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Aller Gnaden Ende

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Arden Etklint Kleist:
Gedanken zu Kapitel 8:
Es ist sicher recht selten in der WH40K-Literatur - sei es jetzt offizielle Werke oder Fanfiction - dass Personen in diesem düsteren Universum so lockere und angenehme Zeiten durchleben. Richtig zu schätzen wusste ich die Szenen vor allem im Rückblick. Wenn ich den aktuellen psychischen Zustand der Charaktere heranziehe und die körperlichen und seelischen Traumata, die sie so bald danach durchlebt haben, dann erscheint es mir fast unwirklich, wenn ich hier wieder lese, wie gut es ihnen einmal gegangen ist.

Arden Etklint Kleist:
9 - Endgültigkeit

Er entzündete das Lho-Stäbchen; die Bewegung war ihm so wohl vertraut wie das Gehen oder das Atmen. Dann tastete er neben dem Bett nach seinem Hemd, das Elena letzte Nacht dort einfach hatte fallen lassen.
Sie brummte verschlafen, als sie seine Bewegung spürte: "Musst Du schon wieder gehen?"
Das Seidentuch des Bettzeugs verdeckte ihren Körper nur unzureichend und Lucius musste lächeln, auch wenn seine Züge schnell in eine gewisse Bitterkeit abglitten. Ich muss es ihr sagen. Bald. Er lehnte sich nach hinten und strich sanft über das honigblonde Haar der jungen Professorin. "Nein, noch nicht gleich, ich mache nur Frühstück.", flüsterte er und schwang sich dann vollends aus dem Bett, um nach seinen Hosen zu suchen.
Das diffuse Licht der Morgenstunden drang durch die Schlitze der Jalousien, und im Hinblick auf die immer noch dösende Chemikerin in seinem oder vielmehr ihrem Bett ließ er sie geschlossen.
Wenig später saßen sie bei Tisch - sie nur in ein Hemd gekleidet - und aßen relativ lustlos die gebratenen Eier, die er zubereitet hatte. Es muss sein. Jetzt. Ich schulde ihr das. Er rieb sich über das raue Kinn und seufzte: "Hör mal, Elena."
Sie ließ die Gabel sinken und sah ihn an.
"Ich muss morgen schon wieder los.", begann er ein wenig zögerlich.
Sie nickte. "Das geht ja schnell dieses Mal." Sie griff nach seiner linken Hand, die noch neben seinem Teller lag, und drückte sie sanft. "Ich krieg' Dich ja kaum noch zu sehen, was?"
Er spürte einen Stich in seiner Herzgegend und seufzte erneut. "Tja, es ist auch so, dass ich dieses Mal gar nicht sagen kann, ob..." Er hielt inne.
Sie legte den Kopf fragend ein wenig schief.
Es muss sein. "Ob ich wieder zurück komme."
Ihr Blick wurde starr und ihre Augen glasig. "Was?", hauchte sie.
Er nickte nur stumm und spürte einen starken Druck unter dem Kehlkopf.
Elena schob sich von ihrem Hocker und kam zu ihm, umarmte ihn. "Ob Du wieder zurückkommst? Warum sagst Du denn sowas?"
Er hustete. "Ich fliege weit weg auf eine Welt, auf der irgendwelche ungewöhnlich schlimmen Dinge passiert sein müssen. Genaues weiß ich auch nicht. Der Inquisitor meinte aber zu meinen Kollegen und mir, wir sollten uns von allen verabschieden, die uns etwas bedeuten."
"Und das tust Du jetzt? Beim Thron!", stieß Elena hervor. "Beim Thron." Tränen rannen ihr die Wangen hinunter. "Und schon morgen?"
Er nickte und umarmte sie auch. "Es tut mir sehr leid. Ich kann mir vorstellen, wie es Dir jetzt geht, denn mir geht's auch richtig elend."
"Imperator, hilf mir, was machen wir denn jetzt? Warum hast Du gestern beim Essen denn gar nichts gesagt? Du schienst so glücklich." Sie ging ein bisschen auf Abstand und sah in seine Augen, in denen auch Tränen standen.
"Ich wollte, dass der gestrige Abend frei von Sorgen ist."
"Der letzte Abend...", brachte sie noch heraus, dann wandte sie sich ab und Lucius sah das unregelmäßige Zucken ihrer Schultern, als sie leise schluchzte.
Lucius stand auf und ging zu ihr.
"Bleib bei mir.", sagte sie weinend. "Bleib einfach bei mir. Du hast doch Kontakte. Nimm mich mit und wir fahren einfach weg, irgendwo hin, wo uns Dein Inquisitor nicht findet."
Lucius dachte kurz darüber nach, wie es dann wohl wäre. Varitani würde mich nicht verfolgen, denke ich, aber er wäre bodenlos enttäuscht von mir. Und ich auch. "Ich könnte mir im Spiegel nicht mehr in die Augen sehen. Ich würde sie alle im Stich lassen. "
Sie schniefte. "Und so lässt Du nur mich im Stich, oder wie?" Ihr Tonfall erschien ihm wie eine Mischung aus Trauer und Zorn.
"Ich habe eine Pflicht gegenüber dem Imperium, gegenüber dem Goldenen Thron. So wie jeder Bürger."
"Und es ist wohl Deiner Ansicht nach auch meine Pflicht, Dich so einfach gehen zu lassen?!"
Das ist es leider. "Der Inquisitor würde uns gar nicht dorthin schicken, wenn es nicht..."
"Er nimmt Dich mir!" Sie sah ihn nun an. Ihr Blick stach in den seinen. Sie presste die Worte heraus, voller Wut: "Er nimmt Dich mir!"
Lucius' Trauer vermengte sich mit Enttäuschung. "Er beschützt uns alle! Dich, Deine Familie, Deine Freunde! Wir alle, meine Kollegen und ich, wir stehen dort, wo niemand sonst stehen kann."
"Tsk.", sie blickte mißbilligend zur Seite.
"Ich hatte gehofft, dass Du das verstehst."
Sie ging zum Bett und setzte sich, ihm den Rücken zugewandt. "Ich verstehe es nicht. Ich will jetzt gar nichts verstehen." Ihre Stimme war leise und hart - kalt.
Ein Schauer lief ihm über den Rücken. So falsch.
Als er seine spärlichen Sachen zusammengesucht hatte, saß sie noch immer dort. "Es tut mir leid, ich..."
"Geh einfach. Geh.", schnitt sie ihm das Wort ab.
Lucius war wie vor den Kopf gestossen. Lange Sekunden verstrichen und sie blieb stumm. "Was...", sein Hals kratzte furchtbar, als er heiser die Frage aussprach und Tränen standen erneut in seinen Augen: "Was ist jetzt mit uns?"
Keine Regung. "Ich weiß es nicht."
Lucius Frost wandte sich ab, ging mit einem letzten Schluchzer, der sich seiner Kehle entrang, und mit Tränen, die seine unrasierte Wange hinabliefen, seiner Pflicht entgegen und ließ Elena Lakrio verwundet und alleine zurück.
Heftige Zweifel überfielen die aufgewühlte Seele des jungen Ex-Arbitrators. Hatte er einen Fehler gemacht? Hatte er sich falsch entschieden? Sollte er zurückgehen? Sollte er einlenken? Warum kann ich nicht klar denken? Warum kann ich nicht denken?! Er hieb sich selbst gegen den Kopf und fluchte, dann steckte er sich ein Lho-Stäbchen an. Das hilft immer. Es hatte zu regnen begonnen - passend zu seiner Stimmung, passend zu diesem elenden Tag.

Pater Gerhart Thracian brachte mit geübten Bewegungen Schmieröl auf die gegenläufigen Zähne und die Ketten seines Schwertes auf. Wie ein Ritual war für ihn das Reinigen und segnende Bereiten des mächtigen Instruments vor jedem Einsatz. Er sprach sanft einige Lobpreisungen zu dem Maschinengeist der Waffe, um ihn zu ehren und auch seine Dienste für den Imperator zu würdigen.
Beim Erschallen des elektronischen Türklopfers fuhr sein Kopf in die Höhe. Der wie immer in seine Ordensroben gehüllte Redemptionistenpriester fand einen unrasierten, völlig durchnässten Lucius Frost vor seiner Türe, der ihn mit verquollenen Augen ansah.
Wortlos machte ihm Thracian Platz. Frost trat mit hängenden Schultern ein.
Der Pater brühte Wasser auf und bereite Tee zu. Während das Aroma einzog, beendete er die Arbeit an seinem Kettenschwert und verwahrte die Waffe in einer ledernen Tasche. Frost hatte sich an dem Tisch des spartanisch eingerichteten Raumes niedergelassen. Noch immer war kein Wort gesprochen worden.
Gerhart tischte nun den Tee auf und sie tranken. Er merkte, mit welchem Genuß der Ex-Arbitrator die heiße Flüssigkeit hinunterschluckte. Er ist völlig durchgerüttelt. Dies sind wahrlich Stunden der Prüfung für uns alle.
Er fragte nicht nach dem Grund des Aufruhrs, denn der war nicht von Belang. Sein Weg und seine Pflicht waren dem Priester klar vor Augen. Nachdem sie getrunken hatten erhob sich Gerhart und trat würdevoll zu einem durch einen roten Samtvorhang verborgenen Durchgang. Mit langsamen, feierlichen Bewegungen zog er das Tuch beiseite und offenbahrte eine kleine Nische, die einen Schrein enthielt. Bildnisse von Drusus, Aret und Casthor waren darin aufgestellt, sowie einige Kerzen, das Wachs von einigen von ihnen vermengt mit duftenden Essenzen. Gerhart entzündete sie.

"A spiritu dominatus
Domine, libra nos,
Von dem Donner und dem Sturm,
Erlöse uns, oh Imperator.

Von Seuche, Falschheit, Versuchung und Krieg,
Erlöse uns, oh Imperator,
Von der Geißel des Kraken,
Erlöse uns, oh Imperator.

Von der Blasphemie der Gefallenen,
Erlöse uns, oh Imperator,
Von der Besessenheit durch Dämonen,
Erlöse uns, oh Imperator,
Vom Fluch des Mutanten,
Erlöse uns, oh Imperator.
A morte perpetua,
Domine, libra nos.

Auf dass du ihnen den Tod bringest,
Auf dass du niemanden verschonest,
Auf dass du niemanden begnadigest,
Wir flehen dich an, vernichte sie alle."

Gerhart sprach das Schlachtgebet der Ekklesiarchie, die Fede Imperialis, ruhig, voll und hoheitlich. Sieben Mal sprach er es und Lucius fiel in den Wortlaut ein. Sieben Mal sprachen Sie es und die Wogen der stürmischen See in dem jungen Mann glätteten sich langsam. Kraft ging von dem Redemptionisten aus, Überzeugung strömte aus jeder Pore, Ruhe ergriff Besitz von Lucius, stählte seine Entschlossenheit. Er war ein Schwert des Imperators, ein Diener Seiner Inquisition. Er war Pflicht und er war Treue. Er war Lucius Frost.

Immarut Railoun erwachte ruhig aus erholsamem Schlaf. Als er die Augen öffnete, blickte er direkt in das wunderschöne Gesicht von Cattaleya, die still neben ihm lag. Auch sie war wach, bewegte sich jedoch nicht. Nur ein zartes Lächeln umspielte ihre Lippen. Perfekte Lippen.
„Ich bin glücklich.“, flüsterte er und musste auch grinsen.
„Ich weiß. Ich auch.“ Ihre Hand strich ihm sanft eine Locke seiner goldenen Mähne aus dem Gesicht.
Er bebte unter der Berührung.
Sie kicherte. „Du meine Güte. Du zitterst ja.“
„Dagegen kann ich nichts machen.“ Er griff nach ihrer Hand und führte sie sanft an seine Lippen.
Sie lächelte erneut.
Einen Moment verharrten sie noch so, dann zogen Sorgenfalten über seine Stirn.
Sie machte ein fragendes Gesicht.
„Wir brechen bald auf. Heute teilen wir die Gruppen ein.“
„Gruppen?“
„Wir können nicht zusammen reisen. Das wäre zu auffällig.“, erklärte Immarut. „Wir werden uns erst später wieder treffen, also die Gruppen meine ich.“
„Ich möchte mich aber nicht von Dir trennen.“, erwiderte sie traurig. Habe ich das gerade wirklich gesagt?
Er dachte kurz daran, sie zu berühren, ihr Haar oder ihre Wange oder nur ihre Schulter. Doch er konnte sich nicht überwinden, sich dem noch weiter zu nähern, was er so lange als unerreichbar angesehen hatte. Der Zeitpunkt dazu würde kommen. „Ich hoffe, dass das nicht sein muss. Der Herr Inquisitor wird uns beide in eine Gruppe stecken. Wir können zusammen reisen.“
Das Lächeln kehrte wieder auf ihre Züge zurück. „Dann ist doch alles in Ordnung.“
Seine Miene widersprach.
„Oder nicht?“
„Ich bin schon in einige Dinge eingeweiht, die Varitani der restlichen Zelle noch nicht anvertrauen konnte. Es wird wirklich gefährlich und wahrscheinlich auch sehr belastend für den Geist. Uns stehen harte Prüfungen bevor.“
Sie ließ sich nicht beirren. „Ich mache mir keine Sorgen. Mein Löwe wird mich schon beschützen.“ Erneut strich sie ihm über die Wange und er erschauderte. „So hat noch nie jemand auf meine Berührung reagiert.“, kicherte sie. Sie bewegte sich auf ihn zu und ließ ihren Kopf auf seine Brust sinken, so dass ihr Duft, der Geruch ihres Haars über ihn strömte und er sich fühlte, als würde er in einem Meer namens Cattaleya schwimmen.

„Unser Ziel ist Xeiros Prime.“ Varitani ging in seinen Arbeitsräumen vor ihnen auf und ab, den Ledermantel um seine Schultern gelegt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Auf den Datentafeln, die ich Ihnen habe austeilen lassen, befinden sich alle relevanten Hintergrundinformationen. Am Rande des südwestlichen Kontinents, Kirrjeha, befindet sich die Bantifon-Bergkette. In diese Berge eingebettet liegt Xileiphos, eine kleine Pilgerstadt, die um einen Schrein herum entstand, der Drusus gewidmet ist. Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, nimmt die Verehrung von Drusus im Calixis-Sektor immer mehr zu, je weiter man sich von Scintilla entfernt und weiter entfernt als Xeiros Prime kann man davon kaum sein.“
„Dieses Dorf ist unser Treffpunkt. Die Gruppen kommen alle zu unterschiedlicher Zeit auf Xeiros an. Als erstes werden vorraussichtlich die Pilger eintreffen: das sind Inquisitor Varitani, Pater Thracian und Granit.“, führte Immarut aus. Die drei Angesprochenen nickten.
„Nach uns werden Sie ankommen, Frost, gemeinsam mit Isand und Arn. Ihre Verkleidung wird die von Juwelenschleifern aus Ambulon sein. Einen Flug dorthin nehmen Sie drei heute noch und reisen, nachdem Sie sich in Ambulon bei Ihrem Kontakt mit den notwendigen Accessoires ausgestattet haben, morgen oder übermorgen ab.“ Varitani nickte, als ob er sich selbst zustimmen wollte.
„Der Plan sieht also den Transport in zivilen Schiffen vor? Was ist, wenn es zu Unregelmäßigkeiten in Flugplänen kommt? Wie sensibel ist das Timing bei diesem Einsatz?“, erkundigte sich Frost.
„Wir haben ein Fenster von mehreren Wochen, um unseren Auftrag abzuschließen. Ein paar Tage dürften also keinen Unterschied machen.“, antwortete Railoun. So gut wie allen Anwesenden fiel auf, dass Railouns übliche Schwermut von ihm abgefallen zu sein schien. Er strahlte richtiggehend.
„Außerdem wird die erste Phase der Mission vor allem von Ermittlungen geprägt sein. Es befinden sich in jeder Gruppe Personen, die dazu befähigt sind.“, ergänzte Varitani.
„Die dritte Gruppe wird von Cattaleya und mir selbst gebildet. Wir werden in die Rolle eines jungen, gutbürgerlichen Paares schlüpfen, das seinen Urlaub auf Xeiros Prime verbringen möchte." Frost konnte nicht umhin, das kaum zurückgehaltene Grinsen auf Railouns Gesicht zu bemerken, und er warf Honeymoon einen schnellen Blick zu, nur um festzustellen, dass sie ebenfalls lächelte.
„Was Sie an Ausrüstung mitnehmen, überlasse ich Ihnen. Bedenken Sie jedoch, dass die erste und wichtigste Priorität sein wird, unerkannt zu bleiben. Ich arbeite bereits an einer Möglichkeit, uns vor Ort mit Waffen und anderen arbeitsrelevanten Utensilien auszustatten. Darüber brauchen Sie sich also keine Gedanken zu machen.“ Varitani räusperte sich. „Die Details befinden sich auf den Datentafeln, die Sie bekommen haben. Frost, sie bleiben noch, die anderen sind entlassen. Ich hoffe, dass wir uns in einigen Wochen wohlbehalten auf Xeiros Prime wiedersehen.“
Als alle gegangen waren, setzte sich Varitani hinter seinen Schreibtisch. „Frost, wir dürfen nicht riskieren, dass dieser Auftrag scheitert, denn das wäre das Ende von uns allen. Um also für den unwahrscheinlichen Fall, dass zwei der drei Gruppen entdeckt werden oder anderwärtig verhindert sind, habe ich mich entschlossen, auch Sie bereits jetzt in den ganzen Umfang dieser Unternehmung einzuweihen.“
Frost sog die Luft ein.
„Wo soll ich anfangen?“, begann Varitani gedankenverloren zu sich selbst. „Am besten beim Wichtigsten: Xeiros Prime wird in wenigen Wochen nicht mehr existieren…“

Als der Ex-Arbitrator geraume Zeit später den Arbeitsraum verließ, war er kreidebleich. Er war sich sicher, dass Varitani am Tag zuvor nicht übertrieben hatte. Sie saßen schwer in der Klemme. Der Inquisitor war so offen wie selten zuvor gewesen und hatte dem Ermittler sogar Einblick in die politischen Machtkämpfe innerhalb der Inquisition des Calixis-Sektors gegeben, um ihm die brenzlige Situation vollends bewusst zu machen. Natürlich war die direkt bevorstehende Gefahr zumindest in diesem Schockzustand die angsteinflößendere – auf einen vollkommen verseuchten, dem Exterminatus geweihten Planeten noch Kräfte zu entsenden, erschien ihm nur schwer zu verdauen, zumal er selbst zu diesen Kräften gehörte.
Honeymoon, die als einzige noch im Vorraum saß und anscheinend auf jemanden wartete, blickte ihn mit großen Augen an. „Du siehst aus, als hättest Du einen Geist gesehen.“, sagte sie, als sie aufstand und sich Lucius näherte.
„So etwas in der Art.“, gab Lucius zurück und setzte sich. Er dachte plötzlich an Elena und was sie am Schluß gesagt hatte. Geh einfach, geh. Wenn Sie nur gewusst hätte, wohin Sie mich da schickte. Wenn ich es nur gewusst hätte. Ich sollte noch einmal mit ihr sprechen. - Nein, dann würde ich mit ihr fliehen. Er musste sich gehörig anstrengen, damit nicht Tränen in seine Augen stiegen.
Cattaleya war das nicht entgangen. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Schön langsam mache ich mir auch Sorgen, sage ich Dir. Immarut hat angedeutet, wie ungewöhnlich und furchtbar dieser Auftrag wird und jetzt auch noch Du.“
Lucius blickte nur geradeaus.
„Ich bin es ja gewohnt, nur das zu wissen, was ich wissen muss, aber das macht mich nervös in diesem Fall.“
„Du wirst Alles erfahren. Wenn es Dir Dein strahlender Ehemann nicht schon vorher erzählt, wird es Varitani nach unserer Wiedervereinigung tun. Das hat er mir versichert.“ Lucius sah nun zu Boden.
„Na gut.“
„Was ist denn überhaupt mit Immarut los?“, erkundigte sich Frost nun. „Der hat ja geglüht wie ein Leuchtglobus, als er verkündet hat, dass er mir Dir in einer Gruppe ist.“
Hinter ihnen glitt die Türe zur Seite. „Tja, was soll ich sagen.“, entgegnete Honeymoon und blickte zu Boden. Dann stand sie auf und ging zu dem Interrogator hinüber. Sie wechselten ein paar geflüsterte Worte, dann kamen sie zu Lucius hinüber.
Immarut streckte ihm die Hand zum Gruß entgegen. „Ich wünsche Ihnen alles Gute, Lucius, und hoffe, wir sehen einander gesund in Xileiphos wieder.“
Lucius packte die Hand mit festem Griff. „Ich auch. Passen Sie auf Honeymoon auf.“
Immarut nickte. „Ich denke, Sie passt schon auf sich selbst auf, aber ich werde stets wachsam sein.“
Cattaleya hakte sich bei ihm unter. „Wohl gesprochen, mein Angetrauter.“, flötete sie in Oberstadtmanier, dann wandte sie sich an Lucius: „Ich wünsche Dir auch alle Gute, Lucius. Lass Dich von Vox nicht terrorisieren und hab‘ ein Auge auf Blender. Wer ist denn nur auf die Idee gekommen, ihn als Juwelenschleifer auszugeben?“ Sie kicherte.
Frost nickte und lächelte schwach. „Wenn es um das Schnappen von Dieben geht, sei unbesorgt, da habe ich schon ganz andere Kaliber erledigt. Ich wünsche Euch Beiden eine frohe Zeit zusammen, soweit das möglich ist.“
Cattaleya streckte ihm kurz die Zunge heraus, da die Anspielung natürlich auf ihre Kosten ging, dann warf sie ihm einen Kuss zu, und die Beiden ließen Lucius alleine.

Als Lucius ging, um seine Sachen zu packen, wurde ihm immer bewusster, was ihn wohl auf Xeiros erwarten würde. Kein Krieg im eigentlichen Sinne; sie würden die Toten nicht zu Gesicht bekommen, doch die waren es gar nicht, die ihm Sorgen bereiteten. Tote hatte er zuhauf gesehen und genug Gefahren durchgestanden - allen voran wohl die Hölle von Luggnum. Was ihm zu schaffen machte, war das Wissen, dass alle Menschen, die sie in den Wochen ihres Aufenthalts auf Xeiros kennenlernen würden, ausnahmslos verdammt waren. Das betraf Händler, Beamte, Soldaten, Bürgerliche, Urlauber - Männer, Frauen und Kinder aller Klassen, aller Schichten und aller Professionen. Sie würden unter wandelnden Toten arbeiten. Lucius war sich nicht sicher, ob er das für so lange Zeit würde ausklammern können. Thracian ist bei uns und mit ihm Sein Wille! Daran müssen wir uns halten. Ich hoffe, sie nehmen es gut auf, wenn Varitani die ganze Gräuel offenbahrt.
Lucius wollte gar nicht daran denken, wie es dem Inquisitor selbst gehen musste. Er hatte den ganzen Planeten der Vernichtung anheim gegeben - völlig zurecht wie es schien - und er war es nun, der wieder dorthin zurückmusste, der all das Grauen, das Lucius selbst erwaretete, noch dazu aus der Perspektive dessen würde erleben müssen, der wesentlich daran beteiligt war. Normalerweise war ein Exterminatus für die Auslösenden eine sterile Sache, die man aus dem Orbit erledigte. Es war geradezu pervers, einen dafür bestimmten Planeten vorher noch zu besuchen. Darin werde ich am ehesten die Kraft finden: Für ihn und die anderen da zu sein, wenn sie mich brauchen.

Chnishnit liutstam Hrun'Sith zupfte wiederholt an den graubraunen Roben, die er angelegt hatte, um das Bild eines Pilgers abzugeben. "Solche Kleidung habe ich noch nie getragen. Das höchste war Ölzeug oder ein Überhang, aber darunter war ich immer normal gekleidet."
"Normalität ist Ansichtssache.", gab Gerhart Thracian ziemlich schroff zurück. Ihm war deutlich anzusehen, dass das Tragen von Roben für ihn ganz und gar nicht ungewöhnlich war. "Die Beschränkung auf das Notwendigste ist ein wesentlicher Punkt im Dasein eines Pilgers."
"Das mag sein Pater, aber ich kann es trotzdem nicht ausstehen. Sogar früher, als ich noch auf Cresta N'darr war, oder wie ihr es nennt, Envir III, ist mir der Wind nicht so zwischen die Nüsse gefahren wie jetzt." Granit grinste breit, doch dieses Zeichen der Emotion war an die unbewegliche Mimik des Priesters verschwendet.
Die Gestalt des Inquisitors erschien in der Türe des Shuttles und Nick Runsit nahm wie immer das Prickeln wahr, das sein Erscheinen begleitete. "Gut, Sie sind also bereit.", gab Varitani bekannt und vertäute eine braune Ledertasche in einem Fangnetz. "Dann können wir ja aufbrechen. Wir dürfen keine Zeit verlieren, denn wir sollten die ersten sein, die Xeiros Prime betreten."
"Zuerst geht es nach Valon Urr, korrekt?", erkundigte sich Pater Thracian. Er entnahm dem Nicken des Inquisitors, dass er richtig lag und fuhr fort: "Unter anderen Umständen hätte ich Sie gerne auf einer wirklichen Pilgerfahrt durch die Schreinwelt begleitet und geführt. Dort gibt es wahrhaften Glauben zu erleben."
"Ein andermal, Pater.", sagte Varitani und ging nach vorne, um dem Piloten ein Zeichen zu geben. Sie würden in wenigen Minuten abheben und an Bord der Gesalbtes Haupt gehen, einem Pilgerschiff, das regelmäßig zwischen Scintilla und der Schreinwelt Valon Urr pendelte. Von der Schreinwelt aus würde es dann sofort in Richtung Xeiros Prime weitergehen - an Bord eines dort gerade eben verfügbaren Frachters oder anderen Raumers. Bei einer oberflächlichen Überprüfung würden sie gläubige Brüder sein, die dem Besuch der Schreine Valon Urrs noch den berühmten Anblick von Xileiphos anschließen wollten.

"Sie sehen richtig schneidig aus in diesem Sakko.", ließ Hrubens Arn verlauten, nachdem er ohrenbetäubend laut gepfiffen hatte.
In dem engen Raum war Phos beinahe zusammengezuckt. In dieser ekelhaften Stadt war einfach alles eng, jeder Raum und jede Gasse - es gab kaum Privatsphäre. Der Psioniker konnte es kaum erwarten, Ambulon wieder zu verlassen, und sie waren noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden hier. Die Stadt wimmelte vor Machinenpriestern, verdammt, die Stadt war in Wirklichkeit eine gigantische Maschine, die sich auf ihren Beinen durch die Ödnis kämpfte. Und die Marisaner beten sie an! Eine Stadt! Aber wen wunderte das eigentlich? Sie beteten alles an, was zum ersten maschinell war und was zum zweiten eine gewisse Größe erreicht hatte. Auf die sollte sich unser eifriger Priester konzentrieren. Das wäre mal ein Kreuzzug! "Tja, Blender, und Sie sehen aus, als ob Sie mir Ihre Mutter verkaufen würden."
Der Assassine grinste in seinem feinen, silbergrauen Jarqis-Anzug und warf einen gierigen Blick auf den mit Rosenholz verzierten Metallkasten, der an Vox' Handgelenk gekettet war. "Wenn der Preis stimmt. Für den Inhalt dieser Truhe gehört sie Ihnen."
"Meine Herren, der Inhalt dieser Kasette ist Eigentum der Inquisition und ihr nach Abschluß unserer Mission wieder zu überstellen - notgedrungen zumindest ein Gegenwert in Thrönen, falls es tatsächlich zu Geschäftsabschlüssen kommen sollte. Auf jeden Fall steht eine anderwärtige Verwendung in keiner Weise zur Diskussion." Frosts strenger Blick wanderte zwischen seinen "Angestellten" hin und her.
"Geht klar, Chef.", grinste Blender. "Soll nur einer versuchen, der Kasette zu nahe zu kommen." Bei diesen Worten tätschelte er behutsam die kleinkalibrige Feuerwaffe, die er unter seinem Sakko trug.
Lucius dachte wehmütig an seine Boltpistolen und hoffte, dass sie gut aufgehoben waren, was auch immer Varitani damit vorhatte. "Na dann, Herr Assistent Freij, setzen wir uns in Bewegung.", sagte er in Richtung des Psionikers.
Vox verzog säuerlich das Gesicht. Als ob in dieser verdammten Stadt nicht schon genug Bewegung wäre, alles schwankt immerzu. Aber wenigstens hab' ich es dann hinter mir.
Da kam plötzlich schnaufend ein dicklicher junger Mann in einer Livree gelaufen, anscheinend vom Concierge des Hotels geschickt, der etwas in seiner Hand hielt: "Herr Lucius Frost?", fragte er und der Ex-Arbitrator zuckte innerlich zusammen und kam sich enttarnt vor, als er seinen Namen hörte, so sehr hatte er sich bereits damit abgefunden, von nun an Akermund Sefington zu sein, Juwelier und feinsinniger Kenner aller glitzernden Reichtümer. "J, ja.", stammelte er wenig professionell und räusperte sich.
Der junge Mann drückte ihm ein kleines Kuvert in die Hand: "Das ist Ihnen aus Sibellus nachträglich zugestellt worden, mit Eilsendung." Er blieb stehen und gab mit offener Hand mehr als deutlich zu verstehen, worauf er wartete.
Hrubens Arn bleckte die Zähne und knurrte: "Verpiss Dich, Kleiner, oder ich mach' Dir Beine!" Dabei trat er bedrohlich einen Schritt auf den Pagen zu. Dieser zuckte zusammen und tat wie ihm geheißen. Von Vox war etwas zu hören, das der optimistische Interpret ein Kichern hätte nennen mögen. Arn zuckte die Achseln: "Es gibt keinen Grund, die Tarnung zu vernachlässigen, nur weil der Chef bereits aufgeflogen ist, oder?" Er grinste.
Lucius grinste nicht. Er blickte auf den Umschlag, auf dem sein Name stand. Er kannte die Handschrift - den Schwung, den Druck, den Stil, in dem die Buchstaben geschrieben worden waren. Er hatte lange die Gelegenheit dazu gehabt, diese Schrift zu studieren, während er in der Schola Chymystria auf die Tafel geblickt hatte, und er hatte sie genutzt. Sein Herz klopfte, als er das Kuvert zaghaft öffnete. Darin befand sich ein kleiner Zettel aus hochwertigem, dickem Papier. Darauf stand in derselben Handschrift:

Ich vertraue darauf, dass Du das Richtige tust. Ich liebe Dich.
Elena
Mit einem befreienden Seuftzen fand eine Träne unendlicher Erleichterung und Freude ihren Weg über die Wange des Ex-Arbitrators.

Arden Etklint Kleist:
10 - Verschiedene Pfade

"Wäre mir nicht aufgefallen, dass wir einen Fehler gemacht hätten.", rekapitulierte Nick Runsit, und seine Brust hob und senkte sich nach dem Sprint. "Vielleicht ein Pict-Recorder? Hat man das Gesicht von Varitani erkannt?"
Der Priester zuckte die Achseln: "Macht nicht wirklich einen Unterschied." Dann wandte er sich um.
Es war dunkel, nahezu stockdunkel, da die Straßenbeleuchtung zum größten Teil nicht funktionierte und sich Wolken vor denjenigen der beiden Monde geschoben hatten, der in dem aktuellen Zyklus von der Sonne des Xeiros-Systems beschienen wurde und Licht gespendet hätte. Dieser Umstand kam den Pilgern nun zugute.
"Sind sie noch hinter uns?", erkundigte sich Pater Thracian flüsternd, als Varitani aufschloß.
Der Inquisitor nickte knapp. "Ziemlich leise aber. Sie veranstalten keine Treibjagd; es sind also auch Agenten schätze ich. Inquisition vielleicht."
Sie waren in Bantifon Ades, einer kleinen Hafenstadt am östlichen Rand von Kirrjeha, auf Xeiros Prime. Die ersten Tage hatte es keine Probleme gegeben. Sie waren gelandet und ohne Probleme durch alle Kontrollen gekommen. Xeiros Prime hatte noch immer den Eindruck einer Welt vermittelt, auf der alles in Ordnung war. Varitani hatte in einer ruhigen Stunde mit der Aufklärung seiner Mitarbeiter begonnen und auch die unangenehmen Details nicht ausgelassen, was die politische Problematik betrag, die sein Zögern heraufbeschworen hatte. Er wollte auf keinen Fall riskieren, selbst auf Xeiros Prime zu sterben, nur um dann seine Leute uneingeweiht zurück und direkt in das Maul einer Bestie zu schicken.
Vor zwei Tagen schließlich war Runsit aufgefallen, dass ihnen jemand folgte. Seine von früheren Jagden und Zweikämpfen geschärfte Wahrnehmung hatte sich als unbezahlbar erwiesen, denn schon Stunden später wären sie allesamt einem Kommandotrupp des Adeptus Arbites zum Opfer gefallen. So entzogen sie sich durch eine Finte der Verhaftung und reisten seitdem so unauffällig wie möglich. Gerne hätte Varitani sich der Hilfe der Nyunga bedient, die man fast in jeder Siedlung in niedrigem Aufkommen zu Gesicht bekam, doch war es so gut wie unmöglich, sich mit ihnen zu verständigen, und die Zeit war momentan noch gegen sie. Sobald sein Telepath den Transit überstanden und sie sich in Xileiphos getroffen hätten, würde sein erster Befehl das Aufnehmen von Beziehungen zu den Ureinwohnern von Xeiros Prime sein. DeVetter hatte in diesem Punkt unglaublichen Wert bewiesen.

Gebückt schlichen sie die Seite des simplen Lagerhauses entlang; in der Ferne hörten sie das Rauschen des Meeres. Sie mussten irgendwo Unterschlupf finden oder sich mit ihren Verfolgern auseinandersetzen. Wenn es sich um eine Zelle der lokalen Inquisition handelte, dann wäre es durchaus möglich, sie zu bekämpfen. Das Problem war nur die mangelnde Bewaffnung. Varitani selbst hatte gar keine Waffen, doch das war nicht so schlimm. Pater Thracian hatte sich eine Machete besorgt, was in dem Gebiet, durch das sie sich die Tage vor ihrer Entdeckung bewegt hatten, keinen Bruch mit ihrer Tarnung bedeutete hatte. Nick Runsit, der in der Garde ausgewiesener Spezialist für schwere Geschütze gewesen war, hatte sich nur eine alte Tronsvasse Solidprojektilpistole "organisieren" können, und für die hatte er nicht einmal viel Munition. Der dunkelhäutige, mit seinen fast den ganzen Körper überziehenden Tätowierungen sehr furchteinflößend aussehende Wilde war aufgrund seiner immensen Körperkraft sicher auch im Nahkampf zu gebrauchen, doch insgesamt war ihre Schlagkraft nicht so beeindruckend, um sie einem unbekannten Faktor wie der ihrer Verfolger entgegenzusetzen.
Als sie an die Ecke des Lagers kamen, hob Granit die Hand, woraufhin sie innehielten. "Ein Obdachloser.", sagte er gedämpft und wies auf eine dunkle Stelle zwischen ein paar Fässern und Kisten auf der anderen Seite. Dort lag tatsächlich eine dunkle Gestalt, die in Lumpen gehüllt zu sein schien. Sie bemühte sich nicht, leise zu sein und sowohl das Brabbeln eines Betrunkenen sowie das Aufschlagen von Glas auf Stein oder Holz waren schwach zu hören.
"Ich denke, er hat eine Flasche.", brummte Gerhart.
"Von nichts kommt nichts.", erwiderte der Krieger grinsend.
Varitani, der die ganze Zeit über nach hinten geblickt hatte, meinte, eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Der Mond hüllte die Szenerie mittlerweile in fahles, kaltes Licht. "Meine Herren, tempus fugit. Weiter."
Sie lösten sich von dem Gebäude und gingen über die Straße und nahe an der liegenden Gestalt vorbei. Nick Runsit betrachtete sie genauer, jetzt, da er näher war und bemerkte etwas. Welcher Obdachlose trägt denn einen Körperanzug? Schnell wie eine Katze sprang der Stammeskrieger auf die Gestalt zu, die zusammenzuckte und sich dann aufrappeln wollte. Die Flasche rollte klirrend über das Pflaster. Wie Schraubstöcke schlossen sich die Arme Runsits um die Handgelenke des strampelnden jungen Mannes, der bereits eine Pistole in Händen hielt, und zerrte ihn an das spärliche Licht. Auf einmal doch nicht so betrunken, wehrte sich der Gefangene mit Tritten so gut es ging und schrie. Runsit schnaufte, als ihn einige der Angriffe in der Bauch- und Leistengegend trafen. Das blonde Haar des Mannes war bereits unter der verrutschten Perrücke zu sehen.
Vom Geschrei alarmiert war auf einmal Gerhart da, und Nick Runsit sah kurz etwas Metallisches aufblitzen, dann zuckte der Körper, dessen Arme er umklammert hielt und Blut spritzte aus einer Wunde am Hals. Das Geschrei hörte noch nicht ganz auf, wurde jedoch zu einem widerlich gurgelnden Laut. Der Redemptionistenpriester ließ die Machete erneut auf den Hals des Mannes niederfahren und trennte ihm dabei fast den Kopf ab. Jegliche Körperspannung wich, so dass Runsit den Mann fallen ließ. Er schnappte sich schnell die Las-Pistole und durchsuchte den Körper.
"Pater!", rief Varitani und deutete auf das Dach des Lagerhauses, das sie gerade hinter sich gelassen hatten. Dort oben war ein Schemen zu erkennen und etwas blitzte auf. Thracian und Varitani sprangen zur Seite und ein Las-Schuß hinterließ ein Loch genau dort, wo der Priester gerade gestanden hatte. Blut, das aus dem Hals des Leichnams quoll, floss rasch darüber.
Der Ex-Gardist fuhr herum, fokusierte kurz den Blick, dann schickte er zwei Las-Geschosse aus der gerade erbeuteten Waffe nach oben, und ein unterdrückter Schmerzenslaut war zu vernehmen. Erneut schoß der Mann auf dem Dach und Runsit stolperte in Deckung.
Von Gebrüll begleitet explodierte nun geradezu die ihnen zugewandte Seite des Lagerhauses in einem Ball aus Staub und herumfliegenden Trümmerteilen. Ein riesiger Mann stürmte hindurch. Seine Arme waren augenscheinlich durch Prothesen ersetzt worden, was erklärte, wie er die Wand so spielend durchbrochen hatte.
Varitani stand am nächsten und zögerte nicht. Er stürmte lautlos nach vor und versetzte der Gestalt einen eingesprungenen Tritt vor die Brust. Der Angreifer stieß gequält die Luft aus und taumelte zurück, als weitere Las-Geschosse vom Dach auf Runsit und Thracian einhagelten. Irgendetwas Unverständliches wurde gerufen, dann musste sich Varitani ducken, da er eine Bewegung aus seinem Augenwinkel wahrgenommen hatte. Eine Klinge sauste nur knapp über seinem Kopf hinweg.
Hinter ihm war eine grazile Gestalt in einem hautengen Körperanzug aufgetaucht - eindeutig weiblich, deren langes Haar zu zahlreichen Zöpfen geflochten war, die sie wild umkreisten, als sie sich drehte. Die Klinge, die sie trug, war geschwärzt, was es Varitani nicht gerade leicht machte, sie aus dem wilden Gewirr von Zöpfen herauszuhalten.
Gebrüll war hinter dem Inquisitor zu hören und der Riese mit den Prothesen griff anscheinend erneut an. Varitani wandte sich kurz ab, als ihn ein Schmerz an seiner rechten Seite durchfuhr. Doch sofort war Gerhart da und beharkte die Frau mit seiner Machete, wobei er laut den Imperator anrief. Sie parierte und ließ von Varitani ab. Dieser blockte gerade noch einen wilden Schlag des Riesen, der ihn dennoch zu Boden schickte. Die unnatürliche Kraft war im warsten Sinn des Wortes umwerfend. Zwei Las-Geschosse drangen in den Körper des Hühnen, als Nick Runsit - nun ebenfalls Kriegsgeheul ausstoßend zwischen vom Dach aus heruntersausenden Las-Schüssen hindurch mit erhobener Waffe auf sie zulief, die Pistole ungefähr in Varitanis Richtung warf und sich mit ausgestreckten Armen auf den Riesen stürzte und ihn so umriß. Die beiden Gestalten verschwanden polternd in dem Loch, das der Riese in der Wand der Lagerhalle hinterlassen hatte.
Varitani rollte sich zur Seite und fischte nach der Las-Pistole. Als seine Finger sich um den Griff schlossen, spürte er, wie feucht seine Robe an seiner rechten Seite wurde und auch den brennenden Schmerz, der sich langsam von dort aus bemerkbar machte. Er blutete, doch daran konnte er jetzt nicht zu viele Gedanken verschwenden. Er drehte sich auf den Rücken und zielte auf den Dachfirst, wo er die Gestalt des verletzten Scharfschützen erkennen konnte, der sich gerade gefährlich weit nach vorn beugte, um auf ihn anlegen zu können. Varitani feuerte mehrere Schüsse in schneller Folge ab, woraufhin der Mann unter Geschrei abstürzte und unweit von ihm aufschlug. Varitani hörte das Knacken von brechenden Knochen und einen Schrei, doch bewegte sich der Mann noch. Der Inquisitor richtete sich unter Schmerzen auf und jagte Las-Geschosse in den Körper, bis er mit beidem aufhörte; mit dem Schreien und dem Bewegen.
Gerhart focht wie er selten zuvor gefochten hatte. Der normalerweise das Kettenschwert bevorzugende Kampfpriester musste hier mit einer völlig unterlegenen Waffe gegen eine Gegnerin antreten, die unanhängig von seiner Ausrüstung eine Herausforderung dargestellt hätte. Mühsam parierte der sternengeborene Priester Schlag auf Schlag, kam selbst gar nicht zum Angreifen und musste sich höllisch konzentrieren, damit ihn die wirbelnden Zöpfe der sich drehenden Mörderin nicht über den Aufenthaltsort der wirklichen Gefahr, dieses dunklen Schwerts, hinwegtäuschten. Doch er wurde schnell müde und merkte, dass er schon mehrere Male getroffen worden war - wie schlimm, das konnte er aufgrund des Adrenalins nicht sagen, das durch seine Venen jagte. Beim Thron, so nicht. Das hier ist zu wichtig, sagte er sich und als er eine Lücke zu erkennen vermeinte, stürzte er sich mit einem furchteinflößenden Ruf auf die schmächtige Gestalt der Frau, die - in ihrem wilden Tanz begriffen - nicht ausweichen konnte und riß sie zu Boden. Dort packte er ihre Oberarme und drosch ihr zweimal mit voller Wucht seine Stirn ins Gesicht. Ihre Nase war gebrochen und Blut lief über Antlitz - sie keuchte auf und wurde ohnmächtig. Gerhart setzte gerade ihre eigene Klinge an ihrem Hals an, als ihn etwas packte, nach hinten riß und durch die Luft schleuderte.
Mit einem Schnaufen schlug der Priester auf, die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst, und er sah sich benommen nach der neuen Bedrohung um. Eine hagere Gestalt stand neben der Frau und beugte sich gerade über sie. Er sprach sie an, doch sie reagierte nicht. Gerhart schüttelte den Kopf und erhob sich wackelig.
Das lange Haar des dünnen Mannes war schlohweiß und hing dünn und offen um seinen knochigen Kopf. Die kleinen Augen lagen tief in den dunklen Höhlen und eine markante, viel zu groß scheinende Nase teilte das Gesicht mit den hervorstehenden Wangenknochen in zwei gleiche Hälften. Die Lippen des in einen hautengen Ledermantel gehüllten Mannes kräuselten sich angewidert, als sich sein Blick von Gerhart ab und auf Varitani richtete, der sich aufgerappelt hatte und sich nun ebenfalls ihm zuwandte.
"Inquisitor Varitani. Sie sind verhaftet.", sprach er mit einer Stimme, die Gerhart an die des verdammten Telepathen Phos Isand erinnerte - unangenehm und durch Haut und Knochen fahrend.
"Weshalb?!", rief Varitani dagegen.
"Wegen Hochverrats. Mehr Rechtfertigung ist nicht erforderlich. Ergeben Sie sich der Inquisition des Goldenen Thrones, Verräter, und befehlen Sie ihren Mitarbeitern, es Ihnen gleich zu tun." Eine Inquisitionsrosette baumelte von der Hand herab, die der Gespenstische ausgestreckt hatte.
"Ich gehöre selbst der Inquisition an und arbeite unter Spezieller Kondition. Im Namen des Imperators fordere ich Sie auf..."
"Sie werden gar nichts mehr in Seinem Namen tun, Varitani. Wir wissen sehr genau, was Sie sind und warum Sie hier sind. Das ist Ihre letze Chance. Ergeben Sie sich oder sterben Sie!"
Ein dröhendes Poltern war aus dem Lagerhaus zu hören, gefolgt von einem Aufschrei. Da die Stimmen der beiden Kämpfenden vom Timbre her ähnlich waren, vermochte niemand zu sagen, wer wem gerade mehr zusetzte.
Varitani hob die Las-Pistole und legte auf den hageren Mann an. "Wer sind Sie?"
"Inquisitor Gudanister ist mein Name. Senken Sie die Waffe!"
"Der Planet hier ist vom Erzfeind durchseucht, Gudanister. Ich bin hier, um die letzte Möglichkeit zu finden, diese Seuche zu bekämpfen!" Varitani blickte den Mann streng an.
"Behalten Sie Ihr Lügenmaul geschlossen, Verräter, und sterben Sie!", erwiderte Gudanister und ließ seine Hand sinken.
Varitani betätigte den Abzug, doch Gudanister stand einige Schritte neben seiner alten Position. Der Inquisitor hatte auf einmal eine unglaublich dünn und zerbrechlich wirkende Klinge in der Hand und stürmte auf Varitani zu. "Hexer!", rief Varitani warnend und sprang zur Seite, als Gudanister nach ihm schlug.
Thracian bemerkte, dass sich die Frau wieder aufrappelte und lief auf sie zu, so schnell er konnte. Da war erneut ein ohrenbetäubendes Krachen zu hören und der Riese mit den prostethischen Armen kam durch die Wand des Lagerhauses gekracht, wonach er unweit von Gerhart zum Liegen kam. Die Stellung seines Kopfes ließ nicht vermuten, dass er noch am Leben war.
Die Frau hatte sich wieder aufgerichtet und erfasste gerade die Situation, während ihr sicherlich noch der Kopf brummte. Ihr Gesicht war dort, wo die Kopfnüsse des Priesters sie getroffen hatten, nicht viel mehr als ein Schlachtfeld. Sie entschied sich, wieder Gerhart anzugreifen, und der blickte sie hart und entschlossen an, auch wenn er aus mehreren Schnitten blutete. Sie hatte ihn jedoch nicht ein einziges Mal richtig erwischt. Fast schien es ihr, als stünde er unter besonderem Schutz - vielleicht war er mit dunklen Mächten im Bunde, wahrscheinlicher jedoch hatte er einfach Glück gehabt. Sie bückte sich, den Blick nicht abwendend, um nach Ihrer Klinge zu greifen, doch ihre Hand schloß sich nur um den Griff einer alten Machete.
Gerhart hob das Schwert, dessen Griff er auch im Flug nicht losgelassen hatte, in einer andächtigen Geste vor sein Gesicht, dann griff er an. Sie schnaufte und kämpfte wie eine Wilde, konnte sich nur mit größter Mühe der geschickt geführten Streiche des Redemptionisten erwehren, doch sie gab nicht auf. Gerhart war nach dem, was er von Gundanister gehört hatte, klar, dass er es mit Akolythen der Inquisition zu tun hatte. Akolythen, die einfach das Pech hatten, entweder von Xeiros Prime zu stammen oder eben hier stationiert zu sein. Er musste seine Kollegen töten. Doch er verbannte diese Gedanken schnell aus seinem Kopf. Ein freier Verstand ist wie eine unbewachte Festung mit offenen Toren!
Da krachte Nick Runsit mit ohrenbetäubendem Gebrüll durch den Schutt, der fast die gesamte Fläche bedeckte, die sich früher einmal an die Stirnseite des Lagerhauses geschmiegt hatte. Sein Körper war übel zugerichtet und von Rissquetschwunden und Abschürfungen übersäht, seine Roben so gut wie nicht mehr vorhanden, so dass in dem kalten Licht des Mondes seine beeindruckenden und erfurchtgebietenden Tätowierungen zu erkennen waren. Er kam neben der verdatterten Frau zu stehen, gegen die Gerhart gefochten hatte und die ebenso wie der Priester innegehalten hatte.
Das dunkle Gesicht des Stammeskriegers war wutverzerrt. "Es reicht!", grollte seine Mahlsteinstimme, als er nach der Frau griff. Sie versuchte die Machete zu schwingen, doch er schleuderte ihre Hand einfach beiseite, griff nach ihrem dünnen Arm und brach ihn wie einen Ast, was von einem ekelhaften Knacken und einem Aufschrei untermalt wurde, der in ein Wimmern überging. Ihre Beine schlugen wild aus, als Runsit die Frau mit einer Hand am Hals packte, sie würgend hochhob, auf ein Knie sank und mit der zweiten Hand nach der Hüfte der kleinen Gestalt griff, um sie dann mit dem Rücken krachend auf sein aufgestelltes Bein sausen zu lassen. Erneut war ein widerliches Bersten zu hören, diesmal aus ihrem Rückgrat. Ihre Beine waren schlaff, doch ihr gesunder Arm bog sich, um erfolglos nach ihrer Rückseite zu tasten. Ein weiterer Schlag zertrümmerte ihren Kehlkopf, dann ließ Runsit sie los, während sie röchelnd und zuckend auf den erlösenden Tod wartete.
Gerhart zögerte nicht lange und machte ihr mit einem schnellen Stich ein Ende, bevor er erschauernd dem Krieger nachblickte, der sich den kämpfenden Inquisitoren näherte.
Aus Varitanis rechtem Unterarm hatte sich seine Energieklinge entfaltet, die bläulich schimmern der psionischen Waffe Gudanisters entgegenstand. Nach einigen Hieben war klar, dass der telekinetisch begabte Inquisitor ein guter Schwertfechter war. Die größere Reichweite seiner Klinge verschaffte ihm einen Vorteil, wogegen Varitani etwas unternehmen musste. Also wich er einem weiteren diagonal geführten Hieb aus, zuckte dann nach vorne, um Gundanister zu überraschen, was ihm mehr oder weniger gelang, dann machte er einen Salto rückwärts und stand nur mehr wenige Schritte von dem verbliebenen Teil der Stirnwand des Lagerhauses entfernt. Er wandte sich also um, absichtlich behäbig, um Gundanister zu einem Ausfall zu reizen und es klappte. So sprang Varitani nach vorne, stieß sich von der Wand des Lagerhauses ab, während der Streich des Psionikers hinter ihm ins Leere ging, nur um ihm im Sprung einen sauberen Tritt gegen den Schädel zu verpassen. Der Kopf des gegnerischen Inquisitors wurde herumgerissen, so dass Varitani gar nicht sicher war, ob er ihm nicht das Genick gebrochen hatte, und der Mann flog einige Meter über den Platz, nur um direkt vor Pater Thracian aufzukommen.
Gundanister hustete und spuckte Dreck aus. Er hatte diesen Ketzer unterschätzt. Das würde ihm nicht mehr passieren. Varitani war augenscheinlich ein Könner im Nahkampf. Dann musste diese Arbeit eben aus der Ferne erledigt werden. Er dachte an die hauchdünnen Klingen, die er in Taschen an seinem Mantel verstaut hatte und öffnete zuversichtlich die Augen.
Die Klinge des Redemptionistenpriesters spaltete ihm singend den Schädel.

"Ganz schön heiß.", schnaufte Phos Isand, als er sich zum wiederholten Mal mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn wischte. Zum Schutz vor der Sonne trug er eine Art Turban, den er sich um die Glatze geschlungen hatte. Der holzbeschlagene Koffer war wie stets an seinen linken Arm gekettet.
"Ja, wir sind in Äquatornähe und es ist Sommer.", stimme ihm Lucius Frost zu. Er trug einen schmalkrempigen Hut, der so halbwegs zu seinem Anzug passte. Er hatte sein Sakko nur leicht über die Schultern gehängt und sein hellblaues Hemd wies dunkle Ringe unter den Achseln auf. Auch ihm stand der Schweiß im Gesicht.
Hruben Arn lehnte lässig an einer nicht weit entfernten Hausmauer. Er hatte sich einen verdörrten Grasstengel in den Mund geschoben und spielte mit der Zunge an ihm herum, was ihn beständig hin und her zucken ließ. "Also pünktlich ist dieser Sarezzin nicht unbedingt, was meint Ihr?" Er blickte auf sein Chrono, schien aber von der Hitze weit weniger beeindruckt als seine Gefährten.
"Er wird schon kommen.", entgegnete Lucius und ließ einen nervösen Blick über all die Menschen gleiten, die um sie her ihren Geschäften nachgingen. Die Wüstenstadt war aus Sandstein oder etwas Ähnlichem erbaut worden, und so hatte jeder von ihnen fast durchgehend Sonnenbrillen zum Schutz vor der Helligkeit auf der Nase.
Eine Gruppe abgewrackt aussehender Nyunga schlurfte vorbei, begleitet von einem Uniformierten, vielleicht einem privaten Sicherheitsmann, der ein Auge auf die Xenos hatte, während sie ihrer Arbeit nachgingen, was immer die auch sein mochte. Nach dem Geruch zu urteilen hatte es irgendwas mit der örtlichen Kanalisation zu tun, schätzte Lucius.
Isand nahm einen großen Schluck aus einer Feldflasche und verzog das Gesicht. "Urgh, das ist so lauwarm. Kein Platz für mich auf jeden Fall. Da war es ja auf Zumthor noch angenehmer."
Lucius Augen verengten sich, als er den Worten des Psionikers zurück in die winterliche Landschaft der Welt folgte, auf der sie den elenden Ketzer Vynnor Lucrés, der sich selbst einem Daemon hingebend nach Macht gesucht hatte, zu Fall gebracht hatten. Dort waren sie auch auf Arian Dorundy getroffen. "Ich weiß nicht, Freij, vielleicht doch ein bisschen zu tödlich."
Da vernahm Lucius auf einmal die körperlose Stimme des Telepathen in seinem Kopf: Aber es steht ja ein Klimawechsel auf dem Programm für diese Welt. Der Ex-Arbitrator verzog leicht den Mund. Das war wohl kaum eine pietätvolle Art und Weise, das Kommende zu beschreiben. Gut, von wem erwaretete er hier auch so etwas wie Pietät? Lucius hatte ganz den Anweisungen des Inquisitors gehorchend seine beiden Begleiter über die Mission informiert, sobald sie auf Xeiros Prime gelandet waren. Er blickte sich nochmals um und betrachtete die Massen an Todgeweihten. Es war bereits bedrückend.
Arn richtete sich plötzlich auf, und seine Muskeln spannten sich an. Das brachte seine Begleiter dazu, in dieselbe Richtung zu blicken wie er. Dort war gerade ein dunkelhäutiger Mann aufgetaucht, dessen breites Grinsen zwei weiße Zahnreihen entblößte. "Sie suchen Sarezzin, meine Herren?", fragte er mit starkem Akzent.
"Wir warten auf Herrn Sarezzin, müsste es heißen.", erwiderte Isand etwas ungehalten.
Das weiße Lächeln verschwand nicht aus dem Gesicht das Fremden, doch Lucius entging nicht das Zucken der Mundwinkel. "Er erwartet Sie. Bitte, folgen Sie mir."
"Ich verstehe nicht ganz.", gab Lucius zurück. "Wir haben einen Transport arrangiert. Wir wollten uns hier treffen, genau hier. Ich habe das selbst mit ihm ausgemacht. Sie - kenne ich nicht."
"Bitte - kommen Sie.", versuchte es der Mann noch einmal und machte eine einladende Handbewegung.
"Nein, das werden wir nicht." Lucius war erneut schärfer geworden. "Ich kann mir sowas in meinem Beruf nicht leisten. Sie können Sarezzin sagen, dass ich so keine Geschäfte mache. Hält er mich für grün hinter den Ohren? Oder für minderbemittelt? Ich bin doch nicht angewiesen auf ihn! Dann suche ich mir eben einen anderen."
Das Lächeln des Fremden verschwand und er blickte Lucius kalt an. "Ich wollte Sie nicht beleidigen, nein. Ich wollte das hier zivilisiert über die Bühne bringen." Der Akzent hatte sich drastisch reduziert und er sprach fast perfektes Niedergothisch. Nun zeigte er den Griff einer Handfeuerwaffe, die er in seinen hellen Roben verborgen gehalten hatte. "Wenn ich Sie nun nochmals ersuchen dürfte, mir zu folgen. Und machen Sie keine ruckartigen Bewegungen, meine Partner hinter Ihnen würden das nicht gut finden."
Arn bemerkte, dass drei weitere berobte Gestalten sich Ihnen genähert hatten. Sie alle hielten eine Hand in den Roben verborgen - natürlich bewaffnet. So vermied es der Assassine einstweilen, etwas anderes zu tun, als auf Lucius Reaktion zu warten.
"N, natürlich. Wir kommen mit." Lucius leckte sich hastig über die Lippen und seine Augen tanzten abwechselnd nach links und rechts, dann blickten sie wieder starr auf die Waffe des Dunkelhäutigen.
Der Ex-Arbitrator machte seine Sache gar nicht schlecht. So schnell von entrüstet auf entwaffnet, besorgt und ängstlich umzuschalten war nicht leicht. Isand grinste innerlich. An Ihnen ist ein Schauspieler verloren gegangen, hörte Lucius die Stimme des Psionikers in seinem Kopf.
Sie gingen einige Meter in eine schattig dunkle Seitengasse. Du meine Güte, wie kitschig. Isand war ganz entspannt, freute sich sogar ein bisschen.
Die drei Akolythen waren mittlerweile von fünf Männern umringt. Ein anderer Mann lag mit einem Knebel aus Tuch und gefesselten Armen auf dem Boden. Sein Gesicht war von Blutergüssen gezeichnet.
"Darf ich vorstellen, Sarezzin, der zwielichtigste "Unternehmer" in ganz Suffat." Der Dunkle grinste wieder sein weißes Grinsen. Er hatte seine Waffe, eine Autopistole mit verlängertem Magazin, bereits gezogen und wies damit auf den am Boden Liegenden. Zwar hörte man das Pfeiffen des Windes um die Ecken recht stark, doch war mittlerweile auch ein leises Wimmern auszumachen, das von Sarezzin aufstieg. "Sie so aus, als ob Sarezzin bei uns in der Kreide stünde und sich an uns gewandt hat, als er von ihrer kleinen Reisegruppe erfuhr. Abhängig davon, war wir in diesem kleinen Koffer dort finden, werden sich die Schulden wohl sehr verringern oder gegen null wandern. Sollte das tatsächlich der Fall sein und er uns nichts mehr schulden, dann dürfen Sie ihn gerne nachher behalten und sich bei ihm bedanken, Sefington." Sarezzin warf aus verquollenen Augen einen schreckhaften Blick auf Lucius. "Solange er Schulden bei uns hat, bleibt er jedoch unangetastet."
"Sagen Sie mal, Lucius, wie lange wollen uns diesen Mist eigentlich anhören? Wir haben Sarezzin doch gefunden, also nehmen wir ihn und gehen, oder?" Isands ruhiger Tonfall trug rein gar nichts dazu bei, die Männer um sie herum zu entspannen.
"Haben Sie mich nicht richtig verstanden, meine Herren? Ich bin sicher, dass Ihnen klar sein dürfte, was hier gespielt wird." Besorgnis und Zorn lagen zu gleichen Teilen in der Erwiderung des Dunklen. "Und wer zur Hölle ist Lucius? Sie sind doch Akermund Sefington, oder etwa nicht?!" Er blickte zornig auf Sarezzin, der zusammen zuckte und vehement nickte.
"Du kleines Wiesel.", brummte Hrubens Arn nun. "Solche rückgratlosen Bastarde sind mir die liebsten von allen. Und sieh an, in welche Lage Dich das gebracht hat, Arschloch."
Eine Faust krachte seitlich gegen den Brustkorb des Assassinen, was ihn aufstöhnen ließ. "Sarezzin ist vorerst nicht euer Problem.", dröhnte eine tiefe Stimme von hinten, diesmal wieder mit ausgeprägtem Akzent.
"Den Koffer bitte.", fügte der Schwarze hinzu und machte einen Schritt in Richtung Phos Isand.
Der hob achselzuckend den Arm und die Handschellen glänzten silbern. "Tja, was soll ich sagen. Ich würde Ihrer Aufforderung ja sehr gerne entsprechen, aber ich hänge dummerweise sehr an der Kasette."
"Das lässt sich leicht korrigieren.", sagte eine Stimme hinter ihm, und er hörte, wie eine Klinge gezogen wurde.
"Das reicht wirklich!", sagte nun erstmals Lucius. "Das ist ja wirklich lächerlich. Eine dümmere Verkleidung hätten wir uns nicht einfallen lassen können. Juwelenschleifer, tsk. Da wird man in so einer heruntergekommenen Drecksstadt natürlich überfallen."
Der Schwarze kniff die Augen zusammen.
"Wir sind keine Juwelenschleifer. Ich bin ehemaliger Mitarbeiter des Adeptus Arbites, der da", und er deutete auf den Turban, "ist noch viel unangenehmer als jetzt, wenn er das tut, was er normalerweise tut und er:", damit wies er in die Richtung von Arn, "Tja, ich sage nur so viel; Sie hätten ihn besser nicht schlagen sollen."
"Knallt sie ab!", rief der Schwarze und zog die Waffe hervor.
Plötzlich wurde es eiskalt, als sich der Psioniker konzentriert umwandte. Die Zwei hinter ihm betätigten die Abzüge ihrer Waffen, doch nur eine davon feuerte. Während der Las-Karabiner zu klemmen schien, war der laute Knall einer Tronsvasse zu hören. Doch die Kugel fand nie ihr Ziel. Die stand einfach vor Vox in der Luft, bevor sie klimpernd zu Boden viel. Isand setzte mit einer lässigen Geste seine Sonnenbrille ab und grinste. "Überraschung." Dann brachen der Mann direkt vor ihm, und der, der weiter hinten stand, von Krämpfen gebeutelt zusammen.
Hrubens Arn hatte dem direkt hinter ihm Stehenden gleichzeitig eine rückwärts ausgeführte Kopfnuss ins Gesicht gegeben und im Umdrehen seine eigene Autopistole gezogen. Er schoß dem Mann, der sich die Hände vor das Gesicht hielt und eine Machete fallen gelassen hatte, in dem Bauch, was diesen aufstöhnend zu Boden schickte.
Lucius packte mit einem großen Schritt nach vorne die Hand des Schwarzen und drückte sie zur Seite, so dass ein Schuss an der Hauswand abprallte und schlug ihm die ausgestreckte Hand mitten ins Gesicht. Der Mann stolperte zurück. Sofort hatte Lucius seine Autopistole gezogen und dem Mann ins Bein geschossen.
"Auf den Boden legen!", kam da der psionisch verstärkte Befehl des Telepathen. Alle stehenden Kontrahenten folgten augenblicklich, die anderen kauerten sich noch mehr gegen die Erde.
"Das ist der verdammt noch mal am schlechtesten ausgeführte Überfall, den ich je gesehen habe.", fluchte der Assassine und bückte sich zu dem Mann, der sich die blutenden Wunde in seinem Bauch hielt: "Tut weh, was?" Der Mann verkrampfte das Gesicht vor Schmerz. Hrubens Arn trat dem vor sich Liegenden noch kräftig vor die Nase, so dass dieser aufjaulte, als Blut und Rotz herausliefen. "Verdammte Sauerei!"
Lucius bückte sich zu dem Schwarzen: "Hast Du noch irgendwelche Zweifel, dass Du Dich einfach mit den Falschen angelegt hast?"
Er schüttelte den Kopf und verspritzte ein wenig von dem Blut, das ihm aus der Nase lief.
"Wir nehmen jetzt Sarezzin und verschwinden von hier. Das ist nie passiert, dann lassen wir Euch so, wie Ihr jetzt seid, zurück. Sonst seid Ihr tot. Einverstanden?"
Der Mann nickte schnell.
"Ihr habt doch nicht vor, Xeiros Prime in nächster Zeit zu verlassen, oder?", erkundigte sich Isand, der damit beschäftigt war, die Männer zu entwaffnen.
"Nein.", brachte einer gequält hervor.
"Hervorragend. Manchmal klären sich alle Probleme wie von selbst." Vox blickte lächelnd Lucius an.
Dieser packte mit schnellen Griffen, die vermuten ließen, dass er sich mit Gefesselten prächtig auskannte, Sarezzin und zerrte ihn hoch. "So, Herzchen, wir haben auf jeden Fall noch ein Hühnchen zu rupfen und vor allem einen Flug zu nehmen." Damit zogen sich die Akolythen zurück.

Die Hüllen der mächtigen Schlachtschiffe ächzten nach dem Wiedereintritt aus dem Immaterium. Die Gellar-Felder, welche die Schiffe und ihre Besatzungen vor den ewiglich wirbelnden Strömungen des Warps schützten, wurden deaktiviert und die Triebwerke für den Normalraum nahme ihre Arbeit auf.
Auf der Brücke der Furor Calixis war Admiral Kanakouris in ihren Kommandothron eingebettet und über zahlreiche Kabel, Schläuche und Leitungen mit ihrem Schiff verbunden. Ihre Sinne und der Sensorenempfang der Furor Calixis liefen ineinander. Dieses Erleben glich dem Gleiten im All, mit einem Körper aus Stahl, Hunderttausend darin lebend und arbeitend, mit Augen, die Millionen von Kilometer weit blicken konnten, mit Waffen, die ganze Welten erzittern ließen. Während der Immateriums-Traverse war auch Admiral Kanakouris gezwungen, ihre Sinne wieder auf ihren menschlichen Körper zu beschränken, da selbst ein gestählter und unerschütterlicher Geist wie der ihre dem Wahnsinn des Warpraums nicht gewachsen war. Es waren seit langen Millennien nach wie vor nur die Navigatoren, denen dies beschränkt möglich war - der Blick in den immer in Bewegung seienden Mahlstrom aus Emotion, das Epyreum.
"Commander Taran, veranlassen Sie, dass der Sektor sofort gescanned wird. Sämtliche Einrichtungen und Lebenszeichen jenseits von Xeiros Prime sind sofort als Ziele zu markieren.", erklang der erste Befehl aus dem Voxponder der Flottenkommandantin.
Taran, ein stolzer Mann, jung für seinen Rang und damit auch noch keineswegs für den Rest seines Lebens zufrieden, salutierte in seiner gestärkten Uniform, die wie jene der anderen Flottenangehörigen aufgrund der Zugehörigkeit zur Raumflotte des Segmentum Obscurum rot gefärbt war. "Jawohl, Ma'am Admiral."
"Lieutenant DeVarro, informieren Sie die Strahlender Schein und die Fides perpetua darüber, dass wir die Zielaufschließung durchführen und ihnen im Laufe der nächsten Minuten die endgültigen Routen vorgeben werden."
"Jawohl, Ma'am Admiral.", bestätigte der Angesprochene, der leicht erhöht auf einem Kommandostand über seine Unteroffiziere wachte, welche sich um die interne und externe Kommunikation kümmerten.
Erste Sensordaten erreichten bereits den Cogitator, der mit Kanakouris Gehirn verbunden war.
"Ma'am Admiral, soeben erreicht uns eine Nachricht von Lord-Captain Zaiphus, dass die Beständiger Ansturm und die Ungebrochen den Wiedereintritt nahe Xeiros Quintus abgeschlossen haben und auf Angriffsbefehle warten. Bisher keine Reaktion der lokalen Abwehr, weder laut seiner Meldung noch laut unserer Sensorik.", gab Lieutenant DeVarro bekannt.
"Sagen Sie ihm, er soll seine Position halten, solange wir die Zielerfassung durchführen."
"Zu Befehl, Admiral." DeVarro kam kaum dazu, seinen Blick wieder abzuwenden, als er erneut Meldung machte: "Ma'am Admiral, wie erwartet erreichen uns erste Nachrichten vonseiten der offiziellen Stellen auf Xeiros sowie der Verteidigungsplattformen, die nach dem Grund unserer Anwesenheit fragen. Ich werden wie besprochen ohne zu antworten die Kommunikation stören und die Kommandanten der anderen Schiffe anweisen, es uns gleich zu tun."
"Tun Sie das. Und sagen Sie dem Waffenoffizier, er soll sich für Torpedoabschüsse bereit machen. Sobald die Strahlender Schein mit ihrer Nova-Kanone die Plattformen ausgeschaltet hat, soll es zu keiner Verzögerung kommen, sobald die ersten Zivilschiffe flüchten wollen. Niemand darf uns entwischen."
"Aye, aye, Ma'am Admiral."
Ein weiteres Schiff verließ unweit der Hauptgruppe den Warpraum. Nur gegen das violett wabernde Schimmern des Risses, durch den der kilometerlange Rumpf sich aus dem Immaterium schob, war es überhaupt kurzzeitig sichtbar. Keinerlei Beleuchtung ging von ihm aus, auf keine andere Weise gab es Zeichen seiner Existenz von sich, als durch das Verdecken der Sterne, die sich hinter ihm befanden - ein Schwarzes Schiff der Imperialen Inquisition.

"Wiedereintritt abgeschlossen. Bestätige Position.", Lieutenant Wallers Hände fuhren über seine Instrumente; das Datenkabel, das aus einer Implantbuchse an seinem Hinterkopf laufend mit seinem Sitz verbunden war, zuckte. "Xeiros System, Anflugvektor Xeiros Prime."
"Gut, Systemscan durchführen. Wollen wir doch mal sehen, ob die Imperiale Flotte ihre Arbeit auch zu unserer Zufriedenheit ausführt.", gab Inquisitor-Captain Francis Delinn zurück. Dem Gesicht des alten Kommandanten sah man die Erfahrung regelrecht an, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hatte. Unzählige Fältchen, Narben und Wülste bedeckten sein versehrtes Gesicht und durchzogen den grauen Bart des ganz in Schwarz gekleideten Kapitäns. Sein linkes Auge hatte er im Kampf gegen einen Mutanten verloren, und dort befand sich nun ein Interface, mit dem er sich in die Sensorphalanx seines Schiffs, der Lodernde Gerechtigkeit, einklinken konnte, was er in diesem Moment auch tat. Ein starrer, viel zu schwer aussehender Schlauch, in dem unter Schutzringen verborgen zahlreiche dicke Datenleitungen verliefen, ragte frontal aus seinem Kopf, und sein rechtes Auge zuckte nach oben, so dass man fast nur mehr das Weiß seines Glaskörpers sehen konnte.
"Furor Calixis, Schlachtschiff der Vergelter-Klasse, Strahlender Schein, Schlachtkreuzer der Mars-Klase und Fides perpetua, Kreuzer der Dominator-Klasse. Vierzigtausend Kilometer steuerbord, Inquisitor-Captan.", berichtete Waller. "Die Kreuzer Beständiger Ansturm und Ungebrochen befinden sich in Angriffsposition nahe Xeiros Quintus."
"So weit, so gut."
Das sanfte Aufsetzen seiner Schritte wurde rhythmisch von Klacken seines Stocks unterbrochen. Dies verriet Inquisitor-Captain Delinn auch ohne Konsultation der internen Sensoren, wer da gerade seine Brücke betreten hatte und sich neben seinem Kommandothron aufstellte - Lord Inquisitor Eirut Bahan.
"Die Angriffe können ohne weitere Verzögerung beginnen, Inquisitor-Captain. Sie können Admiral Kanakouris davon in Kenntnis setzen.", sagte der Alienjäger mit leicht nasaler Stimme. Wie stets war er perfekt gepflegt und makellos in jeder Hinsicht. Delinn konnte den Bastard nicht leiden.
"Ihr Wunsch ist zur Kenntnis genommen, Lord Inquisitor. Das Oberkommando über die Operation bis zum Beginn des Exterminatus hat jedoch Admiral Kanakouris. Es besteht nach den ersten Sensordaten zu schließen kein Grund, ihre Kompetenz auch nur im Geringsten in Frage zu stellen, weshalb ich einen Eingriff in die Hierarchie nicht für ratsam halte. Sobald die Vorbereitungen an Bord der Flottenschiffe abgeschlossen sein werden, wird sie den Befehl umgehend erteilen. Sollte ein Angriff jedoch nochmals zur Diskussion ausgeschrieben stehen, werde ich Ihren zustimmenden Standpunkt selbstverständlich vertreten, Lord Inquisitor."
Bahan verzog ärgerlich das Gesicht, sagte jedoch nichts. Delinn hatte sowohl den Rang eines Inquisitors inne, was ihn zu seinem Untergebenen machte, als auch den eines Captains, was ihn zur Person absoluter Authorität an Bord seines Schiffes, der Lodernde Gerechtigkeit, werden ließ. Sein Wort war Gesetz - und diesem Gesetz musste sich sogar ein Lord Inquisitor beugen, solange kein offensichtliches Fehlverhalten vorlag. Bahan wusste, dass die Crew schon viele Jahre unter Delinn diente und ihn zumindest schätzte. Hier würde er keine Unterstützung finden, wenn der Fall des alten Schlachtrosses nicht offensichtlich war. Erst dann konnte er hoffen, dass ihm ein ehrgeiziger junger Offizier beisprang, wenn er dem Captain zu direkt widersprach.
"Waffenoffizier für Captain. Kommen.", bellte Delinn in sein Voxcom.
"Hier Deckard, Sir. Kommen."
"Überprüfen Sie die Virusladung und machen Sie anschließend Meldung. Wir wollen doch keine Verzögerung riskiren, wenn es an der Zeit ist, dass die Imperiale Inquisition ihre Zähne zeigt. Kommen."
"Waffendeck verstanden, Sir. Kommen."
"Delinn, Ende."
Die Lodernde Gerechtigkeit würde bereit sein.

Arden Etklint Kleist:
11 - Katalysator

Immarut Railoun hatte seinen Arm um Cattaleya Amalia VanSovreans Schultern gelegt, als sie nebeneinander auf dem Förderband stehend in die Haupthalle der Terminalstation für ankommende und ausgehende Passagierflüge in Antimon transportiert wurden. Niemand hätte daran gezweifelt, dass die Beiden ein Paar waren, frisch verliebt, so innig waren die Blicke, die sie sich zuwarfen. Eine bessere Tarnung hätte es für die Akoylthen nicht geben können, denn nachdem sie kurz vor dem Ablug von Scintilla zueinander gefunden hatten, waren die Wochen des Fluges auf dem Luxuspassagierraumer Herz der Freude ihnen wie Flitterwochen erschienen. Sie hatten die Zeit genutzt, die ihnen noch geblieben war, hatten an Bord getanzt und bei Kerzenschein diniert.
Railoun hatte ihr schon recht früh Einzelheiten über den Auftrag auf Xeiros Prime erzählt, doch anstatt sie - wie er es befürchtet hatte - abzuschrecken, war Cattaleya noch anhänglicher und offener geworden. Während der "Nächte" an Bord, also den Ruhephasen, die einen Tagesrhythmus aufrecht erhalten sollten, die auch vor Immaruts Enthüllungen schon nicht von besonders viel Schlaf erfüllt gewesen waren, wurden nun auch neben den körperlichen Aktivitäten teilweise tiefgreifende Gespräche geführt. Die Adelige wusste nicht allzuviel über das Vorgehen bei einem Exterminatus. In diesen Unterhaltungen war Beiden das Ausmaß dessen bewusst geworden, was hier unternommen wurde. Zwar äußerte niemand Zweifel an der Notwendigkeit, nicht bei der Situation auf Xeiros Prime, aber die Vorstellung, sich selbst auf diesen Planeten zu begeben, war wirklich furchteinflößend.
Cattaleya hatte viel über ihre Vergangenheit nachgedacht, hatte Immarut davon erzählt, und dieser hatte neben ihr gelegen, den Kopf an ihre Schulter gelehnt, den Arm um ihre Hüfte geschlungen und hatte zugehört. So waren sie zu der Erkenntnis gekommen, dass sie für sich gegenseitig der beste Schutz waren, und dass sie sich glücklich schätzen konnten, diese Bürde zusammen tragen zu dürfen.

Es war ein sonniger Tag über der Metropole Antimon, und die Glaskuppel über der Terminalstation ließ das Licht nahezu ungehindert hindurch. Immarut hob die Hand zum Schutz vor dem gleißenden Schein über die Augen und blickte nach oben - durch die Scheiben auf den blauen, fast wolkenlosen Himmel.
Vor ihnen erstreckte sich die mit hellem Marmor ausgelegte Halle. Die Atmosphäre war von zahlreichen Geräuschen des Alltags dominiert, dem Getrampel von Füßen, dem Stimmengewirr von tausenden Menschen, die ihren Geschäften nachgingen, dem Rattern, Hissen und Zischen von Maschinen. Immarut nahm außerdem noch das fast betäubende Gemisch aus Düften und Gerüchen wahr, und hielt seinen Kopf in der Nähe von Cattaleyas Haar, wann immer es zu schlimm wurde, um ihren ihm schon so lange vertrauten Duft einzuatmen.
Vor der Transportrampe, die parallel zu der ihren verlief, war es zu einem Gedränge gekommen. Rufe der Verärgerung und Enttäuschung verirrten sich manchmal über den Lärm des Betriebs zu ihnen herüber. Eine Gruppe dunkel uniformierter Ordnungsbeamter des Magistratums hatte eine Reihe vor der Rampe gebildet und schirmte sie vor der immer größer werdenden Menge an Menschen ab, die sie zu erreichen suchten.
"Was ist denn da los?" Immarut bemühte sich, mehr zu erkennen.
Eine Gruppe von Personen wurde aus dem Abreise-Terminal herausgeführt, eskortiert von bewaffnetem Sicherheitspersonal. Sie bewegten sich die still stehende Transportrampe hinunter. Auch unter ihnen beschwerten sich einige vornehm Gekleidete lautstark.
"Lassen sie Niemanden abreisen?", fragte Cattaleya und zog die Augenbrauen hoch.
Immarut verzog den Mund und sein Herzschlag beschleunigte sich, als er Honeymoon mit einem bestimmten "Komm mit." am Handgelenkt packte und schnell nach unten ging.
Dort näherten sie sich einem Schalter, an dem planetare Flüge verwaltet wurden. Er war leer.
"Enschuldigen Sie, junge Dame."
Die uniformierte, jedoch gar nicht so junge Dame, die etwas abseits stand, trat nach vorne und hob entschuldigend die Arme. "Es tut mir leid, mein Herr, aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen helfen kann."
"Meine junge Frau und ich sind gerade erst angekommen und wollen hier ein paar ruhige Wochen verbringen. Ich muss aber sagen, dass wir ein bisschen beunruhigt sind." Bei diesen Worten legte Immarut plakativ seinen Arm um Cattaleyas Schulter. "Was ist denn los?"
Die Dame brachte ein schwaches Lächeln zustande, es war ihr jedoch anzusehen, dass sie sich auch nicht allzu wohl fühlte. "Dazu kann ich Ihnen leider nicht viel sagen, fürchte ich. Alle Flüge von diesem Terminal sind ausgesetzt. Auf unbestimmte Zeit."
"Betrifft das nur Flüge von Xeiros Prime aus? Wir benötigen einen planetaren Flug nach Xileiphos auf Kirrjeha."
"Das betrifft wirklich alle zivilen Flüge, soweit ich weiß. Es tut mir sehr leid."
Ein Krachen ertönte, dann stapfte - untermalt vom Aufschlagen ihrer schweren Stiefel - eine Gruppe Arbitratoren in die Halle. Ein dunkel gekleideter, glatzköpfiger Mann in einem Ledermantel ging an ihrer Spitze.
"Vielen Dank.", sagte Immarut zu der Dame und wandte sich dann ab. Als sie ein paar Schritte weiter gegangen waren, flüsterte er Cattaleya zu: "Das hier gibt Ärger. Anscheinend ist etwas passiert, was die Behörden in Panik versetzt. Der da", er deutete mit einer schwachen Kinnbewegung in Richtung des Glatzkopfs, "könnte von der Inquisition sein."
Sorgenfalten bildeten sich auf Cattaleyas Stirn. "Dann raus hier. Als Außenweltler haben wir keine guten Aussichten."
Der Hauptausgang war bereits von Arbitratoren in Sturmausrüstung besetzt worden. So gingen sie zügig auf einen Wartungszugang in einem abgelegenen Bereich der Halle zu, der möglichst weit von den Neuankömmlingen entfernt war.
"Ist das vielleicht wegen uns?", Honeymoon biss sich auf die Unterlippe.
"Das kann ich mir nicht vorstellen.", entgegnete Immarut. "Dazu sind wir nicht wichtig genug. Außerdem würde das Timing hier bedeuten, dass sie Informationen aus erster Hand erhalten haben, und ich hoffe einfach, dass alle anderen wohlauf sind."
Sie erreichten die Türe, doch die war verschlossen. Honeymoons mahagonifarbenes Haar fiel über ihre Schultern, als sie ihre Haarnadel hervorzog und sich an dem einfachen, mechanischen Schloß zu schaffen machte.
"Meine Damen und Herren!", erschallte da eine Durchsage aus einem Voxcaster. "Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten! Die Maßnahmen, mit denen Sie sich konfrontiert sehen, sind nur zu Ihrem Schutz gedacht. Sie werden ersucht, widerstandslos zu kooperieren, damit bald wieder regulärer Betrieb herrschen kann. Wir haben Fragen an alle von Ihnen!" Der Sprecher war einer der Arbites aus dem Trupp des Glatzkopfes.
"Beeil' Dich.", gab Railoun gedämpft nach hinten. Er hatte sich als Sichtschutz zwischen Cattaleya und die Neuankömmlinge gestellt.
Der Interrogator bemerkte, wie immer größere Beunruhigung sich der Menschen bemächtigte, die sich vor der Rampe zum Abreiseterminal zusammengedrängt hatten. Er sah ratlose Gesichter, die sich fragend umblickten; auch das Weinen von Kindern drang an sein Ohr. Dann trat eine kleine Gruppe von Personen nach vorne. Ein über die Maßen herausgeputzter Mann fortgeschrittenen Alters führte sie mit hochrotem Kopf an, eine ebenso schrill und auffällig gekleidete Dame an seiner Seite. Die beiden Männer, die sie begleiteten, sahen nach Railouns Meinung wie Leibwächter aus.
"Diese Behandlung ist unerhört!", rief der Mann aus. "Ich glaube, Sie wissen nicht, mit wem Sie..." Mehrere der Arbitratoren gingen auf die Gruppe zu und der Mann mit dem Voxcaster, wahrscheinlich der Anführer, hob beschwichtigend die Hände. Dann trat der Glatzkopf hinzu und sprach ein paar Worte. Die herausfordernde und entrüstete Körperhaltung des Paares änderte sich schlagartig, und selbst auf diese Distanz meinte Immarut zu erkennen, wie blaß der Mann wurde.
"Ich hab's.", verkündete Honeymoon kühl und ließ die Haarnadel in ihrer Handtasche verschwinden.
Immarut sah noch, wie die Gruppe um den gockelhaften Mann von vier Arbitratoren und dem Glatzkopf in Richtung eines Seitenausgangs gebracht wurden, dann wandte er sich um. Als sie die Türe öffneten, hörte er einen Ruf und sah sich noch einmal um. Der Anführer der Arbitratoren wies mit ausgestrecktem Arm in ihre Richtung und sofort setzten sich zwei seiner Männer in Laufschritt.
"Rasch.", hörte er da Honeymoon keuchen, als ihre zarte Hand sich um seinen Arm schloß und ihn in den Wartungsbereich zog. "Ich hab so ein Gefühl, wenn die uns erwischen, sind wir dran."
Er konnte ihr nur zustimmen. Irgendetwas Gravierendes war vorgefallen. Hatte der Erzfeind etwa wirklich einen ihres Trupps erwischt? Selbst wenn er Informanten auf Scintilla gehabt hätte, wäre ihre genaue Ankunftszeit nicht so präzise kalkulierbar gewesen. Deshalb hatte Varitani ja während der Vorbereitung so wenig preisgegeben. Oder war alles anders? War er zu fixiert auf die Person, die in dem Moment geschmeidig vor ihm her glitt und auf sich selbst? War etwas viel Größeres im Gange? War etwa die Flotte schon eingetroffen?
Bald hörten sie hinter sich die schweren Stiefel der Arbitratoren.
Immarut hatte eine kleinkalibrige Feuerwaffe gezogen, die einzige, die sie bei sich hatten, doch Cattaleya war anscheinend nicht auf einen Kampf aus. Sie bewegte sich immer schneller durch die Gänge und änderte mehrmals die Richtung. Dabei war sie ganz leise. Er gab sich Mühe, es ihr halbwegs gleichzutun. Bald kamen sie zu einem abzweigenden Gang, der an einer Tür endete.
Cattaleya zog die Haarnadel hervor, doch hielt lauschend inne. Dann sprach sie vollkommen lautlos, und er las an ihren Lippen: "Es ist nur mehr einer. Bleib einfach ratlos an der Türe stehen. Vorher hilf mir hinauf." Ihr Blick glitt nach oben zu der niedrigen Decke, an der immer wieder einige Platten der Verkleidung fehlten.
So leise wie möglich zog sie sich nach oben. Gerade als Immarut an der Tür angekommen war, trat ein einzelner Arbitrator ins Sichtfeld. Sie hatten sich tatsächlich aufgeteilt. Immarut war klar, dass der Mann sofort Meldung machen würde. Er hob die Arme. "Sie haben mich."
"Auf die Knie! Hände hinter den Kopf!", rief der Arbitrator, den Schlagstock in der Hand. Der schwarze, geschlossene Maskenhelm verlieh ihm etwas Unnahbares, Unpersönliches. Als er auf Immarut zuging, ließ sich eine grazile Gestalt trotz ihres Kleides vollkommen lautlos hinter ihm von der Decke herabgleiten.
"Was ist denn überhaupt los?", begann Immarut.
Der Arbitrator hatte ihn fast erreicht und hob den Schlagstock. "Das Weglaufen wird Dir noch Leid tun." Als er die Waffe gerade auf Immarut herabsausen lassen wollte,  wurde sein Kopf unsanft zurück und auf die Seite gerissen, so dass ein scharfes Knacken zu hören war.
Cattaleya ließ den Körper so vorsichtig es ihr möglich war zu Boden gleiten, dann begann sie an der Türe zu arbeiten. Immarut durchsuchte den Arbitrator, fand jedoch keine Feuerwaffen. Ein paar andere Dinge wie Handschellen nahm er an sich.
Draußen waren sie unter offenem Himmel, und der Lärm der Metropole grüßte sie gleichzeitig mit der mehr oder weniger frischen Brise. Ein Laufsteg aus grobem Metallgerüst, der außen an der Terminalstation entlang und zu einem weiteren Laufsteg führte, endete an der Tür eines anderen, viel kleineren Gebäudes, das weit weniger einladend aussah als das Haupthaus - wahrscheinlich für Hilfspersonal oder Ausrüstung gedacht.
Sie wollten sich schon in Bewegung setzen, als sie knapp zwanzig Meter unter sich auf Straßenniveau Stimmen hörten. "Außenweltler, Herr Inquisitor, wie angenommen. Das hier ist Friiltor Arouf, ein Kaufmann. Das ist seine Gattin." Cattaleya und Immarut blickten nach unten und sagen die Gruppe, die vorher aus der Haupthalle geführt worden war. Während drei Arbitratoren das schrille Paar und die Leibwächter im Zaum hielten, besprach sich einer der Eingreiftruppe mit dem Glatzkopf. Man hatte alle in der verlassenen Gasse zum Niederknien gezwungen.
"Der bedeutendste Gewürzhändler von ganz Fenks Welt, so sagt man!", fügte der Kaufmann hinzu, einen letzten Rest von Unbeugsamkeit und Entrüstung aufbringend.
"Die Beiden stören nur.", sagte der Glatzkopf und wies auf die Leibwächter.
"Jawohl, Herr Inquisitor." Zwei Schüsse waren zu hören und die Leibwächter fielen tot zu Boden. Ein Schrei, ebenso schrill wie ihre Kleidung, entfuhr der Kehle der Kaufmannsgattin, als sie mit Blut bespritzt wurde.
"Was -  was haben wir getan?!", krächzte Friiltor Arouf.
"Ich richte Sie im Namen des Imperators, als Sein Diener in der Imperialen Inquisition.", sagte der Glatzkopf kühl, dann schoß er dem Kaufmann mit einer Pistole in den Kopf. Bevor seine Frau lange um ihn weinen konnte, war er zu ihr getreten, hatte noch einmal denselben Text gesprochen und dann auch sie hingerichtet.
"Beseitigen Sie das, seien Sie so gut, ja."
"Natürlich, Herr Inquisitor."
"Folgen Sie mir dann zurück in die Terminalstation. Auf uns wartet heute viel Arbeit."
Immarut sah Cattaleya an. Sie blickte zurück. Gut, dass sie es nicht darauf hatten ankommen lassen, ihre Rolle als gutbürgerliches Paar zu spielen. Sie folgten dem Laufsteg und kamen an die nächste verschlossene Tür. Cattaleya zückte ihre Haarnadel.

Das Geräusch von Husten war aus der Ecke des Raumes zu hören, in den sich die in faulige Roben gehüllte Gestalt zurückgezogen hatte. "Dann ist es soweit. Ihre Schiffe sind bereits hier."
Tereen nickte. Der Zwilling trug eng anliegende Kleidung aus weichem, rotbraunem Leder, die einen guten Teil seiner glatten Brust frei ließ. Ein Stirnband aus demselben Material hielt sein langes, dunkles Haar im Zaum, und ein rostroter Gürtel war um seine schmalen Hüften geschlungen. An einer Seite des Gürtels baumelte eine Schwertscheide mit einer köstlich verzierten Klinge darin, an der anderen Seite befand sich ein Halfter mit einer Pistole. "Sie haben bereits mit dem Beschuss der Anlagen von Xeiros Quintus begonnen. Auch unsere Verteidigungsplattformen werden nicht viel länger aushalten, höre ich."
„Nicht nur das.“, drang da die dunkle Stimme von Astrion Malqevis von der Türe her. Niemand hatte ihn gehört. Wie sich ein Mann von solcher Statur und mit schwerer Rüstung angetan derart lautlos bewegen konnte, brachte sogar Geheimnisträger wie Zaabesz manchmal zum Staunen. Nein, unterschätzen durfte man Malqevis nicht, auch wenn er sich manchmal nur wie ein grobschlächtiger Affe gab.
Der unterirdische Besprechungsraum des Gouverneurspalasts war mit nahezu ebenso feinem Mobiliar ausgestattet wie das restliche Gebäude. Ein breiter, blank polierter Tisch bildete das Zentrum und zahlreiche Cogitatoren und hololithische Projektoren verbreiteten ihr vertrautes Surren und Rattern.
„Varitani ist hier.“, fuhr Malqevis fort und trat ein, um sich plump und laut in den nächsten Polstersessel fallen zu lassen.
Das ließ Zaabesz die Augenbrauen heben und ein fragendes Gesicht machen, als er sich mit seiner langen Zunge über die spitzen Zähne strich. Er blickte zum Fremden hinüber, um den herum sich bereits Flecken an dem Verputz der Wand bildeten.
„Die Anwesenheit einer imperialen Flotte lässt eigentlich nur den Schluß zu, dass sie doch mehr wissen, als wir ursprünglich gehofft hatten und dass sie mit einem umfassenden Militärschlag darauf reagieren.“, führte dieser aus, bevor der Husten über ihn kam.
Tereen nahm den Faden auf: „Da sie nicht hoffen können, mit Bodentruppen etwas auszurichten, bedeutet das genauer gesagt eines: Exterminatus. Sie werden diese ganze Welt tilgen. Man fragt sich allerdings….“
„Warum sie dann noch einen Inquisitor hierher schicken, genau.“, beendete Malqevis. „Das habe ich mir auch schon überlegt.“
Zaabesz brummte in sich hinein. „Dafür kann es viele Gründe geben. Er könnte auf eigene Faust handeln, ohne Befehl. Er könnte davon ebenso überrascht werden wie die restliche Bevölkerung. Hat er denn schon konkret etwas unternommen?“
Der große Krieger schüttelte den Kopf und strich sich über den kohlrabenschwarzen Bart. „Hat den Inquisitor aufgemischt, den man geschickt hatte, um ihn abzufangen, einen gewissen Gudanister.“
„Hm, war der in Phase zwei?“, erkundigte sich Tereen.
Diesmal nickte Malqevis. „Ja, aber er hat aus eigenem Antrieb gehandelt. Hat die Geschichte von Varitanis Verrat fast erfreut zur Kenntnis genommen, wie ich erfahren habe. Wie gesagt, mehr hat Varitani noch nicht getan, soweit wir feststellen konnten. Ich habe keine Ahnung, was er hier wollen könnte.“
„Ist er vielleicht hinter dem Extraktor her?“, mutmaßte Tereen.
Zaabesz zischte. „Das glaube ich nicht. Die Schoßhunde des Falschen Imperators haben keine Ahnung von den Schildsystemen, die ihn schützen. Außerdem wäre das eine militärische Aufgabe und keine für die Inquisition.“
„Das sehe ich auch so.“, stimmte Malqevis zu, was ihm ein beunruhigend wirkendes Grinsen des Hexers einbrachte. „Ich kenne die übliche Vorgehensweise. Würde es darum gehen, Schutzschilde vor Ort auszuschalten, würde man Spezialeinheiten der imperialen Garde schicken oder Marines.“
„Wissen wir, wo er ist? Varitani meine ich.“, fragte Tereen.
„Bis vor kurzem wussten wir es noch. An der Westküste von Kirrjeha ist er untergetaucht. Alle Behörden suchen nach ihm und seinen Mitarbeitern.“
„Wir werden das selbst in die Hand nehmen, sobald er gefunden ist. Ich will kein Risiko eingehen.“, tönte es da unter der Kapuze des Fremden hervor.
„Ist das nicht riskant? Dieser Varitani ist kein Niemand.“
„Wir sind mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in einigen Tagen tot, Velfur. Es macht keinen Sinn, das zu leugnen. Entweder die Bomben der Imperialen werden das tun oder die Kräfte, die aus dem Portal kommen, wenn es unkontrolliert expandiert. Für mich wäre es nur schade, nicht zu erfahren, ob die Imperialen das Portal selbst soweit vergrößern, dass es zur Vernichtung des Systems kommt, oder ob sie begreifen, dass sie es erst schließen müssen.“
„Ich sterbe auch lieber in einem Kampf gegen diesen Bastard Varitani als unter dem feigen, orbitalen Feuer von Schlachtschiffen.“, stimmte Malqevis zu.
Zaabesz grummelte etwas Unverständliches, schien aber nicht weiter Einspruch erheben zu wollen.
„Dann warten wir, bis wir etwas von ihnen hören.“ Ein teuflisches Grinsen verzerrte das glatte und eigentlich hübsche Gesicht von Tereen.

„Erklären Sie mir das, Varitani!“ Der Mann mit dem schütteren, blonden Haar brüllte geradezu, als er Varitani eine Datentafel zuschleuderte, die der überraschte Inquisitor gerade noch fangen konnte.
„Ich würde vorschlagen, Sie beruhigen sich ein bisschen, Captain.“, warf Lucius Frost ein und trat einen Schritt auf Varitani zu.
„Sagen Sie ihrem Jungen, er soll still sein, wenn sich Erwachsene unterhalten!“, gab Captain Guntr an Varitani gewandt giftig zurück.
Lucius Frost hielt den Blick den Freihändlers, ohne irgendwie zu erkennen zu geben, ob ihn der verbale Angriff getroffen hatte oder nicht.
Die Lagerhalle, in der das Treffen stattfand, war schon lange verlassen. Mehrere alte Kisten standen herum, ansonsten war sie leer. Eine Galerie aus metallenen, rostbefallenen Laufstegen verlief unterhalb des hohen Flachdaches, zu erreichen über eine ebenso rostige Treppe im Inneren. Die hatte Nick Runsit jedoch nicht benutzt, um sich Zugang zu verschaffen. Stattdessen war er von außen eingedrungen und hatte sich unbemerkt mit dem erbeuteten Lasergewehr des Scharfschützen, den sie in Bantifon Ades ausgeschaltet hatten, in Position gebracht. Blender hatte sich direkt nach dem Eintreten in die Schatten gedrückt, die durch das einfallende Mondlicht entstanden, doch zweifelte der Assassine nicht daran, dass zumindest einige ihrer Gäste durchaus in der Lage waren, ihn zu entdecken. Lucius Frost, der Telepath Phos Isand und Gerhart Thracian waren mit Varitani zusammen auf die Gruppe zugegangen, die in der Mitte der Halle Aufstellung genommen hatte.
Captain Guntr war nicht alleine gekommen, sondern hatte volle zwölf Mannschaftsmitglieder dabei, die sich hinter ihm aufgebaut hatten. Varitani und den Akolythen war jedoch der abgekämpfte Ausdruck auf den Gesichtern nicht entgangen, ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Männer alle nur leicht bewaffnet und generell schlecht ausgerüstet waren. Manche Kleidungsstücke waren angesengt, manche Personen überhaupt nur spärlich bekleidet. Grußworte hatte es nicht gegeben.
„Euch ist doch bewusst, mit wem Ihr sprecht, Captain.“, stellte der Pater gerade ruhig fest.
Guntr stieß scharf die Luft aus und Enttäuschung war aus seiner Antwort zu hören: „Ich dachte zumindest, dass ich das wüsste. Bevor diese verdammten Schlachtschiffe wie aus dem Nichts aufgetaucht sind.“
Lucius warf Varitani einen schnellen Blick zu. Der Inquisitor sah vom Studium der Datentafel auf und blickte Guntr in die Augen. „Dafür können Sie nicht mich verantwortlich machen, Guntr.“
„Aber Sie wussten doch, dass diese Schiffe kommen würden, nicht wahr?!“
Varitani nickte. „Allerdings wusste ich nicht, wann genau das sein würde.“
„Es gab keine Warnung, nicht einmal ein Verhör. Dafür ist die Inquisition doch normalerweise berühmt, oder nicht? Sie haben direkt geschossen. Wir waren nicht einmal gefechtsbereit. Die Tarbeter war ein ziviles Schiff, ein Handelsschiff."
Varitani nickte erneut. „Ich verstehe Sie. Es ist bedauerlich, dass es für Sie nicht mehr machbar war, zu entkommen.“
Gemurmel war hinter Guntr zu hören. „Es ist bedauerlich? Meinen Sie nicht, ich hätte das entscheiden sollen?! Ich bin verantwortlich für meine Mannschaft, für mein Schiff. Ich schmuggle für Sie Ausrüstung hierher, ohne Fragen zu stellen. Das war ein Fehler. Ich hätte Fragen stellen sollen. Wie merkwürdig, dass Sie auf einen imperialen Planeten Waffen schmuggeln müssen, obwohl Sie Inquisitor sind.“
„Ich kann nicht mehr sagen, außer, dass ich hoffte, die Schiffe würden später eintreffen.“
„Das hilft mir aber nicht, Varitani! Genauso wenig wie die Bezahlung, die Sie mir zukommen lassen, wenn ich hier mein Leben lasse und meine Crew es mir gleich tun muss.“
„Die Chancen stehen auch für uns nicht gut. Wahrscheinlich wird niemand von uns diese Welt verlassen, Guntr.“
„Sie Schwein, Sie haben uns einfach in die Scheiße treten lassen. Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, Varitani?!“
„Er ist Sein Inquisitor, Sünder, und seine Belange betreffen das Schicksal von Milliarden imperialer Bürger. Wenn Opfer gebracht werden müssen, dann wird es so geschehen.“, grollte der Redemptionistenpriester, die Hand am dunklen Griff einer dünnen Klinge, die an seiner Seite hing.
„Opfer?! Wir hier“, und Guntr wies auf die Männer hinter sich, alle bewaffnet, alle langgedient, „sind keine Opfer. Wir sind die, die davongekommen sind, gerade eben noch.“
"Hat's nicht irgendwann einmal geheißen, dass ein guter Captain mit dem Schiff untergeht?", ließ da Phos Isand verlauten. Lucius Frost wandte sich um und warf ihm einen tadelnden Blick zu. Vox zuckte mit den Achseln.
Guntrs Miene verfinsterte sich noch weiter, falls das möglich war.
„Sie haben keine Ahnung, was auf dieser Welt los ist, Guntr. Für die Dinge, die Sie mir heute bereits an den Kopf geworfen haben, würden andere schon bitter gebüßt haben. Sie verdanken es nur der Tatsache, dass Sie mir schon mehrmals geholfen haben, dass Sie noch vor mir stehen und nicht schon in Ihrem eigenen Erbrochenen liegen. Ich habe Sie nicht bewusst geopfert. Es gab immer ein Risiko, das streite ich nicht ab. Das Risiko ist aber keinesfalls zu groß gewesen und ja: falls Sie und ihre Besatzung hier ihr Ende finden, dann ist das ein kleiner Preis, wenn es bedeutet, dass wir unsere Mission erfüllen können. Mich interessieren Ihre Bedenken nicht und auch nicht Ihre Vorwürfe. Meine Akolythen und ich haben wahrhaft andere Sorgen. Was mich interessiert ist nur eines: haben Sie das getan, weshalb ich Sie angeheuert habe? Haben Sie die Ware dabei?“
„Sie werden bezahlen, Varitani.“
„Ich habe Sie bezahlt.“
Guntr hob den Arm – ein Signal.
Gerhart und Lucius wurden unruhig.
„Wir haben keine Zeit und kein Interesse an Spielchen, Guntr. Wenn Sie mir nicht sagen, wo meine Fracht ist, wird mein Telepath es aus ihrem Kopf reißen.“ Varitani blickte zu Phos Isand, der eine Verbeugung andeutete.
„Stets zu Diensten, Herr Inquisitor.“, sagte er lächelnd mit seiner unangenehmen Stimme.
Da bemerkte Guntr, dass der junge Mann neben Varitani ein Gerät in der Hand hielt. „Ein Auspex!“, rief da bereits sein Wachoffizier.
„Herr Inquisitor, sie senden ein Positionssignal. Man kann uns orten.“, meldete Lucius an Varitani gewandt.
„Sofort abstellen!“, befahl Varitani scharf.
Guntr grinste. „Sie sind tot.“
Der Priester neben Varitani schnellte vor, die Klinge plötzlich in seiner Hand und schlug nach dem Mann neben Guntr. Er fiel mit gespaltenem Brustkorb zu Boden. Auf der anderen Seite wurde einer von einem Laserstrahl getroffen, der von irgendwo weiter oben abgefeuert worden war. Ein sauberes Loch klaffte in seinem Kopf, und er zuckte kurz, bevor auch er zu Boden ging.
Varitani bewegte sich so flink, dass Guntr kaum Zeit hatte, die Hand an den Griff seiner Autoistole zu legen. Zwei schnelle Schläge vor den Brustkorb brachen etliche Rippen, der dritte zertrümmerte seinen Kiefer. Wenn man einen Telepathen zu seiner Verfügung hatte, brauchte jemand, dem man Informationen entreißen wollte, nicht sprechen zu können.
Lucius Frost hatte selbst eine Autopistole zum Vorschein gebracht und eine Salve in die Menge geschossen. Schmerzensschreie und Stöhnen ließen auf Treffer schließen. Der Ex-Arbitrator bewegte sich in Richtung der nächsten Kisten, die Pistole in der einen, das Auspex in der anderen Hand.
Hinter Guntr brachen einige Männer mit Muskelkrämpfen zusammen, als Phos Isand sich Kräfte aus dem Immaterium zunutze machte. Aus den Schatten neben den Männern tauchte eine wirbelnde Gestalt auf, die zwei lange Messer in Händen hielt und einen Mann angriff, der ein monomolekulares Entermesser hielt.
Nach dem ersten Schock waren nicht mehr viele Gegner übrig, doch die eröffneten das Feuer. Vox stoppte mehrere Kugeln in der Luft, um zu verhindern, dass er getroffen wurde und ein Las-Geschoss streifte die linke Schulter des Kampfpriesters.
„In Seinem Namen richte ich Euch!“, rief Gerhart aus und schnitt sich weiter seinen Weg durch die erbärmlichen Ketzer, die es wagten, ihre hohen Ziele zu gefährden. Was war auch anderes von Männern zu erwarten, die sich stets am Rande imperialer Jurisdiktion aufhielten, wenn es sogar in den innersten Gebieten des Imperiums so viele Sünder gab.
Ein weiterer Mann wurde von einem Las-Geschoss von Nick Runsit durchschlagen, eine Frau von Schüssen aus Frosts Autopistole getötet. Varitani brach einem Weiteren das Genick. Blender wirbelte ein letztes Mal herum, dann fielen zwei Tote vor ihm zu Boden.
Varitani ließ seinen Blick über das Blutbad schweifen. Dann suchte er nach Isand und fand ihn dort, wo er zu Beginn des Kampfes gestanden war. Drei Glasperlen tanzten in seiner Hand. „Vox, finden Sie unsere Ausrüstung. Und fragen Sie auch nach, wie man das Signal abstellt.“
„Geht klar.“
„Lucius, versuchen Sie das Signal direkt zu orten.“
„Das wird kein Problem sein. Vox, konzentrieren Sie sich auf die Ware.“ Der Ex-Arbitrator ging vorsichtig zwischen den Leichen und Blutlachen hindurch, immer wieder auf den Auspex in seinen Händen blickend.
"Gehen Sie mit ihm, Arn.", befahl Varitani, dann ging er zu Gruntr. Der Captain atmete flach, jede Bewegung des Brustkorbs schmerzte. Der Inquisitor kniete sich neben ihn. "Sie sind ein Dummkopf, Guntr. Ich frage mich, wie Sie so lange im Geschäft bleiben konnten. Ist Ihnen bewusst, was Sie mit Ihrer dummen Rache möglicherweise angerichtet haben? Xeiros Prime gehört dem Chaos."
Guntrs Augen weiteten sich.
Varitani nickte. "Sie sind ein Idiot, Captain. Niemand kann es sich leisten, sich gegen die Inquisition zu stellen, denn das bedeutet, sich gegen den Imperator höchstselbst zu stellen."
Die dunkel gewandete Gestalt des Psionikers Isand erschien neben dem knieenden Varitani und warf einen düsteren Schatten über Guntr.
"Mein Telepath wird sich jetzt die Informationen holen, die wir brauchen. Wenn Sie sich nicht wehren, wird es weniger unangenehm sein."
Guntr stöhnte auf, als er versuchte, etwas zu sagen.
Vox ließ sich auf ein Knie nieder und berührte Guntr an der Hand. Dieser riß sie weg. Der Telepath zog eine Augenbraue hoch, dann hieb er dem Captain mit der Faust gegen den verletzten Brustkorb, so dass dieser jaulte. "Hör mal, Du Wurm, das hier wird geschehen. Es liegt an Dir, wie schmerzhaft es wird."
Kälte kroch heran, als Phos Isand erneut die Hand des Mannes ergriff und sich darauf konzentrierte, in seine Gedanken einzudringen. Rein aus Gewohnheit schloß Vox die Augen. Es dauerte nur wenige Momente und der Telepath spürte das Zurückweichen der Wahrnehmungen von dem, was die normalen Menschen als "reale Welt" ansahen, und das Prickeln des Warps durchströmte ihn. Er tastete vorsichtig seine Umgebung ab und fand gleich die Anhäufung von Bewusstsein, die von Guntrs Geist zusammengehalten wurde. Er näherte sich und schob sich hinein, zuerst seine Arme, dann seinen restlichen Körper. Es war nicht immer gleich einfach oder gleich angenehm, aber Guntr wehrte sich. Vox spürte bereits die Oberfläche der Gedankenströmungen des Captains, als Fortsätze, die der Telepath als Arme wahrnahm, sich aus dem Strom erhoben und nach ihm greifen, um ihn wegzudrücken. Vox sah ihnen einen Moment interessiert zu, dann schob er sie grinsend beiseite. Was war das für ein erbärmlicher Verteidigungsversuch? Lächerlich.
Isand schälte die zweite Schicht und kam in den Bereich der bewussten Gedanken. Hier würde er finden, was er suchte. Doch erneut schoben sich ihm körperlose Arme zur Verteidigung entgegen. Doch diesmal erschienen sie ihm nicht die eines Menschen zu sein, sondern waren maschinell - die Arme einer Prothese, wie sie ein verdammter Marsianer tragen würde. Er hatte also zerebrale Defensivimplantate. Mit einem wilden Glühen in den Augen stürzte sich Vox auf sie.

Frost und Arn hatten das Lagerhaus verlassen und liefen über einen betonierten Platz dahinter, alt und verfallen wie das Gebäude selbst - Gras wuschs zwischen den Platten empor. Der Platz endete an einer halb verfallenen Betonwand.
"Ich denke, dahinter ist der Sender.", sagte Lucius im Weitergehen und blickte wiederholt auf seinen Auspex-Scanner.
"Na dann.", schnaufte Arn, als er sich über die Bruchstücke hinweghievte, die ein Loch in der Betonwand hinterlassen hatten.
Er bot dem Ex-Arbitrator die Hand und half ihm nach oben. Vor ihnen ging es einen Abhang aus gebrochenem Beton und Stein nach unten auf eine Grasfläche. Darauf sahen sie ein Shuttle, das hart auf der Wiese aufgesetzt hatte. Zwei Personen standen davor, beide bewaffnet.
"Der Adler kreist, bevor die Ohrfeige erschallt.", sagte Lucius zu Arn und dieser nickte.
"Hey!", rief Lucius und winkte. "Alles in Ordnung! Wir kommen runter! Nicht schießen!"
Sofort hörten sie das Feuer von Solidprojektilwaffen und das Pfeiffen der Kugeln, als sie nahe von ihnen einschlugen. "Ihr Arschlöcher!", kam es von unten.
"Scheiße!", rief Blender und rutschte den Geröllberg hinunter.
Lucius ging in Deckung, verstaute den Scanner und zog seine Waffe. Auf diese Entfernung würde ihm die aber nicht viel bringen.
Unten rappelte sich Blender auf und spurtete zu einer nahen Baumgruppe, wo er sich ins Gebüsch warf, als weitere Schüsse abgegeben wurden.

Varitani riß den Kopf herum. Schüsse. Er blickte nach oben, wo er die riesige Gestalt von Chnishnit liutstam Hrun'Sith auf der Galerie ausmachen konnte. Er signalisierte in die Richtung des Feuergefechts und der Soldat setzte sich lautlos in Bewegung.
Dann sah er wieder zu Captain Guntr. Der Mann hatte Schweiß auf der Stirn und wurde hin und wieder von Krämpfen gebeutelt.
"Was ist los?", fragte Varitani an Isand gerichtet, dessen Gesicht ein wenig verhärtet war, in dem jedoch noch immer ein schwaches Grinsen stand.
"Der Bastard wehrt sich. Hat ein Schutzimplantat."
Varitani hob den Kopf des Captains und ohrfeigte ihn zweimal scharf. Guntr johlte. "Lassen Sie ihn rein, Guntr! Lassen Sie ihn rein." Als sich der Gesichtsausdruck des Telepathen nicht veränderte, zog Varitani sein Messer.
Er brauchte nur wenige Schnitte zu tun, bevor Guntr wimmernd nachgab und Vox endlich ganz eintauchen konnte. Der Psioniker hatte wiederholt die Kraft manifestieren müssen, die ihm das Gedankenlesen erlaubte, und jedes Mal, wenn er das tat, ging er ein Risiko ein. Manchmal zog Kälte aus dem Immaterium ein, manchmal Schlimmeres. Er hatte schon Räume in Blut getränkt, und es gab Berichte, nach denen Psioniker einfach vom Immaterium verschluckt worden waren. Vox war sich ziemlich sicher, dass ihm das nicht passieren würde - er wusste schließlich, was er tat - aber auch der größte Meister konnte stürzen. Also war ihm die Schützenhilfe nur recht.

Draußen waren Blender und Frost noch immer festgenagelt. Jedes Mal, wenn einer von Ihnen den Kopf herausstreckte, wurde geschossen. Da meinte Lucius auf einmal das Zischen eines Las-Geschosses zu hören, dann drang ein dumpf klingender Schmerzenslaut zu ihm herauf.
"Der Sturmwind tobt, wenn das erste Fenster offen steht!", rief Lucius nach unten.
"Ja, steht offen!", kam die Antwort von Blender.
Mit einem Ruck richtete sich der Ex-Arbitrator auf, gab drei Schüsse auf die noch stehende Gestalt ab und schlitterte dann wenig elegant denselben Weg nach unten, den auch schon Blender etwas zuvor weniger freiwillig genommen hatte. Als er unten ankam, versuchte er sich zu orientieren und die Gestalt erneut auszumachen, doch er sah nur, wie ein Schatten den Umriß umfing und zu Boden zerrte.
Hrubens Arn stieß zweimal mit dem Messer zu, bevor er sich dem zweiten Mann zuwandte, der eigentlich eine Frau war. Sie lag schwer atmend am Boden vor dem Shuttle, das Autogewehr einen Meter weit entfernt. Ein Loch klaffte in ihrer Brust. Der Assassine kniete nieder. "Das sieht nicht gut aus, Süße."
"Fick dich.", spuckte sie ihm angestrengt entgegen.
"Auch gut, du Schlampe.", sagte er lässig und versenkte sein Messer in ihrem Herz. "Misttück."
Lucius kam angerannt, hatte einige Abschürfungen von der Rutschpartie davongetragen, war ansonsten aber unversehrt. "Saubere Arbeit, Blender."
"Tja, sagen Sie das mal Varitani.", gab der Auftragsmörder kühl zurück und stand auf. "Der Sender ist also in dem Shuttle?"
"Ich denke, der Sender ist das Shuttle. Ein modifiziertes Notsignal. Der Erzfeind hat es auf jeden Fall aufgezeichnet. Ich glaube nicht, dass es darüber Auskunft gibt, wer hier was tut, aber kommen wird auf jeden Fall jemand."
"Hm, dem nach zu urteilen, was mir Granit erzählt hat, wissen die Behörden ja, dass Varitani hier ist, kennen sogar seinen Namen. War ja eigentlich auch nicht anders zu erwarten, nachdem er schon so auf den Putz gehauen hat, als er solo hier war. Wirklich eine Schnapsidee, uns nochmal in diese Hexenküche zu schicken."
"Höre ich da Zweifel, Akolyth Arn?!", dröhnte die Stimme von Gerhart Thracian durch die Dunkelheit. Der Redemptionistenpriester war irgendwie aus dem Lagerhaus gekommen und ging mit langen Schritten auf sie zu. "Zweifel sind der Ackerboden, auf dem die Saat der Korruption und des Versagens ausgesät wird."
"Ach, verdammt." Blender ließ den Kopf hängen. "Wie konnte ich ihn überhören."
"Ich hab' ihn auch nicht gehört, machen Sie sich nichts draus.", gab Lucius zurück und ging an dem Assassinen vorbei zu dem Shuttle. Eine der Schiebetüren stand offen, und Lucius spähte hinein.
"Ihr braucht eine Aufgabe, Arn. Ein Geist ohne Ziel wird auf dunklen Pfaden wandeln."
"Schon gut, Pater. Ich bin ja bei der Sache. Aber Sie müssen doch zugeben, dass es ein Himmelfahrtskommando ist."
"Was ich muss, ist: Seinem Willen gehorchen und Sein Werk vollbringen.", gab Thracian schroff zurück, als er nur knapp vor dem Gesicht des Assassinen inne hielt und ihn hart ansah.
"Na dann finden wir lieber mal einen Weg, dieses verdammte Signal abzuschalten, was?" Blender brachte ein schwaches Lächeln zustanden und stahl sich davon.
Pater Gerhart Thracian sank auf ein Knie, stützte sich auf das Schwert und betete um Kraft und Durchhaltevermögen - sowohl für sich selbst als vor allem auch für die anderen Akolythen und seinen Inquisitor.

Arden Etklint Kleist:
12 - Auf der Fährte

Die Insel Juunosé war kein natürliches Gebilde, sondern vielmehr aus einer Bohrinsel gewachsen. Auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern erhob sich nun ein Konglomerat aus allerhand schwimmenden Konstruktionen, Schiffen und auf Pfeilern ruhenden Häusern aus den Wassern des Ostkirrjaischen Meeres. Juunosé war ein heruntergekommener Ort, zumindest, wenn man den Standard zu Rate zog, den man im Allgemeinen auf Xeiros Prime anwenden konnte. Als eine Urlaubswelt weder durch Makropolen oder größere Fabrikaturen und Schmieden verunstaltet und verschmutzt, zogen sich allerhand vermögende imperiale Bürger hierher zurück, wenn sie eine blühende, saubere Welt erleben wollten. Natürlich war das zum Teil Illusion, denn es existierte keine Welt ohne Ausgestoßene, auf deren Rücken viel von dem entstanden ist, wovon die Mittel- und Oberschicht profitierte. In Juunosé gab es keine Mittel- und Oberschicht im klassischen Sinn. Die Insel war mehr oder weniger politisches Freiland. Zwar unterhielt das Ministorum einige kleine Schreine auf der Insel und stellte so zumindest sicher, dass größeren ketzerischen Aktivitäten Einhalt geboten wurde, doch war vom Magistratum keine offensichtliche Spur zu finden.
Diese Eigenschaft von Juunosé hatte sich für Inquisitor Varitani und seine Akolythen als überaus förderlich herausgestellt. Mit seinem Telepathen Phos Isand vereint hatte Varitani begonnen, Verbindungen zu den Nyunga herzustellen. Dem Psioniker war seine Abneigung gegen die ständig gebückt gehenden, feucht oder schleimig wirkenden Reptiloiden mit ihren hissenden Stimmen, die kaum einmal vertraute Laute formten, deutlich anzumerken, doch er verrichtete seine Arbeit mit der Einsatzbereitschaft eines Mannes, der nach den Wochen auf Xeiros Prime die Notwendigkeit persönlicher Opfer als absolut erkannt hatte. Auch die restliche Gruppe war zu stillen, harten und oftmals trist gestimmten Werkzeugen geworden. Die Ankunft von Interrogator Railoun und der adeligen Diebin VanSovrean hatte die Stimmung einige Zeit wieder gebessert, doch Varitani machte sich nichts vor. Der ständige Druck, die Isolation und nicht zuletzt der Hunger machten seinen Leuten zu schaffen.
Sie hatten zwar einige Teile der Schmuggelware sicherstellen können, die Captain Guntr in Rettungskapseln versteckt auf den Planeten geschossen hatte - Rettungskapseln, die seiner eigenen Mannschaft bei der Zerstörung seines Frachters nicht zur Verfügung gestanden hatten - doch im Endeffekt waren sie nicht optimal versorgt. Seit dem Eintreffen der Flotte hatte sogar das Mäntelchen der Ordnung und Rechtschaffenheit, das die korrumpierten Behörden über die abscheuliche Fäulnis auf Xeiros Prime ausgebreitet hatten, immer deutlichere Risse bekommen. Außenweltler wurden zuhauf festgenommen und offiziellen Meldungen zufolge im Zusammenhang mit der Blockade "befragt", deren Existenz niemand auf dem Planeten mehr verborgen war. Die Versorgung mit Lebensmitteln war generell ein Problem, da Xeiros Prime seine Gäste ausschließlich mit importierter Nahrung versorgen konnte. Die Vorräte gingen langsam zur Neige, und auf einem sich rasch etablierenden Schwarzmarkt erstanden die wenigen Außenwelter, die sich vor den Verfolgungen durch die planetare Inquisition und das Magistratum retten konnten, zu stetig steigenden Preisen das Notwendigste, um wenigstens die Hoffnung nicht aufgeben zu müssen, dass die Blockade einmal enden würde.
Varitani hatte das ursprünglich vorausgesehen gehabt und über Captain Guntr Vorkehrungen in Form von geschmuggelten Lebensmittelrationen dafür getroffen, doch war dieser Plan zusammen mit der Tarbeter, dem Schiff des Freihändlers, im Beschuss der Exterminatus-Flotte untergegangen. Obwohl sich manch einer der Akolythen wie zum Beispiel Nick Runsit durchaus hätte vorstellen können, die lokale Nahrung wenigstens zu probieren, schob das Bewusstsein von den Chaos-Partikeln, den korrumpierenden Mikroorganismen, die vom Erzfeind nur "die Saat" genannt wurden, dieser Option auch einen unüberwindlichen Riegel vor, denn keiner der Akolythen würde sein Seelenheil für Nahrung riskieren. Zumindest noch nicht.
Bei Varitanis letztem Besuch hatte er unter Aufbietung aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Daten über ein letztes, bereits stillgelegtes Labos von Chemistro Frangh zutage gefördert. Dafür war Frederiq DeVetter gestorben, deshalb hatte er den Exterminatus aufgeschoben. Das Labor, in dem Drususton Flengler früher gearbeitet hatte, befand sich unter Juunosé – was die künstliche Insel zum eigentlichen Ziel der Gruppe machte.
Das Unterfangen hatte sich als komplizierter als gedacht herausgestellt, da die Bewohner von Juunosé sich als Reaktion auf die zunehmenden Gewalttaten des Magistratums gegen Außenwelter und Nyunga für unabhängig erklärt und den Zugang zu der Insel gesperrt hatten. Um Juunosé herum war bereits seit mehreren Tagen gekämpft worden. So hatte Varitani erneut seinen Telepathen bemüht, um mit dem sich rasch vergrößernden Untergrundnetzwerk der Nyunga Kontakt aufzunehmen. Auf die Versicherung hin, dass man im Imperium über die Lage auf Xeiros Bescheid wusste und dass die Flotte ebenso wie Varitanis Team geschickt worden waren, um die Lage zu klären, sowie dem Versprechen, dass die Raumschiffe baldmöglichst in den Konflikt eingreifen würden, um die Unterdrückung zu beenden, hatten die Anführer der Widerstandsbewegung eingewilligt, die Gruppe nach Juunosé zu bringen.
Dort hatten sich mehrere Probleme kurzfristig etwas abgemildert. Zum ersten war die Notwendigkeit, sich vor den Behörden zu verbergen, nicht ganz so drückend wie in jeder anderen Siedlung von Xeiros Prime, zum zweiten war es in Juunosé auch leichter, Nahrung für Außenweltler zu erstehen. Dort kümmerten sich die Leute weniger darum, was die Inquisition von Xeiros als Ketzerei bezeichnete.

"Dieses Dreckloch.", brummte Tereen verstimmt, als er von Bord des Schwebers auf Juunosé hinabblickte.
"Tatsächlich. Aber wen wundert es, dass sich die Diener des falschen Imperators genau hier verstecken.", pflichtete ihm Alrihn, die eng an ihn geschmiegt neben ihm saß, bei.
"Es ist ein Nest des Widerstands gegen unsere Dominanz auf Xeiros Prime. Wir sollten es versenken." Die Augen von Astrion Malqevis glühten in ihren Höhlen. Er saß den Zwillingen gegenüber und kämpfe gegen den Gedanken an, seine Hand in Alrihns Kleidung zu schieben. Sie warf ihm hin und wieder durchaus ermunternde Blicke zu, doch ihre eigene Hand spielte unverschämt deutlich in der Hose von Tereen.
"Der Hexer hat den Verschlinger gerufen, nicht wahr?", flüsterte Alrihn da verschwörerisch. "Was er wohl tun wird?"
"Was wohl - er wird sie finden und vernichten.", antwortete Tereen.
"Das bleibt abzuwarten.", erwiderte Malqevis und versuchte den Sitz seiner Hosen etwas zu lockern. "Varitani ist vom Ordo Malleus. Die können gegen seine Art kämpfen."
"Pah." Fast spuckte Tereen die Worte aus. "So etwas wie ihn haben sie noch nie gesehen." Der Zwilling erhob sich rasch, so dass Alrihn eher unsanft zur Seite gestoßen wurde und klopfte an die Wand zum Cockpit. Ein Schlitz öffnete sich und der Helm eines der Piloten wurde sichtbar. "Schon eine Nachricht von unten?"
"Bisher noch nicht.", antwortete der Co-Pilot.
"Sobald Sie etwas hören, beginnen sie umgehend mit dem Beschuss.", befahl Tereen.

Dumpfes Dröhnen drang von oben zu ihnen herab. Nick Runsit hob besorgt den Kopf.
"Das hier wird doch nicht instabil werden, oder?", fragte Lucius Frost und blickte konzentriert auf die Wände.
"Das klingt nach Waffenfeuer. Ein Angriff auf den schwimmenden Schrottplatz.", gab der Ex-Gardist zurück. Er hatte schon genug Explosionen in allen möglichen Entfernungen und durch alle möglichen Materialien hindurch gehört, dass es seiner Meinung nach für ein Leben mehr als ausreichte. Zu seiner gedämpften Stimmung trug dies genau soviel bei wie die Tatsache, dass der im Freien aufgewachsene Chnishnit liutstam Hrun'Sith gerne enge Räume mied, wenn irgend möglich. Und viel beklemmender als in einer engen, seit langen Jahren verlassenen Anlage unter Tonnen von Metall, Beton und Wasser ging es wohl nicht. Der Stammeskrieger überprüfte den Sitz seines massiven Rucksacks, der seinen Schweren Bolter und Munition beinhaltete und zog die Riemen nochmals fest.
Lucius Frost und er waren mittlerweile einige Meter unter dem Meeresspiegel und die Temperatur war signifikant gefallen. Die massiven, hohlen Träger der alten Bohrinsel boten mehr als genug Raum für etliche Stockwerke, die momentan noch Infrastruktur zur Aufrechterhaltung von Sauerstoffversorgung und Energie sowie gigantische Zahnradkonstruktionen beinhalteten, deren Zweck sich den beiden Akolythen bisher nicht erschlossen hatte.
Sie waren eine von mehreren Gruppen, die Varitani auf unterschiedlichen Routen durch die Träger der Bohrinsel schickte. Jede Gruppe für einen Träger. Die Hohlräume gingen laut ihren Informationen nicht allzu weit hinunter, da der Wasserdruck ab einer gewissen Tiefe die Ingenieure gezwungen hatte, auf Massivbau umzusteigen. Auf dem vorletzten Stockwerk sollte es eine Verbindung zwischen den Trägern geben, mittels derer sie sich treffen wollten. Unterwegs waren alle relevanten Spuren auf den Verbleib der Daten zu finden und dann zusammen zu legen. Frost blickte zum unzähligsten Mal auf seinen Auspex-Scanner und verfluchte innerlich den Aufenthaltsort dieses Labors, das sie bisher noch nicht einmal gefunden hatten, und auch die unorthodoxe Bauweise dieser Bohrinsel.

"Einige Male schon.", gab Immarut Railoun zu. "Der Gedanke hat etwas Verlockendes an sich. Einfach aussteigen und gemeinsam leben."
"Aber es ist, als ob man weiß, dass das ein Traum bleiben wird, nicht?" Die traurige Andeutung eines Lächelns huschte über den fein geformten Mund von Cattaleya VanSovrean. "Man denkt darüber nach in all dem hier." Ihre Hand wies auf ihre Umgebung. Sie waren in einem Teil der Anlage, die von rostüberzogenen Metallkonstruktionen bestimmt wurde. Als erstes der Teams, die Varitani in alle vier Pfeiler der Bohrplattform geschickt hatte, waren sie bereits am weitesten vorgedrungen. Das lag jedoch nicht nur am dem Zeitvorsprung sondern auch an der unheimlichen Fähigkeit der Diebin, Schlösser zu knacken. Es war fast so, als stünden die Türen einfach offen. Aufgrund ihres Vorsprungs waren sie auch am tiefsten und hatten nur mehr so gerade eben die dumpfen Aufschläge weit, weit über ihnen wahrgenommen. Sie hatten inne gehalten und gelauscht, doch nachdem einige Zeit Ruhe geherrscht hatte, waren sie erneut dem Plan und Immaruts Auspex gefolgt.
"Gerhart sollte man so etwas nicht hören lassen.", erwiderte Immarut nachdenklich.
"Hm, wohl nicht. Der ist etwas eindimensional, was solche Sachen angeht."
"Was alle Sachen angeht."
Diesmal war das Grinsen auf dem Gesicht der Diebin nicht ganz so traurig, erstarrte aber, als ihr ein Gedanke kam. "Ist es das, was diesen Auftrag hier so gefährlich macht? Ist das der Makel? Dass man darüber nachdenkt, ob es das wert ist? Ist das schon Ketzerei?"
Immarut ergriff ihre Schulter, und sie musste stehenbleiben.
Sie wandte sich um. "Du bist echt ansteckend mit Deinem Philosophieren, weisst Du das?" Der Kommentar klang weniger frech und verspielt als von ihr geplant, eher gequält.
Immarut seufzte schwer. "Es hat etwas für sich, wenn Gerhart sich von solchen Gedanken generell fern hält. Damit läuft er sicher weniger Gefahr, korrumpiert zu werden."
Sie nickte.
"Ich habe Dir auf dem Flug vor ein paar Wochen schon einmal gesagt, dass ich die Bedrohung durch den Erzfeind sehr wohl fürchte und auch den Makel. Aber ich glaube an viele Vorgaben des Ministorums nicht: dass Ignoranz irgendetwas bringen kann, dass es der rechte Weg für mich ist. Der Trick ist eben nur, den Feind zu kennen, aber nicht zu ihm zu werden."
Einer ihrer Finger legte sich auf seine Lippen. Sie kam ihm ganz nahe und hauchte ihm ins Ohr, ihr Gesicht von Sorge gezeichnet: "So etwas solltest Du nicht sagen, nicht einmal hier. Sie würden diese Gedanken nicht tolerieren."
Er umfing sie mit seinen Armen. "Mach Dir keine Sorgen, Cattaleya. Ich spreche nur zu Dir so. Ich weiß um die Grenzen, die uns auferlegt sind. Ein menschlicher Geist kann das Immaterium niemals verstehen oder beherrschen." Er schob sie auf Armeslänge von sich weg und sah sie treu und ehrlich an. "Wer mich der Ketzerei bezichtigt, ist ein Dummkopf, denn ich stehe fest zum Imperium, zur Menschheit und zu Ihm."
Sie glaubte ihm und nickte.
Immarut wurde unruhig und sah sich um.
"Was ist denn?"
"Dieser Geruch... Ozon..."
Unter ohrenbetäubendem Krachen explodierte eine Bodenplatte direkt hinter Immarut regelrecht, und der Interrogator wurde weggeschleudert. Cattaleya fand sich plötzlich am Boden liegend wieder, eine riesige, dunkle Gestalt ragte über der benommen den Kopf schüttelnden Diebin auf.
Das Herz der Adeligen raste vor Schreck, als sie ihren Blick ihrem Angreifer zuwandte. Es dauerte nur einen Moment, dann war er über ihr, doch ihre trainierten Sinne nahmen eine Flut von Informationen wahr, die in den nächsten Sekunden in ihr Bewusstsein drangen, als sie bereits unter dem Wesen begraben war. Kein Mensch, gut drei Meter groß, sehr muskulös gebaut, schien keine Haut im herkömmlichen Sinne zu haben, die Muskelstränge und Sehnen waren wie bei einer anatomischen Replikation nach außen hin sichtbar, und die von Rot ins Violett gleitende Struktur glänzte beständig feucht. Ein starker Geruch nach Ozon und Moschus erfüllte betäubend schwer die Umgebung.

Den von einem Hornkranz und zwei seitlichen abstehenden längeren, spitz zulaufenden Hörnern bedeckten, vollkommen unbehaarten Kopf seiner Beute zuwendend, fuhr sich der Verschlinger mit seiner langen Zunge über die gebleckten Reißzähne und starrte das zarte Geschöpf vor ihm mit seinen Augen an, die dem erbärmlichen Menschenwesen wie pechschwarze, substanzlose Höhlen erscheinen mussten. Bereits jetzt emittierte sein Opfer den geradezu ekstatisch wirkenden Duft von Angst, was sich als heißes Ziehen in seinen Lenden bemerkbar machte. Es würde schnell gehen, so sehr verlangte es ihn nach diesem kleinen Menschlein, und er lehnte sich über sie.

Cattaleyas Arme fuhren zu ihren Beinen, wo sie die vertrauten Griffe ihrer Energieklingen Vaniryl und Sovrean fand. Mit einem Summen erwachten sie zum Leben, als sie nach dem Daemon schlug, doch das Wesen war viel zu schnell für sie. Heftig krachte sein Schädel gegen ihr Gesicht und ihr Kopf gegen den Boden. Sie schmeckte Salz und Eisen in ihrem Mund, als sich Schwärze in ihr Blickfeld schob, als sie zur Seite sackte und den in einer Blutlache liegenden blonden Schopf sah.

Der Verschlinger entwand die erbärmlichen Menschenwaffen ihrem schlaff werdenden Griff und schleuderte sie zur Seite. Sein heißer Atem wusch über die Menschenfrau, deren Brustkorb sich im Rhythmus der von Angst und Anstregung beschleunigten Atemzüge hob und senkte.

Eine klauenbewehrte Hand packte nach Cattaleyas Kleidung, und zusammen mit einem Ziehen an Schultern und Hüfte hörte sie das Reißen von Stoff, dann spürte sie das Gefühl der klammen Umgebungsluft auf nackter Haut. Sie blinzelte, um klarer sehen zu können und begann sich in Abwehrbewegungen zu verkrampfen, doch der Griff des Daemons war eisenhart. Er lag fast vollständig auf ihr, sein Gewicht einfach unbezwingbar. Cattaleya spürte, dass etwas Weiches, Warmes ihr linkes Bein an der Innenseite entlangglitt und Panik stieg in ihr auf.

Der Verschlinger ergötzte sich an dem Anblick der vor ihm entblößt daliegenden Menschenfrau, und Speichel troff aus seinem Maul auf ihren Bauch. Ein daemonisches Grinsen enthüllte erneut sein bemerkenswertes Ensemble an messerscharfen Zähnen. Er merkte, wie erregt er bereits war und rieb seinen Unterleib weiter an ihren Beinen, während er sich nach vorne beugte, um sie mit seiner langen, harten Zunge abzulecken - über ihre Wange, ihren Hals, ihre Brustwarzen und ihren Nabel.

Tränen schossen Cattaleya aus den Augen, als sie den warmen Atem des Monsters auf ihrem Gesicht und seinen Gestank in ihren Atemwegen spürte, als sie das heiße und feuchte Pulsieren an den Innenseite ihrer Beine spürte, das immer wieder auf und ab glitt, immer deutlicher spürbar werdend. Sie stieß verzweifelte Schluchzer aus, als die Zunge des Wesens über alle Teile ihres Körpers glitt und sein Speichel sie befleckte. Als sie unterhalb ihres Bauchnabels wanderte, schrie sie aus Leibeskräften und wehrte sich ein letztes verzweifeltes Mal. Kurz bekam sie ein Bein frei und trat nach ihrem Folterer, doch genauso gut hätte sie eine Wand aus Plaststahl treten können. Mit wachsender Verzweiflung erhöhte sich der Druck gegen ihre Beine und sie glitten noch weiter auseinander. Bald schmerzten aufgrund ihrer Versuche, das zu verhindern, ihre Muskeln so sehr, dass sie sich nicht mehr wehren konnte.

Gerade, als der Verschlinger zustoßen wollte, warf sich - einen gellenden Schrei aus Wut und Verzweiflung brüllend - eine Gestalt mit wehender Löwenmähne voll Wucht gegen seine Seite, und zwei zartblaue Lichtklingen schlugen in seinen Körper. Von dem tolldreisten Angriff überrascht war die Masse des Angreifers zwar nicht groß genug, die Aberration ganz von Cattaleya hinunterzustoßen, aber doch zumindest so weit, dass sie sich wieder bewegen konnte. Sofort strampelte sie wie verrückt, trat und versuchte sich in Richtung ihres Retters zu schieben.
Der Verschlinger bewegte sich augenblicklich, um sie wieder zu packen, doch erneut stieß der Löwe mit den Klingen nach ihm und schlug zwei weitere tiefe Wunden. Das Brüllen des Daemons ließ die Wände erzittern.

Immarut kämpfte wie ein Bessessener - den Kampf seines Lebens für die Liebe seines Lebens. Die Ausgeburt des Immateriums war ihm haushoch überlegen, das war ihm klar. Er war ein Mann, dessen Stärken im Denken und Wissen lagen, der vielleicht recht gut schießen konnte, aber keinesfalls ein Schwertmeister war - dafür hatte Varitani Gerhart Thracian und vor allem Hrubens Arn angeheuert. Mit dem Mut der Verzweiflung und einem inbrünstigen Zorn, der seine blutüberströmten, verkrampften Züge verzerrte, schlug der Interrogator Mal um Mal nach dem Verschlinger, der den Angriffen auswich und immer wieder in die Richtung von Cattaleya schielte. Das Zucken des daemonischen Fleisches zwischen den Beinen der Bestie trieb Immarut Railoun nur noch mehr an, und bar jedes Selbsterhaltungstriebes warf er sich gegen seinen Feind.

Der Verschlinger blickte noch einmal unsicher zwischen dem furiengleichen Männchen und seinem sich kriechend davonschleppenden Opfer hin und her, dann stieß er wütend die Luft aus den nüsterngleichen Nasenlöchern seines bestialischen Gesichts. Er warf sich in einem Sturmangriff nach vorne, ignorierte die Schmerzen, als sich beide Klingen in seine Brust bohrten, umfasste die Taille des kleinen Menschen wie ein Schraubstock und rammte ihn am gegenüberliegenden Ende des Raumes hart gegen die Wand, so dass ein Keuchen und das Entweichen seines Atems zu hören waren.

Cattaleyas Gesicht war eine Fratze aus verlaufenem Makeup, Tränen, verquollenen Augen und Blut, das aus ihrer Nase und ihrer aufgeplatzten Lippe lief. Ihr zerschlagener Körper wurde nur mehr von wenigen Fetzen bedeckt, und das nur an wenig wichtigen Stellen. Sie griff nach einem Geländer, als mit einem Brüllen der Daemon mit Immarut in seinen Armen einer Dampframme gleich an ihr vorbeistürmte und ihren Geliebten gegen die nächste Wand warf. Ein Wimmern entfuhr ihr, doch sie biss die Zähne zusammen und griff nach dem Geländer über ihr, um sich hochzuziehen. Immarut!

Der Interrogator hustete und spuckte Blut aus. Er versuchte sich aufzurappeln, doch da schloß sich die Klauenhand des Daemons wie ein Schraubstock um seinen Hals. Schnell wurde er puterrot im Gesicht, und seine Augen begannen aus ihren Höhlen hervorzutreten. Er schlug mit den Armen aus, seine Beine berührten bereits nicht mehr den Boden.
"Wie der erbärmliche Wurm, der Du bist, könnte ich Dich zerquetschen, Mensch.", fast erbrach der Daemon das letzte Wort, so sehr troff es vor Geringschätzung. Seine Stimme war überweltlich tief und durchdrang mit ihren Vibrationen Fleisch und Knochen. "Da Du Dich jedoch so vehement um einen Platz ganz vorne bemüht hast, werde ich gnädig sein." Erneut zog ein breites Grinsen über seine Züge und sein Griff lockerte sich soweit, dass Immarut wenigstens etwas Luft in seine brennenden und gequälten Lungen saugen konnte.
Ein kratzendes Geräusch ließ den Kopf der Immateriumsbrut herumfahren und er sah Cattaleya, die zerlumpt und verletzt über den rostigen Gitterboden auf ihre kostbaren Energieklingen zukroch. Sie würde noch einige Meter zurücklegen müssen, Zeit genug für ihn.
"Komm!", knurrte der Daemon Immarut ins Gesicht und zerrte ihn brutal mit sich zu einem dunklen Durchgang. Ein mächtiges Schott stand seitlich etwas verbogen in den Türraum hinein. Grinsend packte der Verschlinger Immaruts Handgelenke und hob den schlaffen Körper einfach mit einer Hand hoch. Immarut begann sich erneut zu wehren, doch eine Kopfnuss betäubte den Interrogator. Der Daemon trug ihn die letzten zwei Schritte zu dem Schott, hielt seine Arme mit einer Hand in den Durchgang, wobei er seine eingene Hand tunlichst davon fernhielt, dann griff er nach dem Metall und begann zu ziehen. Das uralte Werk gab ein protestierendes Ächzen und Stöhnen von sich und Rost rieselte in feinen Bröseln auf den Gitterboden und durch ihn hindurch in die Dunkelheit darunter. Schließlich löste sich das massive Metall, und mit voller Wucht rammte es der Daemon gegen die Arme des bewusstlosen Interrogators.
Das Knacken von Knochen war zu hören, gefolgt von einem johlenden, langezogenen Aufschrei aus der Kehle des Löwen. Cattaleya hatte Vaniryl fast erreicht, doch geleitet von dem neuerlichen Speer der Angst, der sich - vom wahnsinnigen Brüllen ihres Geliebten geführt - in ihr rasendes Herz bohrte, wandte sie sich mit weit aufgerissenen Augen um, den zuckenden Körper mit zerschmetterten Armen in einem Schott hängend vor ihrem ungläubigen Antlitz, die dunkle Gestalt des Teufels über ihm.
Blut lief langsam an dem Schott hinab, das fast komplett geschlossen war. Der Verschlinger grinste frohlockend und beugte sich zu dem Blondschopf, um ihm ins Ohr zu flüstern: "Hier kannst Du in Deinen letzten Minuten Zeuge sein, wie ich mich mehre." Er sog prüfend den Duft des Menschen ein. Ein Erkennen überzog seine Fratze. "Ah.", schnaufte er genüßlich. "Sie ist Dein, nicht wahr? Ich kann Dich in ihr riechen."
Pein jenseits aller körperlichen Qualen hielt auf dem Gesicht des Interrogators Einzug, der wahrhaft am Ende seiner Kräfte war.
"Ich werde sie ficken, bis sie blutig und zerstört hier vor Dir liegt, Du erbärmlicher Wurm, und dann kannst Du zusehen, wie sich meine Saat an ihr sattfrißt, während sie sich aus ihrem windenden Leib befreit." Langsam wandte sich der Verschlinger ab und hielt auf Cattaleya zu, deren Finger bereits nach dem Griff von Vaniryl tasteten.
Tränen der Verzweiflung, geboren aus dem Wissen der eigenen Ohnmacht und dem Bewusstsein der absoluten Notwendigkeit seines Eingreifens liefen das Gesicht des Interrogators hinunter. Als der Verschlinger nach Cattaleya griff und ihre Energieklinge nach ihrem kraftlosen Hieb erneut einfach wegschleuderte, spuckte Immarut blutigen Speichel durch vor Schmerzen zusammengepresste Zähne, als er sich gegen das Schott stemmte und unter heulenden Schmerzenslauten begann, sich davon abzustoßen. Gleißende Agonie schoß durch die Überreste seiner Arme, doch er kam nicht frei. Er riss und zerrte und schrie und blutete.

"Das ist es? Sieht nicht gerade beruhigend aus." Granits Mahlsteinstimme wurde von den nahezu glatten Wänden des Korridors als Echo widergegeben.
"Seit wann sieht denn irgend etwas auf Xeiros Prime vertrauenerweckend aus?", fragte Lucius trocken. "Dieser Gang führt direkt zu einer zentralen Kammer, von der aus die Gänge zu den anderen Pfeilern verlaufen."
"Hoffen wir, dass die anderen mehr Erfolg hatten als wir hier. Wenn ich an die Explosionen von vorher denke, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir noch Besuch bekommen."
"Oh, mein Geld setze ich auf Honeymoon. Die findet immer was Schönes." Kurz lächelte Lucius und dachte daran zurück, wie lange Railoun und er selbst gebraucht hatten, um ihr in Sibellus auf die Schliche zu kommen.
Die beiden Akolythen verließen ihren Pfeiler und durchquerte den Tunnel, der zwischen den mächtigen Trägern der alten Bohrinsel über eine Zentralkammer die verschiedenen Laborbereiche miteinander verband. Ihr Pfeiler war augenscheinlich primär als Aufenthalts- und Schlafbereich genutzt worden - ein Blindgänger also. Es blieb nur abzuwarten, welche Gruppe auf den Datenerfassungstrakt stossen würde.

Wieder fuhr der Assassine nervös herum und stierte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere. Phos Isand seuftzte genervt. "Da ist nichts, Blender."
Hrubens Arn ignorierte den Telepathen und verharrte mehrere lange Sekunden starr in seiner Stellung, ehe er sich wieder ihrem Ziel zuwandte. Eine Hand lag am Griff seines Energieschwerts, die andere hielt ein Auspex. Seit den detonationsähnlichen Geräuschen war er irgendwie aufgekratzt und unruhig.
Er ist momentan mehr eine Belastung als eine Hilfe. Trotzdem, der Gedanke, hier unten ganz allein unterwegs zu sein, war auch für den abgebrühten Psioniker Phos Isand nicht besonders attraktiv. "Was ist denn los mit Dir?"
Blenders Kopf schoß nach rechts, wo Vox leise neben ihm her ging. "Gar nichts.", schnappte er. "Hab' einfach ein ungutes Gefühl."
"So kenn' ich Dich gar nicht. Beruhigt mich nicht unbedingt, das ist Dir doch klar?"
"Drauf geschissen, Vox, was Dich beruhigt. Irgendwas stimmt hier absolut nicht."
Vox zog die Brauen hoch. Na gut, einfach nicht sein Tag. Auch nicht so hart, wie er immer tut. Eine Welle der Übelkeit brandete über den Telepathen hinweg. Er wurde fast aus seinem Körper gerissen, so kam es ihm vor. Ein starker Sog hatte sich im Immaterium gebildet, gar nicht weit weg von ihm. Er konnte sich selbst zu Boden gleiten sehen und Blender erneut herumfahren, seine Klinge gezogen. Hinter sich spürte er den Sog und wandte sich ab. Sein Körper würde nicht weglaufen und er wollte so gerne wissen, was das war. Vor sich sah er, wie eine übermenschengroße, humanoide Gestalt mit Hörnern durch das Immaterium in die wirkliche Welt trat, ganz nahe bei ihm, und damit aus seinem Sichtfeld verschwand.
Schnell blickte er auf seinen Körper. Es würde viel zu lange dauern, wieder von ihm Besitz zu ergreifen. Das Fleisch ist schwach und viel zu behäbig. Noch immer starrte Blender nur die Umgebung an. Die Zeit schien fast nicht zu vergehen. Doch Vox war klar, was er da gerade gesehen hatte - einen Daemon, der in ihrer direkten Nähe aus dem Immaterium getreten war - und auch, dass er keine Sekunde verlieren durfte. Er konzentrierte sich kurz, um alle seine Gefährten erreichen zu können und sandte seine telepathische Nachricht.

"Das ist es doch, Herr Inquisitor?", erkundigte sich Pater Gerhart Thracian und kniete neben der Konsole des Cogitators nieder.
Varitani nickte und verstaute den Auspex-Scanner an seinem Gürtel. Er ließ seinen Rucksack vom Rücken gleiten und holte zwei Energiezellen hervor. Diese verband er mit schnellen Griffen mit der Cogitatoreinheit, während Gerhart ihm mit einem Leuchtglobus assistierte. Da erwachte der Maschinengeist des alten Rechners zum Leben und gab ein ratterndes Husten von sich. Er hatte lange geschlafen. "Würden Sie die Verbindung herstellen, Pater?" Mit diesen Worten reichte er dem Kleriker eine Datentafel mit einem Verbindungskabel.
Wortlos nahm der Schwarze Priester von Maccabeus die Gegenstände und ging zum hinteren Ende des massiven, alten Cogitators. Dort sang er mit gedämpfter Stimme die Formeln des Fehlerfreien Anschlusses und konnektierte genau an der vorgeschriebenen Stelle die beiden Geräte. Es musste alles reibungslos funktionieren, denn sie würden keine Gelegenheit haben, wiederzukommen.
In dem Moment vernahm Gerhart Thracian mit voller telepathischer Wucht die Stimme ihres Psionikers Phos Isand in seinem Kopf und legte instinktiv die Hände vor das Gesicht, um sich zu schützen, was natürlich nutzlos war. Der Inhalt der Nachricht trug mehr als alles andere dazu bei, dass er sich sofort wieder fasste: "Obacht, ein daemonischer Angreifer tritt gerade über die Schwelle! Eines der Teams ist in höchster Gefahr!"
Nicht einmal mit Voxskrit übermittelt - da das ja auf telepathischem Wege nicht notwendig war - bestand nicht der geringste Zweifel an der Dringlichkeit. Pater Thracian ließ die Datentafel los, so dass sie an dem kurzen Stück des Verbingungskabels von dem Cogitator herunterbaumelte und mit ihren Kupferbeschlägen an dem alten, rostroten Gehäuse anschlug. "Herr Inquisitor!"
Varitanis Gestalt tauchte vor ihm auf und bewegte sich rasch auf ihn zu. "Ich habe es auch gehört. Gehen Sie, Pater! Hier scheint der Angriff nicht zu erfolgen! Es ist nur mehr ein Stockwerk bis zu dem Verbindungsgang!"
Gerhart berührte sanft das Headset, das er trug und sprach: "Familienrat für Chefkoch, riecht jemand eine verbrannte Mahlzeit?"
Nach einer Sekunde vernahm er die Stimme von Hrubens Arn: "Der Sänger macht Mittagspause, probt aber schon wieder. Das Essen riecht schmackhaft."
"Chefkoch für Wolf, Gesang wurde vernommen, hier keine verdorbene Nahrung." Die Meldung war von Lucius Frost gekommen.
Einige lange Momente später war offensichtlich, wer Probleme hatte.
Rasch tippte Varitani zweimal auf seine Datentafel, dann reichte er sie dem Redemptionistenpriester. Darauf war schematisch der ungefähre Weg dargestellt, den er würde nehmen müssen.
Gerhart riß sein Kettenschwert Dies Irae aus seiner Halterung und lief los; der durch sein künstliches Bein nicht hundertprozentig gleichförmige Rhythmus seiner Schritte war bald nur noch eine Erinnerung. Varitani formte das Zeichen der Aquila und schickte ein heißes Gebet an den Imperator empor.

"Welche Richtung, Frost, welche Richtung?!", donnerte ihm Nick Runsit entgegen, während sie schlitternd zum Stillstand kamen. Sie befanden sich in der zentralen Kammer zwischen den Pfeilern und ein unbeständiges Knacken und Ächzen hatte sich der Geräuschkulisse aus nur stumpf wahrgenommenen Aufschlägen und dem Echo von Schreien beigemengt. Es war das Material der Außenwände, das auch nach all dieser Zeit noch dem gigantischen Druck des Ozeans direkt neben und über ihnen trotzte.
Der Ex-Arbitrator sah schnell atmend auf seinen Auspex-Scanner. "Nach links!"
Sofort verschwamm die dunkle Gestalt des riesenhaften Stammeskriegers mit der Finsternis; das Poltern seiner schweren Kampfstiefel war jedoch deutlich zu hören. Lucius schaltete auf den Nachtsichtmodus seiner Kontaktlinsen und setzte ihm nach, während er eine seiner steinalten und hervorragend verarbeiteten Boltpistolen zog.
Sie hetzten den Gang hinunter. Umgeworfene Regale, zerbrochene Gläser, alte Datentafeln und anderer Hausrat lagen überall verstreut. Ein Anzeiger an einer der Wände wies ihren Weg als zu den Umweltsystemen führend aus. Das Schreien wurde deutlicher und erzeugte eine gespenstische Atmosphäre. Irgendjemand erlitt gerade Höllenqualen. Vor Lucius war plötzlich eine Öffnung. Er sah die Gestalt des Hühnen, der mit einer schnellen Bewegung seinen massiven Rucksack auf den Boden sausen ließ und sich dann Hals über Kopf über ein Geländer schwang und verschwand. Gleich darauf hörte er den Aufprall.
Lucius erreichte das Geländer. Er blickte in einen fast kreisrunden, offenen Raum, der von rostigem Metall dominiert wurde. Neben einem unangenehm vertrauten Ozongeruch nahm er vier Gestalten wahr. Als erster sprang ihm eine riesige Bestie mit Hörnern ins Auge, die sich über eine zweite, viel kleinere Person beugte und sich an ihr zu schaffen machte. Dann blickte er schnell nach rechts und sah den blutbespritzten Railoun, den er aufgrund seiner Haare sofort erkannte, in einer Art Schott oder Feuertüre eingeklemmt. Er hing schlaff daran herab - das Geschrei, das wenige Momente vorher aufgehört hatte, war wohl von ihm gekommen. Die vierte Person, die er sah, war Nick Runsit, der in einem Wahnsinnstempo auf den Gehörten zuhielt.
Lucius konzentrierte sich genauer auf den Daemon. Er hatte natürlich schon erraten, wer da unter ihm lag, auch wenn er sie nicht genau erkennen konnte. Das nackte Hinterteil der Bestie, das ihm diese entgegenstreckte und das nur aus Muskelfasern zu bestehen schien, sowie das Gemächt dazwischen, das sie widerlich an Cattaleya rieb, ließen nur einen Schluß zu, was dort im Gange war. Auch wenn das mit der Waffengattung, die er verwendete sehr gefährlich war, er durfte keine Zeit verlieren. Außerdem war Nick Runsit alleine unterlegen. Er packte seine Boltpistole mit beiden Händen und legte an. Imperator, verdamme mich, wenn ich jetzt danebenschieße!

Heftige Weinkrämpfe schüttelten den geschundenen Körper von Cattaleya VanSovrean, während sich der Verschlinger erneut über sie hermachte und die herzzerreißenden Schmerzensschreie Immaruts sowie deren Echos wie ein Kanon der Agonie durch die stinkende Luft schallten.
Ein Knall durchbrach diese Atmosphäre wie der erste Donnerschlag nach einem heißen Tag im Sommer. Sie kannte dieses Geräusch! Ein Schuß! Von ganz weit her kam die Erinnerung aus ihrem gemarterten Verstand, der sich schon so weit zurückgezogen hatte. Sie sah das Bild ihres engsten Freundes vor sich, so wie er immer ausgesehen hatte: ein kragenloses Hemd, kurze, dunkle Haare, ein Lho-Stäbchen im Mundwinkel und eine Boltpistole in der Hand. Sie merkte, wie der Körper des Verschlingers über ihr zuckte und etwas Warmes auf ihren Körper spritzte. Sie sah nicht hin, sondern erschauerte nur vor Ekel. Egal, ob es sein Blut oder seine Saat war, es war fast nicht zu ertragen. Ein ohrenbetäubendes, andersweltliches Gebrüll erhob sich über ihr, als der Verschlinger sich von ihr abwandte.

Eine dunkle Gestalt setzte mit riesigen Sprüngen auf ihn zu, ein wildes Kriegsgeheul aus einer Kehle ausstoßend, die mit sich aneinander reibenden Granitblöcken gefüllt zu sein schien. Wenn ihn der Geruch nicht verraten hätte, so wäre es für den Verschlinger durchaus denkbar gewesen, dass ihm hier ein anderer Bewohner des Empyreums seine Beute streitig machen wollte. Der Verschlinger ignorierte das Loch in seinem rechten Gesäßmuskel, so gut es ging und sprang selbst nach vor, um seinem Angreifer würdig zu begegnen.

Es gab keine bewusste Handlung mehr, dazu war alles viel zu schnell. Schon früh in seiner Laufbahn als Krieger hatte sich Chnishnit liutstam Hrun'Sith darauf verlassen können, dass sein Körper wusste, was zu tun war, wenn es hart auf hart ging. So war es bei den rituellen Kämpfen auf Crest N'darr gewesen und bei den Kämpfen auf Leben und Tod. So war es bei den Büßern gewesen, in all den Gräben und Dschungeln, auf all den Monden und Welten, die er mit ihnen besucht hatte. So war es auch immer gewesen, wenn er als Akolyth Nick Runsit, als Granit, für die Imperiale Inquisition in die Schlacht gezogen war. So wie es immer gewesen war, war es auch in diesem Moment. Wenn dieses Sich-Fallenlassen in den Strom des Kampfes, das Sich-Selbst-Aufgeben im Augenblick der Notwendigkeit das Öl war, das die Maschine Chnishnit liutstam Hrun'Sith am Laufen hielt, beweglich und geschmeidig, dann war der Anblick der gemarterten Cattaleya Amalia VanSovrean, des zartesten Wesens, das er hatte kennenlernen dürfen, wie wildes Feuer, das dieses Öl in Brand setzte, das ihn durchloderte - Granit stand in Flammen, ein berstendes Höllenfeuer, dem keine Macht der Welt sich würde engegenstellen können.
Doch der Verschlinger war nicht von dieser Welt. Er sprang mit einem Urschrei auf den Stammeskrieger zu und schlug mit einer Klaue nach ihm.
Granit spürte seine Haut bersten, als er die Klaue mit seinem linken Arm abwehrte, doch mit der Rechten führte er bereits einen mächtigen Schlag gegen das Gesicht des hautlosen Gehörnten. Seine Muskeln waren zum Bersten gespannt, getrieben durch die tiefe innere Wut - sein Körper kämpfte, während Granit tief im Inneren saß und zusah. Er merkte, wie Knochen im Gesicht der Bestie brachen, setzte mit seinem ganzen Gewicht und der Wucht des Ansturms nach und rammte dem Biest seine Schulter dorthin, wo bei Menschen das Brustbein zu Ende war und stemmte sich wild gegen die Massen aus daemonischem Fleisch.
Es war, als wäre der Hühne gegen eine Wand gelaufen. Einmal, zweimal krachte der Kopf des Daemons gegen seinen, so dass er benommen zurück taumelte, dann traf ihn ein Fuß vor dem Brustbein und er wurde nach hinten geschleudert. "Verdammte Würmer!", grollte die Aberration und wollte sich gerade wieder Cattaleya zuwenden, als ihn der nächste Schuss an der Schulter traf.

Lucius jubelte nicht lange über den unwahrscheinlich guten Treffer in der Hinterbacke des Daemons und wartete auch nicht das Ergebnis von Granits Sturmlauf ab. Er tat es seinem Kollegen gleich und schwang sich über das Geländer, um geschmeidig auf dem Gitterboden unten aufzukommen. Sofort hob er erneut die Waffe, als er hörte, wie sich die beiden Kontrahenten anbrüllten. Dann sah er, wie der Stammeskrieger wenig anmutig durch die Luft und fast bis zur entgegengesetzten Wand flog. Auch dies ignorierte der Verstand des Ex-Arbitrators in diesem Moment und konzentrierte sich auf Cattaleya, die fast bewegungslos auf dem Boden lag. Granits Ablenkung hatte nicht lange vorgehalten, denn der Daemon hatte sie bereits wieder im Visier. Schnell hob Lucius die Waffe. Er wusste, wenn er nur einmal daneben schoss, konnte das reichen, um die strukturelle Integrität der Einrichtung soweit zu gefährden, dass sie alle überflutet würden.

Sein Ziel war gut, doch jetzt entdeckte ihn das Biest. Einen Wutschrei ausstoßed kam der Verschlinger rasend schnell näher. Angst schoss in dem Ex-Arbitrator hoch und er schaltete auf Salvenfeuer um. Pfeiff auf die strukturelle Integrität. Beide Schüsse saßen, doch die Bestie wurde kaum verlangsamt. Lucius warf sich zur Seite, und der Daemon krachte hinter ihm in einen Stapel aus morschen und verrottenden Holzkisten, nur um sich sofort wieder umzuwenden. Selbst in dieser Situation fiel Lucius auf, dass der Fortsatz zwischen den Beinen des Daemons ein Eigenleben zu haben schien und wild hin und her zuckte. Was war das für ein Vieh?!
Frost musste die Pistole liegen lassen, als sein Verfolger ihm nachsetzte und angelte sich eine von Honeymoons Energieklingen. Aber er war kein großer Kämpfer. Zwei Hiebe der Klauen parierte er gerade eben, dann fuhr eine davon direkt durch seinen Arm. Lucius schrie auf, als die Klinge zu Boden polterte, dann nochmals, als ihn ein Tritt des Biests zu Boden schickte.
"Nun werde ich Dich zerquetschen." Turmhoch stand sein Mörder über ihm, die Wunden, die der Daemon ihm Kampf erlitten hatte, schlossen sich bereits. Lucius war müde, verzweifelt und blutete - kurzum, er war fertig. So endet es...
Der Verschlinger hob die Klaue, um sein mikriges Opfer auszuweiden, als ein seltsames Geräusch zu hören war. Lucius erkannte es. Das kleinmotorige Schnarren und das Reiben der gegenläufigen Kettenklingen von Dies Irae mischten sich mit einem satten Schmatzen und Reißen, als es in die Flanke des Daemons biss. Dieser fuhr wild herum und hieb nach seinem neuen Angreifer, doch dieser duckte sich viel flinker, als man hätte annehmen mögen.
Er kann mit einer Klinge umgehen.
"In Seinem Namen, Daemon, der da ist Imperator, gebiete ich Dir, weiche!", tönte gebieterisch und furchteinflößend die Stimme des Schwarzen Priesters von Maccabeus, stetig unterlegt vom Rattern seiner Kettenwaffe. Wiederholt schlug er nach dem Daemon und trieb ihn tatsächlich zurück.
Nach wenigen Momenten war Lucius wieder bei Sinnen. Seine Armwunde blutete heftig, also musste er sich erst einmal darum kümmern. Sein rechter Arm war nicht zu verwenden, also hantierte er ungeschickt mit einem Tuch herum, schaffte es aber nicht recht, sich einen Verband anzulegen.
"Ich bin da.", hörte er plötzlich in seinem Kopf die Stimme von Vox und noch nie zuvor - da war sich Lucius sicher - hatte er sich mehr darüber gefreut. Als sich der Telepath zu ihm hinabbeugte und seinen Arm wenig sanft begutachtete, huschte der Schatten, der Hrubens Arns war, an ihnen vorbei, um Gerhart in seinem Kampf beizustehen. Der Maccabeus-Priester war mittlerweile hart in der Defensive. Zwar verletzte sich der Daemon jedes Mal, wenn der Pater einen seiner Klauenangriffe mit der Kettenwaffe parierte, doch die kleinen Wunden schlossen sich fast so schnell, wie sie geschlagen wurden. Wirbelnd schloss sich der Assassine dem Reigen aus Angriffen, Finten, Paraden und Riposten an.
Frost sog scharf die Luft ein, als sich sein Fleisch schloss. Es tat immer weh, durch psionische Anwendung geheilt zu werden.
"Nichts zu danken.", grummelte Vox und richtete seine Aufmerksamkeit einen Moment lang auf den Daemon, dann auf die nackte Cattaleya. Er wollte sich gerade in ihre Richtung auf den Weg machen, als ihn Lucius' Hand an der Schulter packte. "Ich kümmere mich schon um sie. Danke, Isand. Sehen Sie doch bitte nach Railoun, der braucht Sie dringender, denke ich."
Der Telepath verzog das Gesicht. Statt der Frau meiner Träume krieg ich einen zahnlosen Löwen, der mehr tot als lebendig ist. Wortlos wandte er sich ab, auf das Schott zu, unter dem sich eine beachtenswerte Blutlache gebildet hatte. Fast wie nebenbei griff Vox nach Vaniryl.

Lucius hob seine fallengelassene Boltpistole auf und lief zu Cattaleya. Sie zitterte, als Lucius neben ihr anhielt. Schnell betrachtete er sie von Kopf bis Fuß. Sie war so gut wie komplett unbekleidet, zu keinem geringen Teil von einer Art Schleim bedeckt und ihr rechter Unterschenkel von Blut verklebt. Verletzungen waren allem Anschein nach nur von geringer Natur.
"Honeymoon.", sagte er eindringlich und fing ihren ängstlichen Blick auf. Sie erkannte ihn Momente später und rappelte sich auf. Dann klammerte sie sich wild an seinen Arm, so fest, dass es schmerzte.
"Lucius.", wimmerte sie.
"Schon gut, Catt. Ich hol' Dich raus."
Ein Krachen ertönte und Lucius sah gerade noch, wie sich Granit unter einem Metallkonstrukt wegduckte, dass der Verschlinger nach dem Stammeskrieger geworfen hatte. Gerhart lag am Boden, Blender attackierte den Daemon weiterhin hart und auch Nick Runsit war wieder im Rennen. Er hielt eine monomolekulare Keule in Händen.
Lucius halferte die Pistole, lockerte seinen Flak-Umhang und legte ihn um die Schultern der Diebin, dann half er ihr hoch. Als sie sich ein paar Schritte wegbewegt hatten, hörte er ein Brüllen und stampfende Schritte hinter sich. "Sie ist mein!" Ohne sich umzusehen, stieß Lucius Cattaleya nach rechts, warf sich nach links und zog noch im Sprung eine seiner Boltpistolen.
Der Verschlinger stürzte zwischen Cattaleya und Lucius hindurch, hätte sie erwischt, wenn der Ermittler nicht so schnell reagiert hätte. Und Frost war noch nicht fertig. Er zielte blitzschnell und schoß eine Salve aus zwei Boltpatronen ab, die tiefe Löcher in den linken Arm und den Rücken des Daemons sprengten. Lucius fiel jedoch sofort auf, dass das Loch im Gesäß der Bestie schon wieder fast geschlossen war. Verdammt. Wie sollten sie so etwas besiegen?

Granit und Blender waren sofort zur Stelle und bedrängten die Warp-Bestie erneut. Lucius rappelte sich auf und lief zu Cattaleya, die ihrerseits auf ihr Gepäck zukroch, das sie beim Erscheinen der Aberration anscheinend hatte fallen lassen. Rasch holte er sie ein. "Was machst Du denn? Wir müssen hier raus."
In dem Moment erzitterte der ganze Raum heftig und die Temperatur sank rapide. Ein ohrenbetäubendes Gebrüll ließ alle im Raum zusammenzucken und der Ozongeruch intensivierte sich. Als sich Lucius umdrehte, flogen Granit und Blender gerade durch den Raum und krachten gegen ein Metallrohr in zweieinhalb Meter Höhe.
Eine Gestalt stand auf der Galerie, hochgewachsen und schlank, in eine violett-rote Robe gehüllt. Die aschfahle Haut, die sich über das dünne Gesicht mit den hochliegenden Wangenknochen spannte sowie die angespitzten Zähne ließen Lucius nicht Gutes erahnen. "Bei allen verderbten Mächten, was geht denn hier vor sich?", fragte die Gestalt mit honigsüßer, jedoch von purer Falschheit triefender Stimme.
Erneut brüllte der Verschlinger und wollte sich gerade auf Gerhart Thracian stürzen, der ihm am nächsten stand, als der Neuankömmling die Hand hob. "Kringhnarwakrir!"
Sofort, als er das Wort hörte, wurde Lucius übel und er musste Erbrochenes zurückwürgen. Neben ihm übergab sich Honeymoon lautstark. Der Maccabeus-Priester stand ungerührt da, doch auch Granit und Blender sahen fahler aus als normal, und Blut floss aus ihren Ohren.
"Was soll das?! Du hast nur eine Aufgabe, Sklave. Mehre Dich! Kannst Du das mit diesem Mann tun?!", die Hand des Scheltenden wies auf den dunkel tätowierten Soldaten. "Oder mit diesem Einfaltspinsel?!", er wies auf Gerhart.
Der Daemon schnaubte trotzig, und der Hauch eines Kopfschüttelns war zu sehen.
"Dann schnapp Dir die nackte Frau und tu, was Du am Besten tust!", herrschte der Neuankömmling ihn an.
Der Blick der Immateriumskreatur wandte sich gierig suchend nach Cattaleya um, der das Blut in den Adern gefror. Lucius hob schnell die Boltpistole und feuerte erneut eine Salve auf ab, doch diesmal auf die dünne Gestalt des Neuankömmlings.
Die Boltpatronen blieben einfach in der Luft vor ihm stehen und vielen zu Boden. "Oh, bitte. Wie lächerlich." Dann streckte er einen Arm nach Lucius aus und ein violett glühendes Energiegeschoss raste auf den Ex-Arbitrator zu. Lucius warf sich zur Seite, als eine Hitzwelle über ihn hinwegfuhr.

Phos Isand erreichte Immarut, noch immer bewusstlos in dem Schott hängend. Der Blutverlust war bereits substantiell, aber wie der Psioniker kurzerhand feststellete, lebte der Interrogator noch. Vox klemmte seine Finger zwischen das Schott und die Wand und zog. Es bewegte sich keinen Millimeter. Ein Ausschlagen seines Psi-Sinnes ließ ihn sich ducken, direkt bevor eine Wand aus heißer Luft, nach Ozon stinkend, ihn erreichte. Ihm lief die Zeit davon. Ein kurzer Blick auf die Energieklinge in seiner Hand genügte Vox, um eine Entscheidung zu treffen. Kurz klopfte er dem bewusstlosen Immarut auf die Schulter: "Geht nicht anders. Aber sieh's mal so: aller Wahrscheinlichkeit nach bist Du sowieso erledigt." Dann schnitt er.

"Hagelsturm!", rief da der Kampfpriester, der gerade mit einem Knopfdruck sein Kettenschwert wieder in Betrieb nahm, an Granit gewandt.
Der Stammeskrieger nickte und begann die Treppen hinaufzulaufen, wo er seine Ausrüstung hatte liegen lassen.
Der Verschlinger war schon wieder halb bei Cattaleya angelagt, als Gerhart hinzusprang. Auch diesmal verschwendete der Kleriker keine Zeit mit Worten, sondern hieb der Kreatur das Kettenschwert in die Seite. Befriedigend fraßen sich die gegenläufigen Zähne der Kette durch Muskeln, Sehnen und Knochen. Wütend schnellte der Daemon herum, doch der Priester wich seiner gestreckten Hand aus und vollführte eine schnelle Rückhandriposte direkt zwischen die Beine, wo sich das Sägeinstrument tief in sein Gemächt grub.
Die Augen des Verschlingers traten aus den Höhlen und er brüllte vor Schmerzen so laut auf, dass sogar der Pater einen Moment lang geschockt war. Ein mächtiger Hieb der Bestie ließ den Priester niederstürzen, dann zog sich das Monster das Kettenschwert aus dem Leib und fluchte in einer Sprache, die keiner der Akolythen verstand oder kennen wollte.
Noch einmal schoss eine Energiekugel durch den Raum und traf dort auf, wo Pater Thracian gerade gelegen hatte. Die rauchende Gestalt des Kampfpriesters befand sich hustend einige Meter weiter hinten.
Lucius feuerte erneut eine Salve Boltpatronen auf den Verschlinger ab, die ihm tiefe Wunden in die Brust rissen, als weitere Gestalten auftauchten. Ein riesiger Krieger mit zwei Kettenäxten in Händen und dahinter zwei kleinere Gestalten, eine mit einer langen Klinge bewaffnet, die andere mit einem teuflischen Grinsen.
Das werden zu viele. Wir müssen sofort hier raus! Gerade in diesem Moment ertönte erneut ein erbärmlicher Schmerzensschrei und Lucius' Kopf fuhr zu Vox und Immarut herum. Gerade ließ der Telepath eine Klinge fallen, die er anscheinend mitgenommen hatte und Immaruts Körper schlug auf dem Boden auf. Sofort war Isand über ihm. Übelkeit kroch wiederum in Lucius hoch, als er sah, was weiterhin in dem Schott klemmte.
"Tötet diese lächerlichen Wichte, dann suchen wir Varitani!", rief der Riese mit den Kettenäxten.
"Oh, ich bin hier."

Der Satz war leise gesprochen, doch trug die Stimme über allen Lärm, alles Stöhnen, und die Augen aller Anwesenden, sogar die des Daemons richteten sich auf den Sprecher. Oben auf der Galerie, direkt vor dem Eingang zu der Hub-Kammer, stand Inquisitor Varitani, einfach in seinen schwarzen Ledermantel gekleidet, anscheinend unbewaffnet.
Der Verschlinger agierte als erster und brüllte aus voller Kehle, als er zu einem übermenschlichen Sprung ansetzte. Zwei Sätze später stieß er sich ab und schnellte mit ausgebreiteten Klauen auf den Inquisitor zu, der ungerührt stehen blieb. Alles geschah blitzschnell. Direkt vor Varitani blieb der Daemon mitten in der Luft hängen, nicht begreifend, was mit ihm passierte. "In Nomine Suo Te Expello.", sprach Varitani genauso ruhig wie eben und genauso wurde er gehört. Der Verschlinger kreischte auf, als sich sein Körper zu verformen begann und Blasen warf.
Ein Schuß, voll und satt, von zahlreichen Echos gefolgt, war zu hören, und die Warp-Kreatur wurde aus dem Stasefeld und gegen die nächste Wand rechts von Varitani gerissen. Von ihrem Kopf war fast nichts mehr übrig. Mit einem unruhig bebenden Ausatmen verließ die Anspannung den Körper von Cattaleya, als sie ihr Hochleistungsgewehr sinken ließ und sich den Flak-Mantel wieder um ihr geschundenes Selbst schlang.
Bei diesem Startschuss setzte die Bewegung ein. Astrion Malqevis, der Krieger mit den Äxten, sprang auf den Boden hinab, wobei die Kettenmechanismen an beiden Waffen ihre grimmige Arbeit aufnahmen. Seine Augen glühten in Vorfreude und ein durch und durch weißes Lächeln durchdrang seinen dichten, schwarzen Bart. Hrubens Arn ließ beide seiner Klingen einmal in den Händen kreisen, dann griff er an.
Nick Runsit führte das Band mit der Munition in die Ladeöffnung seines schweren Bolters, als er die Stimme von Phos Isand unangenehm direkt in seinem Kopf hörte: "Ich brauche hier mal Hilfe. Der hier ist schwer." Ein Bild, das ihm der Telepath sandte, verriet ihm dessen Position. Vox zerrte gerade den Körper des Interrogators - was davon noch ganz war - in Richtung der Treppen. Die junge Frau mit dem Grinsen, Alrihn, verließ auf der gegenüberliegenden Seite den Abgang und hielt auf ihn zu, während der Jüngling mit der langen Klinge, Tereen, sich dem Redemptionistenpriester zuwandte.
"Verdammt.", brummte Vox, als er seine Widersacherin sah. Da hörte er hinter sich bereits die festen Schritte von Granit. Während der Hühne begann, ihm Immarut abzunehmen und mühelos die Treppe nach oben zu tragen, fing Phos Isand den äußerst lasziven Blick der sehr jungen Frau auf. Der Telepath spürte den Sitz seiner MarkIV-Laspistole in ihrem Halfter und fragte sich, ob er schnell genug sein würde. An seinem Gegenüber war keine Bewaffnung zu erkennen, also wappnete er sich für einen psionischen Angriff.

Varitani schnellte auf Zaabesz zu. Mit einem Zischen verschwand der Hexer, war einfach weg. Ein schrilles Lachen ließ Varitani herumfahren. Zaabesz griff in die Luft und zog einen Stab aus dem Nichts. Er war ebenso lang wie der Chaos-Hexer selbst und widerwärtig anzuschauende Runen glühten rötlich in dem alabasterfarbenen Material. "Wartet nur, Inquisitor, wartet nur. Wenn unser Herr und Meister erst hier ist, werdet Ihr der erste sein, der seinen Stiefel leckt."
Serpentin Varitani hielt nicht viel von Konversationen mit dem Erzfeind und beim Imperator, er hatte es nicht notwendig, sich hier mit diesem verdammenswerten Ketzer Beleidigungen um die Ohren zu werfen. Die Faust des Imperators würde für ihn sprechen.
Als er sich in vollem Lauf näherte, musste er zweimal psionische Angriffe abwehren. Er selbst ließ beide Klingen aus seinen Unterarmen hervorschnellen – bläulich knisterte die Energie über sie hinweg. Den Stab mit der Linken zur Seite fegend, drang die Rechte in den Körper seines Gegenübers, das zu taumeln begann.
Schmerzverzerrt streckte der Chaos-Psioniker im Zurückweichen seine gespreizten Finger nach ihm aus und ein violetter Wirbel fuhr Varitani entgegen. Der Inquisitor musste sich an dem Geländer der Galerie festklammern, um nicht davongeweht zu werden. Er sah abscheuliche Bestien vor seinen Augen, gespensterhafte Finger unzähliger Gliedmaßen, die nach ihm griffen, nach seinem Körper, seiner Seele.

Astrion Malqevis blutete bereits aus mehreren Wunden, doch das störte ihn wenig. Der wuselige Assassine Hrubens Arn war zwar flink, doch würde wohl ein einziger Treffer einer seiner Äxte ausreichen, um diesen Gegner zu zerquetschen. Es war ein guter Kampf und Astrion frohlockte. Er konnte bestimmen, wohin es ging, also drang er wieder und wieder mit wilden Angriffen auf den kleinen Kämpfer vor ihm ein.

"Ich kann in Eure Seele blicken, Gerhart. Ich darf Euch doch Gerhart nennen." Tereens Grinsen hätte täuschen können, wäre nicht zum Ersten die hauchdünne Klinge von doppelter Armeslänge in seiner Rechten gewesen und wäre ihm zum Zweiten nicht ein Schwarzer Priester von Maccabeus gegenüber gestanden.
"Hinfort von mir, Ketzer! Der Schmutz aus Deinem Munde trifft mich nicht!" Dies Irae schnarrte und brummte, als Gerhart es hob. Ich hätte den Flammer mitnehmen sollen.
"Ihr seid kein Kind von Traurigkeit. Ich kann es sehen." Stetig kam Tereen näher. "Es ist in Eurer Seele, in Euch selbst. Ihr seid nicht der, der Ihr zu sein vorgebt. Ich sehe Euch in Eurer Flottenuniform, so wie früher, stets eine Frau an Eurer Seite, das zweitwichtigste nach Eurer Karriere."
Gerhart Thracians Miene war unergründlich, ehern wie stets im Angesicht des Feindes. Er fühlte nichts außer dem Hass auf die Ketzer, die Warp-Anbeter und dem unstillbaren Quell der Zuversicht, welcher der Gewißheit entsprang, Sein Werk zu tun. Er ließ sich nicht ködern.

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