Eine interessanate Pressemeinung:
George W. Bush hat die letzte Wahlschlacht seines Lebens geschlagen - und grandios gewonnen. John Kerry, der Herausforderer des US-Präsidenten, gestand nach einigem Zögern seine Niederlage ein. Gegen die Wucht der Zahlen kam der Demokrat nicht anVor vier Jahren bekam Bush landesweit eine halbe Million Stimmen weniger als sein Gegner Al Gore und wurde durch ein Gerichtsurteil Präsident - eher ein Zufall als ein Wahlsieg. Am Dienstag schaffte er trotz des Krieges im Irak und schlappem Arbeitsmarkt einen Sieg. "Ich glaube, dass ich gewinnen werde", hatte Bush schon gesagt, als erste Umfragen ihn noch als Verlierer sahen. Einige Stunden später ließ er seinen Stabschef Andy Card den Sieg verkünden. Bush habe "mehr Stimmen bekommen als jeder Kandidat in der Geschichte unseres Landes", stellte Card fest.
Bush holte 51 Prozent. Allein das ist niederschmetternd für Kerry. Seit 1988 hat es kein US-Präsident mehr über die 50-Prozent-Marke geschafft. Kerry erreichte 48 Prozent - ein Abstand von dreieinhalb Millionen Stimmen. Florida, Zitterstaat im Jahr 2000, ging widerstandslos an Bush.
Der Triumph der Republikaner ist nicht zu EndeIn Bushs Windschatten hat die Partei ihre Mehrheiten in Senat und Abgeordnetenhaus ausgebaut. Das "Haus" beherrscht die "Grand Old Party" schon seit einer Dekade. Dazu kommt nun die Aussicht, auch 54 oder 55 der 100 Senatoren zu stellen.
Bush hat damit zwei Dinge, die ihm vor vier Jahren fehlten: Ein klares Mandat und eine stabile Mehrheit im Kongress. Ein Hemmschuh ist zudem weggefallen: Bush kann nicht wieder antreten, um seine Wahlaussichten muss er sich nicht mehr sorgen. Bis zur Kongresswahl 2006 gibt es daher wenig, was die Handlungsfreiheit des Präsidenten einschränkt.
Die Frage ist: Was macht er daraus? Die Antwort wird einerseits davon abhängen, wem sich Bush für seinen Sieg verpflichtet fühlt. Eine Gruppe steht bereits fest: die Millionen "Evangelikalen", die für Bush gestimmt haben. Die größte Überraschung der Wahl war, wie viele Bürger nicht Terror, den Irak oder die Wirtschaft als wichtigstes Thema sahen, sondern "Werte". Die streng gläubigen Protestanten brachten Bush im Süden und Mittelwesten den Sieg. Ihre hohe Wahlbeteiligung ist einer der Gründe dafür, dass er so viele Stimmen hinzugewann. Bei der religiösen Rechten wird der Präsident sich revanchieren müssen - sei es durch die Ernennung konservativer Richter oder bei Streitthemen wie Abtreibung oder Homoehe.
Bushs Platz in den GeschichtsbüchernAndererseits muss sich Bush um seinen Platz in den Geschichtsbüchern kümmern. Das heißt: Bis Ende 2008 muss er zumindest einige der Probleme lösen, die er zum Gutteil selbst verschuldet hat: das Etatdefizit, die tiefe Spaltung der Gesellschaft und den Krieg im Irak. Bush dürfte nicht daran interessiert sein, dass der Krieg sein politisches Erbe befleckt, wie Vietnam die Präsidentschaften von Lyndon B. Johnson und Richard Nixon befleckt hat. Die Amerikaner haben zwar 1100 tote GIs hingenommen, weitere 1000 Gefallene werden sie wohl nicht akzeptieren. In den nächsten vier Jahren muss Bush daher entweder den Irak befrieden oder die Soldaten nach Hause holen.
In den ersten vier Jahren hat Bush als Revolutionär regiert, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Unordnung in der Welt schien ihm weniger gefährlich als der Status quo. "Wir wollen Transformation, nicht Stabilität", antwortete Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice einmal einem deutschen Diplomaten, der darauf hinwies, dass die Politik Bushs den Nahen Osten aus dem Gleichgewicht bringe. Bush sieht sich und Amerika seit dem 11. September 2001 vor einer Mission: der Verbreitung von Freiheit und Demokratie. Bush hat Amerikas Platz in der Welt neu definiert und dabei kaum Rücksicht auf alte Verbündete genommen. In seiner zweiten Amtszeit hat er nun die Wahl: mehr Revolution oder - wie sein politisches Vorbild Ronald Reagan - das Erreichte festigen.
Instinkt und Glauben als RichtschnurUm Reagan zu folgen, müsste Bush jedoch bereit sein, von tiefen Überzeugungen und hartnäckig verteidigten Positionen abzurücken. Der klare Wahlsieg würde ihm dafür die politische Rückendeckung im In- und Ausland geben - zum Beispiel in seiner Iran-Politik. Vor der Wahl hätte mehr Entgegenkommen gegenüber Teheran wie Schwäche gewirkt. Europas Überzeugungsversuche scheiterten daher. Jetzt müsste Bush keine Kritik befürchten.
Doch Reflexion ist nicht Bushs Stärke. Seine Berater erzählen stolz, dass für Bush sein Instinkt und sein Glauben die Richtschnur für seine Politik seien, nicht die Realität.
Im Wahlkampf hat Bush nicht nur deshalb keine Fehler eingeräumt, weil es taktisch unklug gewesen wäre. Er verteidigte seine Entscheidungen auch deshalb so heftig, weil er von ihnen überzeugt ist. "Certainty", die Überzeugung, das Richtige zu tun, war das wichtigste Wort in Bushs Wahlkampfvokabular. Der Unwille, den Kurs anzupassen, dürfte Bush aber kaum dabei helfen, den Berg von Problemen abzutragen, die auch nach seinem Wahlsieg bleiben.
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