als Gruppe oder gibt es auch individuelle Probleme, die im Spiel seitens des SL eine Rolle spielen? Wir entfernen uns damit wohl recht weit von der ursprünglichen Fragestellung und vertiefen uns zusehends in eine Diskussion über den Inhalt des Spiels. Was du beschreibst, ist so in jedem RPG ohne weiteres möglich. BW bietet nur erweiterte Mechanismen für die Umsetzung von Konflikten zwischen Spielern (das inkludiert auch ganz allgemein den GM). Die wichtigste Aussage dürfte wohl überhaupt sein: In Burning Wheel geht es nur um die Wünsche der Spieler. Es wird nur gewürfelt, wenn die Vorstellungen von Spielern kollidieren, wenn also einer etwas will, was der andere nicht will. Charaktere, ob SC oder NSC, sind dabei eigentlich nur Mittel zum Zweck.

Den anderen Löwenteil der Lebendig-isierung der Spielwelt bilden natürlich die Gespräche mit den NSC selber. Das verläuft selten so, dass da nur ein SC redet und der Rest der Gruppe den Mund hält.

Stellt sich auch hier wieder die Frage: Ist das nur hübsches Beiwerk oder nicht? BW fokussiert auf die Geschichte, die sich die Spieler wünschen (auch hier wieder GM inklusive), alles andere ist in der Tat nur Beiwerk.
« Letzte Änderung: 21. Februar 2010, 22:42:44 von Tzelzix »
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