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Die Fahrten der Audacia

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Nakago:
Position:
Transfer durch den Schlund
Leichter Kreuzer "Audacia"
Zeit: 8 394 783.M41

Sieben schweißtreibende Schichten in der Gluthitze des unteren Maschinenraumes habe ich inzwischen hinter mir. Wahrlich, ich bin der Hölle gelandet. Eigentlich hatte ich vorgehabt, die ersten Monate auf der Audacia damit zuzubringen, verschiedene niedere Arbeiten auf allen relevanten Positionen zu verrichten, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was ich meinen Leuten zumuten kann und was nicht. Diesen Punkt kann ich hier wohl schon mal abhaken. Das Leben als Unab ist die Hölle. Ich bin zwar in einem adligen Haushalt aufgewachsen, trotzdem war mein Leben nicht immer einfach, da ich mich mit den übelsten Abschaum herum schlagen musste, den man sich vorstellen konnte. Ich war einmal auf berüchtigten Todeswelt Mortressa gewesen und habe überlebt. Ich bin ein Conari und lasse mich nicht so einfach brechen. Nur der Gedanke an Rache hat mich die ersten Tage durchhalten lassen. Sobald ich meinen rechtmäßigen Rang wieder erlangt habe, würde mein Onkel für seine Schandtaten büßen.

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass mein angeblich im Schlund verschollener Bruder Novus ohne Probleme es bis zur Audacia geschafft hatte und dann ist ihm das Gleiche wie mir widerfahren. Nur wurde bei seiner Ankunft sein Transferschiff in Stücke geschossen. Novus erging es anfangs soweit besser, dass er in einem seinem Stand angemessenen Quartier eingeschlossen worden ist. Aber dann fing er an Pläne zu schmieden und umzusetzen, um seinen rechtmäßigen Posten einzunehmen. Das ging offensichtlich schief, aber was mein Onkel dann mit ihm gemacht hat, ist nicht heraus zu bekommen. Oder niemand traut es mir zu sagen. Entweder ist er grausam getötet worden oder existiert als ein lobotomisierter Servitor weiter. Thronverdammt!

Von seiner ehemaligen Entourage ist nur noch seine Navigatorin übrig, die hier mit einem fest mit ihrem Kopf verbundenen Helm schwere körperliche Arbeit verrichten muss. Die Frau ist hochgewachsen und hat eindeutig zu viele Gelenke in den Beinen. Aber viele der Unabs haben gewisse genetische Abweichungen. Wegen ihres Helmes, den sie wegen ihrem dritten Auge tragen muss, nenne ich sie scherzhaft Lady Helmchen. Jeden Tag gibt es zweimal einen Proteinbrei zum essen, der schmeckt, als wäre Erbrochenes darin. Was durchaus im Bereich des Möglichen ist. Dazu gibt es dünnen Rekaf. Die Arbeit ist körperlich sehr anstrengend. Zurzeit müssen wir eine viele Tonnen schwere Spule eines Plasmareaktors zerlegen, die Einzelteile in einen anderen Raum schaffen, wo Techpriester Hymnen im Maschinencode singen, mit Weihrauchschwenkern weißen Dunst verteilen und die Teile mit gesegneten Ölen abreiben. Ich kann nicht nachvollziehen, warum sie diese Rituale nicht an Ort und Stelle vollziehen können, um den Maschinengeist wohl zu stimmen. Es gibt zwar einen Deckenkran, aber keinen Motor, so dass der Kran von Muskelkraft hin und her geschoben werden muss. Ebenso muss die Kette über einen Flaschenzug per Hand bedient werden.

Besonders Carmina leidet unter dieser Situation. Sie ist für eine andere Art von Leben und Aufgabe geschaffen. Ich versuche ihr soweit wie möglich zu helfen, aber sie verliert stetig an Gewicht und das Feuer in ihren Augen, das mich früher immer in Wallung gebracht hat, verlöscht jeden Tag etwas mehr. Es gibt hier eine inoffizielle Währung, die sich "Scheine" nennt. Scheine kann man sich damit verdienen, in dem man nach der offiziellen Schicht weitere Arbeiten für reguläre Raumfahrer macht. Oder indem man sich im Spiel Hartball hervor tut.

Hartball wird mit einer etwa zehn Kilo schweren Eisenkugel gespielt, die so dick mit Tüchern umwickelt ist, dass sie auf den dreifachen Durchmesser kommt. Das Spielfeld befindet sich in einem leergeräumten Hallenbereich und misst etwas um die dreißig auf fünfzehn Meter. Ziel ist es, die Kugel im gegnerischen Tor zu versenken. Die Kugel darf dabei nicht mehr als zehn Schritte weit getragen werden und muss dann an ein anderes Mitglied des fünfköpfigen Teams abgegeben werden. Gewonnen hat die Mannschaft, die nach drei Dritteln je fünfzehn Minuten die meisten Tore geschossen hat. Alle paar Tage tritt eine Auswahl der Unab gegen die Wärter an. Normalerweise gewinnen die Wärter. Gute Spieler bekommen ein paar Privilegien, wie leichtere Arbeit und Scheine bei einem guten Spiel. Und Scheine sind wichtig, man kann sich damit nicht nur leichtere Arbeit erkaufen, sondern auch primitive Waffen und angeblich, falls die Gerüchte stimmen, bekommt man für fünfzig Scheine sogar eine Laserpistole. Aber niemand weiß, wer der Anbieter ist. Und es gibt noch einen Haken, eine Gruppe von Aufpassern, dass sind Unab, welche den eigentlichen Wächtern die Drecksarbeit abnehmen, nimmt sich jeden vor, der zu viele Scheine hortet. Diese Gruppe wird von einem Kerl namens Grox angeführt. Und er trägt den Namen aus zwei Gründen, zum einen ist er stark wie ein Grox, zum anderen ist er genau so schlau.

Ich spreche bei einem gewissen Lakosta vor, der die Hartball Mannschaft der Unab trainiert. Der etwa vierzig Jahre alte Mann mit einem vierkantigen Gesicht ist angeblich immer auf der Suche nach neuen Talenten. Also mache ich bei einer Trainingseinheit mit, kann mich aber nicht wirklich hervor tun, da ich von der harten Arbeit ziemlich geschlaucht bin. Aber ich darf aber morgen trotzdem wieder kommen. Nun, mal sehen, ob das der Weg zu meiner Bestimmung ist. Der Bestimmung, über die Audacia und ihre Crew zu herrschen. Und natürlich, um meiner Familie genug Profit überweisen zu können, dass ich diesen Posten auch behalten kann.

Nakago:
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Transfer durch den Schlund
Leichter Kreuzer "Audacia"
Zeit: 8 397 783.M41

Da ich für die immer schwächer werdende Carmina mit schuften muss, kippe ich schließlich einfach um. Braddock legt sich einfach nicht genug ins Zeug, um wirklich eine Hilfe zu sein. Solun Ares hilft zwar, aber nicht gut genug. Thronverdammt! So lande ich auf der Krankenstation. Ich bekomme nicht heraus, was mit Arbeitsunfähigen passiert, aber ich kann es mir in etwa ausmalen. Entweder Spaziergang in der Leere oder Wiederverwertung als Servitor. Die vernarbte Ärztin auf der Krankenstation bietet mir ein Aufputschmittel an. Was das für Nebenwirkungen hat, will sie mir nicht verraten, aber es hat welche. Aber ich habe keine Wahl. Sie spritzt mir eine Dosis von "Labora", was mich mit frischer Energie versorgt. Mit frischen Kräften klotze ich nun richtig hin.

Nach der Schicht eile ich zum Training und kann nun zeigen, was in mir steckt. Es läuft wie am Schnürchen und kann deutlich mit meinem Können punkten. Am darauf folgenden Tag kann ich Trainer Lakosta schließlich von meinen Fähigkeiten so weit überzeugen, dass ich für das Spiel in drei Tagen aufgestellt werde. Das wird helfen, hoffe ich zumindest. Zeit ist momentan ein überaus kostbares Gut.

"Kennt ihr Euch rein zufällig mit obskuren Psiphänomenen aus?", werde von einem der Arbeiter nach dem Ende des Trainings angesprochen. Der schlaksige Kerl hat blaue Augen und dünne braune Haare. Er ist mir schon mehrmals aufgefallen, weil er öfters öffentliche Gebetsstunden an den Gottimperator abhält und frömmelnde Reden schwingt. Und es heißt von ihm, dass er keine Erschöpfung kennt. Entweder ist er permanent auf Labora oder der Glaube verleiht ihm eine außergewöhnliche Ausdauer. Spricht er mich auf Josephina an? Hat sich das inzwischen schon bis hier nach unten herum gesprochen? Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll.

"Nun, Bruder Obskurus, sehe ich aus wie ein Gelehrter der Scholastica Psikana von Terra?", erwidere ich und klopfe ihn freundschaftlich auf die Schulter. Dann lasse ich ihn einfach stehen. Seine Schulter ist überaschenderweise sehr kühl gewesen, dabei herrschen in diesem Bereich des Maschinenraumes Temperaturen weit jenseits der dreißig, in manchen Bereichen sogar bis zu fünfzig Grad. Seltsamer Kerl.

Kaum im Bettenlager angekommen, fängt das Labora an, abzuklingen. Ich kann mich gerade noch ins Bett fallen lassen, als ich unkontrolliert zu zittern beginne. Man rät mir, die Gelenke in Bewegung zu halten, was ich auch tue. Im Extremfall kann dieses Zeug zu Gelenkversteifungen führen. Meine tapfere Carmina ist bei mir und hilft, den Anfall zu überwinden. Schließlich klingen die Nebenwirkungen ab und ich falle in einen traumlosen Schlaf. Die nächsten Tage habe ich wegen dem bevorstehenden Spiel nur leichte Arbeit und mache mir große Sorgen um Carmina, welche schließlich durch die Intervention von Lady Helmchen, der Navigatorin meines Bruders, durch drei Scheine ebenfalls leichte Arbeit bekommt. Eigentlich heißt die junge seltsame Frau mit den langen weißen Haaren und dem Helm Yuri.

Schließlich kommt der Tag des Spieles gegen ausgeruhte Mitglieder der regulären Wachmannschaft. Das sind allesamt wahre Hünen und scheinen nur aus Muskeln zu bestehen. Genau wie ich eigentlich auch. Zusätzlich sind sie in gut gepolsterte Rüstungen gehüllt. Kein Wunder also, dass die Unabs nie gewinnen. Und auch heute sieht es nicht besonders gut für sie aus. Leider ist dies nicht mein Tag und mir will kaum etwas gelingen. Ich werfe zwar ein Tor, trotzdem verlieren wir gegen die Wachen mit einem satten 8:2. Thron! Aber wenigstens habe ich mir so sieben Scheine verdient, das wären zwei Tage leichte Arbeit für Carmina. So langsam wird das problematisch mit ihr. Was soll ich nur tun? Was kann ich nur tun?

Kaum bin ich wieder in den Quartieren, kommt der Oberaufseher der Unab, Grox herein. Grox stammt von einer primitiven Urzeitwelt und ist ein muskelbepackter Kerl, der auf manchen Welten sicherlich einen passablen Gladiator abgegeben hätte. Sein Gesicht ist ziemlich lädiert von schon länger zurückliegenden Auseinandersetzungen. Aber vielleicht war es auf seiner Welt auch üblich, Kinder die Nase wieder und wieder zu brechen. Vier weitere Aufseher und ein uniformierter Knilch, den ich hier noch nie gesehen habe, sind in seinem Kielwasser. Der Aufseher baut sich vor Carmina auf.
"Mitkommen!", herrscht Grox sie mit seinem schrecklichen Dialekt an.
"Das glaube ich nicht!" meine ich und schiebe mich zwischen Carmina und Grox. Der Barbar glotzt mich ziemlich überrascht an, da wir uns auf gleicher Augenhöhe befinden. Körperlich groß zu sein ist nie verkehrt. "Weißt du, wer ich bin?", frage ich den ungehobelten Klotz.

"Du bist Flavion Conari und ich habe keine Angst vor dir, Großmaul. Ich zähl bis drei, entweder habe ich die Schlampe dann oder du spuckst deine Zähne aus." grollt der Kerl, der offensichtlich noch nie was von Mundhygiene gehört hat. Der Gestank aus seinem Mund haut mich beinahe um. Damit hat er drei Eigenschaften des Grox in sich vereint, nämlich deren berüchtigter Mundgeruch.
"Ich hätte dir gar nicht zugetraut, dass du bis drei zählen kannst.", meine ich freundlich. Der Aufseher geht einen Schritt zurück und holt mit seinem Knüppel aus. Mit einem blitzschnellen Schlag mit der rechten Faust breche ich seine krumme Knubelnase ein weiteres Mal und er kippt nach hinten um. (Kritischer Treffer mit 17 Schadenspunkten)
"Wer ist der nächste?", frage ich und puste auf meine Faust, wo die Fingerknöchel aufgeplatzt sind. In meinen Jugendjahren habe ich als Grundlage imperiales "Todesfaust" von einem Veteranen gelernt, die gleiche schnörkellose waffenlose Kampfkunst, welche Gardisten einsetzen. Von außen sieht sie recht unspektakulär aus, dafür ist sie brutal und effizient. Darauf ausgelegt, einen Gegner schnell außer Gefecht zu setzen.

"Lasst den Unsinn, Conari! Schnappt ihn Euch!", meint der Lackaffe und die drei Typen stürzen sich auf mich und halten mich fest, während der Pinkel sich Carmina schnappt und abführt. Wirklich wehren kann sich die arme Kleine nicht mehr. Und ich kann sie leider nicht weiter beschützen. Grox zu besiegen war das eine, mit vier anderen gleichzeitig fertig zu werden geht doch etwas über meine Fähigkeiten. Ich bin klug genug, es nicht trotzdem zu versuchen. Aber wenigstens habe ich verhindert, dass meine Carmina von diesem ungehobelten Barbaren angetatscht wird.

Ich werde in eine Zelle zwischen zwei Maschinenblöcken einsperrt. Der Käfig ist gerade mal anderthalb Meter im Quadrat und genau so niedrig. Austrecken ist für mich hier unmöglich. Einer der Nachteile, wenn man über 1,90 ist. Ich hocke mich hin und versenke mein Selbst. Eine Meditationsübung, die mich mein Lebenswart Caine gelernt hat. So überlebe ich die Hitze, die Enge und die Vibrationen ohne große Nebenwirkungen die nächsten Tage, besonders da ich zwei Wasserflaschen extra bekomme. Einmal von Yuri und einmal von Bruder Obskurus für drei Scheine gesponsert. Da will sich wohl jemand meine Freundschaft erkaufen. Und ich muss gestehen, damit ist das wohl auch gelungen.

Nakago:
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Unbekannt
Leichter Kreuzer "Audacia"
Zeit: 8 405 783.M41

Ein entkommen aus dem Käfig ist unmöglich, da er extra dafür gebaut wurde, auch körperlich stärkere Gefangene als mich drinnen zu halten. Die Konstruktion ist aus massivem Ferroplast und wiegt bestimmt mehrere Tonnen. Besonders das Problem der Ausscheidung von Fäkalien macht den Aufenthalt neben der Hitze, Krach und Vibrationen zur Tortur. Ganz abgesehen davon, dass ich mir nicht nur Sorgen um mich, sondern auch um meine Konkubinen mache. Beide habe ich im Doppelpack nach dem Vollbringen meiner ersten großen Mission in dem wirklich angesehenen Fleischhaus "Surkus & Söhne" gekauft. Die Beiden haben praktisch meinen gesamten Gewinn und die Apanage eines halben Jahres gekostet, aber ihr horrender Preis war nur zu gerechtfertigt. Ein kluger Mann kauft seine Konkubinen immer aufeinander abgestimmt im Doppelpack, auch wenn diese zusätzliche Konditionierung einen erheblichen Preisaufschlag nach sich zieht. Ein Geschäftsmann in meinem damaligen Betätigungsfeld ist oft mehrere Tage oder gar Wochen fernab aller zivilisatorischen Annehmlichkeiten beschäftigt und dies sind keine Orte für eine zarte Frau. Und allein fängt sich eine Konkubine an zu langweilen und kommt vielleicht auf dumme Gedanken, ihre Vorzüge jemanden zur Verfügung zu stellen, der sie nicht gekauft hat. Aber zwei können sich miteinander beschäftigen und die jeweils eine passt viel besser auf die andere auf, als es je ein Wächter oder Servoschädel tun könnte.

Inzwischen sind mir meine beiden Schätzchen sehr ans Herz gewachsen, vielleicht mehr, als es mir gut täte. Letztendlich ist alles ersetzbar und nur eine Frage von Gelt. Aber Carmina und Josephina haben mir unzählige Stunden außergewöhnliches Vergnügen bereitet, getrennt oder zusammen und selbst jetzt noch, gelingt es ihnen immer wieder, mich mit etwas Neuem zu überraschen. Ihr Repertoire und Einfallsreichtum scheinen unerschöpflich zu sein. Und was immer sie auch sein mögen, die beiden gehören mir! Und jeder, der sich an ihnen vergreift und weh tut, wird dafür bezahlen. Der Hass und die mentalen Übungen halten mich in diesem Loch aufrecht. Endlich werde ich frei gelassen und man erlaubt mir einen Schlafzyklus im Bettenraum zu vollbringen. Lady Helmchen, Bruder Obskurus, Braddock und Solun Ares erwarten mich schon mit Neuigkeiten. Während ich stehe und meine verkrampften Muskeln lockere, bekomme ich zu hören, dass Grox seine Schmach nicht vergessen hat. Der Kerl sinnt natürlich auf blutige Rache und wird morgen zuschlagen. Wir gehen verschiedene Eventualitäten durch, ihm zuvor zu kommen. Aber letztendlich haben wir nicht die Möglichkeit dazu. Allerdings wäre niemand wirklich traurig über das Ableben von Grox, der zu vielen äußerst übel mitgespielt hat und als besonders brutal gilt. Nun gut, morgen wird entweder er oder ich sterben. Bei genauerer Betrachtung der Situation komme ich zu dem Schluss, dass ich sein Ableben deutlich favorisiere. Um das sicher herbei zu führen, tausche ich bei einem Schwarzmarkthändler für drei Scheine einen 36er Gabelschlüssel mit einseitig angeschliffener Spitze. Nicht gerade Rabenklaue, aber man kann ja nicht alles haben.

Trotz der bevorstehenden Auseinandersetzung schlafe ich wie ein Stein. Am nächsten Zyklus werden wir vom Trupp 19 zur Arbeit an einem Gerüst eingeteilt, für deren Erledigung wir sechs Stunden brauchen. Dann gibt es Mittagessen. Normalerweise wird dies von einem Kind gebracht, das ein Wägelchen mit Boxen schiebt und diese verteilt. Diesmal ist es die rothaarige Colette aus meinem ehemaligen Gefolge, die mir eine Box von etwas weiter unten in die Hand drückt und mir verschwörerisch zublinzelt. Meine gute Colette, einst eines der unzähligen Putzmädchen im Haushalt meines Adelshauses. Sie war ein knochiges kleines Ding mit viel zu großen Augen und spitzer Nase gewesen. Ich war es, die sie auserwählt hat, meinem Leibkoch Lungini zur Hand zu gehen, als dessen bisheriger Gehilfe weg befördert worden war. Das Mädchen hatte etwas Verlorenes und Trauriges an sich gehabt. Ihre Arme waren voll von blutigen Striemen gewesen, weil ihre Meisterin mit Colettes Leistungen nie zufrieden gewesen war. Ihre Augen hatten mich so flehentlich angesehen, dass ich sie einfach nehmen musste. Inzwischen ist aus dem ungeschickten dürren kleinen Mädchen eine junge hübsche Frau geworden, von der Lungini kurz vor seinem Tod noch gemeint hat, dass sie so etwas wie Talent zum kochen hat. Das wohl größte Lob, das je über seine Lippen gekommen war.

Wenig überraschend ist in der Box, die ich im Toilettenabteil öffne, keine Extraration drin, sondern ein Bündel Papiere und eine Karte aus Metall mit einem komplizierten Muster aus Bohrungen. Eine Zugangskarte für einen sensiblen Bereich, wie mir scheint. Die Papiere sind Pläne eines Deckes, wo sich Waffenkammern befinden. An einer Ecke ist ein Kussmund aus Lippenstift zu sehen. "In Liebe" steht darunter. Ach, meine liebe findige Carmina, mein kleines einfallsreiches Teufelchen, welches das Wort Risiko nicht in ihrem Wortschatz hat. Kein Wunder, dass ich meine Mädchen so lieb habe. Jetzt brauchen wir nur noch auf das entsprechende Deck zu kommen. Aber da fällt mir bestimmt noch was ein.

Nach der Mittagspause wird unserer Trupp in einen schwer einzusehenden Werkstattbereich verlegt. Grox hat wohl ein paar Scheine springen lassen, um ungestört hier mit uns spielen zu können. Ich ziehe meinen 36er Gabelschlüssel und halte ihn locker in der Hand. Es ist beinahe schon wie vor einem Duell. Siebenundzwanzig habe ich siegreich beendet, aber dies wird nicht dazu zählen, denn Grox ist etwas, das man nicht zu einem Ehrenhändel fordert, da diese Kreatur mit dem Begriff Ehre nichts anfangen kann. Um mich herum gruppieren sich auf der rechten Seite Braddock und Solun, auf der linken Bruder Obskurus, Meisterin Althea und Lady Helmchen auf. Sie fummelt an dem Verschluss ihres Helmes, der aber nur durch Zerstörung dessen zu öffnen ist, wie ich nach einer kurzen Überprüfung des Mechanismus feststelle. Und das hätte sicherlich weitreichende Konsequenzen.

Grox ist so nett, uns nicht allzu lange Warten zu lassen. Wenigstens diesen Ansatz von Manieren scheint er zu besitzen. Die anderen von Gruppe 19 haben sich in die hinterste Ecke der Werkstatt verkrümelt, denn dieser Kampf ist nicht der ihre. Sondern ganz allein meiner!
"Na, Grox, wie geht es der Nase?", frage ich süffisant lächelnd, da seine Nase ein angeschwollener Klumpen ist, der in buntschillernden Farben leuchtet und schon fast etwas Lustiges hat, welches von dem brüllenden Mund mit den kariösen Zahnstummeln etwas abgemildert wird. Besonders da er einen schweren Vorschlaghammer mit ehernen Griff über der Schulter trägt, den er nun in beide Hände nimmt und ohne weiteres Wortgeplänkel mich angreift. Ich finde es äußerst zuvorkommend von ihm, dass er meine Zeit nicht damit verschwendet, mir sinnentleerte und anatomisch unmögliche Drohungen an den Kopf zu werfen.

Nakago:
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Unbekannt
Leichter Kreuzer "Audacia"
Zeit: 8 405 783.M41

Bevor ich handeln kann, sprintet Althea vor und sticht mit einer angespitzten Feile zu. Aber die Wunde im Oberkörper ist nur oberflächlich, da sie an einer Rippe abgleitet. Ich greife ebenfalls an und kann leider meinen guten Treffer nicht wiederholen. Trotzdem hinterlässt die angeschliffene Seite des 36er Gabelschlüssels eine blutende Wunde auf seiner muskelbepackten Brust. Vor Wut brüllend zischt der gewaltige Vorschlaghammer auf mich zu. Ich fasse den Schraubenschlüssel an der stumpfen Seite mit beiden Händen und stoppe so den Schlag. Trotzdem fährt mir die brutale Wucht bis hoch in die Schultern. Der Kerl ist wirklich bald so stark wie ein Grox! Thronverdammt!

Mit äußerst lautem weibischen Gekreische stürzt sich Yuri ins Schlachtgetümmel und versucht einen der Gehilfen von Grox mit einem Kopfstoß mit ihrem stabilen Helm in den Bauch zu treffen. Der springt gewandt zur Seite und Yuri rammt die dahinterliegende Wand. Es scheppert ganz schön, als die verformte Frau aufprallt. Das hat bestimmt weh getan. Bruder Obskurus greift mit einem Stoßgebet auf dem Imperator mit einem wild geschwungenen Ringschlüssel an, nur um direkt in das wartende Messer eines der anderen Spießgesellen von Grox zu laufen. Mit einem sadistischen Grinsen zieht der Scherge die Klinge vom Beckenrand hoch bis zum Brustbein. "Imperator steh mir bei!", keucht Bruder Obskurus und taumelt mit aufgeschlitztem Overall zurück. Eigentlich erwarte ich bei einer solchen Wunde die Gedärme herausquellen und auf den Boden zu klatschen zu sehen. Aber statt Blut und Gedärme fällt Schnee zu Boden.

"Thron!", keuche ich überrascht. Überall werden Schutzformeln gesprochen, während Bruder Obskurus sich vor unseren Augen in einen Schneemann verwandelt. Oder besser gesagt in einem Haufen formlosen Schnees, aus dem ein zerfetzter Overall herausragt. Braddock und Solun Ares stürmen nun ebenfalls in den Nahkampf, die kurze Konfusion ausnutzend, die durch den Schneetod von Bruder Obskurus entstanden ist. Das nenne ich mal wirklich ein obskures psionisches Phänomen. Aber nach den Ereignissen auf der "Ruhige Gezeiten" wirft mich so schnell nichts wieder aus der Bahn. Um mich herum beginnt ein wildes Handgemenge, während Althea und ich uns auf Grox konzentrieren. Die Meisterin der Leere sticht mit wenig Geschick Löcher in die Luft, während ich mit einem weiteren Hieb eine blutende Wunde hinterlasse und dem nächsten wuchtigen Schlag mit einem geschickten Sprung ausweiche. Ich kann den starken Luftzug spüren und die brutale Kraft, die hinter diesen wuchtigen Schlägen steckt. Aber diese Waffe ist äußerst unhandlich und träge. Während er ein weiteres Mal ausholt, treffe ich ihn wieder hart.

Leider habe ich zu viel Schwung in den Schlag gelegt, denn Grox rammt mir den Hammerkopf mit einem brutalen Stoß auf meine Brust. Da knackt einiges, aber es ist wohl nichts gebrochen, da ich kein Blut huste oder eine Rasseln in der Lunge höre. Aber nun ist eine große Lücke in der Abwehr von Grox entstanden, in die Althea mit aller Kraft sticht. Die angespitzte Feile senkt sich in Groxs Hals und die Hauptschlagader ist zerfetzt. Die kleine Frau wird förmlich mit Blut geduscht. Ich wende mich einem weiteren Schergen zu, der auf die arme am Boden liegende Yuri eintritt und ziehe ihm mit aller Kraft meinen 36er Gabelschlüssel über den Schädel. Es knall richtig, als der unter meinem Hieb zerbricht. Der Kerl sackt tot zu Boden. Ares und Braddock haben entdeckt, dass dies eine verdammt gute Aggressionstherapie ist und schicken weitere Aufseher tot zu Boden. Die noch lebenden Schergen des toten Grox erkennen die Zeichen der Zeit und beweisen, dass motivierte Männer eine Geschwindigkeit von mehr als dreißig Stundenkilometer erreichen können. Wir lassen unsere Waffen verschwinden, indem wir sie unter das vorhandene Werkzeug mischen und harren der bewaffneten Wachen, die bald auftauchen dürften. Eine kurze Durchsuchung von Grox und den Wachen fördert einiges an Scheinen zu Tage, die wir schnell in unserer Kleidung verstecken. Damit können wir was anfangen, falls wir nicht umgebracht werden.

Schon bald tauchen bewaffnete Wachen auf und bestaunen das Massaker. Der Schneehaufen, welcher einst den Körper von Bruder Obskurus gebildet hat, ist inzwischen fast gänzlich geschmolzen und die Wasserlache hat sich mit dem Blut der toten Aufseher vermischt. Da die Sachlage offensichtlich ist, jedenfalls bis auf den geschmolzenen Schnee, werden wir zu fünf Peitschenhieben und einem Tag Nahrungsentzug verurteilt. Thron! Dieser Grox und seine Spießgesellen scheint wirklich nicht beliebt gewesen zu sein. Wir empfangen unsere Strafe wie Männer, jedenfalls diejenigen unter uns, die in diese Kategorie fallen. Yuri und Althea leiden besonders darunter, dass die Strafe mit entblößtem Oberkörper vollstreckt wird und sie ihre oberen Attribute so aller Welt zeigen müssen. Aber letztendlich werden wir wieder in den Aufenthaltsraum zurückgescheucht, wo weitere Scheine als kleine Anerkennung für das Ableben von Grox auf uns warten. Damit kann man jetzt was anfangen. Es wird Zeit, konkrete Pläne zu machen, um hier heraus und auf meinen rechtmäßigen Platz der Hierarchie dieses Schiffes zu kommen.

Nakago:
Position:
Unbekannt
Leichter Kreuzer "Audacia"
Zeit: 8 407 783.M41

Schon während unseres Schlafzyklus tritt ein Kontaktmann an mich heran, also jemand, der Treffen mit anderen Leuten außerhalb des Maschinenraumes arrangieren, bzw. die notwendigen Nachrichten weiterleiten kann. Nun gut, das kostet nur zwanzig Scheine pro Nachricht oder arrangiertem Treffen. Er scheint gute Kontakte zum ersten Maschinenseher Ademis zu haben. Ihn als Verbündeten zu gewinnen ist sicherlich kein Fehler. Also lasse ich ein Treffen nach der nächsten Schicht arrangieren. Nach schweißtreibenden zwölf Stunden harter körperlicher Arbeit und einer Mahlzeit bestehend aus Proteinpampe und etwas Rekaf holt mich der Fremde ab. Es ist immer kritisch, mit Leuten zusammen zu arbeiten, die man nicht kennt. Nicht mal den Namen, nach dem ich nicht gefragt habe, da ich eh eine Lüge zu hören bekommen hätte. Also nenne ich ihn einfach den Fremden. Auf dem Weg versuche ich ein paar Informationen aus ihm heraus zu kitzeln. So wie es aussieht, ist meine Carmina äußerst weich im Bett von Leutnant Tessa Nimdock gelandet, die dafür bekannt ist, junge Frauen aus der Mannschaft zu vernaschen. Nun ja, damit kann ich leben und Carmina wahrscheinlich auch.

Über einige dunkle Kanäle und nicht mehr so gebräuchliche Gänge führt er mich durch ein Labyrinth von Korridoren, bis wir schließlich den Tempel des Omnissiah erreichen, der sich irgendwo im Herzen des Maschinendecks befinden muss. Alleine betrete ich den Tempel aus Adamantium, das Symbol des Mechanicum ist allgegenwärtig. Der Altar besteht aus einem Maschinenblock, auf dessen Frontseite zwei Zahnräder ineinander drehen. Das eine ist schwarz, dass andere ist weiß. In seiner roten Robe bekleidet wartet schon der erste Maschinenseher auf mich. Schnell macht er mir klar, dass er nicht daran interessiert ist, an einer Meuterei gegenüber dem Lordkapitän mitzumachen. Genau genommen hat er das schon getan, da er rein rechtlich gesehen gegen mich gemeutert hat. Schließlich hat mein Onkel sein Amt schon faktisch an mich übertreten gehabt, als er mir den Stab des Lordkapitäns aus freien Stücken reichte. Aber letztendlich reicht es mir, wenn sich die Techpriester in der zukünftigen Auseinandersetzung sich nicht einmischen.

"Ihr braucht also nichts weiter zu tun, als nichts zu tun.", fasse ich zusammen.
"Und was haben wir Techpriester davon?"
"Die Audacia ist in einem erbärmlichen Zustand.", stelle ich fest und ernte keinen Widerspruch. "Und sobald ich Lordkapitän bin, werde ich dies unverzüglich ändern und das nächsten Reparaturdock anlaufen.  Schließlich muss ich nicht innerhalb der nächsten Monate ein Vermögen anhäufen und nach Hause zu transferieren. Änderungen brauchen ihre Zeit und das ist auch dem Familienrat der Conaris durchaus bewusst. Wenn ich etwas in meinem Leben gelernt habe, dann das, dass man gutes Werkzeug braucht um hervorragende Arbeit zu verrichten. Und solange mein Werkzeug in diesem desolaten Zustand ist, kann ich damit nicht arbeiten. Weder zum Ruhme des Omnissiah noch zu dem meiner Familie."
"So viel Weisheit hätte ich Euch gar nicht zugetraut.", meint der Techpriester nach einer kurzen Pause.
"Schon viele haben mich unterschätzt und die meisten davon sind inzwischen tot.", meine ich zum Abschied. Den letzten Satz kann er durchaus als Versprechen ansehen. Wer sich mir in den Weg stellt, lebt in aller Regel nicht mehr lange. Ich habe mich fast ein ganzes Jahrzehnt mit dem übelsten Abschaum von Scintilla und dem Calixis Sektor herum geschlagen. Man kann mir sicherlich vieles nachsagen, aber nicht, dass ich schwach, zögerlich oder unzuverlässig bin. Ich halte meine Versprechen, denn das Wort eines Conari ist bindend! Mein Onkel scheint das hier draußen fernab der Zivilisation vergessen zu haben.

"Noch ein Rat zum Abschluss, versucht nicht, die Söldner auf Eure Seite zu ziehen. Das hat schon Euer Bruder versucht und das hat ihm das Genick gebrochen. Die Söldner der Grauwölfe achten auf ihren Ruf der Unbestechlichkeit, der mehr wert ist, als ein kurzer schnöder Gewinn. Falls Ihr vorhabt, Euch mit Leutnant Tessa Nimdock zu verbünden, lasst es sein. Sucht lieber Verbündete bei jenen, die von Eurem Onkel in der letzten Zeit degradiert worden sind." Ein guter Rat. Die Söldnerin war tatsächlich eine Option und wäre mein nächster Kontakt gewesen. Draußen wartet der Fremde und ich frage ihn, wer in letzter Zeit Groll gegen meinen verräterischen Onkel gesammelt haben könnte. Mich mal außen vor gelassen.

"Da wäre Major Garbuss Voyle. Früher war er Anführer der Marineinfanterie, jetzt ist er noch der Leiter der Ausbildung." Ich lasse mir ein paar Fakten über den Major erzählen, der aus der imperialen Flotte nach dreißig Jahren ausgemustert hat. Dreißig Jahre Dienstzeit und nur Major für die Sicherheitstruppen? Nicht gerade das, was man eine steile Karriere nennt. Entweder hatte er nie Gelegenheit, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, was bei der überbeschäftigten Flotte eher nicht der Fall sein dürfte. Oder er ist mehrmals übergangen worden, weil ihm entweder der Biss fehlt, die notwendigen Kontakte, er unfähig oder einfach nur schwach ist. Da mein Onkel bestimmt keinen Unfähigen angeheuert hat, er bis jetzt überlebt hat, fehlten ihm wahrscheinlich die Kontakte. Damit würde ich arbeiten können.

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