Autor Thema: Just Act Appropriately  (Gelesen 4392 mal)

Beschreibung: Spielererfarung vs. Charaktererfahrung

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Xiam

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  • Mörder der 4E
Just Act Appropriately
« am: 17. Juli 2011, 13:16:30 »
Altgediente, erfahrene Spieler spielen junge, unerfahrene Charaktere. Kennt jemand das? Klingelt es da? Zwei Welten treffen aufeinander. Ich habe im Laufe meiner SL-Karriere Erfahrungen damit gemacht, was passiert, wenn alte Spieler Erststufencharaktere spielen. Da hat sich im Spiel definitiv was verändert, seit sie selbst Erststufenspieler waren. Vieles zum Guten, manches aber auch nicht ganz so zum Guten. Ich möchte eigentlich mit diesem kurzen Artikel keine Frage stellen, ich möchte vielmehr zum Nachdenken anregen. Wenn natürlich andere, erfahrene SL den einen oder anderen Tipp haben, immer her damit.

Spielerwissen vs. Charakterwissen

Das kennt jeder SL du auch jeder Spieler. Soll hier aber gar nicht thematisiert werden, denn das ist eine Sache, die sich (bei D&D) noch relativ einfach mechanisch regeln lässt. Der Barbar der 4. Stufe trifft das erste Mal im Leben auf Trolle und zückt sofort die Feuerpompfe, die sonst nie zur Verwendung kommt, statt seiner Hauptwaffe, während der ansonsten eher auf Eiszauber spezialisierte Hexenmeister den vorher noch nie gezauberten Säurepfeil zur Anwendung bringt? Wissenswürfe könnten Abhilfe schaffen, um herauszufinden, was die Charaktere denn wirklich wissen. Ich behaupte allerdings auch mal, dass dieses Problem generell überdramatisiert wird.

Spielererfahrung vs. Charaktererfahrung

Das ist es, was ich als SL manchmal etwas als störend im harmonischen Erste-Stufe-Spiel empfinde. Und das blöde ist, dass Erfahrung etwas unterbewusstes ist und man als Spieler gar nicht richtig merkt, dass man eben nach 15 Jahren Rollenspielkarriere viel abgebrühter ist, als es der Charakter mit seinen nicht einmal 100 EP überhaupt sein könnte. Nach 15 Jahren Spiel in den Vergessenen Reichen kennt man die Welt, man kennt den SL, man hat mit seinem Krieger der drölfzigsten Stufe schon in allen möglichen Fallen und Hinterhalten gesteckt, die der SL sich ausgedacht hat… und man weiß, wie man sich am besten auf alles vorbereitet, was da lauern könnte. Auch wenn spielmechanisch vielleicht beim neuen SC der 1. Stufe noch nicht die ganz dicken Wummen zur Verfügung stehen, man kann ja viele Situationen durch umsichtiges Vorgehen vielleicht ja doch zum eigenen Vorteil beeinflussen. Nur, besitzt denn der SC, der abgeschieden in einem Dörflein wohlbehütet aufgewachsen ist bis es von Goblins überrannt wurde und der dadurch mit zarten 15 Lenzen gerade vorgestern eher unfreiwillig in ein Leben als abenteuernder Krieger geworfen wurde und der nun mit drei ebenso unerfahrenen aber umso ambitionierteren Kameraden in der Taverne an der Abzweigung in die wilden Lande sitzt und beschließt, gemeinsam auf Abenteuer auszuziehen, besitzt der denn genug Erfahrung für ein genauso umsichtiges Vorgehen? Man sollte meinen, den dreien dürfte noch so mancher Anfängerfehler passieren. Nur sind die Spieler zu klug und zu erfahren, um ihre SC Anfängerfehler machen zu lassen. Und das aus gutem Grund. SL neigen manchmal dazu, Spielerfehler gnadenlos zu bestrafen, frei nach dem Motto „ein TPK im Kampf versuche ich zu vermeiden, soll ja keiner wegen Würfelpech seinen geliebten SC verlieren. Aber wenn die Spieler blöde Fehler machen, dann sind sie selbst schuld“. Falsch! Ich behaupte, wenn die Spieler ihre 1. Stufe SC mal Anfängerfehler machen lassen, dann sind sie gute Rollenspieler.

Taschenlampenfallenlasser?

Kennen alle die Geschichte vom Taschenlampenfallenlasser? Wer sie nicht kennt, einfach mal den Spoiler lesen, alle anderen können den überspringen.

Spoiler (Anzeigen)

Niemand will hier propagieren, seinem Charakter ums Verrecken irgendwelche Nachteile zu verpassen und diese immer – egal ob angebracht oder nicht – auszuspielen. Es ist nicht Sinn des Rollenspieles (oder muss es zumindest nicht sein) Krüppel zu verkörpern und demütig zu sein. Aber, es ist Sinn des Rollenspiels, eine Rolle zu spielen. Und diese sollte angemessen gespielt werden. Ein Erststufenkrieger, der so abgebrüht ist, als hätte er die letzten 15 Jahre nichts anderes getan, als Dungeons zu erforschen, ist in etwa so glaubwürdig, wie ein Kleriker ohne heiliges Symbol. Aber wie schafft man bloß diese Gratwanderung zwischen angemessenem und übertriebenem Spiel (wie beim Taschenlampenfallenlasser)? Ich meine, das kann man nur durch Immersion schaffen.

Immersion

Immersion bedeutet, kurz gefasst, nichts anderes als „eintauchen“. Damit kann alles gemeint sein, vom Eintauschen in eine (fiktive) Welt bis zum eintauchen in einen (Rollenspiel-)Charakter. Bei ARS-Spielern klingeln jetzt vielleicht schon die Alarmglocken, denn Immersion wurde gerne als Kampfbegriff von Stimmi-DSAlern und Erzählonkeln zur Propagierung ihres SL zentrierten Spielstils missbraucht. Ich verstehe unter Immersion aber überhaupt nichts anderes, als das sich hineinversetzen in Gedanken und Gefühle meiner Spielfigur, und zwar möglichst unter Berücksichtigung aller Eigenschaften, die die Spielfigur charakterisieren, seien sie nun positiv oder negativ. Mein Charakter ist neugierig? Dann wird er sich vielleicht vom Anblick der Versammlung des geheimen Teufelszirkels, die er heimlich beobachtet, fesseln lassen und auch einen Moment lang mal nicht ständig über seine Schultern schauen. Mein Charakter ist mutig? Dann wird er vielleicht im Dungeon voran gehen anstatt – wie es die Erfahrung ihm mit der Zeit lehren wird – dem Schurken das Feld zu überlassen, damit dieser erst einmal nach versteckten Fallen sucht. Mein Charakter ist misstrauisch? Dann wird er dem Charakter des neuen Spielers gegenüber wahrscheinlich erst einmal reserviert auftreten, bis dieser sich bewährt hat. Mein Charakter ist (noch) gutgläubig? Dann wird er dem NSC in der Taverne, der zugegeben etwas neugierig fragt, vielleicht dennoch das ein oder andere erzählen, was er eigentlich lieber für sich behalten hätte. Ich denke, das Prinzip ist klar. Tatsächlich hat diese ganze Sache erstmal überhaupt nichts mit irgendwelchen Charaktereigenschaften zu tun, sondern nur damit, was ich als Spieler meinem Charakter unter Berücksichtigung dessen Eigenschaften, Besonderheiten und (*Trommelwirbel*) Lebenserfahrung an Handlungsmustern zutraue. Dazu gehört auch, und das ist ein besonders neuralgischer Punkt, dass man als Spieler mal einen temporären Nachteil hin nimmt bzw. auch mal (mit Würde) kurzfristig verlieren kann, um am Ende einen umso größeren Sieg davon zu tragen.

Und dann ist da noch der SL

Und der kann einem ambitionierten Spieler manchmal echt das Leben vermiesen. Nämlich dann, wenn er jede Schwäche ausnutzt, um der Gruppe einen rein zu würgen. Ein SL, der das macht, der muss sich nicht wundern, dass die Spieler ihre gesamte Erfahrung ausnutzen, um dem Charaktertod zu entgehen. Wer würde das nicht tun?
Ein harmonisches Spiel kann nur entstehen, wenn allen, die am Tisch sitzen, eine eiserne (und ich meine eisern) Grundregel immer bewusst ist: „Wir spielen mit- und nicht gegeneinander“.
Das bedeutet nicht, dass nicht tatsächlich mal ein SC sterben könnte oder der Charaktertod um jeden Preis zu vermeiden ist. Es bedeutet vielmehr nichts anderes, als dass auch der SL ein gerüttelt Maß an Immersion zu investieren hat. Er muss die Handlungsmuster der Spielercharaktere richtig interpretieren, zur Not mal nachfragen, und darf nie willkürlich die Daumenschrauben anlegen. Nur so verliert er das Vertrauen der Spieler nicht und kann auch erreichen, dass sie ihn seine Ideen umsetzen lassen, und vor allem, dass sie auch mal ohne lange Diskussion eine Entscheidung bzw. eine Storyentwicklung hinnehmen, die temporär ihrem SC gerade nicht wirklich zum Vorteil gereicht. Das wichtigste ist, der SL darf den SC nie die Kontrolle über ihren Charakter entreißen.
Spieler, die (bewusst oder unbewusst) Fehler machen (ohne dabei taschenlampenfallermäßig zu übertreiben), sind die besten Rollenspieler. Sie sorgen damit genauso bewusst oder unbewusst für spannende und überraschende Wendungen in der Story. Der SL wird sich dabei manchmal von seiner eigenen Geschichte überrascht fühlen. Er sollte deswegen den Fehler eines Spielers weniger als Ballabnahme interpretieren, sondern vielmehr als Zuspiel durch den Spieler. Denn wie oben schon steht: Wir spielen alle zusammen, nicht gegeneinander.
1984 was not supposed to be an instruction manual.

Gorilla

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Just Act Appropriately
« Antwort #1 am: 17. Juli 2011, 14:40:41 »
Interessanter Thread, Xiam, danke dafür.

Zum Thema 1: Spieler vs- Chara-Wissen:
Ich teile deine Einschätzung: auch für mich kaum ein Problem. Ein Wurf genügt und erfahrene Spieler (die Wert auf RP legen) spielen den "aha-Effekt" ohnehin oft schön aus.

Spieler- vs. Chara-Erfahrung:
Auch hier scheine ich das Glück zu haben mit "guten" Spielern gesegnet zu sein, die tatsächlich freiwillig in die ein oder andere Falle tappen, obwohl die metagame-enden Spieler es besser wissen sollen. In meinen Spielgruppen deckt sich das als mit Thema 1.

Taschenlampenfallenlasser:
Kein Problem.
Zitat
Irgendwann treffen sie auf das erste Monster und wollen direkt zum Angriff übergehen, als der Spieler, der den Barden mit der Laterne spielt, entscheidet: „Alrik erschrickt sich so sehr, dass er die Laterne fallen lässt.“
Das die Lampe zerbricht, entscheidet der SL und nicht der Spieler. Also hat der SL die Gruppe geplättet. So einfach ist das. Aus der beschriebenen Szene hätte der SL auch eine spannende kurze Sequenz machen können bei der dem schreckhaften SC die Lampe herunter fällt, als die ersten seltsamen Geräusche aus der Dunkelheit näher kommen. Das Licht geht aus. Die Geräusche werden zügig lauter. Die SC kriechen auf dem Boden herum und tasten nervös nach der Lampe. Da ist sie. Schnell wieder Licht an!... Puh, das war knapp.
Ich hätte als SL so eine Reaktion des Spielers vielleicht sogar begrüßt.

Und andererseits gilt hier auch: Gefährliche Wesen, die sich vor Licht fürchten. Eine Gruppe von Abenteuerern. 1(!!!!) Lichtquelle? = Fail(?) (es sei denn man "braucht" es für die Geschichte. Mit einer mit MagLite bestückten Gruppe macht "The Descent" dann gar nicht mehr soooo viel Spaß ;)

Immersion:
Wie bereits erwähnt, ich habe Spieler, die sich genau darum möglichst bemühen und mit großem Bedacht Meta-Gaming zu vermeiden versuchen. Natürlich gelingt das nicht immer, aber ausreichend oft, dass die SC für mich als SL "greifbar" werden und ich also wirklich durch RP und nicht nur durch Würfeln eine "Beeinflussung" der SC (wie von dir in Beispielen beschrieben) spielen kann.

Der SL:
Du hast schön beschrieben, was ich als SL versuche: So wie ich RP (nach einigen Jahren der Erfahrung) für mich definiere: Das gemeinsame Erleben und Erzählen einer unterhaltsamen Geschichte, zu der jeder am Tisch einen möglichst großen Teil beiträgt.
Die Kunst der Diplomatie ist es, den Gegner selbst die Wahrheit glauben zu machen.

Sol

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Just Act Appropriately
« Antwort #2 am: 17. Juli 2011, 14:49:33 »
Ich würde sagen, dass ein Troll auf unteren Stufen eine unfaire Gefahr sein kann, wenn man weiß, dass die Charaktere überhaupt keine Chance gegen ihn haben können, weil ihnen das notwendige Wissensgebiet fehlt. Wenn ich SL wäre, würde ich mir das zweimal überlegen, ob ich den Spielern dann diese Gefahr entgegenstelle. Manchmal kann sehr konsequentes Charakterspiel auch in einem TPK enden. Vielleicht bei einem Troll etwas übertrieben, aber es gibt genug Monster, die immer dann unfair sind, wenn man genau weiß, dass Gruppe Ingame überhaupt nichts über sie wissen kann. Flucht ist zwar eine Option, aber nicht allen Gegnertypen kann man so leicht entfliehen. Das bezieht sich vorallem auf diejenigen Charakter, die schon in einen Nahkampf verstrickt waren.

Der Barde in dem Beispiel hätte die Laterne nicht aus Angst fallen lassen müssen, sondern hätte seine Angst auch so ausspielen lassen können, dass er nur noch starr vor Schreck in der Gegenden herumsteht mit der Laterne. Außerdem ist das Beispiel schon etwas konstruiert. Licht-Zauber oder andere Lichtquellen hätten vermutlich auch in der Situation geholfen. (Und ausgerechnet der Barde überlebt... ;) )

Edit: Bzw. bezüglich der letzten Sätze: Ich stimme Gorilla zu.
"I am Grey. I stand between the candle and the star. We are Grey. We stand between the darkness and the light." (B5)

Wormys_Queue

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Just Act Appropriately
« Antwort #3 am: 17. Juli 2011, 14:58:59 »
Ich kann dir in vielem, was du schreibst, zustimmen, bin aber natürlich nicht mit allem einverstanden (sonst könnte ich ja einfach "+1" schreiben^^).

Um den dicksten Brocken gleich aus der Welt zu schaffen:

Zitat
Spieler, die (bewusst oder unbewusst) Fehler machen (ohne dabei taschenlampenfallermäßig zu übertreiben), sind die besten Rollenspieler

So pauschal ist das natürlich ganz bestimmt nicht richtig. Stimmen tut das nur in einem ganz bestimmten Kontext, nämlich dann, wenn man Charakterspiel mit Rollenspiel gleichsetzt. Nun werden diese beiden Begriffe zwar gerne synonym verwendet, bedeuten aber tatsächlich ganz unterschiedliche Dinge. Ein guter Rollenspieler muss noch lange kein guter Charakterspieler sein und, was an dieser Stelle das wichtige ist, ein guter Charakterspieler ist deswegen noch lange kein guter Rollenspieler. So sehr ich auch mit dem Taschenlampenfallenlasser sympathisiere (meine eigenen Charaktere haben eigentlich immer irgendwelche Schwächen und natürlich spiele ich diese auch aus): In einer Gruppe von Powergamern, bei der der Fokus darauf liegt, möglichst große Herausforderungen zu bewältigen, wäre ein solcher Spieler völlig fehl am Platze. Sind diese Spieler deswegen schlechtere Rollenspieler? Natürlich nicht, sie pflegen nur einen Stil, mit dem ich persönlich wenig anfangen kann.

Ähnliches gilt beim Thema Immerson: Immersion ist kein notwendiger Bestandteil des Rollenspiels, also kann ich Spielern, die darauf wenig bis keinen Wert legen, auch nicht unterstellen, sie seien deswegen schlechtere Rollenspieler. Wieder pflegen diese einfach nur einen anderen Spielstil, der halt nicht der meine ist.

Der zweite Punkt, den ich etwas anders sehe, ist die Rolle des SL in Bezug auf diese Fehler. Du beleuchtest das natürlich (wie beim TLF) etwas vom anderen Extrem her. Prinzipiell sehe ich es aber so, dass, damit Fehler der Spielercharaktere überhaupt eine Bedeutung für das Spiel erhalten können, der SL diese NATÜRLICH ausnutzen dürfen muss. Ich kann mich als Spieler nicht in einer Kampfsituation taktisch falsch verhalten und mich hinterher beschweren, dass der Gegner das zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Ich kann mich bei der Audienz beim König nicht aufführen wie die Axt im Walde und hinterher rummeckern, dass ich nicht einfach rausgeschmissen werde, sondern im Kerker lande.

Ich stimme natürlich grundsätzlich zu, dass es da eine große Grauzone gibt, und dass der Spielleiter aus der Anzahl möglicher Konsequenzen nicht unbedingt immer gleich die für die Spieler schlechteste aussuchen muss. Grauzone heisst aber auch, dass es in diesem bereich ein hohes Fehler- und damit ein hohes Konfliktpotential gibt, und da ich gerade im Sinne der Immersion ständige OoC-Diskussionen als äußerst störend empfinde, kann ich es niemandem verdenken, der lieber darauf verzichtet, die Grenzen dieser Grauzone auszuloten bzw. lieber komplett ohne SC-Fehler, dafür aber auch ohne Rumdiskutiererei auskommt.

Kleine Anfügung noch: Auch als Spielleiter handhabe ich das übrigens durchaus so, dass auch die Gegner der SC nicht immer absolut folgerichtig handeln. Wenn die Spieler das dann ausnutzen und einen grandiosen Sieg landen: Um so besser. Umgekehrt gilt aber eben auch: Ihr dürft handeln, wie ihr wollt, ihr müsst nur mit den Konsequenzen klarkommen können.
Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
Wormy's Worlds

Gorilla

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Just Act Appropriately
« Antwort #4 am: 17. Juli 2011, 15:16:51 »
Zitat
Kleine Anfügung noch: Auch als Spielleiter handhabe ich das übrigens durchaus so, dass auch die Gegner der SC nicht immer absolut folgerichtig handeln. Wenn die Spieler das dann ausnutzen und einen grandiosen Sieg landen: Um so besser. Umgekehrt gilt aber eben auch: Ihr dürft handeln, wie ihr wollt, ihr müsst nur mit den Konsequenzen klarkommen können.

Da hat Wormy natürlich auch wieder ein sehr wahres Wort geschrieben.

Genauso wie die Zombies damit klar kommen müssen, zu Hackfleisch (allerdings Gammelhack) verarbeitet zu werden, wenn sie das nächste Ziel angreifen (also den Krieger und nicht den schwächlichen Magier), so muss besagter Krieger auch verkraften, wenn er statt die Leiter zu benutzen, die Felswand hochklettert "weil er halt Kletter +11 hat" und dann eben doch abstürzt.

Auch das Chara-Verhalten (mit allen Fehlern und Schwächen) MUSS natürlich Konsequenzen haben, aber wie angemerkt, scheine ich hierzu mit "guten" Spielern gesegnet zu sein, die wissen, dass auch ein Chara ohne Diplomacy, Knowledge (Nobility), Whatever, der noch dazu eigentlich recht vorlaut ist, vielleicht tatsächlich den Grips haben darf, beim Besuch im Palast nicht ständig das Maul auf zu reißen.

Bei unserem Spiel liegt es vielleicht daran, dass wir (beide Seiten) oftmals begründen und auch kurz erläutern, warum der SC oder NSC etwas so oder so tut. Dafür genügen oft auch ganz kurze Einschübe, um den Spielern und dem SL deutlich zu machen, was gerade im agierenden Charakter vorgeht.
("Die Neugier des kleinen Bengels scheint schlussendlich doch die Oberhand errungen zu haben und du siehst aus dem Augenwinkel, wie er nach dem von dir platzierten, in buntes Papier geschlagenen Päckchen greift".
"Mit trotzig erhobenen Kinn, aber dennoch leichtem Zittern in der Stimme entgegnet Faran: 'Ihr denkt also wirklich, dass eure Drohung genügt, uns der Stadt zu jagen? Nun ja, vielleicht werdet ihr erst beweisen müssen, wie weit euer Einfluss tatsächlich reicht.'")
Die Kunst der Diplomatie ist es, den Gegner selbst die Wahrheit glauben zu machen.

Xiam

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  • Mörder der 4E
Just Act Appropriately
« Antwort #5 am: 17. Juli 2011, 16:20:39 »
Kurzer Einwurf von mir vorweg: Bitte den Taschnenlampenfallenlasser bzw. die Geschichte mal ohne "Da hätte man aber... - Der Fehler liegt aber doch bei..." einfach so hinnehmen. Es gibt verschiedene Versionen dieser Geschichte, ich habe diese hier aus dem Gedächtnis so aufgeschrieben, und insofern ist die Situation natürlich konstruiert. Ich weiß auch gar nicht, ob das überhaupt mal tatsächlich so passiert ist. Es geht hier nicht um eine konkrete Situation und den beispielhaften Umgang damit. Die Geschichte soll nur einen "extremen" Spielertypen illustrieren, nämlich den... ich würde sagen "negativen Powergamer". Also den, der seinem Charakter bewusst Nachteile verpasst, um diese dann ohne Rücksicht auf den Rest der Gruppe (und deren Spielspaß) konsequent auszuspielen. Ob es diesen Spielertypen in dieser Ausprägung tatsächlich gibt, lassen wir mal dahin gestellt. Ich persönlich kenne keinen, habe aber schon jede Menge (zumeist mit einem abfälligen Unterton erzählte) Geschichten über Leute gehört, für die eine gehörige Portion Leidensdruck zum guten Rollenspiel gehört. Angeblich soll DSA die Spieler ja dazu erziehen und den "Meister" anweisen, die Helden immer wieder auf ihre Schwächen anzuspielen und leiden zu lassen, damit die Spieler Demut lernen. Hab ich so nie gelesen bzw. denke, da ist viel ins Regelwerk rein interpretiert worden, was da so nicht drinne steht. Anyway, was ich sagen will ist, beißt euch bitte nicht an dem Beispiel fest.

Zitat
Spieler, die (bewusst oder unbewusst) Fehler machen (ohne dabei taschenlampenfallermäßig zu übertreiben), sind die besten Rollenspieler

So pauschal ist das natürlich ganz bestimmt nicht richtig. Stimmen tut das nur in einem ganz bestimmten Kontext, nämlich dann, wenn man Charakterspiel mit Rollenspiel gleichsetzt.
Okay, dann müssen wir jetzt erst einmal eines klar stellen, nämlich dass ich den Fehler hier tatsächlich gemacht habe: Ich habe Charakterspieler gemeint.

Um mal eins klar zu stellen: Es ist nicht meine Absicht unterschiedliche Spielstile wertend genüber zu stellen. Ich weiß, dass es Rollenspielgruppen gibt, in denen Charakterspiel vielleicht ganz wegfällt oder zumindest eine absolut untergeordnete Rolle spielt. Um die geht es mir nicht, daher kann das in dieser Diskussion unter den Tisch fallen.

Es geht mir um Rollenspielrunden, in denen Charakterspiel ein wesentliches Element ausmacht (wie in meinen Runden). In denen es darum geht, einen Charakter in einer Spielwelt agieren zu lassen, und zwar nicht so, wie der Spieler am Tisch auf Grund seiner Rollenspielgeschichte handeln würde, sondern so, wie der Charakter in der Spielwelt aufgrund seiner Charaktergeschichte handeln würde. Ich habe in der Vergangenheit immer wieder festgestellt, dass gerade wenn man mit erfahrenen Spielern spielt, oft SC = SC-Werte + Spielererfahrung/-hintergrundgeschichte ist. Einen ähnlichen Thread hatte ich schon mal eröffnet, damals aber mehr auf Spielerwissen fokussiert. Inzwischen habe ich weiter gedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass weniger das Spielerwissen (welches die meisten Spieler noch gut ignorieren können) als die Spielererfahrung (welche schon schwerer auszuschalten ist) den größten Stolperstein für das, was ich für mich persönlich als das für mich ideale Rollenspielerlebnis definiert habe, darstellt.

Mein vorläufiger Schluss, zu dem ich gekommen bin, ist der, dass ich die Spieler nicht ändern kann (und auch nicht will). Ich kann den Spielern Denkansätze geben (und nichts anderes ist dieser Thread) und sie dann überlegen lassen, was sie wollen.
Ändern kann ich aber nur mich selbst und dadurch ggf. eine Änderung im Verhalten der Spieler bewirken. Nämlich dann, wenn sie merken, der SL spielt nicht gegen sondern mit uns, auch wenn es oberflächlich kurzzeitig mal anders wirkt.

Ich sehe gerade bei D&D Bedarf, die Denkrichtung mal umzuleiten bzw. neue Denkmuster ins Spiel zu bringen, denn D&D hat definitiv Ansätze zum Superheldenspiel, Superhelden für die Rückzug keine Option ist. Lieber kämpfe ich bin zum Tod und wenn der tatsächlich eintritt, dann bin ich sauer auf den SL, weil er mir einen nicht zu gewinnenden Encounter vorgesetzt hat, was in meiner rosa D&D-Welt nicht passieren darf, wofür gibt es schließlich das ECL.

Für mich gilt: Characterplay first, denken wie der SC, fühlen wie der SC, handeln wie der SC (alles basierend auf dessen Werten). Das Leben ist ein Auf und Ab und manchmal muss man einen kleinen Verlust hin nehmen um einen großen Sieg davon zu tragen.
Und als SL gilt: Weg von dem Gedanken, die Spieler für charakteregerechtes Ausspielen ihrer Schwächen zu "bestrafen" (Wenn die sowas dummes tun, dann gibt es auch einen TPK), sondern lieber zweimal drüber nachdenken, ob der SC in der Spielwelt überhaupt wissen kann, dass sein Handeln nicht optimal ist (auch wenn der Spieler das wissen müsste).

Beispiel
Was mich immer wieder innerlich die Augen rollen lässt ist die Situation "Heldengruppe betritt das erste mal einen Dungeon". Owohl die Helden sowas noch nie gemacht haben und überhaupt nicht wissen können, was sie erwartet, agieren sie wie ein Kommandotrupp mit militärisch-präziser Disziplin, die 15 Jahre Dungeonerfahrung der Spieler wiederspiegelt.

Warum? Weil sie erwarten, dass der SL sie herausfordert. Die SC sind dabei die Werkzeuge, die die Spieler einsetzen, um die vom SL an sie gestellten Herausforderungen zu bewältigen. Es mag solche Runden geben und die haben sicher viel Spaß daran (nochmal: um die geht es hier aber nicht).
Für mich ist das so völlig falsch. Der SL fordert die Spielercharaktere (nicht die Spieler) in deren Spielwelt heraus. Die SC sind keine Werkzeuge der Spieler sondern die Spieler tauchen in die SC ein.

Ich hoffe es kommt rüber, was ich meine.
« Letzte Änderung: 17. Juli 2011, 16:28:14 von Xiam »
1984 was not supposed to be an instruction manual.

Tempus Fugit

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Just Act Appropriately
« Antwort #6 am: 17. Juli 2011, 17:15:19 »
Die Geschichte soll nur einen "extremen" Spielertypen illustrieren, nämlich den... ich würde sagen "negativen Powergamer". Also den, der seinem Charakter bewusst Nachteile verpasst, um diese dann ohne Rücksicht auf den Rest der Gruppe (und deren Spielspaß) konsequent auszuspielen.
Das nennt man Arschloch.
Übermensch, weil Rollenspieler

Gorilla

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Just Act Appropriately
« Antwort #7 am: 17. Juli 2011, 18:18:55 »
@Xiam: Es kommt rüber, insofern habe ich dich nicht falsch verstanden.
Auch dein Beispiel habe ich grundsätzlich schon richtig verstanden. Mit meinem Einwand wollte ich nur aufzeigen, dass auch der SL durchaus Einfluss nehmen darf, wenn ein Idiot versucht, allen am Tisch den Abend mies zu machen. Es gilt der vorhin von Wormy geprägte Satz: "ihr könnt tun, was ihr wollt, aber es hat Konsequenzen" (sinngemäß).

Beispiel:
"Aber mein Chara ist voll total hammer megamäßig abergläubisch. Der würde nie nie nie niemals über dieses Pentagramm hinweg steigen." (mit verschränkten Armen und Schmolllippe ausgesprochen).
Antwort des SL: "Ok, du bleibst hier, während der Rest der Gruppe nach draußen geht, um Hilfe zu holen. PS: Mach n neuen Chara oder noch besser: geh weg."

Denn auch im Falle negativer Eigenschaften, gilt (im hier definierten Sinne des RP) weiterhin: es soll sich bei den Charakteren (SC + NSC) um voll ausgeprägte Individuen handeln, die trotz aller Einschränkungen i.d.R. halbwegs vernunftbegabt sind.
Oder um's im DSA-Sprech zu sagen: auch mit Aberglaube 7 bist du damit noch nicht annähernd so abergläubisch wie du mit Stärke 18 stark bist. Und so wie du I****t es akzeptieren kannst, dass die Stärke deines SC Grenzen hat, genauso nimmst du gefälligst hin, dass dein Aberglaube auch irgendwo aufhört.

Da sich mir dieses Problem allerdings seit Jahren zum Glück nicht mehr stellt und ich davon ausgehe, dass Diskussion und gutes Zureden in solchen Fällen völlig wirkungslos bleiben, wird  es dieses Problem für mich auch in Zukunft immer nur maximal 1x pro entsprechenden Spieler geben.


@Tempus Fugit: +1
Die Kunst der Diplomatie ist es, den Gegner selbst die Wahrheit glauben zu machen.

Wormys_Queue

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Just Act Appropriately
« Antwort #8 am: 17. Juli 2011, 20:07:18 »
Oder um's im DSA-Sprech zu sagen: auch mit Aberglaube 7 bist du damit noch nicht annähernd so abergläubisch wie du mit Stärke 18 stark bist. Und so wie du I****t es akzeptieren kannst, dass die Stärke deines SC Grenzen hat, genauso nimmst du gefälligst hin, dass dein Aberglaube auch irgendwo aufhört.

Wobei sich in solchen Fällen natürlich die Frage stellt, wozu man solche Eigenschaften überhaupt mit Spielwerten versieht, wenn man diese dann nicht auch einsetzt. Zum einen kann man also in solchen Fällen die Würfel entscheiden lassen (und ich habs auch schon geschafft, mit Aberglaube 2 die Probe zu verhauen, da kann ich mich dann auch nicht hinstellen und sagen: mein Charakter ist aber doch gar nicht abergläubisch.

Zum anderen ist da aber dann auch der SL gefordert. Mein Großvater war so abergläubisch, dass man ihn teilweise nur mit Gewalt in unser Wohnzimmer reinbekommen hätte (unser schwarzer Kater lauerte immer unterm Fernsehschrank darauf, dass jemand die Tür öffnete und wischte dann blitzschnell durch). In diesem Lichte betrachtet kann ich meinen Spielern kaum abverlangen, sie sollten solche Schwächen ausspielen, um ihnen dann Hindernisse in den Weg zu stellen, die zu überwinden sie aufgrund ihrer Schwäche nicht in der Lage sind. Vernunft spielt da übrigens keine Rolle. Das ist ja gerade das Wesen solcher Ängste, dass sie die Vernunft komplett ausschalten.

Vielleicht muss man, um diese Diskussion sinnvoll führen zu können, aufhören in Extremen zu denken. Natürlich gibt es Spielleiter, die jede Möglichkeit ausnutzen, ihren Spielern eine Gemeinheit reinzudrücken, und natürlich gibt es Spieler, die mit ihrem Charakter das Spiel notfalls auch gegen die Gruppe zu dominieren versuchen (das muss auch gar nicht durch Nachteile geschehen, solche Typen gibts in jeder Kategorie von Rollenspielern). Aber interessant ist doch eigentlich der Normalfall, nämlich dass eigentlich alle am Tisch versammelten Spieler miteinander statt gegeneinander spielen wollen. Ich schätze mal, an die richtet sich Xiam ja auch letztlich.

Zitat von: Xiam
Ich sehe gerade bei D&D Bedarf, die Denkrichtung mal umzuleiten bzw. neue Denkmuster ins Spiel zu bringen, denn D&D hat definitiv Ansätze zum Superheldenspiel, Superhelden für die Rückzug keine Option ist.

Ich hab grad in einem der alten Dragon Magazines einen Beitrag über das Verhältnis von D&D und Tolkien gelesen. Da wurde unter anderem nochmal auf die Quellenvorlagen hingewiesen, die für D&D stilbildend waren. Howards "Conan", Burroughs "John Carter vom Mars", Leibers "Fafhrd und der Graue Mauser". Das sind alles keine Superhelden im Sinne von Marvel und Co., das sind aber auch keine zweifelsgeplagten Aragorns oder gar eigentlich viel zu schwache Halblinge wie Frodo und Co. Da ist schon ein gutes Stück Todesverachtung dabei, wenn diese Helden auch durchaus in der Lage sind, den Rückzug anzutreten bzw. dem Kampf auszuweichen, wenn sich das machen lässt.

Ich widerspreche an der Stelle meinen eigenen Vorlieben, aber in dem Zusammenhang bedeutet das für mich, dass das Spiel eigentlich nicht dazu gedacht ist, einen SC zu spielen, der
Zitat von: Xiam
abgeschieden in einem Dörflein wohlbehütet aufgewachsen ist bis es von Goblins überrannt wurde und der dadurch mit zarten 15 Lenzen gerade vorgestern eher unfreiwillig in ein Leben als abenteuernder Krieger geworfen wurde und der nun mit drei ebenso unerfahrenen aber umso ambitionierteren Kameraden in der Taverne an der Abzweigung in die wilden Lande sitzt und beschließt, gemeinsam auf Abenteuer auszuziehen.

nicht, dass diese Art des Spiels ganz unmöglich wäre, aber wenn man ehrlich ist, beschränkt sich der Stufenbereich, in dem man das wenigstens einigermaßen glaubwürdig darstellen kann, auf die untersten zwei, drei Stufen. Die 4E hats dann quasi ganz rausgenommen, da fängt man schon als richtiger Held auf Stufe 1 an, Xiams Szenario ist also eigentlich gar nicht mehr ohne Modifikationen möglich.

Charakterspiel ist also um so leichter möglich, wenn man einen Charakter spielt, wie er auch vom System her eigentlich vorgesehen ist. Und Immersion ist um so leichter möglich, wenn man darauf verzichtet, gegen das System anzuspielen. und D&D ist halt in erster Linie Sword &Sorcery.

edit: weswegen ich gerade über einige recht heftige Modifikationen nachdenke, um das System mehr an meinen Geschmack anzupassen. ^^
« Letzte Änderung: 17. Juli 2011, 20:10:07 von Wormys_Queue »
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Wormy's Worlds

Xiam

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  • Mörder der 4E
Just Act Appropriately
« Antwort #9 am: 17. Juli 2011, 21:07:25 »
Nochmal was grundsätzliches: 4E spiele ich nicht also rede ich darüber auch nicht, da ich dafür gar nicht kompetent genug bin. Meine Diskussionen beziehen sich grundsätlich immer auf D&D 3.5 E (wenn es um D&D geht).

Ich widerspreche an der Stelle meinen eigenen Vorlieben, aber in dem Zusammenhang bedeutet das für mich, dass das Spiel eigentlich nicht dazu gedacht ist, einen SC zu spielen, der
Zitat von: Xiam
abgeschieden in einem Dörflein wohlbehütet aufgewachsen ist bis es von Goblins überrannt wurde und der dadurch mit zarten 15 Lenzen gerade vorgestern eher unfreiwillig in ein Leben als abenteuernder Krieger geworfen wurde und der nun mit drei ebenso unerfahrenen aber umso ambitionierteren Kameraden in der Taverne an der Abzweigung in die wilden Lande sitzt und beschließt, gemeinsam auf Abenteuer auszuziehen.

nicht, dass diese Art des Spiels ganz unmöglich wäre, aber wenn man ehrlich ist, beschränkt sich der Stufenbereich, in dem man das wenigstens einigermaßen glaubwürdig darstellen kann, auf die untersten zwei, drei Stufen. Die 4E hats dann quasi ganz rausgenommen, da fängt man schon als richtiger Held auf Stufe 1 an, Xiams Szenario ist also eigentlich gar nicht mehr ohne Modifikationen möglich.
Da hast du mich missverstanden. Das von dir zitierte Beispiel war ja gerade der 1. Stufe SC, der heute abend das erste mal gespielt wird. Dementsprechend unerfahren müsste er eigentlich gespielt werden, denn er hat ja noch 0 XP. Dennoch beobachte ich, dass manchmal eben die Spielererfahrung durchbricht und den Spieler seinen 1. Stufe Anfangscharakter abgebrühter spielen lässt, als dieser entsprechend seiner Erfahrung eigentlich sein dürfte.
1984 was not supposed to be an instruction manual.

Gorilla

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  • Haarig und hungrig
Just Act Appropriately
« Antwort #10 am: 17. Juli 2011, 21:55:06 »
@Wormy:
War dein Großvater mal in besagtem Wohnzimmer? Aha, dacht ich mir's doch.
Es ging ja auch darum, dass man auch negative Eigenschaften durchaus in einem "vernünftigen" Rahmen ausspielen kann (so man denn will). Und darüber hinaus dürfte man doch dieses Ausmaß an Aberglauben auch als extrem ansehen, oder?
Insofern verstehe ich nicht, wie wir in diesem Wettbewerb, wer jetzt die "realistischere" Einschätzung von Persönlichkeitseigentschaften voran kommen und klinke mich diesbezüglich einfach aus.

Aber insgesamt sehe ich das schon ähnlich. Wenn alle am Tisch miteinander spielen, stellen sich viele dieser Fragen und Probleme gar nicht und das sollte immer das gemeinsame Ziel sein. Ich denke, da sind wir uns im Kontext dieses Threads soweit ja schon mal einig.
Die Kunst der Diplomatie ist es, den Gegner selbst die Wahrheit glauben zu machen.

Hautlappen

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Just Act Appropriately
« Antwort #11 am: 17. Juli 2011, 23:19:34 »
Es gibt nahezu unzählige Möglichkeiten einen Charakter lebendig und interessant wirken zu lassen, auch ohne dass er die Gruppe sprengt oder ihr tierisch auf die Nüsse geht. Tatsächlich ist sogar kooperatives Charakterspiel langfristig weit interessanter.
"I have no expression on my face" (Tuvok)

Wormys_Queue

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Just Act Appropriately
« Antwort #12 am: 18. Juli 2011, 00:42:06 »
War dein Großvater mal in besagtem Wohnzimmer? Aha, dacht ich mir's doch.

Aber nur, wenn ihm nicht vorher die Katze vor den Füßen vorbeigelaufen ist. Dann hat er nicht mehr einen Schritt weitergemacht.  Darum gings, nicht ums Wohnzimmer. Und wenn er statt dessen seinen Aberglauben aufs Wohnzimmer projiziert hätte, wäre er da auch nicht reingegangen, auch wenn ihn jeder normale Mensch dafür für absolut bekloppt gehalten hätte. Und nein, wir haben keine Pentagramme im Wohnzimmer.
Ich hab übrigens keinen Wettbewerb ausgerufen. Nur freundlichen Widerspruch angemeldet. Kein Grund sich aufzuregen also.

Zitat von: Xiam
Da hast du mich missverstanden. Das von dir zitierte Beispiel war ja gerade der 1. Stufe SC, der heute abend das erste mal gespielt wird. Dementsprechend unerfahren müsste er eigentlich gespielt werden, denn er hat ja noch 0 XP. Dennoch beobachte ich, dass manchmal eben die Spielererfahrung durchbricht und den Spieler seinen 1. Stufe Anfangscharakter abgebrühter spielen lässt, als dieser entsprechend seiner Erfahrung eigentlich sein dürfte.

Ich will deinem Befund auch gar nicht prinzipiell widersprechen. Das große Spielererfahrung auch mal zu einem Problem werden kann, kenne ich selber. Ich denke halt nur nicht, dass 0 XP unbedingt unerfahren bedeuten muss, da es ja im Prinzip für nichts außerhalb der tatsächlichen Spielhandlung überhaupt Erfahrungspunkte gibt. Zumal ja alleine die Tatsache, dass der Charakter bereits eine Stufe in einer SC-Klasse besitzt, ihn ziemlich stark aus der Masse heraushebt. Warum sollte er sich also nicht auch automatisch anders, geschickter verhalten als Otto-08/15-Bürger?

Ich sehs aber auch von einem eher kulturhistorischen Standpunkt aus. Das sind ja keine modernen, ziemlich verweichlichten Menschen, die durch so ein Fantasy-Setting stampfen, sondern Leute, die an ein unglaublich hartes und gerade in Grenzgebieten auch hochgefährliches Leben gewöhnt sind. Man darf nicht vergessen, dass in D&D 3.5 jeder popelige Stufe 1-Commoner (und noch schlechter gehts in D&D gar nicht), mit einer einfachen Waffe vertraut ist. Da sind ganz schöne Mordwaffen dabei, und wie gesagt, die sind im Umgang mit diesen Waffen geübt. Wohlbehütet ist was anderes. ^^

Spielercharaktere sind nun schon auf Stufe 1 viel mehr als das. Das macht sie natürlich deswegen noch lange nicht in jeder Hinsicht zu taktischen Genies, die ihre Fähigkeiten perfekt in eine Gruppe einbringen, da geb ich dir völlig recht.

Mir persönlich macht die Erfahrung eher an anderer Stelle Probleme. Ich stelle an mir selber fest, dass ich nach langen Jahren als Spielleiter und extensiver Lektüre unzähliger Abenteuer als Spieler nur noch selten von einer Entwicklung völlig überrascht werde. Oft hab ich schon recht früh eine ziemlich gute Ahnung, worauf das Abenteuer hinausläuft, und da fällt es mir nicht immer leicht, mir die nötige Unbefangenheit zu bewahren, und nicht quasi schon im vorauseilenden Gehorsam auf die Entwicklung hinzuspielen, oder eben im anderen Extrem dagegen anzuspielen, ums dem Sl nicht zu leicht zu machen.

Meinen Charakter in gruppentaktischer und regelstrategischer Hinsicht unerfahren handeln zu lassen, fällt mir hingegen relativ leicht. Ich bin ziemlich gut darin, mein Gehirn von Sachen zu entleeren, die mich eh nicht interessieren, weswegen ich wahrscheinlich auch nie zu einem echten Regelexperten werde. Die sind schließlich dass unwichtigste am ganzen Rollenspiel.

Es gibt nahezu unzählige Möglichkeiten einen Charakter lebendig und interessant wirken zu lassen, auch ohne dass er die Gruppe sprengt oder ihr tierisch auf die Nüsse geht. Tatsächlich ist sogar kooperatives Charakterspiel langfristig weit interessanter.

Ist zwar richtig, heisst aber nicht, dass ein Charakter nicht auch Ecken und Kanten haben darf, oder gar Schwächen. Von dort aus bis zum Sprengen der Gruppe ist es ein weites Feld. Da muss dann jede Gruppe entscheiden, wo ihre eigene Komfortgrenze.

Persönlich mag ich Konflikte in der Gruppe, wobei sich natürlich alle einig sein sollten, dass das langfristige Ziel in der Überwindung dieser Konflikte liegen sollte. Aber da darfs ruhig auch mal zwischendurch krachen. Solange die Spieler zwischen Charakter- und Spielerebene trennen können, ist das auch kein Problem.
Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
Wormy's Worlds

Gorilla

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Just Act Appropriately
« Antwort #13 am: 18. Juli 2011, 01:07:52 »
@WQ: Das sollte nicht patzig klingen, sondern eher mit einem Augenzwinkern verstanden werden - hätte wohl den Smiley verwenden sollen. Damit wollte ich auch nur eine OT-Diskussion um schlechte Eigenschaften und deren Einfluss auf das SC-Verhalten abschließen.

Auch ist für mich ein SC von Anfang an einfach mehr als der Durchschnitt-Bürger der Spielwelt. Das Schicksal hat ihn dazu auserkoren, ein Held zu werden. Das heißt nicht immer, dass er dazu auch von Anfang an das nötige Rüstzeug erhalten hat, aber bis zum Ende des Abenteuers ist's ja auch noch ein weiter Weg.


Unabhängig davon stimme ich mit Wormys Meinung im Bezug auf Meta-Gaming absolut überein:
Bei einer gut funktionierenden Gruppe ist nicht unbedingt die Trennung von Charakter- zu Spielerwissen das große Problem oder das RP (im oben von Xiam definierten Sinn als Charakterspiel), sondern eher das Metagaming auf Storyebene.
Ein erfahrener Rollenspieler hat oft schon nach kurzer Spielzeit eine Ahnung, woraufhin das Abenteuer abzielt - zumindest bei Railroading-Abenteuern (also bei fast allen erworbenen). Dadurch wird es für die Spieler entsprechend schwer, das "Oh, das kam jetzt aber überraschend"-Gefühl, das die SC vielleicht haben sollten auch entsprechend nach- (bzw. vor-)zufühlen.
"Gutes" RP (in unserem Sinne (s.o.)) ist trotzdem in den meisten Fällen noch möglich, es wird nur für den SL deutlich schwieriger, die Spieler auch entsprechend mitzureißen und zu fesseln.
Die Kunst der Diplomatie ist es, den Gegner selbst die Wahrheit glauben zu machen.

Deus Figendi

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Just Act Appropriately
« Antwort #14 am: 18. Juli 2011, 06:00:36 »
Mir persönlich macht die Erfahrung eher an anderer Stelle Probleme. Ich stelle an mir selber fest, dass ich nach langen Jahren als Spielleiter und extensiver Lektüre unzähliger Abenteuer als Spieler nur noch selten von einer Entwicklung völlig überrascht werde. Oft hab ich schon recht früh eine ziemlich gute Ahnung, worauf das Abenteuer hinausläuft, und da fällt es mir nicht immer leicht, mir die nötige Unbefangenheit zu bewahren, und nicht quasi schon im vorauseilenden Gehorsam auf die Entwicklung hinzuspielen, oder eben im anderen Extrem dagegen anzuspielen, ums dem Sl nicht zu leicht zu machen.

Meinen Charakter in gruppentaktischer und regelstrategischer Hinsicht unerfahren handeln zu lassen, fällt mir hingegen relativ leicht. Ich bin ziemlich gut darin, mein Gehirn von Sachen zu entleeren, die mich eh nicht interessieren, weswegen ich wahrscheinlich auch nie zu einem echten Regelexperten werde. Die sind schließlich dass unwichtigste am ganzen Rollenspiel.
Diesem erstmal ein +1
Wobei ich finde, dass man auch den "problematischen Teil" recht gut rational steuern kann.
Ich kann also schlicht weg entscheiden ob ich dem Plot konsequent nachlaufe oder doch nochmal das Einkaufen ausspielen will, die Side-Quest mitnehme oder einfach Kontakte knüpfe. Ich kann relativ bewusst entscheiden ob ich es dem SL leicht oder schwer machen will.

Insgesamt habe ich aber den Eindruck, dass sich Spielgruppen aufeinander einspielen eben auch was den Spielstil betrifft. Natürlich bleiben Differenzen bestehen, aber...
Also in der Gruppe, die ich gerade leite wird Meta-Gaming recht groß geschrieben. Und dieses Stil unterstütze ich dann eben. Das bedeutet ich sage z.B. klar die Monsternamen an, in präsentiere auf Wissenswürfe hin Stärken und Schwächen und nicht Fluff. Das bedeutet, dass Spieler (nicht Spielercharaktere!) mir mit Diplomatie drohen und ich darauf eingehe.
Abgesehen von der Gruppe kommt es auch auf die aktuelle Stimmung an, mal will man eben viel immersion und tief in die Welt eintauchen und mal ist man zu müde dazu oder hat schlicht keine Lust, dann wird es eben mechanischer, mal will man herumplänkeln und mal will man den Plot voran treiben, mal will man effektiv sein und mal will man Schwierigkeiten oder Konflikte erzeugen.

Und der Taschenlampenfallenlasser ist mitnichten ein Arschloch. Das kommt nämlich darauf an wie die Mitspieler - und er selbst - das sieht. Dass er als einziger entkommt konnte er sicher nicht vorhersehen, aber das ist nicht der Punkt, der Punkt ist ob der SL sagt "boa du machst den ganzen Plot kaputt" und die Mitspieler "super Jupp und was sollte die Nummer jetzt?" oder ob sie alle übereinstimmen "Rofl, weißte noch damals als er die Laterne vor Schreck fallen ließ? Geile Nummer, hätte ich nie den Schneid zu gehabt".
Auch hier stellt sich die Frage ob über den TPK hinaus noch weitere Konsequenzen folgen... bekommt der SC Gewissensbisse und er nimmt sich zur Mission sich bei allen Angehörigen zu entschuldigen? Kriechen die Monster nun aus ihrem Dungeon und metzeln konsequent die Umgebung (ein neuer/erweiterter Plot)?

Kurzum, es kommt darauf an wie der Spieler seine Mitspieler einschätzte ob er ein Arschloch ist oder nicht. Dabei kann er sich freilich auch irren, was ärgerlich ist. Und ob es das Spiel bereichert oder zerstört kommt eben wieder auf alle an.

Insgesamt sehe ich also wenig Probleme mit der ganzen angesprochenen Geschichte, wie gesagt spielen sich Gruppen aufeinander ein und genauso wie ich die Erfahrung abschalten kann kann ich sie auch einfließen lassen. Dabei kann und sollte man sicher auch immer zu den eigenen Wünschen tendieren und diese Grenzen der Gruppe ausloten... man sieht ja wie die Gruppe reagiert wenn man den Sheriff beschimpft, als einziger aus dem Kampf flieht oder die schlecht verschlossene Truhe öffnet. Man sieht auch ob der/in Schurkenspieler(in) angepisst ist, wenn man als Tank voraus rennt.

Und umgekehrt bemerkt man auch ob es den SL annervt, dass ich die perfekte Zauberliste zusammen gestellt habe und ob es die Mitspieler stört, dass ich alle zwei Minuten schreie "halt, das sollte ich erst untersuchen" oder ob alle mit den Augen rollen wenn ich ansage "die Marschreihenfolge gefällt mir nicht, ich will in die Mitte".

"Charakterspiel" ist also meiner Meinung keine schwarz/weiß-Entscheidung und man kann auch sehr erfahren spielen um dann wenn es langweilig wird einen Konflikt zu schüren.
Ich stimme euch beiden (Xiam und WQ) in weiten teilen zu, ihr widersprecht euch imho weniger, als ihr selbst den Eindruck zu haben scheint, aber ich sehe ehrlich gesagt kaum ein Problem :D
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