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Die Chronik der Silbernen Raben

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Mhyr:
Wie man der Beschreibung des Themas entnehmen kann, spielen wir den zweiten deutschsprachigen Pathfinder-Abenteuerpfad aus dem Hause Ulisses. Die einzelnen Beiträge sind ursprünglich auf unserem Blog Tintenteufel erschienen, jedoch habe ich einst wegen dem Story Hour-Bereich des Gates überhaupt erst angefangen unsere Spielsitzungen ausführlicher aufzuarbeiten und lese noch immer sehr gern bei verschiedenen anderen Story Hours mit. So möchte ich auch wieder hier die Eskapaden meiner Spieler schildern!

Kommentare und Verbesserungsvorschläge sind ausgesprochen erwünscht!

Mhyr:
3. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro

Auf dem Ruheland, Ravengros Friedhof und Ort der Trauer, wurde ich heute Zeuge einer ungewöhnlichen Begegnung:

Es war am frühen Nachmittag als eine Trauergemeinde den schwarzen Sarg eines weiteren Toten durch den Regen trug. Auf dem Traumhain stellte sich der düsteren Prozession eine Gruppe übelgelaunter Dorfbewohner in den Weg. Die zornigen Männer wollten den Leichnam nicht in der Erde des Ruhelandes, wie sie immer wieder lauthals betonten. Die Worte “Nekromant” und “Totenbeschwörer” fielen. Angeführt wurde der keifende Mob von einem Tunichtgut namens Gibbs Hefenuss, wenn ich es richtig verstanden habe.

Obwohl die Störenfriede mit Hacken und Forken bewaffnet waren, antwortete ihnen eine der tränenüberströmten Sargträgerinnen mit Mut und Entschlossenheit. Sie überzeugte die Männer vom Wahnsinn ihres Tuns, woraufhin sich der Mob zerstreute und Gibbs allein im Regen stehen blieb. Rot gefärbt von Wut, zeigte er mit ausgestrecktem Finger auf die beherzte Sprecherin und spie ihr etwas entgegen das ich nicht verstehen konnte, bevor er mit eingezogenem Schwanz seinen Spießgesellen folgte.

Es tut sehr gut zu sehen, dass Worte doch mächtiger sein können als das Schwert.

Mhyr:
4. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro

Das Dorf war in hellster Aufregung an diesem Morgen. Die Ravengroer strömten förmlich nach Süden, den Fluss entlang. Das Schreckenfelsdenkmal war in der vergangenen Nacht mit Blut beschmiert worden. Jeder hatte Angst, aber keiner wollte sich von der Gerüchteküche in Form des steinernen Direktors Falkran fernhalten. Noch hatte der Konstabler keine Leiche gefunden, doch fragte natürlich nicht nur ich mich woher das ganze Blut wohl stammen mochte.


Lang nach dem Höhepunkt der Aufregung erreichte eine Gruppe das geschändete Denkmal, die sich deutlich von den Dorfbewohnern unterschied. Es handelte sich um die Erben Professor Lorrimors: seine Tochter Kendra und die vier Unbekannten vom Friedhof mit einem neuen, ebenso unbekannten Gesicht. Der Konstabler rief sie auf den blutbesudelten Platz vor dem Denkmal. Er blickte ihnen tief in die Augen und befragte sie. Bevor er sie entließ, schien er sie eindringlich zu ermahnen.

Ein varisisches Paar stimmte am Nachrichtenpfahl vor der Brücke zum Dorf ein trauriges Lied an. Die Tänzerin schlug das Tamburin, während ihre langsamen runden Bewegungen von einer Fidel begleitet wurden. Plötzlich surrten zwei rotbraune Blutmücken auf die Traube von Menschen zu, die sich um die beiden herum gebildet hatte. Die unbekannte Fünfte, eine groß gewachsene blasse Frau mit hellem kurzem Haar schlängelte sich durch die Zuhörer und Musiker in die Flugbahn der durstigen Biester. Sie riss ihren schmalen Mund auf und entblößte einen dunklen kreisrunden Schlund gespickt mit mehreren Reihen spitzer Zähne. Im Sprung flatterten die weiten Ärmel ihrer Reiserobe zurück, während ihre krallenbewehrten Hände hervorschnellten. Blitzschnell hatte sie die beiden Blutmücken in der Luft zerrissen.

Die Menge war erschrocken und erleichtert zugleich, so machten sich die Ravengroer verstört tuschelnd davon.

*      *      *      *      *
Ich war bereits seit geraumer Zeit in den Lachenden Dämon zurückgekehrt, da durfte ich mit Freude feststellen, dass zwei der Erben in die Taverne gekommen waren um Ermittlungen anzustellen. Es handelte sich um den kleinsten der fünf Unbekannten, einen Gnom der sich und seine Begleiterin, das unscheinbare Ding mit dem Gebiss eines Purpurwurms, beim Wirt als Bestimotor von Simelwiz und Pami vorgestellt hatte. Sie sagte keine Wort. Er schrie andauernd nach Zuckerrüben.

Zokar Elkarid unterhielt sich etwas mit dem Gnom, bis sich dieser im wahrsten Sinne des Wortes unter das Volk mischte.

Am späten Nachmittag betraten auch die übrigen Erben Professor Lorrimors den Schankraum. Die Musik hörte auf zu spielen und die Tischgespräche wandelten sich zu einem leisen Geflüster oder verstummten vollkommen. Sichtlich betroffen begrüßten die drei Damen ihre Bekannten und setzten sich zu einem Glas Flüssige Geister.

Auch sie versuchten ihr Glück bei der Befragung der Dorfbewohner, doch die blieben stumm wie die Fische des Großen Blauen Flecks. So nannten die Ravengroer den Liassee, was ich aber erst lang nach meiner Ankunft erfuhr.

Ihr Misserfolg bei den Ermittlungen war nicht von Bedeutung. Die Leute hier brauchen Zeit um aufzutauen, wie das finstere Land in dem sie leben nach den langen Wintern. Mir war es damals nicht anders ergangen. Alles was für mich zählte war ihr Wille gutes zu tun und Ravengro vor dem Bösen zu bewahren, das sich mit dem Blut am Schreckenfelsdenkmal angekündigt hatte.

Mhyr:
5. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro

Nur einen Tag darauf betrat ein Reisender den Schankraum des Lachenden Dämons. Er war kein Kaufmann, das verrieten mir das Schwert an seiner Hüfte und der Bogen über seiner Schulter.


Zokar Elkarid stellte sich dem Neuankömmling mit viel Witz und seinem rustikalen Charme vor, bevor er den jungen Mann mit Speis und Trank versorgte. Der Reisende trug den vielversprechenden Namen Antonius Iacobus Santorio, der einfach nicht zu seinem schlichten Äußeren passen wollte, das überwiegend von hoffnungslos abgetragenem Leder und Schlamm, viel Schlamm geprägt war. Santorio musterte den gefüllten Schankraum und die anderen Gäste genau. Dem Wirt schien er kaum Beachtung zu schenken.

Dann fielen die Worte "Geist" und "Schreckenfels". Der junge Mann war plötzlich ganz Ohr. Sogleich versuchte er mehr von Zoki zu erfahren. Unser Herr Wirt spielte jedoch ganz den Geheimnisvollen. Er hatte wie immer sein breites Grinsen im Gesicht, während seine roten Backen im orangen Licht des prasselnden Kaminfeuers schimmerten. Zokar Elkarid erschien mir in diesem Augenblick, da er Santorio zum Hause Lorrimor schickte, wie Cayden Cailean höchst persönlich. Ein Kuppler der die Richtigen zusammenbringt um dem Bösen die Stirn zu bieten. Denn er wusste schließlich ganz genau, dass die Erben des toten Professors bald Arbeit für die Waffen an Santorios Seite auftreiben würden.

Die Wahrscheinlichkeit tatsächlich einem Gott zu begegnen mag gering sein, doch es war ein angenehmer Gedanke. Ich beschloss dem einsamen Wanderer mit dem außergewöhnlichen Namen in jedem Fall zu folgen.

*     *     *     *     *
Haus Lorrimor lag am Ende der Straße. Während Santorio noch rätselte in welchem Gebäude er nun mehr über Schreckenfels und seine Geister erfahren konnte, beschloss ich in den Schatten vorauszuhuschen und mich in das Haus des toten Professors zu stehlen.

Die Erben hatten sich im Teezimmer versammelt und begutachteten einen Gegenstand der mir nur allzu vertraut war: ein Geisterbrett. Wenig später traf auch schon Santorio ein.

Man tauschte Höflichkeiten aus und tat der Form genüge, jedoch ohne dabei die Obacht und das gegenseitige Misstrauen gänzlich fallen zu lassen. Als die Erben das heilige  Symbol Iomedaes am Schwertknauf Santorios erkannten, baten sie den Reisenden zu einer Tasse Tee ins Haus und entspannten sich.

Neben dem Gnom in der blaugelben Tunika und der blaßen Dame mit den scharfen Krallen, stellte sich eine unförmige Variserin als Stralicia Mancini vor. Sie trug zahlreiche Fläschchen und Beutel an ihrer Lederschürze, was in mir den Verdacht erweckte, daß es sich bei ihr um eine ehemalige Kollegin des Professors handeln musste. Die blonde Frau an Kendra Lorrimors Seite war ungewöhnlich gut gebräunt für diese kalte Jahreszeit. Sie schien eigens für das Begräbnis – oder die Testamentsverkündung – aus der Sommerfrische im fernen Süden angereist zu sein und stellte sich mit Runa Corvijn vor. Zu guter Letzt nannte eine unscheinbare junge Frau mit schwarzem Haar ihren Namen: “Tira Krähenfuß”. Auf ihrer Schulter saß ein ebenso schwarzer Rabe der Santorio mit einem befremdlichen Krächzen willkommen hieß.

Der einsame Wanderer war seiner Aussage nach in Ravengro um mehr über die finsteren Machenschaften einer Geheimgesellschaft zu erfahren. Er nannte sie den Wispernden Pfad und beschrieb sie als Zusammenschluss von Nekromanten, Totenbeschwörern und der Brut Urgathoas.

Die Erben schenkten den Behauptungen Santorios Glauben und verrieten ihm von den Ergebnissen ihrer Ermittlungen. In den Archiven des Pharasmatempels hatten sie die Namen fünf berüchtigter Verbrecher, die zur Zeit des großen Feuers in Schreckenfels eingesessen hatten erfahren: Vater Scharlatan, der Kopfjäger, der Moorwassermörder, der Mückenfänger von Argmoor und der Zermatscher. Aber auch über das geschändete Denkmal hatten sie mehr herausgefunden. Drei bemerkenswerte Vornamen, der des Ratsherren Vaschian Feuerroß, der des Hohepriesters Vauran Grimmgräber und der der toten Frau des Gefängnisdirektors Vesorianna Falkran begannen alle mit diesem einen Buchstaben. Mit einem V, das mit Blut an das Denkmal geschmiert worden war. Sie vertrauten dem Reisenden sogar an, dass sie das Geisterbrett zusammen mit anderen uralten Waffen zur Geisterbekämpfung aus einer falschen Gruft auf dem Ruheland “geborgen” hatten.

Die Tochter des Professors zog sich in die Küche zurück um einen kleinen Imbiss zuzubereiten.

Es klopfte erneut an der Tür. Jedoch war es kein gewöhnliches Klopfen, sondern dumpfe Schläge in einem unsteten holprigen Rhythmus. Drei der Erben schlüpften auf den Korridor hinaus. Es handelte sich um den Gnom Bestimotor, die stumme Pami und Stralicia.

Die Lautstärke nahm mit jedem Schlag weiter zu, bis die Erschütterungen an der Eingangstür die Teetassen auf dem zierlichen Beistelltischchen neben Santorio scheppernd tanzen ließen. Dann beendete plötzlich der schrille Aufschrei Bestimotors den Lärm.

Ich konnte durch die Tür einen Mann im weißen Totenhemd der Kirche Pharasmas sehen. Sein Oberkörper und Schädel waren vollständig zertrümmert und nicht viel mehr als eine dunkle Masse. Durch das blasse, kränklich marmorierte Fleisch des ungebetenen Gastes krochen bereits dicke, gelbe Maden. Dennoch stand der tote Körper, kalt und steif auf der Veranda von Haus Lorrimor, erfüllt von negativer Energie die ihn zu seinem unnatürlichen Leben verhalf. Ausdruckslos starrten seine Augen über den Gnom hinweg. Es war ein Zombie. Ein Untoter.

Alles ging schrecklich schnell: Stralicia sprang die Treppe hinauf, während Santorio ihr mit seinem Bogen Feuerdeckung gab. Bestimotor flitzte zwischen den anderen Erben Lorrimors hindurch und flüchtete sich ins Teezimmer zurück. Der kleine Mann war blutüberströmt. Der Zombie reagierte währenddessen nicht auf die Pfeile, die in seiner Brust steckten. Er schlug weiter auf Pami ein, obwohl die Knochen seines rechten Arms beim letzten Schlag gegen den Kopf der blassen Kriegerin krachend zerbrochen waren.

Dann meldete sich die Dame mit dem schneeweißem Haar zu Wort. Und es waren finstere Worte, die klangen als entsprangen sie dem geifernden Maul eines Dämons. Zu der Furcht vor dem Untoten mischte sich der Schreck ob dieser dunklen Sprache aus dem Munde der lieblichen Runa. Erst die fauchende Explosion eines Alchemistenfeuers auf der Brust des Zombies löste die eisige Umklammerung der Angst und beendete den erbitterten Kampf.

Ich nutzte die letzten Momente der Aufregung um unbemerkt in der Nacht zu verschwinden und in den Lachenden Dämon zurückzukehren.

Mhyr:
6. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro

Es war einer dieser nebeligen Nachmittage, wie es sie in Ustalav viel zu oft gab. Der Lachende Dämon war nicht gut, aber auch nicht schlecht besucht. Bauern und ihre Knechte tranken flüssige Geister im Schein des wärmenden Kaminfeuers. Sie tauschten Neuigkeiten und Gerüchte aus, bis auf der Straße Worte in einer so finsteren Sprache erklangen, dass es ihnen die eigene verschlug. Abyssisch! Dort vor der Tür wurde die Sprache der Dämone gesprochen.

Ich war weniger überrascht als die anderen Gäste, denn ich hatte in Ravengro bereits zuvor Abyssisch vernommen. Es war in jener Nacht als ich Iacobus Antonius Santorio von der Taverne ins Hause Lorrimor gefolgt war. Die junge Dame mit dem schneeweißen Haar hatte damals in der schwarzen Zunge der Scheusale gesprochen. Im Kampf mit dem Zombie war ihre glockenhelle Stimme plötzlich zu einem abgrundtiefen, widerlichen Organ umgeschlagen.
In jener Nacht hielt auch mich, wie nun die Gäste des Lachenden Dämons, der kalte Griff der Furcht gefangen. An diesem Abend jedoch vermochte ich mich loszureißen und eilte auf die Straße hinaus.

Am Flussufer, im Schatten der Taverne, bekämpften Runa Corvijn, Tira Krähenfuß und Stralicia Mancini einen weiteren wandelnden Toten. Der Zombie schlug erbarmungslos auf die drei Frauen ein. Nur mit Mühe und Not bezwangen die Erbinnen Lorrimors den Untoten, der sie mehr als ein Mal auf den schlammigen Boden der Gasse geprügelt hatte. Wieder waren es die finsteren Worte Runas gewesen, die das sengende Licht der Sonne herabbeschworen hatten. Die feurigen, goldenen Strahlen brannten sich durch das gräulich marmorierte Fleisch des Zombies, während ich den Blick von der gleißend hell erstrahlenden Brust der Erbin abwandte. Aus dem Augenwinkel sah ich den Untoten qualmend wie eine erloschene Fackel in den Schlamm fallen, bevor ich zurück in die Taverne flüchtete.

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