Zwischenspiel: Jil (2)
Vorsichtig trug Jil die weiße Farbe auf ihren Lippen auf. Die Maske des Letzten Lachens musste makellos sein. Sie war gerade am letzten Stück angelangt, als ein Klopfen an der Tür sie aus der Ruhe brachte.
Es war Velior Thazo. Der Hofnarr sah sie mit prüfendem Blick an und trat ungefragt ein. Jil schloss die Türe hinter ihm.
„Ich habe dich seit jenem Abend nicht mehr gesehen“, begann Thazo sofort. „Ist alles glatt gegangen?“
„Der Priester hat eine tüchtige Abreibung bekommen“, antwortete sie selbstbewusster, als ihr zumute war. Wie viel wusste Thazo?
„Gut.“ Der Hofnarr schien auf etwas zu warten. Jil begegnete seinem Blick. Thazo hatte passend zu seiner Maske ein schwarzes und ein weißes Auge; beide schienen völlig emotionslos zu sein. Doch Jil wusste, hatte es selbst erlebt, welche Wut dahinter lauern konnte. Ein leichtes Zucken seiner Mundwinkel verriet ihn. Er wusste es.
„Da waren Abenteurer“, sagte Jil.
Thazo schien enttäuscht, dass sie es ihm erzählt hatte. „Probleme?“
„Nicht wirklich. Die Jungs waren mit dem Helmiten schon fertig, als sie auftauchten.“ Jil grinste. „Die haben sich als die Sturmklingen ausgegeben.“
Diese Nachricht ließ selbst den Hofnarren kurz auflachen. „Wirklich?“
Nach einem Moment gemeinsamen Kopfschüttelns fuhr Thazo fort. „Also keine Probleme. Und wenn ich dir sage, dass diese Typen jetzt für das flammende Auge arbeiten? Ist das kein Problem?“
Jil fluchte innerlich. Sie hatte mit ihrer Aktion das Gegenteil dessen erreicht, was Thazo gewollt hatte. Sie schwieg jedoch – der Hofnarr war mit Worten nicht zu besänftigen, nur zu erzürnen.
„Ich gebe dir eine Möglichkeit, deinen Fehler wieder gut zu machen“, sagte Thazo. „Du suchst jemanden aus, um diese Typen zu beschatten auszuhorchen. Such jemanden aus, dem du vertraust – sein Erfolg ist deine Rettung.“
Er holte ein leicht zerknittertes Pergament aus seiner Robe hervor. „Wenn du das erledigt hast, bringst du diesen Brief zu IHM. Heute noch.“ Thazo wandte und ging. Als er im Flur war, blieb er noch einmal stehen. „Und Jil?“
„Ja?“
„Deine Schminke ist verwischt.“
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Als der Hofnarr gegangen war, atmete Jil erst einmal tief durch. Wer sollte für sie diese vermaledeiten Glücksritter beschatten? Jemand, dem sie vertraute? Jil vertraute nur sich selbst. Sie musste bei dem Gedanken lächeln. Thazo hatte nichts davon gesagt, dass sie nicht selbst für ihre Rettung sorgen könnte. Sie würde alles herausfinden, was es über diese Typen zu wissen gab. Und als Erstes, warum sie sich als Sturmklingen ausgaben.
Vorher musste sie nur noch diesen lästigen Botengang loswerden. Voller Tatendrang trat sie auf den Flur und hielt den ersten Burschen an, der ihr über den Weg lief.
„Komiker“, sagte sie, „ich habe einen Auftrag für dich.“ Der Junge sah sie mit großen Augen an, und Jil genoss die Mischung aus Furcht und Ehrfurcht, die ihr entgegen schlug. Sie gab ihm den Brief und ein weiteres Pergament.
„Du bringst diese Nachricht zu einem geheimen Ort. Der andere Zettel verrät dir, wie du dort hinkommst. Lies ihn, und dann verbrenne ihn.“ Mit diesen Worten ließ sie den Burschen stehen und wandte sich endlich der wichtigeren Aufgabe zu.
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Braene sah auf den Brief in seiner Hand. Jil, die echte Jil, hatte ihm einen Auftrag erteilt. Ihm, dem jungen Komiker. Braene war erst seit ein paar Wochen in der Gilde, aber schon hatte er die Gelegenheit, sich zu beweisen.
Er musste gähnen. Es war schwierig, sich an das Nachtleben als Dieb zu gewöhnen. Schwieriger, als er gedacht hatte. Er durfte bei seiner Aufgabe keinen Fehler machen, und der Hofnarr sagte immer: „Müdigkeit führt zu Fehlern.“ Braene sollte sich besser hinlegen. Dann würde er den Brief überbringen, wenn er ausgeschlafen wäre. Gleich morgen früh.