Das Rockfestival ist doch nur ein Beispiel, eine Facette, die sich in allen Gesellschaftbereichen wieder findet.
Der Irrglaube, dass Wohlstand und Technokratie absolute Güter seien, die alle anderen Güter verdrängen, führt zu eben solchem Egoismus, Dekadenz, sowie monetärer und eigentumsbehafteter Arroganz.
Ein weiteres, simples Beispiel aus dem Alltag unserer Gesellschaft:
Tagtäglich werfen die Supermarktketten tonnenweise Lebensmittel weg.
Ich wusste ja vorab schon, dass wir eine Wegwerfgesellschaft sind, aber im Rahmen meiner eigenen Erfahrungen als Mitarbeiter einer Supermarktkette (kein Discounter) wurden meine Erwartungen übertroffen:
Täglich wird bei Obst, Gemüse, Fleisch und Wurst, aber auch bei Packwaren (also Kühlwaren, Trockenwaren etc) gnadenlos aussortiert.
Man möge nun meinen, das läge an verdorbener Ware oder dem Verfallsdatum.
Mitnichten.
Vor allem O&G wird bereits aussortiert, wenn es optisch nicht mehr den Premiumerwartungen entspricht, die die Märkte versprechen, die die Kunden aber auch einfordern.
Die Ursache für solch ein Wegwerfverhalten sehe ich in besagter Arroganz und Dekadenz.
Der Kunde erwartet eine maximale Auswahl und Frische.
Die Erwartung an die Auswahl ist derart absurd, dass die Märkte eben 12 verschiedene Tomatensorten anbieten, 10 Kartoffelarten und natürlich jedwede exotische Frucht, nach der es der westlichen Wohlstandsgesellschaft dürstet - egal, ob das Zeug nun aus Chile frisch eingeflogen werden muss und damit einen katastrophalen grünen Fußabdruck im Klimaindex erzeugt.
Interessiert aber auch keinen. Umweltschutz und Klimaziele ja, aber bitte nicht auf Kosten des absoluten Wohlstands und der ständigen Verfügbarkeit aller Konsumgüter, die die Welt zu bieten hat.
Die Scheinheiligkeit unserer achso moralischen Gesellschaft äußert sich dann so, dass die Tafeln zwar das Essen für Bedürftige mitnehmen, frische Artikel aber ausgeschlossen werden, um spätere Regreßforderungen gegen die Supermärkte und die Tafeln auszuschliessen, falls doch mal ein Salat nicht mehr der Premiumqualität HKL 1A entspricht und ein Bürger Radau macht.
Ebenso scheinheilig sind die Kandidaten, die samstagvormittags mit dem SUV vorm Bioladen vorfahren, um ihr ökologische Bewusstsein beim Kauf von Bioprodukten zur Schau zu stellen.
Dieser Anspruch ist doch - neben dem Fallbeispiel mit dem Lebensmitteleinzelhandel - auch in allen anderen Wirtschaftszweigen wiederzufinden:
angespornt durch den absoluten Glauben an die Technologie als Motor einer florierenden Kulturgesellschaft, muss es stets der neueste PC, das neueste Smartphone, iPad, iPod, Ultra-LED-3D-TV, der 300-PS-A6 usw sein.
Nichts gegen diese Technik, aber auch hier herrscht Scheinheiligkeit par excellence:
ein iphone4 hat mehr Schnickschnack, mehr Leistung, mehr features.
Dass dadurch eine höhere Energiebilanz anfällt, die wiederum irgendwo herkommen muss, vergißt der Endnutzer auch gerne.
Ein Audi A6 mag spritsparender sein. Nur dumm, dass die Elektronik diese Einsparung wieder auffrißt.
Wir wiederholen uns: Umweltschutz und Klimaziele ja, aber bitte nicht auf Kosten des absoluten Wohlstands.
Letzten Endes muss sich jeder die Frage stellen, ob nicht ein wenig Ehtik, Altruismus, Verzicht und Genügsamkeit die Gesellschaft voran bringt und die Hoffnung für eine bessere Wertegesellschaft birgt.
Solange jedoch die Ellbogenmentalität bei jedem Einzelnen dominiert (und von Außen verstärkt und suggeriert wird, zB "Geiz ist Geil"), solange wird sich da nicht viel ändern.