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Der Fluch des Purpurthrons

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Hunter:
Der Sündenbock
von Karja

Die Nachricht, dass die Mörderin des Königs gefunden wurde verbreitete sich durch die Straßen Korvosas. Ihr Name war Trinia Sabor. Diese Wendung der Ereignisse gab den Unruhen auf den Straßen wieder neuen Auftrieb, allenthalben bildeten sich Mobs mit der Absicht der Mörderin als erste habhaft zu werden. Da die Königin eine ordentliche Hinrichtung wünschte, beauftragte sie nicht nur ihre regulären Dienern damit, ihr Trinia Sabor zu bringen sondern zusätzlich auch die am höchsten in ihrer Gunst stehenden Abenteurergruppe. Auf dem Weg vom Palast in die Stadt wurden die vier Abenteurer von Vencarlo Orisini abgefangen, den ihnen bereits bekannten Leiter der Fechtakademie gleichen Namens. Er forderte sie auf im Falle einer Verhaftung Trinias diese nach Möglichkeit zuerst zur Stadtwache zu bringen, damit ihre Schuld einwandfrei festgestellt werden könne.

Der bisherige Aufenthaltsort der Bardin, die als Portraitmalerin für das Königshaus gearbeitet hatte, war der Gruppe bekannt und so begaben sie sich so schnell wie möglich zu ihrer Wohnung in der Mondstraße. Die Wohnung lag in den Schindeln, einem Stadtviertel das sich über die Dächer von halb Korvosa erstreckt. Die Tür der Wohnung wurde ohne viel Federlesen aufgebrochen, was die tatsächlich Anwesende Trinia zur sofortigen Flucht veranlasste. Sie kam nicht weit, da sie durch einen Zauber gelähmt werden konnte. Im Grunde hatte die Bardin Glück, dass sie gefangen genommen wurde, denn vermutlich wäre sie nicht weit gekommen und einem Lynchmob in die Hände gefallen. Trinia stritt jegliche Beteiligung an dem Mord des Königs ab, eine erneute Befragung unter einer Zone der Wahrheit im Schutze von Tydens Wohnung brachte das gleiche Ergebnis. Die Gruppe war überzeugt, dass Trinia ein unschuldiges Bauernopfer war dem vermutlich die Vorliebe des alten Königs für junge Geliebte und die nachvollziehbare Eifersucht der Königin zum Verhängnis wurde. Die Unentschlossenheit der Abenteurer bezüglich Trinias weiteren Schicksals wurde schließlich durch das Auftauchen von Blackjack gelöst. Er machte sie darauf Aufmerksam, dass jede Übergabe an eine offizielle Stelle letztlich doch nur zur Hinrichtung Trinias durch die Königin führen würde und man sie daher verstecken müsse. Die Gruppe entschied sich für die Fechtakademie von Vencarlo Orisini, da dieser sie überhaupt erst dazu aufgefordert hatte Trinia genauer zu untersuchen und auch Blackjack Orisini als eine der möglichen vertrauenswürdigen Personen in der Stadt – neben Cressida Kroft – empfahl. Nach anfänglichem Zögern erklärte sich Orisini bereit der Bardin Unterschlupf zu gewähren.

Jetzt bleib nur noch das Problem was man der Königin berichten sollte. Die Gruppe vertraute auf das bewährte Rezept die Cerulean Gesellschaft anzuschwärzen, indem man der Königin ein Stück cerulean-blauen Stoffes präsentierte, das angeblich in dem ansonsten leeren Apartment gefunden wurde. Dummerweise war die Königin nun so aufgebracht, dass sie eine Vergeltungsaktion gegen die Gesellschaft forderte. Den Abenteurern wurde von Kroft ein Versteck der Gesellschaft genannt, das die Stadtwache schon länger auf der Liste hatte. Das Versteck war nach außen ein normales Lagerhaus, in dem jedoch tatsächlich verbotene Schmuggelware umgeschlagen wurde. Die Abenteurer kämpften sich in die unter dem Haus gelegene geheime Basis vor, bis zum Anführer der Schmuggler, einem Mann namens Taug. Dieser zeigte sich von den Taten der Abenteurer milde beeindruckt, machte jedoch klar, dass eine weitere Einmischung nicht geduldet würde. Die Abenteurer erklärten sich bereit, zum Austausch für Tydens gestohlenen Ehering, der sich in Taugs Besitzt befand, und der Freilassung zweier Ulfen Kinder, die die Gesellschaft an den Nekromanten Lamm verkaufen wollte, den Ort friedlich zu verlassen. Gegen das Versprechen, beizeiten Informationen über den Verbleib des Nekromanten Lamm zu erhalten und hin wieder mit lukrativen Aufträgen versorgt zu werden, erklären sich die Abenteurer zudem bereit, die Cerulean Gesellschaft fürs erste in Ruhe zu lassen.

Einige Tage später hallte die Nachricht durch die Gassen, dass Trinia Sabor festgenommen wurde und demnächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit hingerichtet werden sollte. Einen Verrat fürchtend eilten die vier Abenteurer zur Fechtakademie, fanden Trinia dort jedoch wohlauf vor. Offenbar hatte die Königin ein weiteres unschuldiges Opfer gefunden, das sie als die echte Trinia verkaufen wollte. Aufgrund ihres bereits erworbenen Vertrauens konnte die Gruppe erreichen der Hinrichtung als Gäste beiwohnen zu dürfen. Die Person die hingerichtet werden sollte hatte entfernte Ähnlichkeit mit Trinia war ansonsten jedoch eine Unbekannte. Imke beschwerte sich öffentlich über den Schwindel, wurde jedoch zum Schweigen gebracht. Kurz bevor das Fallbeil niedersausen konnte erschien Blackjack erneut wie aus dem Nichts. In der darauf folgenden Panik unter den Gästen gelang es diesem das unbekannte Opfer zu retten. Der armselige Henker wurde noch an selbigen Ort von Sabin Merrin getötet, als Strafe für seine Inkompetenz. Der Tumult erlaubte es auch den vier Abenteurern sich unbehelligt davon zu machen, so schnell sollten sie sich jedoch nicht mehr in der Nähe des Palastes blicken lassen.

Hunter:
Rückblick auf das erste Abenteuer - Am Rande der Anarchie

Das Abenteuer hat mir sehr gut gefallen, und das aus mehreren Gründen: Die Charaktere kommen viel in der Stadt herum und lernen alle wichtigen NSCs und Organisationen nacheinander kennen. Die NSCs sind auch eng miteinander verzahnt und bilden daher eine lebendige Welt ab. Zusätzlich verwenden wir in unserer Gruppe noch ein Gerüchte-System - welches gut ankommt - und wodurch die Spieler viele Hintergrundinformationen (Richtige und Falsche) zugespielt bekommen. Durch diese sind haben sie die Geschiche schon auf aufregende Art und Weise verändert.

Natürlich läuft die Gruppe nur von einem Auftrag zum nächsten, aber dafür ist die Szenerie der im Chaos versinkenden Stadt sehr spannend. Schade fand ich, dass keine Anreize für weitere Szenen gegeben werden, welche in der Stadt stattfinden. Da musste ich selbst meinen Kopf anstrengen.

Das ganze Abenteuer macht von anfang an deutlich, wie wichtig es ist, dass die Charaktere eng mit der Stadt verzahnt sind. Wo wohnen sie, wen kennen sie? Warum sollte es ihnen wichtig sein die Stadt zu rettn?

Kein Abenteuer ist allerdings ohne negative Kritik: Zum einen ist hier Lamm; bei der Charaktererschaffung wird er als großer Nemesis aufgebaut und soll dann gleich am anfang überrannt werden. Nein, nicht lustig. Ich habe ihn daher mit Rolth, dem Nekromanten aus dem 2. Abenteuer verschmolzen und so den Charakteren eine größere Langzeitmotivation gegeben. Meine Spieler - denen ich das gesagt habe - fanden das sehr gut. Ansonsten hätte sich die Abenteuergruppe - wenn man ehrlich ist - nach dem Kampf in der alten Fischerei gleich wieder aufgelöst. So haben sie noch eine längere Motivation zusammen zu bleiben; bis zum Ende hoffentlich.

Der zweite Kritikpunkt betrifft die (nicht vorhandene) Zeitlinie. Das Abenteuer müsste sich etwa so abspielen:
Tag 1 - Die Abenteurer stürmen die Fischerei und töten Lamm. Zur gleichen Zeit stirbt der König.
Tag 2 (oder 3) - Die Spieler bringen die Brosche zur Königin zurück und bekommen den Auftrag sich bei Feldmarschall Kroft zu melden.
Tag 3 (oder 4) - Kroft schickt sie zur Metzgerei, wo die Jungs seit Wochen (? hä?) Fleisch verkaufen und Leute verprügeln.

Das war der Grund, warum ich den Auftrag mit Devargo vorzog und zwischen diesem und dem Aufräumen in der Metzgerei zumindest 1 Woche verstreichen ließ. Ansonsten wäre das zu Hahnebüchern gewesen.

Außerdem fügte ich einige Charakterbezogene Nebenquests ein und ließ ein paar Dinge ihre Schatten voraus werfen (Rolth enführt Kinder für einen unbekannten Zweck; Sabina Merrin wirbt Frauen von der Stadtwache und der Schwarzen Kompanie ab; der Seneschall wird zuerst vermist und schließlich für Tod erklärt, etc.)

Alles in allem ein sehr schöner Einstieg und ich freue mich schon auf das dunkle 2. Kapitel des Abenteuerpfades.

Hunter:
Der Tod kommt nach Korvosa
von Jubrayl

Nachdem in Korvosa wieder etwas Ruhe eingekehrt war klopfte es eines Morgens an der Tür von Zellaras Haus. Ein aufgelöster Grau Soldado stand vor der Tür und bat die vier Helden um Hilfe. Seine Nichte Brienna sei erkrankt und niemand wisse, wie die schreckliche Krankheit zu behandeln wäre. Auch der gerufene vudranische Kleriker Ishani Dhatri konnte mit seinen Kräutchen keine Linderung verschaffen. Die Kleine, so Grau, habe schreckliche Gliederschmerzen, Grippeerscheinungen und rote Pusteln. Die Krankheit habe sich sehr schnell entwickelt. Wenn die Abenteurer nicht helfen würden, müsse Brienna sterben. Die Hoffnung, dass gerade die vier Helden diese seltsame Krankheit kennen würden, ist gering, doch sie machen sich sofort auf den Weg zum Haus der Familie Soldado.

Dort angekommen sehen sie sich ebenfalls überfragt und können nicht mehr ausrichten, als das Geld für die Heilung zur Verfügung zu stellen. Sie erfahren allerdings, dass die Kleine vor drei Tagen am Strand gespielt hatte. Dies ist insofern interessant, da gerüchteweise um diese Zeit ein mutmaßliches Piratenschiff vor der Küste versenkt wurde. Vielleicht hängt diese mysteriöse Krankheit mit dem Schiff zusammen? Am Strand können die Abenteurer allerdings keine Hinweise darauf finden, dass die Kleine sich hier angesteckt haben könnte. Mit Hilfe der Seuchen- und Krankheitenbibliothek, des Nekromanten Lamm kann die Seuche als Vorells Phage oder Blutschleier identifiziert werden. Die Krankheit ist dem Eintrag zufolge das erste Mal in Sandspitze aufgetreten und ist zwar unbehandelt tödlich aber auch eher wenig ansteckend.

Am nächsten Tag bittet Vencarlo Orisini die vier Helden darum, die echte und die falsche Trinia Sabor aus der Stadt zu bringen, da es mittlerweile zu gefährlich in Korvosa für alle beteiligten würde. Die Frauen können bei Freunden vom ihm Unterschlupf finden. Die Abenteurer beschließen, die beiden zu verkleiden und mit einem Ruderboot aus der Stadt zu bringen. Auf dem Weg zum Hafen bemerken sie bei zahlreichen Einwohnern Alt-Korvosas Anzeichen der Krankheit: Grippeerscheinungen und rote Pusteln. Sollte die Krankheit doch ansteckender sein, als in den Aufzeichnungen in der Bibliothek beschrieben? Sollte sie sich gar zu einer Seuche in der Stadt entwickeln?

Die Überfahrt der beiden Trinias verläuft ohne Zwischenfälle. Auf der Rückfahrt kann Karja es nicht lassen, dem Gerücht mit dem Piratenschiff nachzuspüren. Trotz Haien und anderen Ungetümen im Fluss taucht sie nach den Überresten des Piratenschiffs, kann aber nichts Beweiskräftiges findet.

Jal eilte zu Cressinda Kroft, um die Oberen über den möglichen Ausbruch einer Seuche zu informieren und zum Handeln aufzufordern – seine Vermutung wird dadurch gestärkt, dass zahlreiche Stadtwachen im Hauptquartier ebenfalls über schreckliche Gliederschmerzen stöhnen, so schnell und heftig verbreitet sich keine normale Grippe. In der Zwischenzeit besuchen die anderen drei Helden die genesene Brienna. Aus einem Krankenbesuch wird eine peinliche Befragung durch Karja, welche die Kleine zwar in Weinkrämpfen zurücklässt, aber nichtsdestotrotz notwendig war, da das Kind unwissentlich das Verderben über die Stadt gebracht hatte. Brienna hatte am Strand eine mit Totenköpfen verzierte Schatulle gefunden, diese unvorsichtigerweise geöffnet und die darin enthaltenen Silbermünzen prompt in der Stadt ausgegeben. Die Schatulle lag tatsächlich noch am Strand herum und konnte geborgen werden. Zellara identifizierte sie als magische Schatulle zum sicheren Transport von verseuchtem Material. Dieses naive Mädchen hatte sie einfach geöffnet und den Inhalt munter in der Stadt verbreitet.

Wie bereits vermutet, bricht die Seuche mit aller Kraft in der Stadt aus. Wieder herrscht Panik auf den Straßen und alle Erkrankten eilen zu den Tempeln der Stadt mit der Hoffnung auf Hilfe. Die vier Helden, selbst auf der Suche nach Heilung gegen die Seuche, flüchten sich vor einem Mob in den Tempel des Abadar.

Aus unerklärlichen Gründen sind gerade in diesem Tempel alle Priester und Diener krank und weigern sich, bevor sie selbst die Seuche in ihren eigenen Mauern in den Griff bekommen haben, Bewohnern der Stadt Hilfe zuteil werden zu lassen. Dieses Chaos muss beseitigt werden, daher beschließt die Gruppe, eine Konferenz mit den Oberhäuptern der größten Tempel im Hauptquartier der Stadtwache einzuberufen, um ein koordiniertes vorgehen zur Bekämpfung der Seuche zu planen. Alle Oberhäupter erklären sich für ein Treffen bereit.

In der Zwischenzeit scheint die Königin nicht untätig geblieben zu sein. Als die Truppe von Abenteurern und Priestern gerade im Hauptquartier der Stadtwache eintrifft, wird die Stadtwache darüber informiert, dass der königliche Leibarzt Reiner Davaulus, zusammen mit den anderen königlichen Ärzten und den grauen Jungfern – die neu geschaffene Leibgarde der Königin – die Krankheit durch Quarantäne und Abtransport der Leichen bekämpfen soll. Der Arzt behauptet, die Königin von früher zu kennen und eigens per Zauber in die Stadt teleportiert worden zu sein. Die Quarantänemaßnahmen werden also der Leibgarde und den Ärzten der Königin überlassen und die Maßnahmen zur Heilung der Bevölkerung wird von den Tempeln organisiert, auch wenn diese längst nicht so viele Heiltränke herstellen können, wie benötigt würden.

Die vier Helden folgen der Bitte Cressindas, den Handel mit scheinbarer Wundermedizin zu untersuchen und falls das Medikament tatsächlich Heilung verspricht alle Zutaten zu konfiszieren oder im Falle von Quacksalberei den Verkauf sofort zu stoppen. Wenn die besten Heiler der Stadt nicht wissen, wie die Krankheit mit konventionellen Kräutern und Salben geheilt werden kann, wie sollte dann eine einfache Parfumherstellerin auf diesem Gebiet erfolgreich sein? Natürlich handelte es sich um nichts anderes als ein Zitronensaftgetränk.

Einer weiteren Bitte Cressindas folgend sehen die Abenteurer in der Gaunerallee in Alt-Korvosa nach dem rechten um, denn dort werden die Leichen nicht ordnungsgemäß abtransportiert. Es scheint so, dass die Ärzte der Königin sich in Alt-Korvosa nicht blicken lassen und aus unerklärlichen Gründen die Anwohner sehr viele Leichen gerade in dieser Straße nicht anrühren. Es stellte sich schnell heraus, dass die Anwohner diese Straße wohl aus Angst meiden, Angst vor Vampiren, die sich in gerade in dem Spielwarenladen eingenistet haben, in dem Brienna zu allererst mit den verseuchten Münzen bezahlt hatte. Waren etwa die Vampire verantwortlich für die Verbreitung der Seuche in der Stadt?

Hunter:
Hungrig sind die Toten - Und in Feierlaune
von Karja

Während in Korvosa erneut der Ausnahmezustand herrschte, gab es nur einen Mann, der einen klaren Kopf behielt und tat was getan werden musste: Satisfaktion für eine aufgeschlitzte Matratze fordern. Diese ehrenvolle Mission, die keinen Aufschub duldete, war die Folge einer Hausdurchsuchung in der Wohnung des Barbaren Tyden, bei der nicht gerade zimperlich mit dem Mobiliar umgegangen wurde. Die Hausdurchsuchungen waren ein notwendiges Übel, angeordnet durch die Ärzte der Königin, um versteckte Infizierte in der geplagten Stadt ausfindig zu machen. Die Ärzte leisteten unter dem Schutz der Grauen Jungfern ganze Arbeit und waren auch nicht zu zimperlich, notfalls ganze Häuserblocks abzuriegeln, um die Seuche einzudämmen. Glücklicherweise scheiterte Tydens Versuch, Schadensersatz für seine aufgeschlitzte Matratze zu erhalten, bereits am Palasttor. Hätte die Klage „Tyden gegen die Monarchie von Korvosa“ Erfolg gehabt, wäre damit ein Präzedenzfall geschaffen worden, der unzählige Abenteurer in den Ruin getrieben hätte, da sie plötzlich von Goblins und anderen Verließbewohnern erfolgreich für das Eintreten ihrer Türen hätten verklagt werden können.

In diesen Tagen der erneuten Unruhe begab es sich auch, dass sich die Kirche von Pharasma hilfesuchend an die vier Helden von Korvosa wandte. Die Seuche wütete so schlimm, dass die Totengräber nicht mehr mit dem Beerdigen der Leichen hinterherkamen. Auf dem Friedhof hatte sich eine Horde Ghule breit gemacht. Die rastlosen Toten konnten leicht zur Ruhe gelegt werden.

Der Friedhof des Distrikts Grau wurde nur von einer niedrigen Mauer von Südküste getrennt, dem Viertel der Reichen und Schönen, auf dem sich das Anwesen der Carowyn-Familie befand. Imkes Mutter war dort hauptberufliche Gesellschafterin bei äußerst skandalösen Maskenbällen. Da Imke sich seit Ausbruch der Seuche um ihre Mutter sorgte, das Viertel jedoch von den Grauen Jungfern vom Rest der Stadt abgeriegelt wurde, war die niedrige Mauer auf dem ansonsten ausgestorbenen Gelände die ideale Gelegenheit, dort einmal nach dem Rechten zu sehen. Das Mäuerchen wurde leicht überstiegen und dahinter erstreckte sich eine weitestgehend leblose und verlassene Villensiedlung. Die Straßen waren von frei stehenden Anwesen mit großzügigen Gärten und hohen Außenmauern gesäumt. Nur hin wieder sah man einen Dienstboten dahineilen, der den Eindruck machte lieber ganz wo anders sein zu wollen.

Imke fand den Weg zur Familie Carowyn mit Leichtigkeit, doch man fand sich dort vor verschlossenen Türen wieder. Auch nach mehrmaligem Klopfen bemühte sich niemand, zur Tür zu kommen. Daher beschlossen die Helden, sich gewaltsam Zugang zu verschaffen. In der Eingangshalle bot sich die groteske Szene eines Maskenballs. Die Beteiligten waren tatsächlich mehr ent- als bekleidet und unter anderen Umständen hätte dies sicherlich ein exquisites erotisches Vergnügen sein könne, doch etwas stimmte nicht. Alle waren tot. Man sah es erst auf den zweiten Blick, die Augen der Feiernden waren leer und gebrochen, das Fleisch fahl und an manchen Stellen von offenen Wunden gezeichnet. Es blieb nicht viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, warum die Partygäste der Carowyns auch im Tode noch weiterfeierten, bzw. warum sie überhaupt tot waren, oder wenn sie schon tot waren, warum sie nicht tot blieben, sondern als Zombies durch die Gegend wankten, denn die Festgesellschaft bestand nachdrücklich darauf, dass auch die vier Helden an dem Ringelreihen teilnehmen sollten. Es entspannte sich ein Kampf, der kreuz und quer durch das Anwesen wogte, in dessen Verlauf sich auch die mutmaßliche Veranstalterin des Zombieballs zu erkennen gab. Eine nach allen Maßstäben verrückte Elfe namens Jolistina Susperio, die darauf bestand, den Kampf bis zum Ende, also ihrem eigenen Tod, auszufechten. Nachdem die Feierlichkeiten zu ihrem Ende kamen, durchsuchten die Helden den Rest der Villa. Viele alte Bekannte Imkes, darunter auch die Hausherrin, konnten unter den zur Ruhe gelegten Untoten gefunden werden, doch glücklicherweise hatten sich Herr Carowyn und Imkes Mutter im Keller verschanzt. Sie hatten den Überfall dort unten ausgesessen und sich die Zeit mit wer weiß was vertrieben.

Jolistinia Susperio hatte neben allerhand wahnsinnigem Gegackere auch mehrmals den Namen Rolth Lamm erwähnt. Daher beschlossen die Helden, die Elfe noch nicht Ruhen zu lassen, sondern ihren Geist nach ihren Motiven zu befragen. Glücklicherweise schuldete ihnen die Kirche der Pharasma ohnehin noch einen Gefallen. Zurück in der Kathedrale der Pharasma stellte die Bischöfin D’Baer den Kontakt in das Totenreich her und konnte zumindest einige Informationen aus der im Tode nicht weniger durchgeknallten Jolistina extrahieren. Offenbar stand sie mit Rolth Lamm in Kontakt. Sie hielt sich zumindest selbst für dessen Geliebte und meinte, in seinem Auftrag zu handeln. Befragt nach den Motiven von Lamm, hatte sie nur die Absicht „Leid und Tod“ zu bringen genannt, was wahrscheinlich auf etwa neunzig Prozent der Superschurken zutrifft. Interessant war zumindest die Aussage, dass Jolistinas Auftrag darin bestand, Leid und den Tod nicht nur zu den Armen, sondern auch zu den Reichen zu bringen. Dies erhärtete den Verdacht, dass die Seuche kein natürliches Phänomen war, sondern ein gezielter Anschlag, und zwar auf die Armen der Stadt. Diese wohnen vor allem in Alt-Korvosa, wo die Ärzte der Königin sich verdächtigerweise auch am wenigsten blicken ließen.

Die Anzeichen für die Richtigkeit dieser Vermutung sollten sich bald schon dramatisch verdichten, doch zunächst war noch ein Tauchgang zum Grund des Jeggare geplant, wo das ominöse Piratenschiff lag, dass die Seuche mutmaßlich in die Stadt gebracht hatte. Ausgestattet mit vier Rollen „Wasser atmen“ ruderten Tyden, Imke, Jal und Karja in die Mitte des Flusses. Dabei wurden sie von einer grün gekleidete älteren Dame „beobachtet“, die vermutlich einfach den Müll rausbrachte und aufgrund von Kurzsichtigkeit immer so aussah, als würde sie einen gerade anstarren. Trotzdem brach auf dem Ruderboot sogleich ein an Hysterie grenzender Tumult aus, da ja das Gerücht umher ging, dass im Jeggare eine Hexe lebe und diese kleine Kinder und große Helden esse. Die Gruppe musste von Karja mit vorgehaltener Waffe gezwungen werden, sich nicht wie ein aufgescheuchter Hühnerstall zu benehmen und endlich in den verfluchten Fluss zu springen. Der Tauchgang führte in eine Unterwasser-Wunderwelt, die zwar nicht bunt war und auch ohne singende Seesterne auskommen musste, dafür aber umso mehr grauem Schlick und dahintreibende Fäkalien bot.  Obendrein gab es feige Zitteraale, einen gefräßigen Hai und eine beinahe tödliche Meeresvettel. Damit hatte sich auch das Gerücht um die Hexe im Jeggare als Humbug erwiesen, denn es war offensichtlich eine Druidin. Das Wrack der „Räuberer“, so nannte sich das Piratenschiff, bot dann einige interessante Entdeckungen. Zum einen bestätigten die Beschädigungen, dass das Schiff angegriffen und dadurch versenkt wurde. Zum anderen fanden sich Beweise, dass es dem Leibarzt der Königin, Doktor Davaulus, gehören musste. Die Besitzurkunde befand sich raffinierterweise in einem offensichtlichen Schmuckkästchen versteckt, so dass im Falle, dass das Schiff jemals untergehen sollte und jemand das Wrack untersuchen würde, alle Beweise beim Öffnen der Kiste sofort durch das Wasser vernichtet würden. Trotzdem war der Name des guten Doktors für einen Moment deutlich lesbar, bis das Wasser die Tinte verlaufen ließ. Der Frachtraum des Schiffes war gefüllt mit weiteren Totenkopfkisten, genau wie jene, die am Strand angespült wurde. Es war jedoch die Kapitänskajüte, die den eigentlichen Fund bereithielt. Hier befand sich die Leiche eines der Leibärzte der Königin. Die Helden konnten zum ersten Mal unter eine solche Vogelmaske blicken und sie fanden ein unheiliges Symbol der Urgathoa unter der Kleidung des Toten, der bösen Göttin des Todes und der Verwesung, einer verbotenen Religion, die in keinem zivilisierten Landstrich offen verehrt wird. Zum anderen stellte sich heraus, dass die Masken der Ärzte nicht nur vor der Seuche schützten, sondern praktischerweise auch deren Gesinnung verbergen, sodass ihnen niemand auf die Schliche kommen kann.

Mit diesen verstörenden Erkenntnissen tauchten die vier Helden wieder aus den Tiefen des Jeggare Flusses auf. Kaum waren sie an Land, spitzten sich die Ereignisse zu und die Helden wurden Zeuge, wie alle Brücken nach Alt-Korvosa nieder gebrannt wurden und der der Stadtteil seinem Schicksal überlasen wurde. Es scheint, dass das Schicksal selbst Regie führen würde und die Ärzte irgendwie ahnen, dass man ihre Pläne durchschaut hatte.

Hunter:
Acht Blickwinkel
vom SL

Alles war bereit. In der Höhle stapelten sich Kisten voll mit Waffen aller Art. In erster Linie zwar nur Kurzschwerter und Armbrüste, Bolzen und leichte Rüstungen, aber das würde vollends ausreichen um rasch zuzuschlagen. Girrgiz war zufrieden und rieb sich voller Vorfreude die Hände. Zu lange musste er bereits hier unten in dieser Kloake hausen, ausgestoßen von den Bewohnern der Oberwelt. Musste von dem Leben, was die Menschen wegwarfen und hier unten angeschwemmt wurde. Musste immer wieder gegen die amoklaufenden Otyughs ankämpfen, wenn diese Amok liefen. Es war kein schönes Leben. Und es war vor allem Ungerecht! Aber das würde sich nun ein für allemal ändern. Girrgiz kicherte glücklich, so dass die Schnurbarthaare an seiner Schnauze vor Erregung zitterten. Zu schade nur, dass sie den gefangenen Otyugh nicht zur Zusammenarbeit überreden hatten können. Aber auch so war ihre Armee stark genug. Hunderte Ratten, ein gutes Dutzend Schreckensratten und zwanzig Werratten warteten hier und in anderen Verstecken nur darauf loszuschlagen. Alles hörte auf sein Kommando.

Doch was war das? Lautes Gequieke war vom Eingang her zu hören. Metall schlug auf Metall, Bolzen flogen durch die Luft. Hatte die Stadtwache etwa Wind von seiner Operation bekommen? Das war unmöglich. Und selbst wenn, hatten diese Pappnasen aktuell anderes zu tun als in die Kanalisation zu kommen. Einer seiner Lakaien kam völlig außer Atem in seine Höhle gerannt: „Fremde sind eingedrungen! Es sind die Helden der Königin! Sie töten uns, sie werden uns ALLE töten!“ Girrgiz trat vor und gab der panischen Werratte einen heftigen Schlag auf die Schnauze: „Beruhig dich und kehre auf deinen Posten zurück!“, schrie er und scheuchte die Ratte wieder aus der Höhle. Nebenan wurden die Kampfgeräusche lauter, Schreie von verletzten und sterbenden Ratten kamen dazu. Rasch legte Girrgiz daher seine Kampfausrüstung an, warf zwei Zaubertränke ein und zückte sein Rapier. Er würde sich seine Mission nicht von einigen dahergelaufenen Abenteurern zerstören lassen.

Mit der Waffe in der Hand stürmte er in die Haupthöhle. Überall lagen tote Werratten, dazwischen die blutbeschmierten „Helden“. Zumindest befand sich der Otyugh noch in seinem Gefängnis. „Ihr werdet mich nicht stoppen!“, kreischte Girrgiz, als er das Massaker sah und stürmte vor. Mit geschickten Schlägen hieb er auf die Abenteurer ein. Eine von ihnen trug das Symbol von Shelyn, der Göttin der Liebe, sie streckte er als erstes nieder. Dann fokussierte er seine Angriffe auf eine Menschenrau, die wie eine Katze gekleidet war. Welcher Affront! Mit mehreren Attacken zwang er sie zur Flucht. Doch auch wenn Girrgiz selbst tapfer kämpfte, so vielen seine Verbündeten Ratten nacheinander den Waffen der Eindringlinge zum Opfer; bis nur mehr er übrig war. Aber anscheinend hatten die Abenteurer genug. Schwer verletzt, die bewusstlose Klerikerin mit sich schleifend, traten sie den Rückzug an. Girrgiz folgte ihnen nicht. Wütend und schwer atmend stand er über dem Massaker. Überall tote Ratten. Mit dieser Armee würde er Korvosa nicht mehr einnehmen. Er würde sich wohl eine neue aufbauen müssen. Aber mit dieser Armee würde er sich zu allererst diesen vier Helden zuwenden. Niemand legte sich mit Girrgiz an und kam ungeschoren davon! Er steckte seine Waffe weg und flüchtete auf nur ihm bekannten Pfaden durch die Kanalisation zu einem der anderen Verstecke, die er besaß.

***

Wenn er etwas weniger Stolz hätte, dann würde Kommandant Endrin im Augenblick wohl weinen. Es war eine Schande, was die Königin aus der Schwarzen Kompanie gemacht hatte. Zur Untätigkeit verdammt saßen sie im Großen Turm herum und drehten Däumchen. Abgeschnitten von jeglicher Versorgung verhungerten ihnen die Greife in den Ställen, starben die Männer an Blutschleier und desertierten jene, welche nur einen Funken Verstand und einen Hauch zu wenig Loyalität besaßen. Es war klar, dass die Schwarze Kompanie, diesen Zustand nicht mehr lange würde ertragen können. Aber auch wenn Marcus dieses Elend kaum noch Ertragen konnte, so hatte er doch einen Schwur geleistet. Einen Schwur die Stadt Korvosa zu verteidigen und dem Seneschall zu gehorchen. Auch wenn dies ein Seneschall war, den er noch nie getroffen hatte und der nicht ganz rechtmäßig ins Amt berufen worden war. Aber es war immer noch der Seneschall.

Von daher kamen ihm die Helden von Korvosa ganz recht. Sie hatten zwar keine Neuigkeiten bezüglich des alten Seneschalls, Neolandus Kalepopolis, aber einige Hinweise darauf, dass die Königin alles andere als ein nettes Spiel spielte. Leider waren es aber nur das: Hinweise. Keine eindeutigen Beweise, mit denen Marcus einen Aufstand gegen die Königin anführen konnte. Und vor allem keiner, bei dem er sich sicher sein konnte die ganze Armee hinter sich zu haben. Und genau das teilte er den Helden auch mit: „Ich brauche etwas Eindeutiges um gegen die Königin vorgehen zu können. Ich kann keinen Putsch durchführen ohne eindeutige Beweise. Am besten wäre es natürlich, ihr könntet irgendwie den Verbleib von Kalepopolis herausfinden. Dann wäre der alte Seneschall wieder im Amt und wir könnten die Königin einfach in der Burg festsetzen, bis wir herausgefunden haben, was sie wirklich vorhat. Findet den Seneschall und alles wird sich zum Besten wenden! Marcus wusste selbst, wie gering die Chancen waren Neolandus zu finden. Selbst wenn er noch nicht tot war – umgekommen in den Unruhen nach dem Tod des Königs – war sein wahrscheinlichster Aufenthaltsort der Kerker der Burg. Wie dem auch sei. Er würde diesen Helden noch einige Tage Zeit lassen, bevor er wohl selbst die Sache in die Hand nehmen würde müssen. Mit oder ohne Beweise.

***

Taug presst die kleine Schatulle fest an sich, während er von Schatten zu Schatten hetzte. Er konnte es kaum erwarten dieses Kästchen – und vor allem dessen Inhalt – loszuwerden. Endlich erreichte er das kleine Häuschen in der Nähe des Hafens und klopfte. Es dauerte auch nicht lange, bis Karja, die Katzenfrau, ihm öffnete. Schnell drängte er sich an ihr vorbei ins Innere, dorthin, wo ihn die Patrouillen der Grauen Jungfern nicht mehr sehen konnten. „Ah, schön, dass ihr zu Hause seid. Ihr habt nicht zufälligerweise Lust, der Familie einen kleinen Gefallen zu tun?“ Karja musterte ihn zweifelnd: „Um welchen Gefallen geht es denn?“ – „Nichts besonders. Eigentlich ein einfacher Botengang. Ihr müsst nur dieses Kästchen und dessen Inhalt in die Taverne zur Anhänglichen Meerjungfrau nach Alt-Korvosa bringen.“ – „Und was befindet sich darin?“, hakte Karja nach. Taug unterdrückte ein Seufzen, er hatte gehofft, nicht zu viele Fragen beantworten zu müssen, wo er doch auf so viele Fragen selbst keine Antworten hatte. Eine dieser Fragen war, warum die Cerullean Gesellschaft etwas so wertvolles nach Alt-Korvosa geschmuggelt haben wollte. „Nichts besonders“, antwortete er stattdessen. „Nur zwei volle Zauberstäbe, welche Krankheiten kurieren können.“ Mit dieser Aussage brachte er sogar die sonst so schlagfertige Karja kurz zum Schweigen. „Diese beiden Stäbe dürften aktuell viel wert sein“, stellte sie dann nüchtern fest, nachdem sie sich wieder gefasst hatte. „Sind sie“, bestätigte Taug. „Darum bietet die Gesellschaft für ihren sicheren Transport auch 4.000 GM an.“ Bei diesem Gebot musste Karja nicht lange nachdenken. Sie stimmte zu und nahm die Stäbe an sich, wodurch Taug das Herz aufging. Alles Weitere war nun nicht mehr in seiner Hand.

***

Natürlich verlief der Transport nicht ohne Zwischenfälle, das war auch kaum anders zu erwarten gewesen. Allerdings war es von den Grauen Jungfern schon fast leichtsinnig sich nur zu dritt und mit der Assistenz eines einzelnen Arztes der Königin den vier Abenteurern zu stellen. Sie hätten eigentlich bereits wissen müssen, dass diese vier Helden weit über ihrem Niveau lagen. Dennoch taten sie ihre Pflicht, wie von Fanatikern nicht anders zu erwarten war.  Für Raktavarna war es geradezu ein Vergnügen zuzusehen, wie sich die vier Helden durch die Leibwachen der Königin schnetzelten. Blut, überall Blut. Ihre Waffen schlugen in das weiche Fleisch wie die Fänge einer Schlange. Es dauerte nicht lange und er Kampf war schon wieder vorbei; aber es war lange genug für Raktavarna um ihrem Herrn Bescheid zu geben, dass sich die Lieferung etwas verzögern würde. Und sie verzögerte sich noch weiter, als die vier Helden beschlossen eine der Grauen Jungfern zu verhören – ein aussichtsloses Unterfangen, aber amüsant, dass sie es dennoch probiert hatten. Die Befragung war kurz und die Diskussion, was man mit der Soldatin machen sollte, hitzig. Raktavarna hoffte ja innständig, dass sie dem Leben dieser elendigen Kreatur den Gar aus machen dürfte. Aber die „Moral“ der Gruppe siegte und sie ließen die Jungfer gefesselt in dem Lagerhaus zurück. Das war zwar Schade, aber eine nützliche Information für Raktavarnas Herren: Die Gruppe war weich!

***

Die Anhängliche Meerjungfrau war nicht gerade das Etablissement, welches er öfter aufsuchte. Andererseits war es gerade deswegen wohl so ein guter Treffpunkt. Allerdings hatte er gehofft, dass hier mehr sein würde. In der berüchtigtsten Kneipe von Alt-Korvosa, welche zweimal im Jahr von der Stadtwache geschlossen wurde, sollte jetzt, da es keine Ordnungshüter mehr auf der Insel gab, eigentlich Asmodeus persönlich los sein. Stattdessen standen sich die Schankmädchen die Beine in den Bauch und nur einige Matrosen, die mit ihren Schiffen in Korvosa fest saßen, versoffen ihren Sold. Durch diese geringe Dichte an Menschen ging er ein größeres Risiko ein. Andererseits brannte es ihm unter den Krallen diese neuen Helden persönlich kennen zu lernen. Es war schließlich nicht abzusehen, ob er mit ihnen nicht irgendwann einmal die Klingen kreuzen würde müssen.

Er musste nicht lange warten, bis sie die Taverne betraten. Ein muskelbepackter Shoanti, eine Frau im Katzenkostüm, eine Frau mit blondem Haar mit einem heiligen Symbol der Shelyn, sowie ein von jahrelangem Konsum von Schüttelfrost gezeichneter junger Mann: Es gab keinen Zweifel, dass sie die waren, auf die er wartete. Der Shoanti kam auch gleich auf ihn zu: „Ihr habt etwas bestellt?“ Er nickte und stellte nacheinander vier dicke Beutel mit Gold auf den Tisch, während er seinerseits die beiden Zauberstäbe an sich nahm. „Die Familie dankt euch. Ihr habt sogar etwas gut bei ihr.“ – „Das trifft sich gut“, mischte sich die Katze ein. „Wir suchen Hinweise auf den Verbleib des Seneschalls, könnt ihr uns diesbezüglich weiter helfen?“ Für den Bruchteil einer Sekunde stockte ihm der Atem. Konnten sie etwas wissen? Nein, das war nicht möglich. Keiner wusste irgendetwas über den Seneschall. „Mit diesen Informationen handle ich nicht“, erwiderte er schließlich gelassen und ohne eine merkbare Verzögerung. „Und soweit ich weiß, gibt es auch keine Informationen über den Seneschall. Das ist doch gerade das Problem.“ Damit war für ihn das Treffen beendet und keiner aus der Gruppe versuchte ihn noch aufzuhalten.

***

Paulus hatte das Gefühl, dass er bald sterben würde. Er war in das Hospiz der Heiligen Jungfrau gekommen um sich hier von den Ärzten der Königin behandeln zu lassen. Einen Heiler konnte er sich ja unmöglich leisten, selbst wenn es genug Heiler in der Stadt gegeben hätte, damit sich auch nur einer seiner hätte annehmen können. Doch irgendwie erschien es ihm jetzt, im Nahhinein, irgendwie als Fehler hierhergekommen zu sein. Als er sich vor drei Tagen bei dieser dicken Krankenschwester gemeldet und um ein Bett gebeten hatte, hatte er einen leichten Husten gehabt. Fieber, Gliederschmerzen. Nichts Schlimmes und vor allem nichts, was er nicht schon mehrfach in den vergangenen Wintern gehabt und ohne Probleme überstaden hätte. Aber nun, da Blutschleier in der Stadt grassierte, hatte ihn seine Frau gedrängt einen Arzt aufzusuchen. Seitdem war er hier. Und seitdem ging es mit ihm bergab. Er war ja kein Arzt – im Gegensatz zu den Vogelgesichtigen Typen, die ihn hier pflegten, aber er bezweifelte, dass, was auch immer die Ärzte ihm verabreichten, nicht hilfreich war. Er hatte ja auch schon wieder gehen wollen, aber das hatte man ihm verboten. Schließlich war er ansteckend. Auch seine Familie wurde nicht zu ihm vorgelassen. Gut, die Ärzte sagten, es hätte sich niemand nach ihm erkundigt, aber auch das konnte er nicht glauben. Und jetzt würde er bald sterben. Einsam, zwischen lauter kranken Fremden, die er alle nicht kannte. Müde schloss er die Augen, versuchte das Husten rings um ihn auszublenden. Irgendjemand redete laut, sein Kopf brummte. Und dann schlug etwas mit lautem Knall über seinem Kopf ein. Sofort war er hellwach: Über seinem Kopf steckte, noch leicht zitternd, ein Pfeil in der Wand. Bei den Göttern! Man versuchte ihn wahrhaftig zu töten! Er versuchte sich mit aller Kraft aufzusetzen um zu sehen was um ihn herum geschah. Er würde sich nicht im Bett liegend abschlachten lassen. Doch was er sah verwirrte ihn nur: Vier Unbekannte Personen waren ins Hospiz gekommen und lieferten sich einen erbitterten Kampf mit den anwesenden Ärzten und den Grauen Jungfern. Und gerade letztere waren nicht gerade zimperlich was das verschießen ihrer Pfeile anging. Er musste hier weg: Paulus rollte sich zur Seite und quetschte sich in den Ritz zwischen seinem Bett und dem seines sterbenden Nachbarn. Keine Sekunde zu früh. Ein Arzt und eine Menschen-Katze turnten gegeneinander kämpfend über das Bett, in dem er gerade noch gelegen hatte. Auf der anderen Seite des Raumes warf ein Magiewirker mit hellen Leuchtkugeln und ein Shoanti schlug wie besessen auf die voll gerüsteten Jungfern ein. Paulus war hin und her gerissen von dem Drang sich zu verstecken und das Schauspiel zu beobachten. Eine Welle positiver Energie, ausgehend von einer hübschen jungen Frau, lief durch den Raum. Sie heilte die Wunden einiger der Verletzten und auch Paulus fühlte sich kurz etwas besser. Diese Leute konnten ihm also helfen! Dazu musste nur er ihnen helfen. Er versuchte sich aufzurappeln, doch da schlug abermals ein Pfeil neben ihm ein und zerfetzte die Matratze. Man sollte das Schicksal der Götter nicht herausfordern. Langsam ließ er sich wieder zwischen die Betten sinken und versteckte sich unter dem seinen. Er würde einfach warten, bis das alles hier vorbei war.

***

Mit sorgfältiger Schrift ergänzte er seine bisherigen Aufzeichnungen. Auch wenn sich diese Ergänzungen auf einen Satz zusammen fassen ließen: Sie waren immer noch keinen Schritt weiter gekommen. Immer noch hatten sie keine Ahnung, warum ein Teil der Varisianer immun gegen Blutschleier war. Dabei war doch alles so schön geplant gewesen. Es wäre der perfekte Massenmord gewesen. Und nun drohten ihm diese dahergelaufenen Untermenschen alles zu ruinieren. Der durch die Immunen angerichtete Schaden war zwar bei weitem nicht so groß, dass dadurch seine zukünftige Mitgliedschaft in Gefahr geraten würde, aber er würde nicht ganz mit den wehenden Fahnen in die roten Reihen einziehen, wie er es gehofft hatte. Nun nichts im Leben war perfekt. Und außerdem hatte er immer noch Zeit hinter dieses Rätsel zu kommen; die Seuche hatte zwar ihren Zenit schon überschritten, war aber noch lange nicht vorüber. Und wenn er die Lösung nicht fand, dann vielleicht dieser alte Knacker oder die Lady; oder das verwesende Spitzohr. Nur einer von ihnen musste Erfolg haben; Erfolg, den er, Reiner Davaulus, als dein seinen würde ausgeben können.
Laute Geräusche von draußen entrissen ihn seinen Tagträumen. Gab es etwa einen Durchbruch? Nein, halt, das waren keine Freudenschreie. Da waren Schmerzensschreie und Kampfgeräusche. Was bei der Göttin ging da draußen vor sich? Sicherlich nichts Gutes. Sicherheitshalber griff er nach seiner Rüstung und seinem Gürtel, an dem sich mehrere Tränke und seine Waffe befanden. Er war kein Kämpfer, aber er wusste sich seiner Haut zu verteidigen. Und zur Not konnte er immer noch verschwinden… Die Tür wurde aufgerissen und eine der Jungfern stand blutend im Raum. „Herr, wir werden angegriffen“, klang ihre Stimme dumpf, aber immer noch ruhig und gefasst durch das geschlossene Visier des Helms. Erstaunlich was die Königin und Sabina mit diesen Mädchen angestellt hatten.

Er stürmte in den Obduktionsraum und sah bereits auf den ersten Blick mit wem er es zu tun hatte: Mit den Schoßhündchen von Feldmarschall Kroft. Was auch immer sie hier wollten, reden gehörte nicht dazu. Mit gezogenen Waffen und Zauber um sich werfend kämpften sie sich in seine Richtung vor. Das konnte er aber auch. Mit einer kleinen geworfenen Torte brachte er den Shoanti dazu in einem Lachkrampf auszubrechen. Leider hielt dieser Lachkrampf nicht lange und auch die Unterstützungszauber, die er auf die letzte lebende Graue Junger wirkte konnten sie nicht vor ihrem Schicksal retten. Und damit war auch sein Schicksal besiegelt. Er hatte keinen Rückzugsort mehr und an der Mauer aus Waffen, die sich ihm entgegen streckte, kam er ebenfalls nicht vorbei. Ein Schlag nach dem anderen traf ihn, Wunden überzogen seinen geweihten Körper und schließlich ging er in die Knie. Er würde nie herausfinden, warum die Varisianer immun waren und er würde nie rot tragen.

***

Cressinda stand fassungslos vor den Rettern von Korvosa, die ihr ganz nebenbei erklärten, dass sie das Hospiz der Heiligen Jungfrau gestürmt hatten. Die Tatsache, dass sie aufgrund eines Mordes an einem Arzt der Königin gesucht wurden, schien die Gruppe eher weniger zu interessieren. Viel mehr wollten sie wissen, ob sie etwas vom Aufenthaltsort Vencarlos wusste. Irgendwie fragte sie sich, ob die Gruppe die Sache richtig ernst nahm und wusste, mit welchen Kräften sie sich anlegte. Andererseits fragte sich Cressinda auch, welchen Kräften sie aktuell diente. Die Indizien dafür, dass die Königin nichts Gutes plante waren erdrückend. Aber sie hatte einen Eid auf die Königin geschworen. Sie und jeder andere Soldat der Wache.

„Ich kann euch für weitere 24 Stunden Schutz gewähren. Dann jedoch muss ich meine Wachen anweisen nach euch zu suchen. Dann kann ich euch nicht mehr decken. Egal was ihr vorhabt. Ihr müsst bis dahin irgendwelche Ergebnisse liefern, oder ihr seid in der Stadt nicht mehr sicher!“

Damit schienen sie gut klar zu kommen. Cressinda hoffte, dass das reichen würde. Denn langsam entglitt ihr die Situation in der Stadt und sie wusste nicht mehr wem sie trauen konnte und wem nicht. Es mussten wieder klare Verhältnisse geschaffen werden.

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