Ich behaupte einfach mal, dass jede Entscheidung, wenn man denn will, aufgrund der Spielsituation oder des Charakterhintergrundes erklärbar wäre.
Dem widerspreche ich gar nicht direkt, erklären kann ich alles mögliche. Allerdings sind diese Entscheidungen nicht alle gleich wahrscheinlich, sondern besitzen, beeinflusst durch den Charakter, seine bisherige Entwiclung, den bisherigen Storyverlauf und die aktuelle Situation (um die Hauptfaktoren zu nennen) verschiedene Probabilitäten. Damit es nun Sinn macht, eine Entscheidung mit geringerer Probabiltät zu treffen, braucht der Charakter (nicht ich als Spieler) einen Grund. Dazu komm ich aber gleich noch mal.
Insofern ist es für mich nicht problematisch, wenn man diesen Weg gehen wollte – Ablehnung von sozialen Konfliktsystemen geht für mich zwar nicht unbedingt damit einher, aber darüber reden wir hier ja nicht.
Um das nochmal vom Kopf auf die Füße zu stellen: Ich lehne solche Systeme gar nicht prinzipiell ab. Ich stelle lediglich fest, dass ich in den letzten Jahren hervorragend ohne ausgekommen bin, die Existenz dieser Systeme für mich als keinen Anreiz zum Wechsel des Systems darstellt. Vor allem, da es 100%ig Teile des Systems gibt, an denen ich wieder rumbasteln müsste, um sie für mich passend zu machen.
Das ist übrigens als Spielleiter gesprochen (was ja meine Hauptbeschäftigung darstellt) und bedeutet nicht, dass ich mich als Spieler einer Partie BW verweigern würde. Und dass das unter den geeigneten Randbedingungen sogar dazu führen könnte, dass ich im späteren Verlauf auch als Spielleiter den Systemwechsel vollziehe, will ich gar nicht ausschließen. So bin ich ja auch von DSA zu D&D gekommen.
So, und jetzt kommen die drei Beispiele, auf die ich gerne noch mal eingehen würde:
1.
Ich persönlich glaube, dass sich durch punktuelle Verdeutlichung dessen, was auf dem Spiel steht, die Situation auch verstärken lässt – wenn ich weiß, dass von der folgenden Rede meines Charakters abhängt, ob er als General akzeptiert wird, kann ich mich viel besser in diese Stresssituation einfühlen, als wenn ich nur eine Rede halte, die sich dann im Nachhinein als wichtig erweist. Und mich würde das Vorhandensein von hilfreichen NSC, die das "im Spiel" verpacken, eher stören ("Denkt dran, Oberst, diese Rede entscheidet über Eure Berufung"), weil ich das als öde Exposition sehe und meine Vorstellung von dem Geschehen mitunter arg strapazieren würde – Windjammers Beispiel mit Pinocchio, dem die Grille das dann alles sagt, ist ein tolles Beispiel. Ich denke mir da: "Was will die Grille hier? Warum sagt sie das?" Aber das ist eine Spielstilfrage.
2.
Luke, Alexander and I each have characters that are interested in protecting our people from the Tsaivar threat and the crushing tribute they exact from us, but have no interest in getting to know these people or travel to their lands. And yet, Dro’s character is all about that.
Recognizing this, we made a concerted effort to help Dro achieve this arc of his character’s story.
3.
Luke’s character, from the same game, is a coward. But Luke has clearly been aiming for an arc in which his character becomes a fearsome warrior and leader of men. And yet, my character is the one who is taking that role at present. (...) Almost immediately, my character was stabbed and badly wounded. (...) I had a number of options, but knowing Luke’s character was behind mine, I decided to throw the ball to Luke by running and screaming. Now Luke had a choice: He could either have his cowardly character run after me, or he could step up to an incredibly dangerous situation and attempt to save my character’s life.
Bei allen drei Beispielen stellt sich mir automatisch die Frage: Weiß mein Charakter das? Wenn ja, ist es nämlich mehr als möglich, dass ich genauso handeln würde, wie Tyrion das von einem guten Spieler erwarten würde. Gleichzeitig stellt das aber auch die Bedingung dar, unter der diese Möglichkeit erst entsteht. Zur Erläuterung:
1. Hat mein Charakter überhaupt das Ziel, General zu werden. Und weiß er um die Wichtigkeit dieser Rede? Sprich, ist im das im Spiel auf irgendeine Weise klargeworden? Dann brauche ich als Spieler keinen weiteren Anreiz, um mich in die Situation einfühlen zu können. Weiß er das aber nicht, und hält die Rede vielleicht aus einem ganz anderen Grund, dann würde ich einen entsprechenden, außerhalb der Spielebene gegebenen Hinweis vom Spielleiter schlicht und ergreifend ignorieren und nicht in die Redeführung des Charakters einfließen lassen.
2. Weiß mein Charakter um Dros Wissenswunsch? Und tut es ihm irgendwie Abruch, ihm diesen Wunsch zu erfüllen? Wenn ich die erste Frage mit Ja und die zweite mit Nein beantworten kann, gibt es für meinen Charakter keinen Grund, ihm die Erfüllung des Wunsches zu verwehren (und in diesem Fall würde ich es durchaus als schlechtes Spiel betrachten, wenn ich das trotzdem täte). Weiß er das allerdings nicht, wird er auch nicht so handeln, als wüsste er es. (Wenns ihm Abbruch tut, haben wir einen Konflikt, das werd ich noch nachreichen).
3. Weiß mein Charakter, das Luke ein Feigling ist, aber eigentlich keiner sein möchte? Dann hat er sogar einen ziemlich guten Anreiz, Luke dabei zu helfen, die Feigheit zu überwinden. Denkt er aber, dass Luke ein hoffnungsloser Fall ist, weil es keinen Hinweis darauf gibt, dass luke daran etwas ändern möchte, wird er ganz sicher keine waghalsigen Aktionen in der Hoffnung unternehmen, dass Luke ausgerechnet in diesem Moment vernünftig wird.
Womit wir bei der Preisfrage wären: Wie schaffen es meine Mitspieler, das Handeln meines Charakters so zu beeinflussen, dass er in ihrem Sinne agiert? Die Antwort hab ich gerade gegeben: In dem sie das Spiel ihres Charakters so gestalten, dass meiner entsprechend agieren kann.
Und das ist auch die Minimalanforderung, die ich an einen Rollenspieler stelle, der mit mir zusammenspielen möchte: Das er mir nicht einfach nur sagt, was er gerne haben möchte (oder noch schlimmer, mich das raten lässt), sondern dass er gefälligst seinen Charakter auch entsprechend ausspielt. Geschieht das, bin ich mehr als kooperationsbereit (bzw. ist es mein Charakter, asoziale Sabotagedeppen zu spielen, entspricht nicht meiner Vorstellung von Rollenspiel.
Schließlich habe ich den Eindruck, dass eine solche Spielweise sehr stark nur auf den eigenen Spielspaß rekurriert
Ich hoffe mal, damit auch diesen Eindruck ein wenig korrigieren zu können. Mir gehts nicht einfach nur darum, mein eigenes Ding durchzuziehen. Ich habe allerdings eine gewisse Grunderwartung an meine Mitspieler, ihren Teil dazu beizutragen, dass wir gemeinsam Spass haben können. Sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, ist es aber leider nicht, weswegen meine Bereitschaft, da einfach mal so in Vorlage zu treten, in den letzten Jahren durchaus gesunken ist. Auf der anderen Seite denke ich aber nicht, dass ich da zuviel verlange, soviel Charakterspiel sollte man von den Mitspielern durchaus erwarten dürfen.
Oder aber er stimmt dem Gesagten nicht zu, und dann ist das nicht nur nicht mein Spielstil, sondern dann glaube ich, dass mit einer Berücksichtigung dieser Elemente
Ich hoffe mal, es ist dabei klargeworden, dass ich dem Gesagten durchaus zustimme, allerdings unter oben genannter Einschränkung. Wenn ich die Mitspieler aber tatsächlich erst außerhalb der Spielhandlung fragen muss, dann ist schon ein für mich entscheidend wichtiger Punkt schiefgelaufen. Dann hab ichs nämlich geschafft, mit Leuten zusammenzuspielen, die ihre Charaktere nicht so ausspielen können oder wollen, dass mir die Frage erspart bliebe. Und darauf hab ich keine Lust.