25. Lamashan, 4711 AK
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft VielandIch wartete auf die
Silbernen Raben in Lepidstadt.
Gizella, gefolgt von Balduan, Iacobus und Stralicia, war ihrer Heimatstadt Tamrivena durch ein magisches Portal zur Hilfe gekommen. Die Alte Ulloka, eine kellidische Hexe, war von Ratsherrin Zoenessa Thell bestochen worden, die uralte Magie des Spindelsteins zu nutzen um die Helden auf schnellstem Weg in die Hauptstadt von Kanterwall zu bringen.
Mir war es ganz einfach nicht vergönnt gewesen mit den Lebenden durch das Portal zu schlüpfen. Doch verspürte keinen Zorn darüber. Unerwartet, doch so war es. Tira war den anderen Raben ebenfalls nicht gefolgt. Sie hatte bei der Alten Ulloka eine Lehre begonnen. Die beiden Weiber verbrachten Tage in der finsteren Höhle der Hexe. Unentwegt tuschelten sie und kicherten an brodelnden Kesseln mit abscheulichem Inhalt.
Ab und an trafen sich Tira Krähenfuß und Kendra Lorrimor in der Stadt. Die Tochter des Professors war an die Universität zurückgekehrt und hatte die Fakultät ihres Vaters übernommen. So gehörte sie zu einem auserwählten Kreis der mit Nachrichten aus dem belagerten Tamrivena versorgt wurde.
Was die Krähen nicht übermittelten, versuchte Kendra selbst mit Erkenntismagie zu ermitteln. Und sie berichtete ihrer Freundin im Bronzeschädel über die Heldentaten der anderen Erben Lorrimors: Sie hatten den Anführer der Orkhorde, den berüchtigten Sensenmann, erschlagen und anschließend die Streitkräfte von Kanterwall gegen die Grünhäute zu Felde geführt.
Am heutigen Tag waren die Raben jedoch siegreich aus der
Schlacht um Tamrivena nach Lepidstadt zurückgekehrt.
* * * * *
Das Unkraut war entfernt worden, die Fensteröffnungen wieder alle kunstvoll verglast worden und die Halbplastiken heiliger Frauen und Männer in den Wandnischen gründlich gesäubert und magisch ausgebessert worden. So erstrahlte eines der wenigen Steingebäude an der Nördlichen Hafenstraße – der Schrein des Aroden – wieder in einstigem Glanz. Die Türflügel unter dem schlichten Rundbogen des Portals standen einladend offen.
Von der Westwand wachte eine stolze Kriegerin über den Altarraum. Das Bildnis der Schutzheiligen der Ritter von Ozem war wiederhergestellt worden. Jedoch hatte der Künstler die ursprüngliche Darstellung Araznis mit einer durchschimmernden Überlagerung Iomedaes versehen. Der Betrachter konnte demnach beide Schutzgottheiten in ihr sehen, die alte und die neue.
Im rot gesprenkelten honigfarbenen Licht der bemalten Glasfenster knieten zwei Männer und eine Frau in den weißen Waffenröcken der Ritter von Ozem. Auf ihre Langschwerter gestützt, beteten sie zu Arodens Erbin Iomedae. Sie erhoben sich und bezogen im Altarraum Stellung. Mit einer rituellen Begrüßung weihten sie das folgende Duell ihrer Göttin.
Mirella Teufelsbann befreite sich aus der Zwinge zwischen Balduan und Iacobus mit einem horizontalen Rundschlag. Der Schnitt war so schnell, dass die Flammen um die zweigeteilte Klinge ihres Langschwerts eine goldene Lichtscheibe vor ihren Glaubensbrüdern geschaffen hatten.
“Sensenmann mag ein passender Name für einen geisteskranken Schlechter und Totenbeschwörer gewesen sein. Wie ihr wisst war er jedoch ein Sterblicher, nicht die seelenlose Verkörperung des gewaltsamen Todes.”, erklärte die ehrwürdige Paladin.
Während Iacobus einen Angriff wagte, verschanzte sich Balduan hinter seinem Turmschild. Mirella fing die Klinge des Inquisitors ab und entwaffnete ihn mit einer routinierten Bewegung aus dem Handgelenk. Das Langschwert landete ganz selbstverständlich in ihrer freien Hand. Sie legte die gekreuzten Klingen gelassen an die Kehle von Iacobus und fuhr fort: “Sein wahrer Name war Barin. Das ist zwergisch und bedeutet Frieden.”
Nun war es an Balduan einen Vorstoß zu wagen. Blitzschnell wirbelte die Paladin herum und gebot dem Ansturm des Schildknappen mit einem wohl gezielten Tritt gegen seinen Schild Einhalt noch bevor sein Schwertarm zum Streich vollends ausholen konnte. Balduan strauchelte und sank unweigerlich auf die Knie.
“Er war kein Scheusal, kein seelenraubender Daimon, aber alles andere als friedlich.”, stellte Mirella bestimmt fest. Sogleich versuchte Balduan sich wieder zu erheben, doch ein weiterer horizontaler Rundschlag verwies ihn zurück in die Knie.
“Nein!” Der Schildknappe sah noch die goldene Lichtscheibe des Schwerthiebs über sich, da brachte er für einen Stoß mit der nötigen Reichweite seinen Turmschild zur Seite. Mit dem Schwert von Iacobus lenkte die Paladin den Angriff ab. “Barin Teufelsbann war mein Sohn.”
Dann lag Mirellas eigene Klinge plötzlich auf Balduans Schulter, bedrohlich nah an seinem Hals. Der junge Mann zeigte wie immer keine Angst. “Mein eigen Fleisch und Blut.”, unterstrich die legendäre Kriegsheldin.
“Ich danke Euch, dass Ihr Golarion von dieser Plage befreit habt. Möge er endlich in Frieden ruhen. Und nun erhebt Euch, Ritter Balduan Tarrt!”