Autor Thema: Muss man erst ein guter Spieler sein, um ein guter Spielleiter zu werden?  (Gelesen 3598 mal)

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Strato Incendus

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Hallo zusammen,

nach längerer Abwesenheit finde ich gerade durch die Videos von Matt Colville und Critical Role wieder ein wenig zu D&D zurück. Früher haben wir im Familienkreis gespielt, da bin ich ziemlich schnell von der Rolle des Spielers in die des Spielleiters gewechselt (im Grunde, weil ich die meiste Energie hatte, mich mit den Regeln zu befassen, Abeneteuer zu schreiben und Dinge anzufertigen wie Karten für Monster, Waffen, Zauber, Gegenstände etc.)

Unser Spiel war damals vor allem sehr mechanisch geprägt - was auch daran gelegen haben könnte, dass wir zwischen "normalem" D&D und der stark vereinfachten Brettspiel-Version ("Das Fantasy-Abenteuerspiel" von Parker mit den Erweiterungen "Ewiger Winter" und "Verbotener Wald) hin und her gewechselt sind. Das ging deshalb, weil wir auch im normalen Spiel die Iconic Characters aus v3.5 verwendet haben.

Die Brettspiele waren vor allem deshalb hilfreich, weil man so instantan Zugang zu einer Menge Spielfiguren und illustrierten Maps mit Spielfeldern drauf hatte. Viele Abenteuer entsprachen also dem, was im Spielleiter-Handbuch 3.5 als "mit der Tür ins Haus fallen" bezeichnet wird :D : Tür aufbrechen, Monster töten, Fallen entschärfen, Schätze einsacken, Stufen aufsteigen. Kurzum: Man spricht das gleiche Belohnungssystem an wie ein PC-Spiel mit gutem Gameplay, und dafür nimmt man dann in Kauf, dass die Story eher zweitrangig ist.

Wenn man sich dagegen Critical Role anschaut, bekommt man den Eindruck, was man für D&D vor allem braucht, ist ein Haufen talentierter Impro-Schauspieler :D . In manchen Gameplay-Videos kommt ja nicht einmal ein Spielbrett zum Einsatz, da fragen Leute einfach "Bin ich nah genug dran, dass ich in dieser Runde zu dem Gegner hinlaufen und angreifen kann?"


In der Zwischenzeit habe ich einerseits viel an eigenen Fantasy-Geschichten geschrieben, andererseits auch eine DM-Philosophie bei einem anderen Spiel meiner Kindheit angewandt - dem guten alten 90er-Jahre "Action Puzzle" namens Lemmings :D . Das hat eine kleine aber eingefleischte Community, die sich gegenseitig neue Levels baut und sie testet und spielt, oft auch als Let's Plays auf YouTube. Das hat natürlich nichts mit Fantasy-Stories zu tun, da geht es um den rein spielmechanischen Gedanken: "Wie kann ich eine Aufgabe so gestalten, dass sie die Spieler zwar herausfordert, aber nicht überfordert und besiegt?" Im Moment let's-played gerade jemand eines meiner Level-Packs auf YouTube und scheint im Großen und Ganzen reichlich Spaß zu haben, also glaube ich, ich habe die Balance bisher ganz gut getroffen.


Ich könnte mir also mittlerweile auch vorstellen, die D&D-Runde noch einmal wieder zu beleben, weil ich jetzt einen völlig anderen Blickwinkel auf das habe, was ein Spiel mit ansprechender Story und trotzdem genug eigenen Entfaltungsmöglichkeiten ausmacht. Da würde ich jetzt also instinktiv wieder zu meiner alten Rolle als Spielleiter tendieren, obwohl ich quasi in Summe deutlich weniger Zeit als Spieler verbracht habe.

Vermutlich, weil ich generell nicht der große Teamplayer bin, sondern eher der, der in der Band die Songs schreibt, der sich in die Materie einarbeitet und sie dann anderen in kondensierter Form vermittelt, der freiwillig die Rolle des Sprechers übernimmt und sich vor die Menge stellt, wenn einer aus einer Gruppe einen Vortrag halten muss, etc. :) Und ich denke, das ist auch hilfreich, denn zwischen Spielern und Spielleiter braucht es meinem Verständnis nach eine gewisse "professionelle Distanz", wie man es in anderen Bereichen oft nennt :D : Der DM ist nicht der Feind der Spieler, er ist im Grunde ihr Entertainer, d.h. eigentlich dient er sogar den Spielern - aber im Zweifelsfall ist er auch der, der die Regeln durchsetzen muss.

Untereinander kooperativ brainstormen und gemeinsam Lösungen für Probleme finden ist dann ja eher die Aufgabe der Spieler. Auch konnte ich mich als DM immer besser auf ein Abenteuer vorbereiten, d.h. selbst, wenn ein Spieler mal etwas Unerwartetes gemacht hat, hatte ich durch diese Vorbereitung ja einige Absicherungen in der Hinterhand, die ich mir vorher überlegt hatte. Als Spieler hingegen wird man meist in eine komplett unbekannte Situation geworfen und muss deutlich spontaner sein. Selbst, wenn der eigene Charakter abenteuer-übergreifende Ziele hat, spielt man immer noch eher reaktiv auf das, was der DM einem präsentiert.

Deshalb mal die Frage an euch: Wie lange wart ihr "normale" Spieler, bis ihr zum ersten Mal eine ganze Kampagne geleitet habt? Und haltet ihr das dafür für zwingend nötig? Oder habt ihr gerade als DM erst ein Gespür für die individuellen Wünsche der Spieler entwickelt, während man als Spieler eines bestimmten Charakters ja auch sehr auf dessen eigene Ziele fokussiert sein kann?
Illithid in der Taverne:
"Einmal Gyrus Pita mit Mandelkernen bitte!"

widdi

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Muss man erst ein guter Spieler sein, um ein guter Spielleiter zu werden?
« Antwort #1 am: 02. November 2018, 16:18:31 »
Hallo und willkommen zurück beim besten Hobby überhaupt.  :)

Wie lange wart ihr "normale" Spieler, bis ihr zum ersten Mal eine ganze Kampagne geleitet habt?
Oh in meinem Fall: ein Abend DSA und 0 Abende D&D selbst. Wir haben damals als Gruppe das von dir bereits erwähnte Brettspiel gespielt und sind dann zufällig über das Starter-Set von D&D 3.5 gestolpert. Da das Brettspiel mir gehört hat, war ich da SL und beim Starter-Set aus Gewohnheit auch. Die letzten 15 Jahre hat sich dann niemand gefunden, der das besser machen wollte ^^
Zitat
Und haltet ihr das dafür für zwingend nötig?
Als lebendes Gegenbeispiel: nein, nicht zwingend.
Es ist aber glaub ich sehr förderlich, wenn man sich verschiedene SL-Typen mal anschaun kann oder ein paarmal die Rolle des Spielers einnimmt, damit man weiß wie sich's anfühlt.Viele der typischen Anfängerfehler würden sich so vermutlich vermeiden lassen.
Zitat
Oder habt ihr gerade als DM erst ein Gespür für die individuellen Wünsche der Spieler entwickelt, während man als Spieler eines bestimmten Charakters ja auch sehr auf dessen eigene Ziele fokussiert sein kann?
Hier glaub ich auch, dass man nur als SL und damit quasi neutraler Beobachter wirklich die Zeit und Energie aufbringen kann, genug über die anderen Spieler zu lernen. Das perfekte Gespür wird man aber nie haben, weil zu viele Faktoren mitmischen. Wär aber auch langweilig.

Vor knapp nem halben Jahr sind wir von der 3.5er auf die 5E gewechselt. Und wenn du eh grad wieder quasi neu einsteigst, würd ich den Wechsel fast auch empfehlen. Meiner Erfahrung nach braucht man viel weniger Vorbereitungszeit, weil viel weniger Regeln und man kann sich viel besser auf die SCs und die Geschichte konzentrieren.
Proud member of the PL
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Strato Incendus

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Muss man erst ein guter Spieler sein, um ein guter Spielleiter zu werden?
« Antwort #2 am: 02. November 2018, 20:39:13 »
Hallo widdi, danke für die schnelle Antwort! :)

Stimmt, DSA habe ich ganz vergessen, da habe ich auch mal ein einzelnes Abenteuer als Zwerg als Spieler mitgemacht :D , und das war auch ein etwas erfahrenerer Spielleiter. Was also "Schauspielfähigkeiten" etc. angeht, das ist ja systemübergreifend... ^^

Das mit 5E habe ich auch schon überlegt, ich habe halt im Moment noch nicht den Überblick, wie viele Neuerungen wirklich dabei sind, dass sich die abermalige Investition lohnt. 3.5 scheint ja bei vielen auch weiterhin in Benutzung zu sein - jüngst erst hat hier ja jemand seine 3.5er-Bücher verkauft, und ist sie anscheinend auch schnell losgeworden.

Und das wäre natürlich auch einladend für Spieler; nicht jeder ist unbedingt bereit, sich ein eigenes Spieler-Handbuch zum Originalpreis zuzulegen, aber die von 3.5 bekommt man jetzt ja vermutlich auf dem Sekundärmarkt deutlich billiger.  ::)

Die Frage ist auch, wie viel man im Vorfeld vorbereiten soll, also vor der ersten Gruppensitzung. Wenn man schon einige Abenteuer in der Hinterhand hat, ist es mitunter leichter, Leute zu motivieren, weil man ja schon einen Plan hat. Andererseits kann man den Spielern natürlich am besten etwas auf den Leib schreiben, wenn man schon weiß, um welche konkreten Charaktere es sich handelt, und das geht frühestens nach Sitzung 0 (=Charaktererstellung).
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widdi

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Muss man erst ein guter Spieler sein, um ein guter Spielleiter zu werden?
« Antwort #3 am: 03. November 2018, 17:52:55 »
Das mit 5E habe ich auch schon überlegt, ich habe halt im Moment noch nicht den Überblick, wie viele Neuerungen wirklich dabei sind, dass sich die abermalige Investition lohnt. Und das wäre natürlich auch einladend für Spieler; nicht jeder ist unbedingt bereit, sich ein eigenes Spieler-Handbuch zum Originalpreis zuzulegen, aber die von 3.5 bekommt man jetzt ja vermutlich auf dem Sekundärmarkt deutlich billiger.  ::)
Insgesamt wurde sehr viel eingestampft und vereinfacht. Meinen Spielern gefällt das überraschend gut, weil man gar nicht mehr Gefahr läuft über irgendwelche Boni zu diskutieren, sondern sich viel mehr auf die wichtigen Dinge fokussiert. Die Charaktere bauen sich auch wesentlich schneller und das Level up ist auch simpel geworden.
Mit den offiziellen Basic Rules kannst du dir kostenlos ein gutes Bild von der 5E machen.
Zitat
Die Frage ist auch, wie viel man im Vorfeld vorbereiten soll, also vor der ersten Gruppensitzung. Wenn man schon einige Abenteuer in der Hinterhand hat, ist es mitunter leichter, Leute zu motivieren, weil man ja schon einen Plan hat. Andererseits kann man den Spielern natürlich am besten etwas auf den Leib schreiben, wenn man schon weiß, um welche konkreten Charaktere es sich handelt, und das geht frühestens nach Sitzung 0 (=Charaktererstellung).
Ich bin mittlerweile dazu übergegangen, vor der Charakter-Bau-Session fast gar nichts mehr vorzubereiten, ich geb ein paar lose Ideen oder atmospährische Bilder von verschiedenen Kaufabenteuern oder grobe Ansätze von was selbsterdachten vor (im Stil von "ihr lebt als Auszubildende auf einer fliegenden Drachenreiterfestung und erkundet einen fremden Kontinent"). . In der großen Runde (also Spieler und SL) wird dann diskutiert was gewünscht ist und wie sich jeder mit welchem Charakter am besten einbringen kann.
Gerade wenn ein Spieler eher exotische Ideen für seinen Chararakter hat, passt das meistens nicht in eine zuvor schon fertig gedachte Kampagne.
Das oft angeführte Argument mancher SL "meine Geschichte zuerst, ich hab schließlich den Aufwand" zählt also nichts bei uns, und gerade bei mir erst recht nicht, weil ich schon seit Jahren nur noch von Abend zu Abend vorbereite. Die besten Ideen hab ich während oder kurz nach einer Session, sodass ich längere Pläne eh immer verwerf.
Die 5E macht mir das mit ihren stark reduzierten Regeln sogar oft so leicht, dass ich auch für normale Spieleabende manchmal gar nichts mehr vorbereite, sondern nur noch spontan leite.

Aktuell spielen wir das großartige Kaufabenteuer Tomb of Annihilation. Die Geschichte hab ich einmal komplett durchgelesen und gerade das erste Drittel des Abenteuers läd wirklich sehr stark zum Improvisieren ein.
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Tigershark

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Muss man erst ein guter Spieler sein, um ein guter Spielleiter zu werden?
« Antwort #4 am: 05. November 2018, 09:51:10 »
Deshalb mal die Frage an euch: Wie lange wart ihr "normale" Spieler, bis ihr zum ersten Mal eine ganze Kampagne geleitet habt? Und haltet ihr das dafür für zwingend nötig? Oder habt ihr gerade als DM erst ein Gespür für die individuellen Wünsche der Spieler entwickelt, während man als Spieler eines bestimmten Charakters ja auch sehr auf dessen eigene Ziele fokussiert sein kann?
Nicht aus meiner eigenen Erfahrung, aber aus erster Hand: Nein, halte ich definitiv nicht für nötig.

Ich selbst war mehrere Monate Spieler, bis ich überhaupt das erste Mal einen Blick in die Rollenspielwerke geworfen habe.

aber die von 3.5 bekommt man jetzt ja vermutlich auf dem Sekundärmarkt deutlich billiger.  ::)
Billiger als das Orginal damals? Täusch dich da mal nicht... Für ein Spieler-Handbuch D&D 3.5 legst du heute auf Plattformen wie eBay über 100 € hin, besonders gesuchte Regelwerke wie das Book of Nine Swords oder das Magic Item Compendium zahlst du gebraucht ebenfalls gerne mal 80 €.
« Letzte Änderung: 05. November 2018, 09:53:04 von Tigershark »
Du hast nicht wirklich erwartet, dass ich dir Recht gebe, oder?

G4schberle

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Muss man erst ein guter Spieler sein, um ein guter Spielleiter zu werden?
« Antwort #5 am: 06. November 2018, 15:31:27 »
Wie lange wart ihr "normale" Spieler, bis ihr zum ersten Mal eine ganze Kampagne geleitet habt? Und haltet ihr das dafür für zwingend nötig?
Meinen ersten Spielabend habe ich noch als Spieler verbracht. Danach war ich so euphorisch und voller Tatendrang, dass ich nicht die zwei Monate bis zum nächsten Spielabend warten konnte. Aber an meiner Schule gab es niemanden, der auch nur wusste was ein Pen&Paper ist. Wir hatten ja nix hier im Osten.  :cheesy:
Also habe ich ein paar Freunde zusammengetrommelt und mit ihnen DnD angefangen. Da ich eine ganze Session Vorsprung hatte und bereits für ein paar Stunden in dem Spielerhandbuch meines SLs schmökern konnte, war ich definitiv der prädestinierteste für die Rolle des SLs. Wir hatten keine Erfahrung und kein einziges Regelbuch und trotzdem ne Menge Spaß. :thumbup:

Ergo braucht ein first-time SL mMn kaum klassische Vorkenntnisse. Es reicht wenn die eigenen Erwartungen an das Spiel mit denen der Spieler Hand in Hand gehen. Eine gehörige Portion Enthusiasmus kann auch nicht schaden.


Reingehaun
G4
« Letzte Änderung: 06. November 2018, 23:53:38 von G4schberle »
... berichtigt mich, wenn ich falsch liege ...