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Die Fahrten der Audacia

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Nakago:
Position:
Havariert im Schlund
Orbit über der Hexenfluchwelt
Transportschiff "Ruhige Gezeiten"
Quartier
Zeit: 8 335 783.M41

Ich laufe durch einen ewig langen Gang, etwas verfolgt mich. Wenn ich mich umblicke, sehe ich nur den leeren Gang, der sich tausende Kilometer gerade voraus und hinter mir erstreckt. Aber trotzdem ist etwas da, das ich nicht sehen kann. Aber ich kann seine Präsenz spüren. Der Gang scheint zu einem Palast zu gehören, denn er ist reich dekoriert. Die Wände sind mit schwarz goldenen Seidentapeten bedeckt, dessen verwirrende Muster mir Kopfschmerzen bereiten. Endlich erreiche ich einen gewaltigen Saal, prächtige Kronleuchter hängen von der mit goldenen Säulen gestützten Decken. Die allgegenwärtige verwirrende Ornamentik wiederholt sich auch hier. Im Eingangsbereich tritt mir ein leibhaftiger Halbling mit einer viel zu hohen Kochmütze entgegen. In der rechten Hand hat er ein Hackmesser, in der rechten eine zweizinkige Gabel, die so groß wie er selbst mit der hohen weißen Mütze ist.

"Ah, das Abendessen! Mjam mjam!", begrüßt er mich und verzieht sein Mund zu einem breiten Grinsen, dass ein Raubtiergebiss entblößt. Im Saal ist eine Reihe von Tischen aufgebaut, die ein Quadrat bilden. Die Tischdecke ist aus mit Silberfäden durchwirkter Spinnenseide. Die Teller aus Elektrum und das Besteck aus monobeschichtetem Adamantium mit Edelsteineinlagen im Griff. Die Gäste sind farbenprächtig nach einer veralteten Mode von Scintilla gekleidet. Allerdings hat keiner der Gäste ein Gesicht bis auf einen Mund, in den sie Schlangen wie Rundnudeln schaufeln. Das Ganze ist äußerst bizarr und erschreckend. Alle wenden sich mir zu und unterbrechen ihr Mahl. Ihre Münder sind voller Nadelspitzer Zähne. Und irgendwie scheinen die hier der Ansicht zu sein, ich wäre die Hauptmahlzeit und nicht die im Karree sich befindenden unzähligen Schlangen in allen möglichen Farben. Thron! Imperator steh mir bei!

Auf einmal kommt der tote Cussak in das Zimmer gestürmt und schüttelt mich. Solun und Althea sind ebenfalls bei ihm. "Was?" frage ich verdattert und öffne die Augen. Schweißgebadet wache ich auf. Mein Herz hämmert in meiner Brust und ich fühle eine Angst in mir toben, wie sie noch nie gespürt habe. Dieser Traum war unglaublich schrecklich, bizarr und doch so real gewesen. Mit einem fast schon weinerlichen Stöhnen richte ich mich auf und sammle mich. Ich darf keine Schwäche zeigen, denn ich bin ein Conari. Mein Name verpflichtet mich. Meine Konkubinen sind ebenfalls wach geworden und voller Furcht. Dunkle Dinge gehen hier vor. Cussak hat mich ein weiteres mal gerettet. Ich wanke zum Altar und verbrenne etwas Weihrauch. Meine Konkubinen knien sich neben mir hin und beten für die Seele des armen Cussak. Wir danken ihm und den Imperator für unsere Rettung aus der Dunkelheit. Und natürlich beten wir zu ihm auf Terra auch darum, dass wir endgültig aus dieser überaus misslichen Lage gerettet werden. Mein Körper zittert und ich habe Probleme, mich standesgemäß anzukleiden. Ich sehe nach den anderen und vernehme weitere Hiobsbotschaften. Thronverdammt!

Irgendetwas hat tödliche Träume geschickt, denn mein Leibkoch Lungini ist tot. Thron! Ebenso einige der überlebenden Siedler. Einfach im Schlaf gestorben, auch wenn ihre Gesichter zu schrecklichen Fratzen der Furcht verzerrt sind. Realistisch betrachtet haben wir durch ihren Tod wahrscheinlich ein oder zwei Tage zusätzlich gewonnen, bevor das Wasser zur Neige geht. Lungini war mein ganzes Leben mein Leibkoch, hat mit Köstlichkeiten verwöhnt, als ich noch ein kleiner Junge gewesen war. Ein weiterer Vertrauter, der auf diesem verfluchten Transfer sein Leben verloren hat. Er war wie ein Onkel für mich gewesen, der mir immer mal wieder Süßigkeiten zugesteckt hat, die so nicht auf meinem strengen Ernährungsplan gestanden hatten. Und nun ist er Tod und wahrscheinlich hat er auch seine unsterbliche Seele an den namenlosen Schrecken jenseits des Schleiers verloren. Ein äußerst erschütternde Vermutung, die mir sehr Nahe geht. Ich spreche ein Gebet für ihn und bitte dem Imperator um Schutz für seine unsterbliche Seele.

So wie es aussieht, scheint ein Raubtier des Warps in der zerstörten Hülle der "Ruhige Gezeiten" zurückgeblieben zu sein. Das Wort "Dämon" macht die Runde, aber das ist schnöder Aberglaube. Der Schrecken des Warps ist geistlos, plappert wie ein Papagei sinnlos Gedankenfetzen nach, die es nicht begreift. Diese Kreaturen sind gefährlich, aber nicht vernunftbegabt. Es sind nichts weiter als Raubtiere, die in einer für Menschen absolut lebensfeindlichen Umwelt eine Nische gefunden haben. So wie Kreaturen auf Todeswelten, die selbst einen erfahrenen Jäger mit einem Biss verschlingen können. Die hält auch niemand für wirklich intelligent oder für gar etwas Übernatürliches. Etwas anderes zu denken wäre reine Blasphemie!

Nichtsdestotrotz stelle ich eine Jagdmannschaft zusammen, Althea und Braddock begleiten mich, Solun bleibt zurück, falls das Ding uns einfach nur aus unserem Bereich herauslocken will, um anschließend über die Siedler herzufallen. (Der Spieler von Solun musste schlicht früher gehen). Braddock leiht sich den Melter von Solun aus und so ziehen wir los. Meine Trauer bekämpfe ich mit ehrlichem Hass auf diese Kreatur aus dem Warp. Auch meine Angst kämpfe ich so erfolgreich nieder. Als erstes suchen wir auf der Brücke. Das ist meine Idee, da wir ja irgendwo anfangen müssen und vielleicht so noch Erkenntnisse über den Ablauf des letzten Tages gewinnen können. Die Brücke hat einen direkten Treffer abbekommen und ist vakuumgeflutet. Allerdings arbeiten selbst unter diesen widrigen Umständen noch einige der automatisieren Cogitatorenbänke. Wirklich brauchbare Daten über unsere Angreifer lassen sich allerdings mit unseren Mitteln unter diesen Bedingungen nicht extrahieren. Auch gelingt es nicht, die interne Schiffsüberwachung zu reaktivieren. Allerdings meldet sich Caine über Funk und berichtet, das Josephina den Bereich verlassen hat. Sie hat mit den Karten ihres Tarots eine Spur bis in den vakuumgefluteten Bereich gelegt und sie hat keinen Anzug an. Thron!

Wir bewegen uns so schnell wie möglich zurück und nehmen die Fährte aus Tarotkarten auf. Wie eine Spur aus Brotkrumen, nur dass wir nicht wie im Märchen ein Haus aus Lebkuchen finden werden, sondern ein Raubtier aus dem Warp. Möge der Gottimperator auf seinem goldenen Thron ein Auge auf uns haben und uns mit seinem Licht den Weg in die Dunkelheit weißen. Josephina habe ich von meinem ersten selbstverdienten Gelt (kein Schreibfehler, der jiddische Begriff ist offiziell) wie auch Carmina gekauft. Beide stammen aus einem angesehenen Fleischhaus und sind auf meine Bedürfnisse hin zugeschnitten. Natürlich bindet mich das ziemlich emotional an sie. Und ich glaube, ich bin sogar so was verliebt in sie. Mehr als es einem Herr gegenüber seiner Sklavin wohl sein sollte. Ich bin in großer Sorge um meine Josephina und hoffe auf ein Wunder. Dies ist ein Weg in eine Falle, aber wenigstens weiß ich, dass dies eine ist.

Mit gezogenen Waffen stellen wir schließlich das Raubtier aus dem Warp in einem Lagerraum, der äußerlich unbeschädigt wirkt. Ein Großteil der Frachtkisten ist ins Rutschen geraten und das Ganze erinnert mich an meine alte Spielzeugkiste mit bunten Bauklötzchen, mit denen ich als Kind immer Türme gebaut habe. Das Warpwesen erinnert an einen Kegel aus windenden Tentakeln, auf dessen Spitze ein großes glotzendes Auge mit einer geschlitzten Pupille in buntschillernder Farbe thront. Es hat keine wirklich erklärbare Körperstruktur mit einem richtigen Körper, welche wichtige Organe enthalten könnte. Wie kann so etwas nur existieren? Josephina schwebt nackt hinter ihm. Ihr Körper scheint äußerlich unversehrt zu sein, trotz der Kälte des Vakuums und der Abwesenheit von Sauerstoff. Deutlich kann ich sehen, dass sie noch atmet, auch wenn das physikalisch unmöglich ist. Auf der einen Seite bin ich froh, dass Josephina noch lebt, auf der anderen Seite flößt mir dieser Umstand auch Angst ein. So langsam dämmert mir, dass meine Konkubine bei den Tests der Scholastica Psikana wohl nicht ihre wahren Resultate erzielt hat. Immer wieder rutschen Psioniker durch das engmaschige Raster, weil ihre Begabung sich erst bei einer ernsten Bedrohungssituation manifestiert. Aber darüber kann ich mir Sorgen machen, falls wir das hier überhaupt überleben.

"CONARI!", kreischt das Ding in einer Mischung aus Freude und Wut auf. Was unmöglich ist, da Vakuum keinen Schall überträgt. Ganz abgesehen davon, dass dieses Ding kein Maul hat, um irgendwelche Geräusche von sich geben zu können. Trotzdem kann ich es deutlich hören. Das ist nur ein weiterer Punkt auf der Liste der Unmöglichkeiten, der langsam aber sicher an meinem Verstand zerrt. Ganz abgesehen davon, dass dieses Wesen eigentlich unmöglich existieren kann. Irgendwie habe ich den Verdacht, dass man mir über die Warpraubtiere nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. Das Ding hat trotz aller Fremdartigkeit den Funken von verdorbener Intelligenz in sich.

Althea hält sich nicht mit Worten auf, sondern übermittelt dem Dinge Grüße in Form von massereaktiver Geschossen aus ihrer Boltpistole. Ich habe schon längst meine Plasmapistole gezogen, blau leuchten die Kühlrippen, bereit ihr vernichtendes Plasma zu entfesseln. Die Waffe ist am Überladen und eigentlich will ich sie auf dieses Ding abfeuern, aber dann ist etwas in meinem Kopf und das nächste was ich sehe, ist, wie Althea sich gerade so unter einem Strahl sonnenheißes Plasma duckt. Thron! Wie konnte das nur passieren? Ich war für einen Augenblick weggetreten und das Ding aus dem Warp hat mich wie eine Marionette benutzt. Eine überaus erschreckende Erfahrung an einem Tag voller Schrecken und finsterer Begebenheiten.

Braddock schießt mit dem Melter und brennt dem Ding ein Loch in den windenden Leib. Wir sind nun ausgefächert, so das keiner dem anderen im Weg herum steht. Die Meisterin der Leere lässt sich von alldem nicht aus der Ruhe bringen und feuert weitere Salven auf das unreine Ding ab, das mich offensichtlich kennt. - Hat es auch meinen Bruder getötet? Woher kennt es meinen Namen? Was will es von mir? - schießt es mir durch den Kopf. Aber diese Kreatur dürfte nicht reden, nicht wirklich denken können. Ich beginne langsam vorzurücken. Eine blaue Feuerlohe schießt mir entgegen, der ich gerade so noch aus dem Weg springen kann. Braddock erschießt beinahe mich, als das Ding in seine Gedanken pfuscht, aber er trifft zum Glück nicht. Ich ziehe meine Boltpistole und schieße voller ehrlichem Hass das Magazin leer, bis ich nah genug für das Schwert bin. Tentakel winden sich kurz hoch zu der nackten Josephina, aber was sie dort tun, kann ich nicht begreifen.

Schließlich bin ich an der abartigen Kreatur dran, lasse die leergeschossene Boltpistole fallen und lasse mein Schwert nun beidhändig gehalten für mich sprechen, denn ich habe diesem Ding nur eines zu sagen. "Stirb!" Ich weiche gewandt einigen nach mir schlagenden Tentakeln aus und mein Schwert zerschneidet das verdammte Auge. Glibber läuft heraus und eine Linse in den Farben des Regenbogens wird sichtbar. Braddock gibt ihm den Rest und verdampft seine unheiligen Überreste. Josephinas wohlgeformter Leib fällt mir in die Hände. Ich packe meine Waffen weg und schaffe die ohnmächtige Josephina zurück in unsere Quartiere. Wie kann sie das hier nur überleben? frage ich mich bange. Offensichtlich ist sie eine unsanktionierte Psionikerin und die Hexe muss im Feuer geläutert werden. Aber ich kenne sie seit Jahren, sie ist kein böser Mensch! Endlich passieren wir die Schleuse und ich besorge eine Decke, in die ich sie wickle. Die Siedler haben mitbekommen, was geschehen ist und sie kennen alle das Gebot des Imperators, das da lautet, die Hexe musst du im Feuer läutern.

Gedanke des Tages
Spoiler (Anzeigen)Was für ein Einstieg in die Welt von Freihändler. Unser SL schöpft wie üblich aus dem Vollen und wirft uns gleich mal ein paar abscheuliche Dämonen als kleine Einführung in die Kampfregeln hin. Mein Gefolge ist schon dezimiert und eine meiner Konkubinen eine Hexe und vielleicht sogar besessen. Normalerweise wäre es klüger gewesen, sie gleich im Vakuum von ihrem Leiden zu erlösen. Aber ich als Spieler finde diesen Plothook äußerst interessant. Auf alle Fälle hat diese Sitzung verdammt viel Spaß gemacht und ich finde mich so langsam in meinen Freihändler hinein.

Das war unsere erste Runde im Freihändleruniversum. Gerade haben wir eine D&D Kampagne hinter uns, die über vier Jahre gedauert hat, von der ersten Stufe bis ins epische 20+. Bei Freihändler startet man schon auf der ersten Stufe recht mächtig, auch wenn es nach meinem Geschmack einfach zu wenige Lebenspunkte sind. Schip geht eigentlich nur für Heilung drauf, weil das System keinen wirklichen Heiler für die Gruppe bereit hält.

Gespielt am 25.03.2012
Spielleiter: Stefan
SC:
Flavion Conari Freihändler Rang 1
Solun Ares Magister Militaris Rang 1
Althea Puppila Meisterin der Leere Rang 1
EP:
500 Punkte (gekauft Beidhändigkeit und Ge +5 auf genau 40)
Überwundene Gegner
1 Feuerdämon
zirka 7 Imps (fliegende Schädel)
1 unbekannter Dämon
Etwa ein Dutzend Schwertmutanten
Beute
Nix

Nakago:

Persona Dramatis
Spoiler (Anzeigen)Persona Dramatis

Personen von Wanderershafen und der Weite

Renuka - Herr der "Tochter der Leere", zwielichtiger Nachfahre von Häretikern.
Novus Conari - auf dem Transfer verschollener Bruder von Flavion, sollte die Audacia übernehmen
Taurion Conari - Vater von Flavion und Novus, Vorsitzender des Familienrates der Conari und amtierendes Oberhaupt des Adelshauses Conari von Scintilla.
Sebastian Winterscale - berühmt berüchtigter legendärer Freihändler, Entdecker von Winterscales Reich und seit Jahrhunderten verschollen.
Erzmagos Paracelsus Thule - Gründer der Jünger von Thule, einer radikalen Fraktion des Mechanicum, welche gezielt Artefakte des dunklen Zeitalter der Technologie suchen und erforschen.

Crew der Audacia

SC:
Kapitän Flavion Conari Freihändler Rang 1 - Zukünftiger Herr über die Audacia
Solun Ares Magister Militaris Rang 1 -  Ehemaliger Soldat der Imperialen Armee
Althea Puppila Meisterin der Leere Rang 1 - Junge dunkelhaarige Frau mit Pferdeschwanz
Bruder Obskura Astropath Rang 1 - undurchsichtiger Prediger
Yuri aka Lady Helmchen Navigator Rang 1 - junge Frau mit zu vielen Gelenken in den Gliedern

NSC
Obere Ränge

Bootsmann Ottar Fellwind
Seneschall Ilias von Braun - älterer Mann mit Stock
Waffenmeister Sigmund Kyrr - Trägt einen blauen Mantel mit vielen Orden und Ehrenzeichen
Esea Conari - Frau des amtierenden Lordkapitäns
Lordkapitän Ravion Conari - Onkel von Flavion Conari
Maschinenseher Kyle Ademis - erster Techpriester und stark modifiziert
Chorleister Lux Aquinus - Erster Astropath und Chorleiter der Audacia
Leutnant Tessa Nimdock - Söldneranführerin des Kontingentes der Eisenhunde
Major Arthax Garbuss Voyle   - Ausbilder der Marineinfanterie

Untere Ränge

Grilka 19 von den Unab - Vorarbeiterin im Maschinendeck
Grox - Aufseher der Unab im Maschinendeck
Lakasto -  Trainer der Unab Hartball Mannschaft des Maschinendecks
Der Fremde - Schwarzmarkthändler und Schieber

Das Gefolge von Flavin Conari

Bannerträger Cussak, trägt das persönliche Banner (verstorben)
Leibwächter Braddock, vierschrötiger Mann
Lexikanuseinheit OP3C
Leibkoch Lungini, etwas dicklicher Mann mit Halbglatze (verstorben)
Gehilfin des Leibkoches Colette, schüchterne Rothaarige
Leibdiener Caine, weiser alter Mann und Vaterersatz für Flavion Conari
Konkubine Josephina, blonde Haare. Sie ist eine latente Psionikerin und sagt die Zukunft aus dem Tarot voraus.
Konkubine Carmina, schwarzhaariges Teufelchen.

Schiffe
Audacia - Flaggschiff der Adelsfamilie Conari, Leichter Kreuzer der Monitorklasse im Drehbankschema.
Ignes et Amnestia - berüchtigtes ehemaliges Schwarzes Schiff der Inquisition, an den Erzfeind gefallen.
Ruhige Gezeiten - Transporter und im Schlund havariert
Tochter der Leere - Raumschiff von Renuka

Orte
Hexenfluchwelt - Einsamer Planet im Schlund ohne Sonne. Auf der Oberfläche befindet sich eine verlassene Astropathen Station, die trotzdem immer noch sporadisch sendet.
Der Schlund - Die einzig bekannte stabile Route durch die Warpstürme, welche den Calixissektor von der Koronusweite trennen.
Wanderershafen - Letzter Außenposten des Imperiums, markiert den Eingang zum Schlund
Aufbruch - markiert den Ausgang des Schlundes, das Tor zur Koronusweite.
Koronusweite - Halosterne nördlich des Calixissektors und des Segmentum Obscurus
Scintilla - Hauptwelt der Golgenna Weiten und des Calixissektors
Tarsus - Makropole in Äquatornähe und Handelszentrum der Welt Scintilla


Kapitel 2
Vom Regen in die Traufe
Position:
Havariert im Schlund
Orbit über der Hexenfluchwelt
Transportschiff "Ruhige Gezeiten"
Quartier
Zeit: 8 336 783.M41

"Verbrennt die Hexe!", schreit einer der Siedler und der Ruf verbreitet sich wie ein Lauffeuer.
"Wo ist hier eine Hexe?", frage ich ruhig mit erhobener Stimme und schaue mich übertrieben demonstrativ suchend um. Die Siedler glotzen mich groß an und zeigen dann drohend auf die immer noch bewusstlose Josephina in meinen Armen.
"Sie ist keine Hexe!", entgegne ich mit fester Stimme und erwidere ohne Furcht die hasserfüllten Blicke.
"Aber sie ist ohne Raumanzug in der Leere gewesen. Nackt! Und lebt noch!", wird mir vorgeworfen. Diese Fakten sind leider nicht umzustoßen.
"Ein Wunder des Imperators! Ein wahrer Gläubiger unseres lebendigen Gottes auf dem goldenen Thron zu Terra kann alleine eine ganze Armee der Finsternis vernichten. Also warum sollte so jemand nicht in der Lage sein, der Leere des Raumes zu trotzen?" Die Argumentationsgrundlage ist äußerst brüchig und Caine schaut mich missbilligend an, da er diese Art der Rhetorik für äußerst schwach zu halten scheint. Aber die Siedler sind deutlich verunsichert, da ihr Wissen in diesem Bereich äußerst beschränkt ist.

"Eure Hure scheint aber keine Heilige zu sein! Sie ist eine verdammte Hexe!", wagt es ein grauhaariger Siedler einzuwenden. Ich hasse es, wenn jemand eines meiner Mädchen als Hure bezeichnet. Schließlich geben sie sich nur einem einzigen Mann hin, nämlich mir. Normalerweise würde ich diesen Lump für diese Beleidigung einfach über den Haufen schießen, aber noch gibt es die Möglichkeit auf eine diplomatische Lösung, die ich nicht durch Gewalt abwürgen will. Deswegen reiße ich mich zusammen und unterlasse es, eine angemessene Antwort in Form eines 20mm Geschosses mit Deuteriumkern zu geben.

"Astartes, die Engel des Todes unseres göttlichen Imperators sind ebenfalls in der Lage, in der Leere des Raumes ohne Raumanzug zu überleben. Sind das auch alles Hexen?", frage ich sie mit ruhiger Stimme. In irgendeinem meiner obskureren Jugendbücher habe ich davon gelesen.
"Das ist doch etwas ganz Anderes!", empört sich einer der Siedler, aber ich kann seine Unsicherheit spüren. Die Grenze zwischen Wunder und Hexerei kann sehr dünn sein.
"Ist es das? Nur weil Ihr nicht in der Lage seid, ein Wunder des Imperators zu begreifen, ist meine Konkubine eine Hexe? Schämt Euch!" Da die Siedler dieser Argumentation nicht wirklich etwas entgegen setzen können und meine Waffen sie auch einschüchtern, wagen sie es nicht, mich aufzuhalten, als ich mit Josephina im Arm hoch in meine Kabine laufe.

"Wenn Ihr eine Hexe zum verbrennen wollt, dann kauft Euch gefälligst selbst eine!", rate ich dem Pöbel noch zum Abschluss. Ich lege Josephina ins Bett und decke sie zu. Vielleicht wäre es klüger, ihr einfach einen Kopfschuss zu verpassen, wie mein Verstand es mir rät. Was hat dieses Ding mit ihr kurz vor seinem Ende gemacht? Hat er versucht, ihre Seele zu verschlingen? Wollte er etwas in ihr einpflanzen? Ist es ihm gelungen? Fragen über Fragen und keine Antworten, da ich von dieser Materie nichts verstehe. Kein Mensch an Bord dieses Schiffes kann mir diese Fragen beantworten und ich bezweifle, dass überhaupt in Imperator gläubiger Mensch dieses Wissen haben kann, haben dürfte, haben sollte. Aber mein Herz sagt mir, dass von ihr keine Gefahr ausgehen kann, da ihre Kräfte wohl rein defensiver Natur sind. Und schließlich beschützt der Imperator uns vor dem Schrecken jenseits des Schleiers. Josephina ist eine Gläubige und sie steht unter seinem Schutz! Also wird dieses Ding gescheitert sein, egal was es auch vorhatte. Und ich habe schon zu viele Leute aus meinem Gefolge verloren, es reicht!

Ich begebe mich in Rüstung und mit griffbereiten Waffen neben ihr zur Ruhe. Am nächsten Tag wacht sie auf und erzählt von einem seltsamen Traum, der sich mit meinen Erlebnissen deckt. Auch erzählt meine Konkubine davon, dass sie ihren im Krieg gefallenen Bruder wieder getroffen hat. Der hat mit ihr geredet und sie vor einem Mann mit dem Namen Elin gewarnt, der versuchen wird, sie zu töten. Dieser Elin soll auch seinen eigenen Bruder schon umgebracht haben. Von den Ereignissen mit dem Ding aus dem Warp weiß sie nichts mehr, was vielleicht auch besser ist. Dieses Wesen kannte meinen Namen und die Frage ist, woher? War es vielleicht meinetwegen hier? Ist dies auch meinem Bruder Novus passiert? Und warum kann Josephina sich an ihr Leben vor dem Fleischhaus erinnern? Probandinnen eines solch exklusiven Hauses werden normalerweise so konditioniert, dass sie alles vergessen, was sie einst waren. Sie existieren nur noch, um ihren Herren in allen Belangen zu dienen, um jedes seiner Bedürfnisse zu befriedigen. Mögen diese nun sexueller oder gesellschaftlicher Natur sein. Die Makropole Tarsus hat etwa sechs Milliarden Einwohner, mehr als die Hälfte gehört zur rechtlosen Unterschicht aus Tagelöhnern. Es ist in diesen Kreisen durchaus üblich, dass Schulden mit den eigenen Kindern beglichen werden. Die meisten werden einfach Arbeitssklaven oder Servitoren in den gewaltigen Manufakturen, Handelshallen und Betrieben auf der Mittelebene. Nur wenige Auserwählte schaffen es, die Ankäufer der Fleischhäuser auf sich aufmerksam zu machen. Dort wird ihnen einen umfassende Ausbildung zuteil. Nicht nur die körperlichen und künstlerischen Aspekte werden dort geschult, sondern auch ein breites Wissensspektrum wird ihnen vermittelt, um jede Art von Gespräch mit ihrem Herrn führen zu können, sei es nun, ob es um die Vorzüge einer Laserpistole im Civitas Schema gegenüber eine in Palatine Schema geht oder welcher Gladiator in der roten Arena den Primus von 774 gewonnen hat. Auch sind sie auf keinem offiziellen Anlass deplatziert, da sie die Gebräuche der gehobenen Schicht vollkommen beherrschen. Eine Konkubine eines Adligen kann eben viel mehr, als ihre Beine zu öffnen oder ihren Hintern in die Höhe zu recken.

Unter den wachsamen Augen Carminas lasse ich Josephina zurück und beginne mich nach diesem Elin zu erkundigen. Das scheint der verstockte Kerl zu sein, der mir gestern frecherweise schon Paroli geboten hat. Allerdings werden die Leute schnell misstrauisch, als ich mich nach diesem Elin zu erkundigen beginne und bekomme nicht viel mehr heraus. Ich schicke Altea nach unten, welche die Siedler im Auge behalten soll, da sie einen Tarnmantel hat und sich gut verstecken kann. Leider bringt die Observation keine neuen Erkenntnisse, aber die Siedler unternehmen auch nichts.

Die nächsten Tage sind ausgefüllt mit verschiedenen Expeditionen in andere Teile des Schiffes, wo wir noch nicht waren. Hier und da finden sich noch ein paar brauchbare Lebensmittel und Wasser. Ich versuche, herauszufinden, ob die Maschinengeister des Antriebes wieder erweckt werden können. Eine Inspektion macht aber klar, dass der Schaden an den Aggregaten nicht mit Bordmitteln zu beheben ist. Selbst mit normaler Mannschaftsstärke, einem ganzen Chor an Techpriestern und Fässern voll geweihtem Öl wäre nichts mehr zu machen. Dafür können wir die Maschinengeister eines der Beiboote erwecken und versöhnen, was aber auch nicht viel bringt. Der einzige Planet ist die lebensfeindliche Hexenfluchwelt mit der verfluchten Astropathenstation. Als letzte Option werde ich diesen Strohhalm ergreifen und nach dort unten fliegen. Aber vorher will ich nichts davon hören. Es gibt verschiedene Optionen und Caine hat mehrere Prognosen erstellt, wie lange wir überleben können. Je weniger wir sind, desto länger werden die Vorräte reichen. Die Siedler zu dezimieren wäre durchaus im Bereich des Möglichen und auch sinnvoll. Das sind nur normale Menschen, während ich ein Adliger bin, der so viel mehr als sie ist. Ihr Leben ist bedeutungslos, während ich ein Auserwählter bin. Ich starre auf die Tabellen und umkreise schließlich ein Datum mit roter Tinte. Sollte bis zu diesem Tag kein Schiff kommen, werde ich zuerst die Siedler auslöschen, um meinen Leuten eine höhere Überlebenschance einzuräumen. Innerlich lege ich weitere Daten fest, wo dann die restliche Besatzung dran glauben wird. Aber ihr Opfer wird nicht umsonst gewesen sein, denn jeder Tag wo ich am Leben bleibe, ist ein Tag, wo ich gerettet werden kann. Aber noch ist es nicht soweit, auch wenn ich mich schon innerlich darauf vorbereite. Meisterin Puppila schlägt als Alternative immer noch einen Ausflug zur Hexenfluchwelt vor. Wir müssen ja nicht zur Station, sondern könnten rein theoretisch Wasser auch von den Gletschern der Welt gewinnen. Wobei niemand von uns wirklich eine Ahnung hat, ob das wirklich so einfach geht. Und dann ist da noch die Frage, was sich für Verunreinigungen in dem Eis befinden. Es gibt Mikroorganismen, welche selbst Extrembedingungen überleben können.

Wir sind hier gestrandet und mit jedem Tag wird die Hoffnung etwas geringer, dass sich etwas tut. Wenn nicht innerhalb des nächstens Monats ein Schiff vorbei kommt, werden wir jämmerlich verdursten. Die Unruhe unter den Siedlern wächst von Tag zu Tag und einige wagen es tatsächlich, "Conaris Hexe" für alles verantwortlich zu machen. Als ob Josephina jetzt etwas für diesen verdammten Angriff konnte. Wenn, dann waren die eher wegen mir her. Thronverdammt! Ich habe keine Ahnung, was ich von diesem komischen Ding, vielleicht ist "Dämon" der bessere Begriff, letztendlich halten soll. Kannte er meinen Namen, weil er Josephinas Gedanken gelesen hatte? Oder war er direkt auf mich angesetzt gewesen? Ich habe keine Ahnung! Und dieser Umstand macht mich verdammt noch mal sehr wütend.

Nakago:
Position:
Havariert im Schlund
Orbit über der Hexenfluchwelt
Transportschiff "Ruhige Gezeiten"
Quartier
Zeit: 8 364 783.M41

Knapp vierzehn Tage sind nun vergangen. Den anfänglichen hektischen Tätigkeiten ist Langeweile und Resignation gewichen. Jeder realistisch zu erreichende Punkt des Schiffes ist durchsucht worden. Es mag noch einige Bereiche geben, wo wir noch nicht gewesen waren. Aber wir haben keine Möglichkeit mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln durch die vollständig zerstörten Segmente durchzuarbeiten. Ich vertreibe mir die Zeit damit, mit meinen Leuten Karten zu spielen oder mit Caine eine Partie Königsmord. Josephina liest dabei immer noch aus den mitgebrachten Büchern vor, aber ihre wohlklingende Stimme ist rauer geworden, da die Wasserrationen immer kleiner werden. Oft auch aus Büchern mit religiösem Inhalt, besonders die Kapitel, welche den Kampf des Imperators gegen das Böse in Form der Schlange Horus zum Inhalt haben. Ich habe eine schöne handgeschriebene Ausgabe, welche voll von exzellenten einmaligen Illustrationen ist, die ich zu meiner Firmung von meinem Patenonkel geschenkt bekommen habe, der ein General der PVS von Scintilla ist. Auch der letzte Kampf zwischen Gut und Böse ist dort mit einer Illustration bedacht. Im Zentrum ist zu sehen, wie der Imperator mit einem flammenden Speer die verräterische Schlange Horus durchbohrt. Der erschlagene Sanginius liegt mit seinem zerbrochenen Schwert vor ihm am Boden, während Engel an der Decke fliegend in blauen Gewändern und goldenen Locken den Sieg des Imperators hinaus posaunen. Leider kann auch die Lektüre der heiligen Bücher unsere weltlichen Probleme nicht wirklich lösen. Unser dringendstes Problem ist das Wasser,  welches für alle noch für etwas über eine Woche reicht, dann ist Ende. Und Morgen wäre dann der Zeitpunkt der Entscheidung. Entweder ein Flug mit dem Beiboot zur Hexenfluchwelt zur Wassergewinnung oder die erste Dezimierung, um unsere Chancen auf Rettung zu erhöhen, da uns eine konsequente Liquidierung der für mich absolut wertlosen Siedler uns einen weiteren Monat leben erkaufen würde. Nach den längsten zwei Wochen meines Lebens, knackt es endlich in unserem Funk.

"Ist noch jemand am Leben?" höre ich eine unbekannte Stimme fragen.
"Verdammt noch mal Ja! Hier ist Flavion Conari auf der "Ruhige Gezeiten", bitte identifizieren Sie sich!"
"Wir kommen, um Sie zu holen!", höre ich die Antwort und dann ist Funkstille. Na Prima! Aus dem Fenster heraus ist ein Suchscheinwerfer zu sehen, dessen grelles Licht in unsere Kabinen dringt. Wahrscheinlich ein Guncutter, ein bewaffnetes, bei Freihändlern äußerst beliebtes Beiboot. Ich sammle mein Gefolge ein und bereite mich auf das Schlimmste vor. Ich lockere den Halt meiner Pistolen und von Rabenklaue, meinem geliebten Energieschwert, in ihren Futteralen, um im Bedarfsfall meine Waffen sofort ziehen zu können.

Das Beiboot dockt in der Höhe des Zwischendeckes an. Eine Melterladung wird gezündet und die Außenwand durchgeschmolzen. Das Wandsegment kracht mit glühenden Rändern auf den Boden. Dahinter ist eine Sturmrampe zu sehen, an der Schrapnellladungen angebracht sind, die jeden Moment einen tödlichen Splittersturm entfachen können. Die Siedler weichen panisch zurück, während ich äußerlich gelassen meine Position halte. Ein Conari weicht selbst im Angesicht des Todes nicht zurück. Innerlich habe ich natürlich Angst, in den nächsten Sekunden von großkalibrigen Geschossen zerrissen oder von glühend heißen Strahlen durchbohrt zu werden. Dann wird die Rampe nach unten gefahren und ein großer Waffenservitor, der mit einem schweren dreiläufigen Maschinengewehr im linken und mit Energiekrallen am rechten Arm bewaffnet ist, stapft nach unten. Metallene Engelsflügel sind auf seinem Rücken eingeklappt. Sein großer, mit einer goldenen Maske verhüllter Kopf mit mehreren automatischen Zielsystemen fährt hin und her, macht aber sonst nichts weiter. Vier schwer gepanzerte Marineinfanteristen reihen sich neben der Kampfmaschine mit schweren Sturmschrotflinten in Vorhalte auf. Als letztes tritt ein blau uniformierter Mann heraus.

"Ich bin Bootsmann Ottar Fellwind von der Audacia!", stellt sich der Mann vor. Mir fällt ein großer Stein vom Herzen. Wir sind gerettet, endlich gerettet und das von meinem eigenen Schiff. Der Gottimperator sieht wirklich alles und lässt diejenigen nicht im Stich, die ihm seinem Namen ihre Werke tun. Und ich bin froh, dass es nicht notwendig war, die Siedler zu dezimieren oder zur Hexenfluchwelt zu fliegen.
"Gottimperator sei Dank! Ich bin Flavion Conari, zukünftiger Lordkapitän der Audacia!"

Ich lasse unser Gepäck sofort einsammeln und auf den Guncutter schaffen. Neben meinem Gefolge haben auch noch ein paar der Siedler in dem Kurzstreckenraumschiff platz. Auf einem Fenstersitz nehme ich platz und versuche etwas durch das dicke Sichtfenster der Fähre zu erkennen. Wir legen ab und gleiten durch die Leere auf die Audacia zu. Der leichte Kreuzer schält sich erhaben aus der Dunkelheit. Bis jetzt habe ich das Schiff nur auf Bildern und Gemälden gesehen. Da jeder vergleichende Maßstab fehlt, sieht der immer größere Strich in der Leere erst ziemlich mickrig aus, dabei ist die Audacia über vier Kilometer lang. Der Monitorkreuzer der Drehbankklasse ist eindeutig als ein Schiff zu erkennen, das einst für eine Exploratorflotte des Adeptus Mechanikus gebaut wurde. Die meisten imperialen Schiffe haben einen spitzen, zulaufenden Bug. Der Bug eines Schiffes des Mechanicum ist aber flach. Angeblich stammt die Audacia aus einer Explorator Expedition, welche durch viele Hände ging, auch die von verderblichen Xenos und schließlich über viele Umwege in den Besitz meiner Familie gelangte. In der Mitte ragt ein gewaltiger drehbarer Turm mit einer Sonnenlaserbatterie auf. Der Länge nach sind die Mündungen gigantischer Makrokanonen in einer geordneten Reihe zu sehen. Ein sehr einschüchternder Anblick. Das einstige Zahnrad an der Seite und dem Bug ist durch das Familienwappen, einen Raben, der sich auf einem Planet einkrallt, umgeben von einem zwölfzackigen Kranz, ersetzt worden. Im Bereich des Buges ist auf der uns zugewandten Steuerbordseite ein gewaltiger Krater zu sehen. Das ganze Schiff macht selbst auf dieser Entfernung einen äußerst mitgenommenen Eindruck. Ich verstehe bis jetzt recht wenig von Maschinen und Raumschiffen, aber selbst mir als Laie ist klar, dass dieser leichte Kreuzer unbedingt ins Reparaturdock muss. Mein Onkel hat sich wohl bisher wenig aus dem äußeren Erscheinungsbild der Audacia gemacht. Das werde ich ändern! Thron!

Immer mehr Details des Schiffes treten zu Tage. Selbst das Familienwappen ist in einem desolaten Zustand, da der Rabe statt eines Schnabels einen Krater hat. Wir gleiten schließlich in einen der großräumigen Hangars. Wir setzten sanft wie eine Feder auf und ich erlaube es mir, mich ein ganz klein wenig zu entspannen. Die Rampe wird aufgefahren und eine Ehrenformation von Marinesoldaten mit präsentierten Schrotgewehren flankiert meinen Weg zu zwei weiteren wartenden Männern. Einer ist ein älterer Mann in grauer Robe, der sich schwer auf einen Gehstock stützt.
"Ich bin Seneschall Ilias von Braun. Ich heiße Euch willkommen auf der Audacia", stellt sich der Greis vor.
"Und ich bin Waffenmeister Sigmund Kyrr! Zu Euren Diensten!" meint der andere breitschultrige Offizier, der eine prächtige Uniform mit Mantel, der von den ganzen Ehrenzeichen ziemlich überladen wirkt. Sieht so aus, als wäre ich endlich zu Hause. Dem Imperator sei gedankt!

Nakago:
Position:
Schlund
Orbit über der Hexenfluchwelt
Leichter Kreuzer "Audacia"
Zeit: 8 364 783.M41

Meine Entourage und ich werden durch die Gänge der Audacia geführt. Von Innen macht das ganze schon etwas mehr her. Aber auch hier sind die Spuren von Vernachlässigung sichtbar. Vieles macht einen provisorisch geflickten Eindruck und hin und wieder sind an Schotts Warnsiegel angebracht, welche vor dem Betreten der dahinter liegenden Bereiche warnen. In regelmäßigen Abständen sind Kryotanks in den Wänden eingelassen, von denen einige gefüllt sind. Meines Wissens waren diese Tanks ursprünglich nicht auf der im Jahr 377.M30 fertig gestellten Audacia und wurden erst später eingebaut. Die Audacia hat schon eine recht bewegte Geschichte hinter sich, verschwand unter dem Kommando von Kapitän-Explorator Zathor Rak im 898.M40 in der Koronus Weite, war bis 122.M41 im Besitz von Xenos der Rasse der Stryxis, bevor sie von einem Freihändler mit dem Namen Sotikus Irem zurück erobert werden konnte. Die Audacia ging durch viele Hände, bis sie schließlich 612.M41 vom Haus Conari erworben worden war.

"Was ist denn da drin?" Frage ich neugierig und gehe näher an einen der Behälter heran. Statt eines eingefrorenen exotischen Xenos sehe ich die Gestalt eines Menschen.
"Aufsässige Besatzungsmitglieder. Ein paar Jahre Kryotank kühlt das Gemüt und man hat immer ein paar Mann in Reserve, um kurzfristig Verluste auszugleichen", erklärt mir Waffenmeister Kyrr mit breitem Grinsen. Sicherlich eine gute Idee, um renitentes Personal ruhig zu stellen. Da wir alle etwas mitgenommen aussehen, bekommen wir Gelegenheit, uns etwas frisch zu machen. Durch die Rationierung des Wassers konnte sich niemand mehr waschen und nicht nur ich muffle inzwischen ziemlich stark. Zum Glück habe ich noch frische festliche Garderobe, da gleich ein offizieller Empfang bevor steht. Meine beiden Mädchen sind ganz aus dem Häuschen und haben wieder mal große Probleme, was zum Anziehen zu finden. Aber schließlich schaffen es auch sie, etwas Passendes zu finden. Es kommt die Nachricht, dass nun alles für den offiziellen Empfang bereit ist. Also laufe ich ein weiteres Mal hinter dem Seneschall her.

Wir kommen zu einem gut geschützten Bereich, wo einige Marinesoldaten und Söldner der Eisenhunde, einer berühmten Formation, Wache halten. Hier befindet sich ein Fahrstuhl, dessen Kabine aus holzvertäfelten Messing uns nach oben bringt. Wir passieren weitere schwer bewachte Bereiche mit Verteidigungsstellungen und wir kommen in einem Festsaal heraus. Hier erwartet mich mein Onkel schon, der mich herzlich umarmt, als würde er sich wirklich freuen, mich zu sehen. Wir wechseln ein paar nichtssagende Sätze, ich richte Grüße von meinem Vater Taurion und seinen Geschwistern aus. Dann stelle ich mein Gefolge vor, von dem er Caine schon kennt, da dieser schon seit Ewigkeiten im Dienst meiner Familie steht. Die beiden tauschen ebenfalls ein paar Höflichkeiten aus und ich kann mich umsehen, wo wir uns eigentlich befinden. Es scheint sich hier um einen prachtvoll ausgestatten Speisesaal zu handeln. An den Wänden hängen Bilder von bedeutsamen Ereignissen des Angevinischen Kreuzzuges und wie General Drusus meinem Vorfahr, Admiral Flavion "der Große" Conari, den Freihändlerbrief überreicht. Auch sind Portraits vergangener Lordkapitäne, die alle den Nachnamen Conari tragen, zu sehen. Das erfüllt mich mit großem Stolz und ich überlege schon, wo ich das Bild mit meinem Portrait am besten aufhänge, als mein Onkel Ravion anfängt, weitere wichtige Leute des Schiffes vorzustellen.

Da wäre zum einem mal seine Ehefrau Esea Conari, deren leichte Krähenfüße unter den Augen zeigen, dass sie deutlich älter als die dreißig Jahre ist, die sie von außen wirkt. Sie ist eine kalte blonde Schönheit, die ihre unverhohlene Abneigung gegen mich nicht besonders gut verbergen kann. Besonders meine beiden Konkubinen straft sie mit Verachtung. Dann ist da der oberste Techpriester der Audacia, der thuleanische Maschinenseher Kyle Ademis. Er trägt eine rote Robe und ist so stark modifiziert, dass er eigentlich nur noch aus Metall und Mechadendriten zu bestehen scheint. Als nächstes wird mir der augenlose Astropath und Chorleiter der Audacia, Lux Aquinus, vorgestellt. Über seine ausgebrannten Augen ist ein Tuch gebunden, um die Folgen der Seelenbindung zu verbergen. Als letztes wird mir Leutnant Tessa Nimdock vorgestellt, welche das Kontingent Eisenhunde anführt. Die Blondine wirkt, als hätte sie Eiswasser statt Blut in den Adern. Das wird also schon bald meine Führungscrew sein.

Als nächstes muss ich erzählen, was mir wiederfahren ist. Ich bleibe in dieser Runde ziemlich wage und beschränke mich auf eine allgemeine Beschreibung der Ereignisse, indem ich den Kampf gegen den Dämon, welcher mich Conari nannte und Josephina entführt hatte, großzügig ausklammere. Dafür gehe ich bei den Kämpfen gegen die Schwertmutanten doch eher ins blutige Detail. Experten haben inzwischen die aufgezeichneten Daten der "Ruhige Gezeiten" ausgewertet. Mein Onkel meint, uns hätte die "Ignes et Amnestia" erwischt. Einst war dieses schwarze Schiff im Dienst der Inquisition und ging einer Häresie auf einem abgelegenen Planeten nach. Dort hatten junge Priester das Führungskader der Ekklesiarchie ihrer Welt umgebracht. Anfangs konnten diese ihre Taten dadurch rechtfertigen, dass sie angeblich eine Tempeltendenz ihrer Vorgesetzten erkannt und ausgemerzt hatten. Tempeltendenz ist ein schwerwiegendes Verbrechen und wird mit dem Tod bestraft. Was genau nun der Unterschied zu der normalen Ausrichtung des imperialen Glaubens ist, könnte ich aus dem Stehgreif nicht erklären. Das hat irgendetwas mit dem Zeitalter der Apostasie und den Machenschaften des Goge Vandire zu tun, welcher Herr über zwei der mächtigsten Organisationen des Imperiums war, des Ministorum und des Administratum. Dieser Goge Vandire führte das Imperium in einen Bürgerkrieg, welcher vom Reformator Sebastian Thor beendet wurde. Aber in Wahrheit frönten diese jungen Kleriker finsteren Herren, verbotenen finstern Göttern. Sie schafften es mit finsterer Hexerei und durchtriebener Heimtücke, die "Ignes et Amnestia" unter ihrer Kontrolle zu bringen. Und obendrein gelang ihnen mit diesem Kreuzer die Flucht in die Weite. Seitdem ist ein sehr hohes Kopfgeld der Inquisition auf die Wiederbeschaffung des Schiffes ausgesetzt, deren Summe selbst mich in Verzückung setzt. Kein Wunder, dass mir solch dunkle Hexerei widerfahren ist. Die "Ignes et Amnestia" hat mir mit ihren heimtückischen Angriff den Krieg erklärt. Und ich bin nur zu gern bereit, den Fehdehandschuh aufzuheben.

Nakago:
Position:
Schlund
Orbit über der Hexenfluchwelt
Leichter Kreuzer "Audacia"
Zeit: 8 365 783.M41

Nun wird aufgetischt und zwar beinhaltet jeder Gang eine Spezialität der Weite. Schon bald habe ich die Namen der Köstlichkeiten vergessen, die mir und meinem Gefolge nach und nach serviert wird. Die Teller sind aus feinem Porzellan und jedes individuell Handbemalt. Schlachtenszenen, Heiligenportraits, Szenen aus der Imperialen Geschichte und auch Portraits der Familie sind zu sehen. Das Besteck ist aus Elektrum und in jedem Griff ist ein andersfarbiger Edelstein mit aber einem identischen Schliff eingelegt. Da wir alle einen großen Hunger haben, wird alles aufgegessen, was serviert wird, während die anderen von der Stammmannschaft immer nur einen kleinen Happen davon probieren. Schließlich gibt es einen süßen Nachtisch und das Bankett wird aufgelöst.

"Wir müssen uns jetzt noch unterhalten", meine ich zu meinem Onkel, da ich ihm die wahren Dinge erzählen möchte, die mir wiederfahren sind. Besonders dass der Dämon meinen Namen kannte. Vielleicht weiß mein Onkel, was für eine finstere Verbindung zwischen dem Ding und meiner Familie besteht. Zwar ist nie ein Conari meines Wissens in den letzten tausend Jahren finsterer Praktiken angeklagt worden, aber jede Adelsfamilie hat ihre dunklen Geheimnisse. Es gibt in Tarsus das gängige Sprichwort: Jeder große Reichtum basiert auf einem noch größeren Verbrechen. Und die Familie Conari ist sehr Reich, gehört zu den mächtigsten Familien des Sektors.

"Du kannst es wohl nicht erwarten", meint mein Onkel mit einem Lächeln, das mir nicht so richtig gefallen mag. Natürlich ist es für ihn eine große Zäsur in seiner Karriere, mir das Kommando über die Audacia übergeben zu müssen. Aber er hatte drei Jahrzehnte Zeit gehabt, seine Unternehmungen voran zu treiben. Mein Vater und der Familienrat sind sehr geduldig gewesen. Andere Familien hätten nicht so lange auf Erfolge und den daraus resultierenden Profit in Bergen von Thronen gewartet. Die Audacia ist sicherlich nicht die einzige Einnahmequelle meiner Familie, aber doch eine sehr bedeutende. Über eine geschwungene Treppe aus weißem Marmor steigen wir hoch in einen weiteren Saal, der voller Trophäen und Bilder ist. Die Bilder zeigen meist die Audacia, wie sie siegreich über andere Schiffe triumphiert, die brennend in der Leere zurückbleiben. Xenosschiffe der brutalen Orks sind genauso zu sehen wie von anderen Xenosrassen. Auch der eine oder andere Pirat hat sich an der Audacia die Zähne ausgebissen. In Vitrinen stehen Xenosartefakte und Memorabilien verschiedenster Art. Die nächsten Tage werde ich wohl viel zu entdecken haben. Darauf freue ich mich schon. Für viele Jungen ist der Besuch eines Museums ein äußerst trockene und langweilige Angelegenheit. Aber ich konnte immer stundenlang vor Vitrinen stehen und die Exponate anschauen und mir vorstellen, was für spannende Geschichten wohl damit verwoben waren. Die Audacia ist nun schon fast drei Jahrhunderte im Familienbesitz und hat viel erlebt.

Und am Ende der Wand hängt er, der Freihändlerbrief. Geschrieben auf einem zwei mal vier Meter großen Pergament. Unten hängen dutzende von verschieden großen Siegeln. Darunter das vom heiligen Drusus höchstpersönlich. Sogar seine geschwungene Unterschrift ist zu sehen, was dieses Stück Pergament schon beinahe zu einer Reliquie macht. Der heilige Drusus hat dieses Pergament selbst berührt. Andächtig streiche ich über die Panzerglasscheibe. Dieses Dokument gibt mir fast unbegrenzte Macht. Im Imperium gibt es das gängige Sprichwort: "Hinter dem Imperator ist der Lordkapitän eines Freihändlerschiffes der zweitmächtigste Mann im Imperium." Bin ich aber schon wirklich bereit für diese Aufgabe? Kann ich wirklich ein so großes Schiff mit fast sechzigtausend Besatzungsmitgliedern führen? Es ist eine große Aufgabe und eine ebensolche Verantwortung. Aber ich habe in der Vergangenheit schon viele kritische Situationen gemeistert und ich kann auf eine eingespielte Crew zurückgreifen. Ich bin bereit!

"Das ist der Stab des Lordkapitäns. Nun gehört er dir, mein Junge", etwas an seinem Tonfall gefällt mir nicht. Auch wenn er alles tut, um sich nichts anmerken zu lassen, ist er innerlich über seine Absetzung äußerst verbittert. Kann ich verstehen, aber er hatte seine Chance gehabt und der Familienrat hat ihm weiß Imperator mit dreißig langen Jahren wahrlich genug Zeit gegeben. Ich zögere für einen kurzen Moment und greife dann zu. Der Stab ist nicht mal besonders groß, gekrönt wird er von einem Aquila, dessen Flügel scharfkantig geschliffen sind. Dies ist durchaus auch eine Waffe. Ehrfurchtsvoll greife ich nach dem Schaft und dann trifft mich ein starker elektrischer Schlag. Die Entladung lähmt mich und kraftlos sacke ich zuckend zu Boden.

"Du Narr! Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich kampflos das Kommando dir unreifem Schnösel übergebe! Dem fünften Sohn von meinem nichtsnutzigen Bruder, dessen einzige herausragende Eigenschaft ist, dass er unwesentlich älter ist als ich! Niemals wirst du das Kommando über mein Schiff bekommen! Denn die Audacia gehört mir!" Während er mit mir spricht, schlägt er mich mehrmals mit der Faust ins Gesicht. Ich will die Schläge abwehren, mich wehren, aber der Stromschlag lähmt mich noch immer, lässt mich hilflos auf dem Boden liegen. Eine überaus demütigende Erfahrung, die mich sehr zornig macht. Wer Blut sät, wird Tod ernten. Ich bin momentan viel zu wütend, um Angst zu haben. Die Tür zum Trophäenraum wird aufgestoßen und mehrere Marinesoldaten in der Uniform der Brückenwacht kommen herein. Ich werde entwaffnet, solange ich vollkommen hilflos bin, weil der Stromschlag mich noch gelähmt hält. Blut läuft aus meinen aufgeplatzten Lippen und tropft auf den guten Teppich am Boden. Thron! In den Romanen sagen die Helden in diesen Moment immer etwas, sei es ein Fluch, ein Versprechen auf Rache oder etwas Witziges. Aber ich bekomme kein einziges Wort heraus.

Unsanft werde ich heraus gezogen und nach unten geschafft. Ich werde eine halbe Ewigkeit durch das Schiff geschleift, bis wir in einem Zwischendeck landen. Mit zunehmender Verzweiflung versuche ich mit den Leuten zu reden, aber ich bekomme keinen vernünftigen Satz heraus. Man zieht mich aus, spritzt mich mit einer chemischen Flüssigkeit aus einem Schlauch ab und gibt mir einen Overall und Arbeitsschuhe zum Anziehen. Dann zwingt man mich noch weiter nach unten zu gehen. Hier ist der Maschinenraum und werde in einen großen stinkenden Schlafraum mit schmuddeligen Feldbetten geführt. Hier leben die Unab. Die Unab sind Zwangsarbeiter, die in zwölf Stunden Schichten die Drecksarbeiten erledigen, für welche sich die reguläre Besatzung zu fein ist. Unab ist die Abkürzung für "Unausgebildete Arbeitskräfte". Grilka 19, eine verlebt aussehende grauhaarige Mittvierzigerin ist meine Vorarbeiterin in einer Gruppe von zwanzig Leidensgenossen. Braddock, Solun Ares und Carmina sind aus meinem ehemaligen Gefolge ebenfalls hier. Colette wurde zum Küchenpersonal geschafft, Josephina eingesperrt, nachdem ein paar Siedler über die etwas obskureren Ereignisse an Bord der "Ruhige Gezeiten" geplappert haben. Auch die Siedler finden sich bald hier ein. Caine scheint noch in den oberen Quartieren zu sein. Ich hoffe zum einen, dass ihm nichts geschieht, und zum anderen, dass er mich nicht verraten hat. Seit ich denken kann, hat sich Caine um mich gekümmert, hat mich unterrichtet und angeleitet. Einen großen Teil von dem, was ich heute bin, hat er geformt. Anfangs hielt ich ihn für meinen Vater und mein Kindermädchen für meine Mutter, weil ich meine wahren Eltern nur ganz selten zu Gesicht bekam. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter mich jemals auf ihren Schoss hatte oder irgendetwas mit mir gespielt hätte, als ich noch ein Kleinkind war. Einen Verrat von seiner Seite würde mich wirklich tief treffen. Thronverdammt!

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