Haha, sehr schön.
Aber bei der Gelegenheit würde ich hier auch mal gerne einen kleinen Rant loswerden. Wie schon 2006 gibt es auch jetzt wieder ein paar - nennen wir sie mal ganz wertneutral "Kulturpessimisten" - die in den die WM begleitenden Fahnenwedlern "Parallelen zu 1936" erkannt haben wollen. Das war vor vier Jahren sinnentlehrtes Getöste von solchen, die sich nicht für Fußball interessieren und mit Fingerspitzengefühl nicht eben gesegnet waren, und es ist heute nicht richtiger, nur weil man es fortwährend wiederholt. Ich kann mir noch vorstellen, dass man sich vor dem Spiegel im Glanz der eigenen subjektiv als überlegen empfundenen Bildung sonnen kann, im Gegensatz zu all den "Primaten", die sich für dieses Spiel des Proletariats begeistern können, eine andere Motivation kann ich angesichts solcher Entgleisungen nicht erkennen.
Fußball ist Opium fürs Volk, und allein schon, weil es die Massen gut finden, muss man das als gestandener selbsternannter Bildungsbürger ablehnen. Dazu sei gesagt, dass respektierte Intellektuelle wie Hans-Magnus Enzensberger bekennende Fußballfans sind. Marcel Reich-Ranicki, der als Jude im Warschauer Ghetto den Nazi-Terror hautnah miterlebt und erlitten hat, attestiert den Fahnenwedlern keinerlei nationalistische, ja noch nicht einmal patriotische Motive. Es sei ein Medienspektakel eine riesige Party, es entwertet das Ehrenhafte der Flagge, da wird also sogar Kritik in die beinahe entgegengesetzte Richtung laut.
Dass man also die Nazivergleiche hervorkramt erscheint mir einerseits beleidigend gegenüber den friedlich feiernden Fans (die mit Sicherheit die überwältigende Mehrheit stellen), andererseits instrumentalisiert man hier auf äußerst unangebrachte Weise die Opfer des Holocaust um die eigene Ablehnung gegen Fußball mit einem Ausrufezeichen zu versehen. Aus meiner Sicht ist das nicht nur geschmacklos sondern auch absurd. Absurd ist es auch vor dem Hintergrund, dass die Fahnenwedler ein Team anfeuern, in dem man an allen Ecken auf Namen wie Aogo, Özil, Tasci, Boateng, Trochowski, Cacau oder Gomez trifft. Was das mit NS-Ideologie und Nationalismus zu tun haben soll, konnte mir bisher keiner so richtig erklären.
Sich für die WM nicht zu interessieren ist verständlich, dass einem die mediale Dauerbeschallung diesbezüglich auf die Nerven geht kann ich auch verstehen. Vielleicht sollte man an dieser Stelle aber trotzdem mal darüber nachdenken, ob es wirklich so bildungsbürgerlich rüberkommt, wie es auf den ersten Blick aus der eigenen Perspektive aussieht, wenn man das Gespenst des NS-Regimes heraufbeschwört, nur um sich vom fahnenwedelnden Pöbel abzugrenzen. Am Ende sagt man mit solchen Äußerungen nämlich mehr über die eigene Person aus als über die vermeintlich verblendeten "Jungnationalisten" und "Fußballproleten". Ein bisschen Toleranz hat noch keinem geschadet.
So, das musste raus, ich hoffe mal, ich bin in meiner Wortwahl so gesittet geblieben, dass sich niemand persönlich angegangen fühlt.