Hallo zusammen,
nach längerer Abwesenheit finde ich gerade durch die Videos von Matt Colville und Critical Role wieder ein wenig zu D&D zurück. Früher haben wir im Familienkreis gespielt, da bin ich ziemlich schnell von der Rolle des Spielers in die des Spielleiters gewechselt (im Grunde, weil ich die meiste Energie hatte, mich mit den Regeln zu befassen, Abeneteuer zu schreiben und Dinge anzufertigen wie Karten für Monster, Waffen, Zauber, Gegenstände etc.)
Unser Spiel war damals vor allem sehr mechanisch geprägt - was auch daran gelegen haben könnte, dass wir zwischen "normalem" D&D und der stark vereinfachten Brettspiel-Version ("Das Fantasy-Abenteuerspiel" von Parker mit den Erweiterungen "Ewiger Winter" und "Verbotener Wald) hin und her gewechselt sind. Das ging deshalb, weil wir auch im normalen Spiel die Iconic Characters aus v3.5 verwendet haben.
Die Brettspiele waren vor allem deshalb hilfreich, weil man so instantan Zugang zu einer Menge Spielfiguren und illustrierten Maps mit Spielfeldern drauf hatte. Viele Abenteuer entsprachen also dem, was im Spielleiter-Handbuch 3.5 als "mit der Tür ins Haus fallen" bezeichnet wird
: Tür aufbrechen, Monster töten, Fallen entschärfen, Schätze einsacken, Stufen aufsteigen. Kurzum: Man spricht das gleiche Belohnungssystem an wie ein PC-Spiel mit gutem Gameplay, und dafür nimmt man dann in Kauf, dass die Story eher zweitrangig ist.
Wenn man sich dagegen Critical Role anschaut, bekommt man den Eindruck, was man für D&D vor allem braucht, ist ein Haufen talentierter Impro-Schauspieler
. In manchen Gameplay-Videos kommt ja nicht einmal ein Spielbrett zum Einsatz, da fragen Leute einfach "Bin ich nah genug dran, dass ich in dieser Runde zu dem Gegner hinlaufen und angreifen kann?"
In der Zwischenzeit habe ich einerseits viel an eigenen Fantasy-Geschichten geschrieben, andererseits auch eine DM-Philosophie bei einem anderen Spiel meiner Kindheit angewandt - dem guten alten 90er-Jahre "Action Puzzle" namens Lemmings
. Das hat eine kleine aber eingefleischte Community, die sich gegenseitig neue Levels baut und sie testet und spielt, oft auch als Let's Plays auf YouTube. Das hat natürlich nichts mit Fantasy-Stories zu tun, da geht es um den rein spielmechanischen Gedanken: "
Wie kann ich eine Aufgabe so gestalten, dass sie die Spieler zwar herausfordert, aber nicht überfordert und besiegt?" Im Moment let's-played gerade jemand eines meiner Level-Packs auf YouTube und scheint im Großen und Ganzen reichlich Spaß zu haben, also glaube ich, ich habe die Balance bisher ganz gut getroffen.
Ich könnte mir also mittlerweile auch vorstellen, die D&D-Runde noch einmal wieder zu beleben, weil ich jetzt einen völlig anderen Blickwinkel auf das habe, was ein Spiel mit ansprechender Story und trotzdem genug eigenen Entfaltungsmöglichkeiten ausmacht.
Da würde ich jetzt also instinktiv wieder zu meiner alten Rolle als Spielleiter tendieren, obwohl ich quasi in Summe deutlich weniger Zeit als Spieler verbracht habe. Vermutlich, weil ich generell nicht der große Teamplayer bin, sondern eher der, der in der Band die Songs schreibt, der sich in die Materie einarbeitet und sie dann anderen in kondensierter Form vermittelt, der freiwillig die Rolle des Sprechers übernimmt und sich vor die Menge stellt, wenn einer aus einer Gruppe einen Vortrag halten muss, etc.
Und ich denke, das ist auch hilfreich, denn zwischen Spielern und Spielleiter braucht es meinem Verständnis nach eine gewisse "professionelle Distanz", wie man es in anderen Bereichen oft nennt
: Der DM ist nicht der Feind der Spieler, er ist im Grunde ihr Entertainer, d.h. eigentlich dient er sogar den Spielern - aber im Zweifelsfall ist er auch der, der die Regeln durchsetzen muss.
Untereinander kooperativ brainstormen und gemeinsam Lösungen für Probleme finden ist dann ja eher die Aufgabe der Spieler. Auch konnte ich mich als DM immer besser auf ein Abenteuer vorbereiten, d.h. selbst, wenn ein Spieler mal etwas Unerwartetes gemacht hat, hatte ich durch diese Vorbereitung ja einige Absicherungen in der Hinterhand, die ich mir vorher überlegt hatte. Als Spieler hingegen wird man meist in eine komplett unbekannte Situation geworfen und muss deutlich spontaner sein. Selbst, wenn der eigene Charakter abenteuer-übergreifende Ziele hat, spielt man immer noch eher reaktiv auf das, was der DM einem präsentiert.
Deshalb mal die Frage an euch:
Wie lange wart ihr "normale" Spieler, bis ihr zum ersten Mal eine ganze Kampagne geleitet habt? Und haltet ihr das dafür für zwingend nötig? Oder habt ihr gerade als DM erst ein Gespür für die individuellen Wünsche der Spieler entwickelt, während man als Spieler eines bestimmten Charakters ja auch sehr auf dessen eigene Ziele fokussiert sein kann?