Autor Thema: Pathfinder Einsteigerbox Abenteuer  (Gelesen 3026 mal)

Beschreibung: Praktische Erfahrung

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Decrayer

  • Mitglied
Pathfinder Einsteigerbox Abenteuer
« am: 05. Januar 2015, 10:56:26 »
Hallo,

ich habe am letzten Wochenende endlich das erste Pathfinder-Abenteuer mit meinen Freunden geleitet. Ich habe aus meiner Schulzeit AD&D und D&D 3.0 Erfahrung (auch als Spielleiter) und würde gerne wieder eine kleine Rollenspielgruppe unter meinen Freunden etablieren. Wir sind alles keine Hardcore-Rollenspieler, daher brauchen wir keine extrem abgefahrenen Szenarien sondern wollen eine sehr klassische Abenteurergruppe spielen.

Überlegt habe ich mir dazu, einzelne, abgeschlossene Kapitel (Abenteuer) zu schreiben, diese in meiner eigenen Welt stattfinden zu lassen und im Hintergrund einen größeren Storybogen laufen zu lassen, der sich langsam entfaltet. Wenn wir es nicht so weit schaffen, können die einzelnen Abenteuer trotzdem schön für sich alleine stehen, wenn wir aber weiter kommen, sorgt der Storybogen dafür, dass man sich immer wieder an die anfänglichen Abenteuer erinnert.

So, kommen wir zur Pathfinder-Einsteigerbox. Da alle Mitspieler, mich ausgeschlossen, absolute Pen&Paper Neulinge sind, wollte ich sie nicht direkt mit dem vollen Regelwerk erschlagen (wovon ich mir auch schon einige Bände zugelegt habe), sondern möglichst "soft" anfangen. Nachdem ich mir den Inhalt des ersten Abenteuers (Schwarzzahns Hort) durchgelesen habe, suchte ich mir in meiner Welt einen geeigneten Ort und habe die Umgebung modelliert (die nächsten 3-4 Dörfer und eine Stadt festgelegt aber nur oberflächlich, also wie das Feeling und der lokale Kontext ist, nicht wie sie genau aussieht). Die Charaktere der Spieler waren mir im Vorfeld nicht bekannt, ich wollte die Spieler eigene Charaktere erstellen lassen. Der Vorteil von Sandspitze ist, dass es sich um einen Küstenort mit Hafen handelt, d.h. einem Ort, an dem es plausibel ist, dass sich dort die unterschiedlichsten Rassen aufhalten, auch wenn diese in vielen anderen Städten eher getrennt unterwegs sind.

Wie lief die Spielrunde ab?

# Charaktererstellung #
Wir haben uns um 14 Uhr getroffen und mit dem Charakterbauen angefangen. Bei der Vorbereitung war mir aufgefallen, dass es dabei ein Mittelgroßes Problem geben würde: Man hat nur ein einzelnes Heldenbuch, in das aber alle 4 Spieler ständig an unterschiedlichen Stellen hinein schauen müssen um ihren Charakter zu bauen. Und das verzögert den Charakterbau erheblich. Es gibt drei Lösungen dafür:

1) Man nimmt die vorgefertigten Charaktere (lahm).
2) Man läd die Spieler vorher einzeln ein und baut die Helden in Einzelsessions auf (Zeitaufwendig)
3) Man kopiert Teile des Spielerhandbuchs. Ich weis allerdings nicht, ob das im Rahmen der eigenen Nutzung legal ist. Ich halte es aber als notwendig, denn es macht in meinen Augen wenig Sinn, wenn sich der Kleriker und Magier das ganze Einsteiger-Spielpaket noch mal kaufen müssen.

Ich habe Lösung 3 genommen und zumindest die Klassenbeschreibungen inklusive der Zauber des 0. und 1. Grades kopiert, damit die Magiebegabten Charaktere jederzeit während des Spiels ihre Zauber vor sich liegen haben. Bei einer richtigen Pathfinder-Runde gibt es ja meist mehrere Grundregelbücher, zumindest ich als Magier hatte früher immer ein eigenes Spielerhandbuch dabei, damit ich jederzeit nach Zaubern schauen konnte. Alle Charaktererstellungs-Seiten zu kopieren war mir zu aufwendig und zu teuer.

Bei den Attributwerten habe ich mich gegen die aufgeführte Methode 4W6 nimm 3 entschieden, und statdessen jedem 20 Punkte (High Fantasy) gegeben und mit einer App (Pathfinder Toolkit) verteilen lassen, damit eine ausgeglichene Gruppe entsteht in der nicht einer der Helden alle anderen dominiert.

Nun denn, das Charakter-Erstellen hat wesentlich länger gedauert, als ich gedacht hatte (3 Stunden). Inzwischen merkte ich auch, dass die Spieler etwas ungeduldig waren und sich endlich ins Abenteuer stürzen wollten. Daher habe ich dann auch die Charakter-Hintergründe erst mal weggelassen, was eine im Nachhinein sehr gute Entscheidung war. Denn beim Spielen des ersten Abenteuers habe ich viel besser gemerkt, was für Typen die Spieler da geschaffen haben und mir sind jetzt in den Tagen danach sehr viele Einfälle gekommen, wie sie in diese Welt hinein passen können.

Da es nur drei Mitspieler gab, habe ich mich am Ende dazu entschlossen, selbst noch einen Kämpfer-Zwerg zu spielen, sodass jede Klasse ein mal vertreten gewesen ist. Das hatte auch den Vorteil, das ich über den Zwerg ein wenig Hilfestellung geben konnte, ohne dass die Immersion zerstört hätte. Dabei muss man aber natürlich gut aufpassen, dass der Zwerg nicht mehr weis als die Spieler und wirklich nur Tipps über das Rollenspiel an sich gibt. Ein Kämpfer ist zudem sehr "Wartungsarm" und durch die unterdurchschnittliche Intelligenz hatte ich immer eine Ausrede parat, wenn er ein Stück Ausrüstung vergessen hatte. Zum Glück wurde das durch unsere abartig intelligente Magierin kompensiert, der wirklich an alles gedacht hat (bis hin zu den Streichhölzern, ohne die wir mit unseren Fackeln wirklich alt ausgesehen hätten).

# Abenteuer #
Die meisten Situationen gingen ziemlich glatt und schön über die Bühne. Der Einstieg hatte mir im Vorfeld Kopfzerbrechen gemacht, da die Spieler in der ersten Runde vor einer Statue und einem Moosbewachsenen Eingang zum Dungeon abgesetzt werden, den Vorhang aber noch nicht betreten dürfen. Ich habe daher die Statue in meiner Beschreibung stark betont, damit sich die Spieler zunächst damit beschäftigen und nicht in die Höhle gehen. Die zwei Goblins die dann daraus hervor kommen haben dann auch sofort dafür gesorgt, dass die Spieler sich eher vorsichtig durch den Dungeon getastet haben.

Ich will jetzt nicht auf die einzelnen Situationen eingehen, sondern eher auf die, welche meiner Meinung nach anders verlaufen sind als geplant oder vielleicht auch besser hätten laufen können:

Im Raum mit der Feuerfalle hat der Schurke Schritt für Schritt nach Fallen gesucht. Im Endeffekt hat er ja unendlich viele Versuche, da die Zeit ja nicht knapp ist. Das gleiche gilt für Magie Entdecken seitens des Zauberers. Natürlich gibt es Möglichkeiten, wenn so ein Verhalten zu stark wird, es zu kontern, z.B. durch Zeitdruck wenn die Charaktere Verfolgt werden oder durch Zufallsbegegnungen. Aber im Anfängerabenteuer gibt es so was nicht und man will es ja auch nicht direkt übertreiben. Die Feuerfalle war aber auch wirklich gemein, denn sie wird ausgelöst, wenn die Spieler 1,50m von den Statuen entfernt sind. Die Falle wird aber nur so beschrieben, dass sie in den Statuen ist (weder wird angegeben, ob es eine Druckplatte oder ein Magischer Auslöser ist). Ich habe dem Schurken aber nur erlaubt, die jeweils benachbarten Felder zu untersuchen, sodass er gar keine Chance hatte, die Falle zu entdecken. Wenn ich so drüber nachdenke, war das aber irgendwie unfair. Bei einem recht hohen Wurf habe ich ihm zumindest gesagt, dass er ein sehr schlechtes Bauchgefühl bei der Sache hat, dass er zwar nichts konkretes gefunden, aber dennoch ziemlich sicher ist, dass da irgendwo was sein muss.

Als die Spieler den Raum mit dem Brunnen erreicht und die Goblins gehört haben, entschieden sie sich dafür, erst bis zu der Spinnenhöhle zu laufen. Sie waren mit dem Dieb zum Goblinkönig geschlichen und hatten mitbekommen, dass es im Streit um ein Spielzeug ging. Nachdem sie das Spielzeug in der Spinnenhöhle gefunden hatten, sind sie dann zu den Goblins gegangen und haben es zurückgegeben. Hier musste ich etwas improvisieren, denn das Abenteuer geht nicht davon aus, dass die Spieler das Spielzeug schon haben wenn sie das erste Mal mit dem Goblinkönig reden. Als die Spieler dann später mit dem Goblinkönig reden, müssen sie laut Abenteuer-Anleitung einen Charisma-Wurf machen. Wieso nicht auf Diplomatie? Ich habe die Spieler zudem selbst formulieren lassen, was sie dem König sagen. Die Spielerin, die sich viel eleganter und höflicher Ausgedrückt hatte, vermasselte leider ihren Wurf und der andere Spieler, der sich eher etwas ruppig ausgedrückt hatte, bestand ihn. Entsprechend habe ich den Goblinkönig reagieren lassen, aber im Nachhinein kommt mir das falsch vor. Ich hätte der Spielerin für ihre gute Ausdrucksform und ihr Role-Play einen heimlichen Bonus auf ihren Wurf geben sollen, werde mir das für das nächste Mal merken.

Dann wären die Spieler, weil es schon recht spät war, direkt zum Drachen marschiert, ohne das Drachentöter-Schwert zu finden. Daher lies ich den Goblinkönig vom Schwert berichten. Bei der Höhle mit dem See ist mir dann noch ein Missverständnis passiert. Die Magierin wollte das glänzende Etwas auf der Insel im See mit Magierhand holen. Allerdings war nicht wirklich klar, welcher der 4 Gegenstände im Schatz den Glanz verursachten und ausserdem konnte man das auf die Entfernung nicht so ganz sehen. Daher habe ich dann einfach mit einem D4 gewürfelt und dadurch den Sack mit dem Geld ausgewählt. Hab mir Magierhand so vorgestellt, dass wenn man etwas greifen kann, dass man nicht genau erkennen kann, es wie das grabbeln in einem blickdichten Beutel ist. Die Magierin hat daraufhin aber gedacht, dass es generell nicht möglich ist, das glänzende Ding zu bewegen, sodass sich dann doch ein Charakter entkleiden und rüber schwimmen musste. Ausserdem steht in den Einsteiger-Regeln nicht, was die Limitierungen von Magierhand sind, also was man damit genau heben kann. Ich habe es, weil ich das Spiel nicht weiter aufhalten wollte, auf Gegenstände beschränkt, die der Held auch so körperlich in der Lage wäre zu heben (Hab jetzt in den richtigen Regeln nachgeschaut, da steht 5 Pfund). Naja, Regeln improvisieren um den Spielfluss nicht zu unterbrechen ist ja ok.

An dieser Stelle ist dann eine weitere Sache passiert, die ich etwas seltsam fand. Der Charakter, der auf die Insel rüber geschwommen ist, wurde von der Riffklaue im See angegriffen und festgehalten. In der Beschreibung steht, dass wenn die Riffklaue ein mal getroffen hat, sie den Helden bis zu ihrem Tot festhält. Es wird leider nicht gesagt, ob er sich durch einen Stärkewurf oder so befreien kann und ob er trotzdem noch weiter angreifen darf. Hier wäre es schön gewesen, einfach ein paar SG's oder Mali anzugeben, man muss ja nicht gleich die kompletten Ringkampfregeln einbauen, aber das war eben so eine Stelle wo ich mir mehr gewünscht hätte. Die Magierin hat es mit "Schlaf" versucht, aber leider hat das Vieh seinen Rettungswurf geschafft. Die Idee war eigentlich ziemlich cool, denn der Schurke war ein Elf und konnte damit nicht betroffen werden. Trotzdem ist der Schlaf-Zauber ja eher für größere, schwache Gegnerhorden praktisch, die dann keinen hohen Rettungswurf dagegen haben.

Der Drachenkampf selbst lief ziemlich wie am Schnürchen. Die Gruppe hat dem Schurken den Unsichtbarkeitstrank gegeben und der hat sich mit dem Energiestein und dem Drachentöter-Schwert  an der Seite angeschlichen. Als der Drache den Magier auf der Treppe mit seiner Odemwaffe direkt ins Sterben geschickt hat, war eine Krisenbesprechung angesagt. Der Kleriker hat den Magier aus der Gefahrenzone gezogen und versorgt (musste hier eine Regel fürs Wegziehen improvisieren und habe gesagt, dass er sich beim Wegziehen nur mit 1/2 seiner Bewegungsrate bewegen kann). Der Krieger hat sich an den unteren Treppenabsatz gestellt und so den Drachen nach vorne gelockt und ist dabei auch fast drauf gegangen. Der Bissangriff hat ihn von 14 auf 1 HP reduziert und die Klauenangriffe haben zum Glück, dank der hohen Rüstungsklasse und dem Boni vom Brunnen nicht getroffen. Dadurch, dass der Drache nach vorne stürmen musste, konnte der Schurke dann aber in seinem Zug diagonal hinter den Drachen ziehen und ihn in die Zange nehmen. Zusammen mit einem Hinterhältigen Angriff, dem Zangen-Bonus und dem Drachentöter-Langschwert Bonus von +5 hat er dann mit einem Schlag (zum Glück) 27 Schadenspunkte gemacht, wodurch sich der Drache dann (streng nach Abenteueranleitung) zur Flucht entschließt. Eine Runde mehr und die Grupe hätte als Drachenfutter geendet.

Wenn ich mir das ganze Abenteuer so im Nachinein anschaue, dann sind es folgende Punkte die mich eigentlich am meisten stören:

Die Charaktere direkt im ersten Abenteuer auf einen, wenn auch abgespeckten, Drachen treffen zu lassen, halte ich für Fragwürdig. Das liegt vor allem daran, dass so viele Dinge künstlich hingebastelt werden müssen damit es halbwegs klappt: Die Werte des Drachen sind stark reduziert, das Drachentöter-Schwert ist für eine Level 1 Gruppe total overpowered und das Ende ist mit dem Wegfliegen des Drachen auch sehr unbefriedigend für die Gruppe.

Dieses zurechtbiegend des Abenteuers auf den Drachenkampf führt auch zu aberwitzigen Belohnungen. Zusammen mit den anderen Schätzen bekommen die Spieler in diesem Abenteuer Belohnungen im Wert von mehr als 19000 Gold (ohne den Loot vom Goblinkönig und ohne Tränke und Stäbe die im Abenteuer verbraucht werden könnten wie Unsichtbarkeit, Schweben, Zauberstab:Magisches Geschoss etc). Das enspricht dem Vermögen einer Gruppe mit Level 3 mitten auf dem Weg zu Level 4.

Demgegenüber steht die Erfahrung von 3205, wenn sie wirklich alle Aufgaben erledigt haben. Am Ende haben sie also nicht mal eine Stufe dazu gewonnen, aber Ausrüstung für die nächsten zwei Levelaufstiege. Um das also wieder auszubügeln, müssten die Helden eine sehr lange Strecke darben.

Und ganz am Ende war die Magierin mit ihrer Performance auch noch unzufrieden und hat sich gefragt, ob sie den Charakter "richtig" gespielt hat. Meine Beschwichtigungen, dass die Gruppe ohne sie definitiv nicht erfolgreich gewesen war (ohne ein Identifiziertes Drachentöter-Langschwert wäre spätestens beim letzten Encounter Ende gewesen) und das Magier vielleicht am Anfang etwas schwach erscheinen, aber im Endeffekt die vielseitigsten und mächtigsten Klassen darstellen, da es eben nicht nur um Damage-Output geht, haben nicht vollkommen überzeugt. Ich nenne das mal den "Fluch der Computer-RPG's", aber dafür kann ja das Einsteiger-Set nichts.


Mein Fazit: Vom Material her überzeugt das Einsteigerset auf jeden Fall. Vom Inhalt des Abenteuers her bin ich nicht vollkommen überzeugt. Wenn man die Einsteigerbox als abgeschlossenes System ansieht, dann ist das vielleicht ok, aber es macht es doch vom Balancing sehr schwer, mit der gleichen Gruppe nachher in eine richtige Kampagnie zu wechseln. Das man direkt im ersten Abenteuer gegen eine Drachen kämpft, schiebe ich mal darauf, dass man Einsteigern direkt eine Sensation bieten möchte. Von der Spielzeit her haben wir von 14 bis 23 Uhr gespielt, was definitiv zu lang war. Ganz am Ende war bei allen ein wenig die Luft raus.

Meine Empfehlung ist daher, am besten die vorgefertigten Charaktere zu nehmen und das Abenteuer durch zu spielen. Man kann Leute auch viel eher damit überzeugen, wenn es nur eine Spielesession ist, als wenn man erst mehrere Termine für das Charakter-Erstellen ohne sofort losspielen zu können machen muss.

Wenn man mit dem richtigen Pathfinder anfangen möchte, sollte man dann die Charaktere von Grund auf neu erstellen. Das hat dann auch den Vorteil, dass man mehr Rassen und Klassen und Zauber zur Auswahl hat und die Gruppe nicht direkt so viel Vermögen hat wie es hier nach dem ersten Abenteuer der Fall ist.

Der Kauf der Box hat sich meiner Meinung nach aber alleine schon wegen der Pappaufsteller und dem Spielplan gelohnt. Und die Zusatzinformationen im Spielleiterband zur Erstellung von Umgebungen ist auch sehr nützlich, weil dort die wesentlichen Informationen in aller Kürze aufgelistet sind.