Autor Thema: Stadt in Ketten 2: Flutzeit  (Gelesen 13704 mal)

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Kylearan

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #15 am: 22. März 2005, 13:11:45 »
Zitat von: "Gast_Berandor"
Die Zwischen- und Endgegner gerade der ersten Abenteuer sind ja doch ziemlich happig. (...) ... und ich habe da noch ein paar Überraschungen vorbereitet  :ph34r:
Ach ja, muss ja mal an meinen Nachfolgecharakteren basteln... *schluck*

Kylearan
"When the going gets tough, the bard goes drinking."

Thargad

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #16 am: 22. März 2005, 14:20:31 »
Zitat von: "Kylearan"
Ach ja, muss ja mal an meinen Nachfolgecharakteren basteln... *schluck*

Kylearan
Oder Dir einen guten Grund überlegen, warum Helion unbedingt wiedererweckt werden muß.

Der Grund, daß wir noch herausfinden müssen,  was mit unseren Eltern geschah, wurde ja schon verwendet. Wer zuerst stirbt, hat eben die freie Auswahl  :D
 

Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #17 am: 22. März 2005, 14:29:30 »
Zitat von: "Thargad"
Zitat von: "Kylearan"
Ach ja, muss ja mal an meinen Nachfolgecharakteren basteln... *schluck*

Kylearan
Oder Dir einen guten Grund überlegen, warum Helion unbedingt wiedererweckt werden muß.

Der Grund, daß wir noch herausfinden müssen,  was mit unseren Eltern geschah, wurde ja schon verwendet. Wer zuerst stirbt, hat eben die freie Auswahl  :D
Oder ihr sichert euch ein paar Gefallen :D

Es geht gar nicht um den Grund selbst, als vielmehr eine Motivation, die zu eurem Schutzgott passt. Und "ich will wissen, wer meine Eltern waren" passt zu den meisten nicht. Man muss es halt "gefälliger" formulieren - dann geht alles.

Wie in der Politik halt :)
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Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #18 am: 27. März 2005, 18:26:11 »
 Kleiner Teaser:
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 :blink:  
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Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #19 am: 29. März 2005, 22:57:52 »
 Rückkehr zum Glücklichen Affen
Es regnete noch immer. Jenya war sichtlich aufgeregt, und in kurzen Sätzen er-klärte sie ihre Not.

»Ich habe eine magische Botschaft von Sarcem bekommen. Er ist in einer Wirt-schaft in der Nähe, dem „Glücklichen Affen“.«

»Wir kennen diesen Ort«, sagte Helion.

»Sarcem sprach von einem Überfall. Er...«, Jenya stockte, »er sagte, er sei schwer verletzt. Ihr müsst ihm helfen!«

»Keine Sorge. Wir werden.«

»Habt Dank. Macht euch fertig, ich besorge inzwischen Reittiere für euch. Wir treffen uns am Tempel.«

-

Jenya hatte vier Pferde besorgt, schnelle und leichte Tiere.

»Das ist Hrolf«, sie deutete auf ein rauchgraues Tier. «Hrolf ist ein Tarpaner. Das bedeutet, dass er sehr störrisch ist – ihr werdet ihm kaum sagen können, was er zu tun hat. Dafür kennt er die Umgebung und wird euch sicher den Berg herunter bringen.«

»Wo ist denn mein Pony?«, fragte Dirim und sah die großen Tiere misstrauisch an.

»Es wäre zu langsam gewesen. In der Nacht und diesem Wetter kommen selbst diese Pferde kaum schneller voran als ein Mensch zu Fuß bei Tageslicht – wir haben keine Zeit zu verlieren.« Jenya zögerte. »Es gibt noch etwas. Sarcem war unterwegs, um Zauberstäbe zum Schutz gegen Überflutung zu besorgen. Er kaufte acht Stück. Bringt Sarcem zurück, und bringt die Stäbe mit! Es könnte lebenswichtig sein.«

Diesem Argument gab es wenig entgegen zu setzen, und die Kettenbrecher saßen auf. Jenya begleitete sie zum Stadttor.

»Jenya«, sagte Helion, während sie warteten, dass die Wachen das Tor öffneten, »wir möchten vermeiden, für einige Erbstücke Zoll zu entrichten. Würdet ihr darauf Acht geben?« Er überreichte der Priesterin die magischen Ringe der Schätze.

»Ich werde sie hüten wie mich selbst«, sagte Jenya zum Abschied. Dann ritten sie durchs Tor, und in die Nacht hinaus. »Helm bewache eure Schritte.«

-

Schweigend ritten sie dahin. Dirim hatte Hrolf die Zügel überlassen, und das Pferd marschierte trittsicher voraus, die anderen folgsam hinterher. Nach etwa einer Stunde erreichten sie flaches Land, und die Straße führte geradewegs nach Westen. Der Mond war nur der Hauch einer Ahnung im wolkenschweren Himmel, und in der Dunkelheit kamen sie trotz der Pferde nur langsam voran; der matschige Untergrund tat sein Übriges.

Bald hingen sie alle ihren Gedanken nach, mehr oder weniger vor sich hin dösend. Es war ein langer Tag gewesen, und ein weiterer kündigte sich an, da war es wichtig, sich auf dem monotonen Ritt etwas auszuruhen. Ab und an durchdrang der Schrei eines Tieres die Stille, aber ansonsten wirkte das dumpfe Stampfen der Hufe und das leise Plätschern des Regens angenehm beruhigend.

Sie erreichten das Wirtshaus mit Anbruch der Dämmerung. In sicherer Entfernung stiegen die Kettenbrecher ab und schickten Thargad, sich umzusehen. Thargad schlich vorsichtig um das Haus herum. Die Fensterläden des Affen waren geschlossen, hier und da ein Fenster einschlagen, und es roch nach Blut und Alkohol. Die Vordertür war eingeschlagen und hing schief in den Angeln; dahinter erkannte Thargad Tische, mit denen der Eingang verbarrikadiert worden war.

Grölender Gesang machte ihn auf eine Gruppe Banditen aufmerksam, die an einem Tisch im großen Schankraum Platz genommen hatten. Der Raum war ein Schlachtfeld aus Tischen und Stühlen, und die fünf Männer und Frauen schienen ihren Sieg zu feiern. Thargad fiel auf, dass jeder der Banditen ein rotes Tuch am Arm trug, wie ein Erkennungszeichen. Ohne länger zu lauschen, machte sich Thargad auf den Weg zur Hintertür, die in die Küche führte.

Die Rückseite des Glücklichen Affen lag nahe am Waldrand. Thargad schlich da-her durch das Gehölz, bis er an eine Schneise kam, etwa in Höhe der Hintertür. Ihm stockte der Atem. Die Banditen hatten in der Schneise einen Leichenhaufen aufgeschichtet. Thargad sah Holzfäller, Schankfrauen, aber auch ein oder zwei Banditen unter den Toten. Es waren etwa zwei Dutzend, allesamt blutig und verstümmelt.

Bevor er näher heran gehen konnte, traten zwei mannhohe Echsen aus dem Wald, schlanke Körper auf zwei kräftigen Hinterbeinen, mit verkümmerten Vor-derarmen. Diese Dinosaurier waren in der Gegend nicht selten, und der Geruch des Fleisches hatte sie angezogen. Sie begannen auch gleich, zu fressen. Thargda wandte sich ab, und der Tür zu. Vielleicht konnte man wenigstens den Überlebenden noch helfen – wenn es welche gab.

Die Hintertüre war verschlossen. Vorsichtig spähte Thargad durch die Ritzen in den Fensterläden.

»Was sagst du jetzt? Da bleibt dir die Spucke weg, wie?«

Für einen Moment, glaubte Thargad, er sei angesprochen, doch dann sah er, wem die kreischende Stimme gehörte, und für einen Augenblick wünschte er, es doch mit den Dinosauriern aufnehmen zu dürfen.

Die Küche schien zu dem Hauptquartier der Banditen umfunktioniert worden zu sein. An der Wand türmten sich Kunstgegenstände, und säuberlich gestapelte Münzen lagen neben aufnahmebereiten Säcken. Drei oder vier Paviane turnten durch das Zimmer, und mitten in diesem Chaos stand der hässlichste Halbork, den Thargad je gesehen hatte. Er war massig, mit einer schmutzigen Fellrüstung bekleidet, und sein Gesicht war eine Grimasse, eine Mischung aus Paviankopf und orkischen Zügen. Ringe baumelten in den Brustwarzen der Kreatur, Tätowierungen und Narben bedeckten den Körper. In seinem Gürtel steckte ein gewaltiges Krummschwert.

»Damit hast du nicht gerechnet, oder?«, höhnte die Kreatur wieder. Thargad reckte seinen Hals, aber er konnte nicht sehen, mit wem das Ungetüm sprach. Schnell machte er, dass er zurück zu den anderen kam.

»Da lebt noch jemand«, sagte er. »Wir müssen schnell handeln.«

-
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Dirim hatte einen Stillezauber auf sich gewirkt, und in dessen Schutz standen er, Thargad und Boras vor der Hintertür. Ein paar Schritt entfernt – aber nicht zu nahe an den Dinosauriern – hatte Helion Aufstellung genommen und bereitete sich darauf vor, die Verriegelung magisch zu öffnen. Dirim gab ihm ein Zeichen, dass sie ihre Waffen bereit gemacht hatten.

»Aportis!«

Die Riegel glitten beiseite, und Dirim stieß die Tür auf. Der Affenmensch sah sich überrascht um. Boras stürmte zu ihm und schwang seine Axt. Blitzschnell hatte das Ungetüm sein Krummschwert gezogen und den Hieb abgewehrt, dann verkeilten sich die Waffen. Dirim näherte sich vorsichtig, doch der Affenmensch brachte Boras zwischen sich und den Zwerg. Thargad stach derweil nach einem der Affen, der schreiend zurücksprang.

Der Atem des Affenmenschen stank nach Verwesung und Tod. »Ich werde deine Zunge fressen«, drohte er. Boras begegnete seinem Blick, ohne zurückzuweichen. Die Muskeln beider Kämpfer waren zum Zerreißen ge-spannt, aber immer noch hingen ihre Waffen über ihnen in der Luft. Langsam, zitternd, zwang der Affenmensch Boras’ Griff nach unten. Die Klinge des Krummschwertes näherte sich dem Barbaren.

»Arcanex!« Magische Geschosse explodierten in der Brust eines Affen und warfen ihn um. Thargad erledigte einen zweiten, Dirim war mit dem dritten beschäftigt. Der Krummsäbel berührte Boras’ Wange.

»Ich bin stärker als du«, höhnte der Affenmensch. Zur Antwort nahm Boras den Druck von der Axt und ließ sich von dem Schwung des Schwertes um die eigene Achse drehen. Noch während der Affenmensch seine Lefzen zu einem Grinsen verzog, wirbelte Boras herum und trennte ihm den Kopf von den Schultern.

»Und kleiner«, sagte der Barbar. Er befühlte seine blutende Wange, dann verzog er den Mund zu einem abschätzigen Grinsen. »Anfänger.«

In dem Moment, als der Affenmensch starb, wandte sich der letzte Pavian zur Flucht. Dirim versetzte ihm noch einen Hieb, und bevor der Affe den Wald erreichen konnte, zwang ihn der Bolzen aus Helions Armbrust zu Boden.

Drei Bewaffnete kamen die Treppe in den ersten Stock herunter. Ihr Blick fiel auf die Kettenbrecher, und sie verharrten. Dann sahen sie die Leiche ihres Anführers.

»Masks schwarze Seele!«, entfuhr es dem Ersten.

»Aurils kalte Klaue!«, flüsterte die Zweite, bleich geworden.

»Scheiße!«, rief die Dritte.

Dann flohen sie.


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-=Loki=-

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #20 am: 29. März 2005, 23:50:38 »
 Netter Schlag Boras!
Wie immer spannend :)

Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #21 am: 29. März 2005, 23:57:55 »
 Kritischer Treffer, 1w12+13 x 3 (Axt).
Gewürfelt 10, 10, 9.

Da ging er hin, der Zungenfresser. :D

Die nächsten Updates sind schon in der Entstehung. Es gibt Drama, Trauer, Zorn und... überrumpelte Wachen.

Hoffe ich ;)
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Kylearan

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #22 am: 30. März 2005, 10:57:47 »
 68 frickin' points...
"When the going gets tough, the bard goes drinking."

Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #23 am: 31. März 2005, 21:43:01 »
 Überlebende
Boras und Thargad folgten den Banditen unter lauten Alamrufen in den ersten Stock. Der Barbar holte auf, während Thargad zurück blieb und begann, mögliche Flucht- und Zugangswege zu blockieren.

»Flieht!«, rief eine der Frauen und verlangsamte ihren Schritt. »Ich halte ihn auf.« Sie hob ihr Schwert abwehrbereit.

Boras fegte ihre Waffe beiseite, dann schlug er ihr in erst den Magen, dann ins Gesicht. Benommen ging sie zu Boden. Er sah den Flüchtenden hinterher, doch diese waren inzwischen zu weit entfernt, als dass er sich alleine vorwagen wollte. Er zerrte die Frau in die Höhe.

»Geh voraus!«

-

Inzwischen bewachte Dirim die Türen, die vom Erdgeschoss in die Küche führten, und Helion sah sich um. Dabei machte er einen grausigen Fund. Der Affenmensch hatte sich nicht mit einem Gefangenen unterhalten, sondern hatte den abgetrennten Kopf eines Mannes verhöhnt, dem zudem die Zunge fehlte.

»Ich hoffe, das ist nicht Sarcem«, sagte Helion.

»Fragen wir doch nach«, sagte Thargad, der mit Boras und seiner Gefangenen herunter kam.

»Isch ergebe misch«, lallte die Frau. Boras stieß sie zu Boden.

»Was wolltet ihr hier?«, fragte Dirim.

»Wir wollten nurn bischen Spaß. Nbischen Randale, und das wars.«

»Spaß?«, echote Dirim. »Ihr habt Menschen abgeschlachtet und nennt das Spaß?«

Die Frau zuckte mit den Schultern. »Konntn ja nisch ahnen, dass das son Gemetzel wird. Der Priester wollt nisch aufgebbn.« Sie grinste. »Hättem auch nix genutzt.«

»Ich habe genug gehört. Boras!« Dirim zog sein Langschwert und hielt es aufrecht vor sich. »Im Nahmen Tyrs und der Gerechtigkeit verurteile ich dich zum Tode. Das Urteil wird sofort vollstreckt.«

»Wasch? Aber...« Die Frau wich zurück. Boras hob seine Axt. »Nein. Bitte nisch. Bitte-« Die Axt schnitt ihr Flehen ab.

-

Leise stiegen die Kettenbrecher die Stufen in den Keller hinab. An der Wand standen große Brauereifässer, zerschlagen. Der Boden war von Blut und Bier durchtränkt und in einem Kampf aufgewühlt. Der Geruch, der über der Wirtschaft hing, war hier noch stärker. An einem der Fässer lehnte die kopflose Leiche eines Helmklerikers, die Waffe noch in der blutigen Hand. Aus einem Gang am Ende des Kellers drangen Stimmen. Thargad schlich hinüber und sah eine Handvoll Banditen, die vor einer mit dünnem Eis überzogenen Schicht standen und beratschlagten.

»Ich packe die nicht mehr an«, sagte einer von ihnen gerade. »Meine Finger brennen noch vom letzten Mal.«

Thargad hob seine Hand als Zeichen, wie viele es waren.

»Ich erledige das«, sagte Boras.

-

Sie hatten die Leichen in den Weinkeller geschleppt, der von den Banditen nahezu leer geräumt worden war. Weitere Räume waren ein Vorratsraum für Früchte, die Regale umgestürzt, und eine Kühlkammer. An der Türe hing ein Schild ?Kein Feuer in diesem Raum?, und in der Kammer lag eine umgestürzte Metallkiste, die mit leichtem Frost überzogen war. Eine Untersuchung der letzten Türe hatte ergeben, dass unter der Eisschicht ein bräunliches Moos wucherte, aber keiner der Kettenbrecher konnte sagen, ob es für die Kälte verantwortlich war. Die Türe war außerdem im Rahmen verzogen und klemmte. Thargad hörte ein leises Stöhnen dahinter.

»Dahinter könnte Sarcem liegen«, sagte Helion. »Die Leiche hier vorne kann ein Begleiter sein. Er war bestimmt nicht alleine unterwegs.«

»Vielleicht können wir das Moos abbrennen?«, schlug Thargad vor. Dirim entzündete eine Fackel und hielt sie an das Holz. Augenblicklich wurde es kälter im Gang, und das Moos wuchs die Wände entlang auf die Flamme zu. Schnell trat Dirim in den Keller zurück. Sein Atem kam in Wolken gefrorener Luft.

»Das Zeug mag Feuer.«

»Hat jemand eine Idee?«, fragte Helion.

»Ich könnte Boras vor Kälte schützen, und er macht die Türe platt.«

»Klingt gut«, sagte der Barbar. Dirim presste ihm seine heiliges Symbol auf die Stirn.

»Tyr, erfülle diesen Mann mit der Wärme der Rechtschaffenheit, auf dass ihm die Kälte nichts anhaben möge.«

Boras rammte mit der Schulter gegen die Tür. Sie bog sich unter seiner Kraft, gab aber nicht nach. Der Barbar sah, wie die Haare auf seinem Arm weiß wurden und gefroren, doch er spürte die Kälte kaum. Der Zauber wirkte. Er nahm seine Axt und begann, die Türe einzuschlagen. Als er fertig war, hatten sich leichte Frostbeulen auf seiner Haut gebildet.

Er trat in den Raum. Auch hier war das Gebiet um die Türe herum von Moos und Eis bedeckt. In der Mitte des Raums war ein niedriger Brunnen, dahinter zusammengesunken ein Körper. Boras sah, dass es sich um Shensen Tesseril handelte, die Halbdunkelelfe, die im Glücklichen Affen wohnte. Sie war bewusstlos.
Dirim folgte Boras in den Raum und kümmerte sich um die Elfe.

»Tyrs Gnade komme über dich«, flüsterte er, und ihre Wunden schlossen sich. Sie schlug die Augen auf.

»Hilfe! Hi-«, dann erkannte sie ihn. Ihr Körper entspannte sich, und sie lächelte. »Ihr seid gekommen. Danke.«

-

Die Kettenbrecher saßen mit Shensen in der Küche. Helion hatten ihr und Dirim einen heißen Tee gebracht, den sie dankbar schlürften. Während der Zwerg Shensen so weit aufgepäppelt hatte, dass sie sich durch den vereisten Gang wagen konnten, hatten Boras und Thargad das Wirtshaus durchsucht. Die restlichen Banditen waren geflohen, mit Ausnahme eines Liebespärchens, das in trunkener Lust erst voneinander ließ, als es zu spät war.

»Dann erzählt mal«, sagte Helion. »Was genau ist hier passiert?«

Shensen zog eine Grimasse, als ob selbst die Erinnerung schmerzhaft wäre. »Es begann kurz nach Einbruch der Dunkelheit...«

-

Shensen erhob sich von ihrem Gebet. Wie jeden Abend fühlte sie sich erfrischt, nachdem sie ein wenig meditiert hatte. Sie machte sich auf den Weg in den Schankraum, um einen letzten Humpen zu trinken. Die Nacht war gerade erst angebrochen, aber ihr war nicht nach Gesellschaft. Vielleicht würde sie noch ein wenig durch den Wald gehen?

Ihr Gedankengang wurde von dem Geräusch splitternden Holzes unterbrochen. Shensen beschleunigte ihren Schritt. Im Schankraum brach das Chaos aus, als eine Handvoll Bewaffneter durch die zerbrochene Eingangstüre drängten. Der erste der Eindringlinge ging zu Thoren; der Holzfäller saß regungslos an seinem Tisch, als ihm das Schwert in den Bauch getrieben wurde. Shensen blieb stehen. Ihre Augen schienen ihr einen Streich zu spielen ? wer sollte den Glücklichen Affen angreifen? Und doch war es so. Jetzt erst kam Leben in die Anwesenden. Vera, die Schankmaid, kreischte, und einige Männer packten Knüppel, um sich zur Wehr zu setzen. Die Angreifer waren jedoch ausgebildet, überlegen. Shensen zwang sich aus dem Schockzustand. Ohne ihre Hilfe würden ihre Freunde sterben. Sie hatte geschworen, den Affen und seine Bewohner zu beschützen. Es war Zeit, ihren Eid zu erfüllen. Sie rannte vor und versetzte dem erstbesten Angreifer einen Schlag unters Kinn, dann tauchte sie unter einem Schwerthieb durch und trat dem nächsten zwischen die Beine. Und währenddessen begann sie, das Lied der Glücklichen Affen zu singen, um den Verteidigern Mut zuzusprechen.

»Kehrt zurück in die Nacht, Abschaum!« Der Priester, der heute angekommen war, betrat den Schankraum. Er trug einen Plattenpanzer, ein Streitkolben leuchtete in seiner Hand. »Helm wacht über dieses Haus.«

Für einen Moment wendete sich das Blatt. Angespornt von Shensen Lied und der Macht des Priesters fassten die Verteidiger Mut. Die Schankfrauen griffen zu Stühlen, und die Holzfäller hatten ihre Äxte in der Hand. Sie konnten gewinnen. Dann trat der Affenmann in den Schankraum.

Keuchend kam der letzte Holzfäller die Treppe herunter. Shensen konzentrierte sich und verzog die Tür in ihrem Rahmen. Es würde sie nicht lange aufhalten. Es würde
ihn nicht lange aufhalten. Shensen kannte den Ausdruck, jemanden in der Luft zu zerreißen, aber sie hätte nie geglaubt, dass jemand so etwas tatsächlich vermochte. Und doch hatte der Affenmann ? seine Leute nannten ihn Zungenfresser ? genau das getan. Er hatte den letzten Begleiter des Priesters hochgehoben und... zerrissen. Shensen schauerte. Schon längst hatte sie aufgehört, zu singen.

»Die Tür wird eine Weile halten«, sagte sie laut, um ihre Sorgen zu widerlegen. Es funktionierte nicht. Sie sah sich um. Der Keller war ein großer Raum, zu groß für die Handvoll Überlebenden, sollten ihre Angreifer hereinströmen. Sie waren zu siebt: Drei Holzfäller aus  der Umgebung (Semon, Sasha und Jarl? Shensen erinnerte sich nicht an ihre Namen. Wie konnte sie ihre Namen vergessen?), ein dicker Händler mit einem schlanken Dolch (Biros?), ein Schankmädchen, kaum vierzehn Jahre alt (Cara), der Priester (sie kannte seinen Namen nicht), und schließlich sie selbst. Alle waren irgendwie verwundet.

»Wir werden sterben, wir werden sterben, Waukeen sei gnädig, wir sterben.« Der Händler jammmerte und jammerte. Shensen hätte ihm am liebsten das Maul gestopft, wollte ihm das Maul stopfen, seit er mit Thomek gegen einen Banditen gekämpft hatte, und der Bandit den Wirt tötete anstelle des Händlers. Warum hatte der Bandit nicht Biros angegriffen? Am Ende steckte der Händler in der Sache drin, und selbst die Bauchwunde, die der Priester gerade mit einem Gebet notdürftig verschloss, war nur ein Trick, um sie zu schwächen.

»Oh, ich weiß es, wir sind bald tot! Tot!« Wenn er nur die Klappe halten würde! Unruhig ging Shensen die Kellerräume ab, doch sie konnte seinem Jammern nicht entkommen.

»Habt ihr etwas gefunden?« Der Priester war ihr gefolgt, weg von den anderen. »Warum ist es hier so kalt?«

Shensen deutete auf ein Metalllkästchen. »Das habe ich gefunden ? der Grund für die Kälte. In dem Kästchen bewahrt Thomek... bewahrte er braunes Moos auf. Es entzieht Wärme ? auch Körperwärme. Vielleicht können wir damit einen Schutzwall errichten.«

Der Priester schüttelte den Kopf. »Ich kann uns nicht vor der Kälte schützen. Darüber wollte ich mit euch sprechen. Meine Magie ist erschöpft. Ich kann höchstens noch Nadelstiche heilen.«

»Ich habe noch etwas Kraft übrig«, sagte Shensen.

»Bewahrt sie. Ihr werdet sie brauchen. Hört zu: Diese Kerle suchen etwas. Sie werden nicht aufgeben. Die anderen sind ohnehin totgeweiht ? der Händler hat recht. Und ich werde sie beschützen, solange es geht, sicher stellen, dass ihnen nicht noch mehr Leid geschieht als nötig.«

»Und ich stehe euch zur Seite.«

»Nein. Ihr könnt es schaffen. Wenn es zum Kampf kommt, haltet euch hinten. Lauert auf eine Gelegenheit ? sie wird kommen. Und dann flieht.«

»Aber die Menschen...«

»Sie sind nicht wichtig.« Shensen starrte den Priester an, der seine Wortwahl bemerkte, und seine Stimme weicher werden ließ. »Jedenfalls nicht im Vergleich. Cauldron ist in Gefahr. Wenn die Banditen wirklich gekommen sind, weshalb ich fürchte, dann sind mehr als nur eine Handvoll Menschen in Gefahr. Ihr müsst aufpassen, und berichten, damit man diesen Angriff sühnen kann. Merkt euch: Die Flut wird kommen!«

»Die was?«

Sie wurden von dem Geräusch splitternder Balken unterbrochen. Beide hasteten in den Keller, wo das Gejammer des Händlers zu einem hohen Kreischen geworden war. Wieder krachte es gegen die Tür zur Küche. Sie waren fast durch.

»Helft mir!«, rief der Priester und schlug mit seinem Streitkolben gegen eines der großen Bierfässer. Die anderen folgten seinem Beispiel, und bald ergoss sich Bier über den Kellerboden und verwandelte ihn in einen Sumpf.

»Bleibt hinter mir im Gang. Sie müssen einzeln oder zu zweit kommen.« Der Priester baute sich vor ihnen auf, und er wirkte unverrückbar. Shensen hielt sich im Hintergrund, fast gegen ihren Willen. Fast. Ein Teil von ihr wünschte sich, zu überleben, egal was mit den anderen geschähe.

Ein letztes Splittern, gefolgt von einem verhaltenen Jubelschrei und... Affengekreische? Dann stolperten Stiefel die Treppe herunter. Vier, nein acht, nein, immer mehr Banditen kamen herunter und bezogen Aufstellung. Allen voran Zungenfresser mit seinem Krummschwert. Der Affenmann schwankte lauernd hin und her, und seine Leute schienen der letzten Konfrontation fast schon freudig entgegen zu sehen. Die Verteidiger hatten ihnen anscheinend doch nicht so viele Verluste beigebracht, wie Shensen gehofft hatte. Schließlich hatten fast zwanzig Banditen den Keller betreten, standen knöcheltief im Bierschlamm, und Zungenfresser tänzelte vor ihnen herum. Warum griffen sie nicht an?

Stiefel schritten über das Holzparkett der Küche, langsame und bedächtige Schritte. Die Banditen wurden ruhiger, selbst Zungenfresser schwankte langsamer. Die Schritte näherten sich der Tür, dann kamen sie die Treppe herunter. Shensen reckte den Hals, um besser sehen zu können.

Zuerst waren nur die Stiefel zu sehen, schwarzes Leder bis zu den Knien. Dann nackte Haut, eine Tätowierung in Form von Flammen, und darüber Stahl, schwarzer Stahl. Ein muskulöser Oberkörper, die Rüstung scheinbar auf nackter Haut. Weißer Haut. Eine Frau. Jetzt sah man ihr Gesicht: nicht mehr jung und noch nicht alt, ein kühles Lächeln auf den Lippen. Grüne Augen blitzten unter roten Brauen. Kurze Haare wie Flammen, wie die Tätowierung. Die Schatten tanzten um sie herum, streichelten ihre Haut. Die Banditen machten ihr Platz, und sie trat vor.

»Triel«, die Stimme des Klerikers troff vor Abscheu.

»Sarcem, alter Freund«, entgegnete die Frau nicht weniger unfreundlich. »Es freut mich, dass du dich an mich erinnerst. Du weißt, warum wir hier sind?«

»Was ist aus dir geworden, Triel? Einst warst du eine Beschützerin Cauldrons, und jetzt? Jetzt schlachtest du ein Wirtshaus ab ? wofür?«

»Cauldron? Was hat Cauldron mir gegeben, wie haben sie meinen Schutz gedankt? Sie schicken einen verdammten Fremden her, der die Stadtwache säubern soll, sie reinwaschen von all denen, die in den Jahren der Unsicherheit den Frieden hielten. Scheiß auf Cauldron! Ich schulde der Stadt nichts ? aber Cauldron schuldet mir alles. Ich werde es bluten lassen, und dann werde ich es zahlen lassen!« Triel schnaufte, dann zwang sie sich zur Ruhe. »Du weißt, warum wir hier sind?«, wiederholte sie.

»Die Stäbe«, sagte Sarcem tonlos. Triel lächelte. »Ihr werdet sie nicht bekommen.«

»Doch, das werden wir, alter Mann.«

»Nur über meine Leiche.«

»Deine und die all der anderen.«

»Nein! Nein, bitte. Ich... ich will nicht sterben.« Der Händler drängte sich vor. »Bitte, ich habe Geld. Ich kann euch bezahlen.« Er zwang sich an Sarcem vorbei und lief auf Triel zu.  »Bitte. Lasst mich leben!«

Triel lachte nur. Dann stieß sie den Mann zurück, sodass er stolperte und fiel. Er blieb im Matsch liegen und schluchzte. »Als nächstes bietet uns die Kleine dahinten ihre Unschuld an.« Sie wies auf Cara. »Ihr habt nichts mehr. Es gehört alles uns. Und wenn wir es wollen«, sie sah dem Mädchen in die Augen, »dann nehmen wir es uns.«

Sarcems Angriff kam plötzlich, aber Triel hatte dennoch damit gerechnet. Aus dem Nichts hielt sie einen glänzenden Schild in der Hand, und der Schlag des Priesters wurde abgeschmettert. Dann entstand in ihrer Rechten eine furchtbare Axt, voller Scharten und mit einem dunklen Leuchten.

»Komm nur, alter Mann. Tanzen wir! Ich zeige dir die Macht meines neuen Herren!« Triel schien plötzlich noch einen Atemzug schneller, noch stärker. Als Sarcem ihren Hieb mit seinem Streitkolben blockte, schlugen Funken von den Waffen. Shensen drängte es, vorzustürmen und dem Priester beizustehen, aber sie hielt sich zurück. Vielleicht würde er ja gewinnen?

Für ein paar Augenblicke sah es tatsächlich so aus. Sarcem kämpfte mit der Wildheit eines eingeschlossenen Tieres, und Triel wurde ein ums andere Mal zurück gedrängt. Aber der Boden war schwer, und der Priester war müde von den Kämpfen zuvor. Er hatte keine Zauber mehr. Und er hatte keine Hoffnung. Immer wieder gingen seine Hiebe fehl, und jeder Schlag war weiter als der vorige. Und nach jedem Fehlschlag konterte Triel mit einem eigenen Hieb. Sie kämpfte kühl, überlegen. Sie wusste, sie hatte gewonnen, noch bevor der Kampf begann. Also wartete sie auf das Unvermeidliche.

Sarcem trat in eine Bierpfütze und rutschte weg. Er rang um sein Gleichgewicht. Triel ging vor und schlug seinen Streitkolben mit dem Schild zur Seite, dann stieß sie die Axt in seinen Magen. Sarcem ächzte leise, ging in die Knie. Triel ließ die Axt los und sie verschwand, ebenso wie ihr Schild. Sarcem kniete vor ihr, den Streitkolben fest umklammert. Er sah zu ihr hoch. Sie sah zu ihm herab.

»Na los, alter Mann. Schlag zu. Ich bin unbewaffnet. Heb den Streitkolben und erschlag mich. Heb deinen verdammten Arm!« Sarcem krächzte etwas Unverständliches. Mit enttäuschter Mine wandte Triel sich um und ging die Treppe hoch.

»Zungenfresser«, sagte sie, ohne sich umzusehen, »erledige den Rest.«

Der Affenmann trat vor Sarcem hin. Er steckte seinen Krummsäbel in den Matsch und packte den Priester am Kopf. Dann zog er.

Shensen wandte sich ab und schloss die Augen. Die Schreie ihrer Gefährten drangen ihr ins Ohr. Nein, es waren nicht ihre Gefährten, sie waren Opfer. Opfer, die ihr Überleben sichern sollten. Sie hatte einen schalen Geschmack im Mund. Sie zwang sich, wieder hinzusehen. Biros lag auf  dem Boden und wurde gerade abgestochen. Die Holzfäller hatten Cara hinter sich gezogen und hielten für den Moment stand, aber noch war Zungenfresser nicht zu sehen. Der Weg nach vorne war versperrt. Shensen verfluchte Sarcem. Lauert auf eine Gelegenheit, hatte der Priester gesagt, und jetzt würde sie doch genauso sterben wie die anderen. Es gab kein Durchkommen, und sie konnte sich nicht einfach hinter einer Türe verschanzen... oder konnte sie? Shensen überlegte. Die letzte Türe führte zum Brunnen. Der Raum war recht groß, und der Brunnen würde Schutz bieten vor der Kälte. Es war eine Gelegenheit. Es war die einzige Gelegenheit, die sich ihr bieten würde.

Shensen rannte in den Kühlraum und öffnete das Kästchen. Das Metall war schmerzhaft kalt. Im Inneren war ein Leinensack, mit Frost überzogen. Darin war das Moos. Shensen packte den Sack und rannte hinaus. Als sie aus der Tür kam, sah sie, wie Sasha als letzter der Holzfäller niedergestochen wurde. Cara schrie und hielt ihre Klinge vor sich wie das Mädchen, das sie war. Shensen dachte an Triels Worte. Sie durfte das nicht geschehen lassen. Sie griff Caras Schulter und zerrte sie mit sich den Gang entlang, aber der Gang war zu schmal für die beiden. Sie spürte einen Verfolger, hörte seinen Schlag, sah das Blut auf Caras Brust. Das Mädchen fiel vornüber. Gleichzeitg traf Shensen ein Schlag an der Schulter. Sie hatte zu lange gezögert. Es war zu spät.

Ohne auf ihre innere Stimme zu hören, rannte Shensen durch die Tür. Im Türrahmen warf sie den Leinensack zu Boden. Er landete mit einem dumpfen Klatschen, und sofort waberte braune Faser durch die Luft. Shensens Atem gefror. Verzweifelt warf sie die Tür hinter sich zu. Frostbeulen bildeten sich auf ihrer Haut. Ihre Finger schmerzten, als sie ihren letzten Zauber auf die Tür anwandte, die sich prompt im Rahmen verzog. Mit letzter Kraft taumelte Shensen von der Türe weg, von der Kälte weg, hinter den Brunnen. Dann brach sie zusammen.
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Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #24 am: 31. März 2005, 21:57:00 »
 Triel war auf dem Cover des Dungeon:
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Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #25 am: 01. April 2005, 19:22:16 »
 Zwischenspiel: Verrat
Die Tür zur Bibliothek glitt auf, und träge ließ Vlaathu ein Auge zum Eingang wandern.

»Was willst du?«, fragte er.

Jenya neigte den Kopf. »Mein Fürst, ich komme um zu berichten.«

»Jetzt? Sollst du dich nicht um den Stadtherren kümmen, und auf diese Abenteurer aufpassen?«

»Es... kam etwas dazwischen.« Sie erhob sich und sah ihm ins Auge. »Triel hat den Glücklichen Affen angegriffen. Sarcem Delasharn ist tot.«

»Was sagst du da?« Vlaathu ließ das vor ihm schwebende Buch ins Regal schweben und rotierte seinen Körper um die zentrale Achse. »Soll das heißen...«

»Ja«, sagte Jenya. Röte stieg ihr in die Wangen. »Ich bin der neue Hohe Wächter.«

»Ich bin so stolz auf dich«, sagte Vlaathu. Er schwebte zu Jenya herüber. Seine fleischige Zunge rollte aus seinem Mund und reckte sich ihr entgegen.

»Mein Fürst!«, sagte Jenya und erwiderte den Kuss.
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Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #26 am: 01. April 2005, 19:27:14 »
 
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sir_ollibolli

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #27 am: 04. April 2005, 12:50:33 »
 Bei Dir weiß man das nie so genau...  ;)  
It's astounding, time is fleeting. Madness takes its toll... (Riffraff)

Berandor

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #28 am: 10. April 2005, 11:13:34 »
 Jenya
Die Kettenbrecher packten die Münzen und Kunstgegenstände zusammen und verluden es auf ihre Pferde. Sarcems Leiche – samt Kopf – legten sie auf eine Trage, die von einem der Tiere gezogen wurde.

»Sind wir soweit?«, fragte Boras.

»Noch nicht ganz«, antwortete Dirim. Sein Blick lag auf dem Leichenhaufen, an dem immer noch die beiden Saurier fraßen. »Wir müssen die Leichen verbrennen.«

»Mal sehen, ob ich die Viecher verscheuchen kann.« Helion begann, mystische Gesten zu vollführen. »Incendere!« Der Feuerstrahl ging daneben, und als Antwort fauchten die Tiere bedrohlich.

»Also doch auf meine Art«, sagte Boras und heftete seine Axt.

-

Es war ein kurzer, aber verbissener Kampf. Am Ende hatten sie alle Schrammen davon getragen, aber die Saurier waren bezwungen. Dirim begann, für die Toten zu beten.

Thargad entfernte sich von der Gruppe und ging zurück in den Affen. Er durchstöberte die Küche, bis er eine Flasche billigen Branntwein fand. Mit den Zähnen entkorkte er sie, dann nahm er einen langen Zug. Er seufzte, als sich die Hitze in seinem Magen ausbreitete. Seine Hand begann zu zittern. Noch einen kleinen Schluck, dachte er sich. Nur noch einen kleinen. Die anderen würden nichts merken. Es wäre kein Problem, danach aufzuhören. Aber einen kleinen Schluck...

Thargad biss sich auf die Zunge. Der Schmerz brachte ihn wieder zur Besinnung. Dies war nicht der Ort für ein Besäufnis. Er warf die Flasche weg, kramte er eine Zwiebel aus der Tasche und biss hinein, um den Alkoholgeruch zu überdecken. Der Schnaps breitete eine warme Decke über ihm aus, benebelte den Schrecken, den er hier gesehen hatte. Er ging zurück zu den Anderen.

-

Der Weg nach Cauldron war auch bei Tag mühsam. Der immerwährende Regen hatte die Erde aufgeweicht und die Serpentinen mancherorts gefährlich rutschig werden lassen. Zudem waren die Pferde voll beladen.

Das Stadttor war noch offen, als die Kettenbrecher in Sicht kamen, und gleich hatte sich ihnen ein Wachmann genähert, der einen prüfenden Blick auf die Waren warf. Die Leiche des Priesters quittierte er mit hochgezogenen Brauen und der Auskunft, dass die Besitztümer des Toten nicht verzollt würden.

»Was aber den ganzen Rest betrifft...«, sagte er weitschweifend und meinte damit sowohl Tränke als auch Kunst- und somit Handelsware.

»Holt einfach Jenya«, sagte Helion barsch. »Sie wird wegen des Toten Bescheid wissen wollen.«

Der Wachmann überlegte einen Augenblick, schickte dann aber einen Boten los. »Zurück zum Zoll«, sagte er dann.

»Wir zahlen nix«, beschied Boras.

»Ach nein?«

»Ich bin ein Freund von Terseon Skellerang. Er wird nicht wollen, dass ihr uns aufhaltet.«

»Da kann ja jeder kommen«, lachte die Wache.

»Holt ihn doch«, sagte Boras.

»Seid ihr verrückt? Glaubt ihr, ich will meinen Posten aufs Spiel setzen, weil ich den Hauptmann wegen jemandem wie Euch störe?«

Boras sah der Wache in die Augen. »Lasst nach ihm rufen, oder ihr werdet es bereuen.«

Der Wachmann begann zu lachen, stockte aber, als er dem Blick des Barbaren begegnete. Er schluckte. »Also... also gut. Aber ihr steht mir dafür ein, wenn es Ärger gibt.« Er hieß einen seiner Männer, nach Terseon Skellerang zu schicken.

»Und jetzt?«, fragte Shensen.

»Jetzt warten wir«, antwortete Helion.

»...und sehen, wer zuerst kommt«, ergänzte Dirim.

Terseon Skellerang kam zuerst. Der wuchtige Hauptmann trat durch das Tor und grüßte Boras freundlich, aber verwirrt. Dann sah er die Leiche.

»Donner, Tod und Teufel!«, entfuhr es ihm. Dann wandte er sich an die Wachen. »Seht ihr Idioten nicht, dass das der Hohepriester des Helmtempels war? Lasst die Leute rein, verdammt!«

»Aber... der Zoll...«, stammelte der Torwächter.

»Kein Zoll!«, brüllte Terseon. Er deutete den Kettenbrechern, ihm zu folgen, und ging durch das Tor in Richtung Helmtempel. Als sie außer Hörweite der Wachen waren, fügte er hinzu: »Dieses eine Mal.«

Jenya kam ihnen auf halbem Weg entgegen. Ihr Blick wanderte die Reihen ab, doch sie sah Sarcems Gesicht nicht unter den Ankömmlingen. Dafür sah sie die Bahre. Sie ging schnell, ohne zu eilen, um die Pferde herum und blieb stehen, als sie Sarcem erkannte. Ihre Mine entgleiste für einen Moment, sie erbleichte, dann hatte sie sich gefangen.

»Er ist also tot. Gehen wir zum Tempel.«

Die Kettenbrecher saßen mit Terseon Skellerang und Jenya, der neuen Hohepriesterin, in einem großen Raum und hörten Shensen zu, die ihre Geschichte erneut erzählte.

»Kennt jemand diese Frau?«, fragte Helion, als sie geendet hatte. Jenya verneinte. Helion wandte sich an Terseon: »Was ist mit euch?«

»Es könnte sein, dass ich sie kenne. Aber das ist kaum wahrscheinlich – das letzte Mal sah ich sie vor drei Jahren. Ich nahm an, sie sei aus der Stadt geflohen.« Er schüttelte entschieden den Kopf, wie um sich selbst zu überzeugen. »Nein. Sie kann es nicht sein.«

»Und wenn doch?«, fragte Dirim. »Können wir uns erlauben, dieser Spur nicht zu folgen? Erzählt uns von ihr.«

»Ich denke nicht, dass es euch helfen wird, aber bitte.« Terseon erzählte von Triel Eldurast, wie er der korrupten Wachfrau eine Falle gestellt hatte und sie in Feuer und Blut entkommen war.

»Trotzdem glaube ich nicht, dass sie zurück gekommen ist. Warum sollte sie? Hier droht ihr der Tod, anderswo kennt man sie nicht einmal.«

»Vielleicht war sie nie weg?«, fragte Helion, der den Grund für Terseons Unmut erkannt zu haben glaubte.

»Denkt ihr, ich hätte sie drei Jahre lang übersehen?«, warf Terseon zurück. »Haltet ihr mich für unfähig?« Er stand auf. »Ich habe genug für heute. Wenn ihr mich braucht – ich bin in der Kaserne. Guten Abend.«

»Ich gehe wohl auch besser«, sagte Shensen.

»Ich muss auch noch etwas erledigen«, stimmte Thargad mit ein. Gemeinsam verließen die beiden den Tempel.

»Ich denke, wir haben den selben Weg«, sagte Thargad, als sie im Regen standen.

»Das glaube ich kaum«, erwiderte Shensen.

«Oh, aber es ist so.«

»Wie gesagt: Ich glaube nicht.« Mit einem freundlichen Lächeln ging Shensen in die Nacht hinaus. Ein paar Minuten später sah Thargad sie in Meerthan Eliothlorns Zimmer wieder. Er war schneller als sie, und Shensen war ob seiner Anwesenheit sichtlich überrascht.

»Sagte ich es nicht?«, lächelte Thargad. Gemeinsam berieten sie mit dem Anführer der Silberstreiter, aber Meerthan hatte noch nie zuvor von Triel gehört.

Die anderen Kettenbrecher waren im Tempel zurück geblieben.

»Und nun?«, fragte Dirim. »Könnt ihr Triel finden?«

»Ich weiß nicht«, sagte Jenya. »Sarcems Leiche ist zu stark verstümmelt, um sie wiederzubeleben oder sie auszufragen. Ich werde den Stern der Gerechtigkeit benutzen, um Helm um Auskunft zu bitten. Außerdem kann ich einen Zauber erbitten, der die Stäbe womöglich aufspüren kann. Ich würde sagen, wir treffen uns in zwei Stunden wieder.«

»Abgemacht«, sagte Helion. »Bis dahin werden wir uns frischmachen.«

»Wieso?«, fragte Boras im Hinausgehen. »Der Regen wäscht uns doch.«

-

Jenya ging in ihr Zimmer – ihr altes Zimmer. Sie musste überlegen, ob sie in Sarcems Gemächer umziehen wollte. Eigentlich wollte sie nicht. Aber erwartete man es von ihr? Sie goss sich einen Becher Wein ein. Es klopfte, und Ruphus Laro erschien an der Tür.

»Beschützerin – verzeiht – Hohe Wächterin, ich bringe Euch den Stern der Gerechtigkeit.« Er legte den Morgenstern auf ihren Schreibtisch. Jenya nahm ihn in die Hand. Er war schwer, unhandlich, ein Symbol mehr denn eine wirkliche Waffe. Sie legte den Morgenstern mit einem dumpfen Klatschen zurück auf den Tisch. Sie musste einen Brief schreiben, um dem Helmtempel in Saradusch von Sarcems Tod und ihrer Beförderung zu berichten. Jenya setzte sich an den Tisch und nahm Tinte, Feder und Papier hervor.

Sarcem war tot. Sie durfte nicht darüber nachdenken. Sie spürte, wie der Verlust an ihrem Herzen zehrte, eine große Welle drohte, sie wegzuschwemmen. Jenya zwang sich, das Gefühl zu ignorieren. Sie hatte eine Mauer um ihr Herz errichtet, die kein Schmerz durchdringen würde. Seit damals, als ihre Eltern... es hatte keinen Sinn, daran zu denken, was geschehen war. Jenya setzte die Feder an und begann zu schreiben. Ihre Eltern waren bei einem Überfall ums Leben gekommen, und als die Banditen lachend versuchten, die damals sechsjährige Jenya aus ihrem Versteck zu zerren, wurde sie von einem Helmiten gerettet. Von Sarcem Delasharn. Sie sah ihn vor sich, wie er zwischen den umgestürzten Karren hervortrat. Wie er sich zu ihr herunter beugte und ihr durch das Haar strich, durch die grauen Strähnen, die sie seit jenem Tag hatte.

Eine Träne tropfte auf das Pergament. Jenya zog schniefend die Nase hoch. Sie musste sich zusammenreißen! Sie konnte sich nicht erlauben, zu trauern. Sie war die Hohe Wächterin! Der Tempel, die Stadt brauchten sie. Die Verwantwortung... Plötzlich spürte sie die Last ihrer Verwantwortung, und sogleich brandete der Verlust wieder auf. Wenn nur Sarcem hier wäre! Ihre Trauer und Verzweiflung umtosten die Mauer um ihr Herz, rissen sie nieder, spülten über sie hinweg als wäre sie nicht da, brachen alle Dämme. Jenya heulte, Tränen und Rotz tropften auf das vergessene Papier, kraftlose Schreie entrangen sich ihrer Kehle. Die Trauerwelle schwappte über ihr Herz, entfaltete einen gewaltigen Sog, riss an ihrer Seele. Jenya überließ sich der Strömung, trieb durch die Wellen. Ihre Kehle war geschwollen, ihre Brust schmerzte, und sie hieb auf den Tisch. Es war egal. Alles war egal. Sie wollte weg, wollte trauern, wollte das nicht: all die Verwantwortung, all die Pflichten. Sarcem war fort! Sie schrie es hinaus.

»Sarcem! Sarcem!«

Jenya ging zu Boden, überwältig von ihren Gefühlen. Immer noch umspülte sie Trauer, immer noch zerrte Verzweiflung an ihr. Sie spürte, sie könnte sich gehen lassen. Sich aufgeben. Nie mehr zuürckkehren. Sie trieb auf ein schwarzes Loch zu. Sie würde ertrinken. Warum nicht?

Sie prallte gegen eine Mauer. Nein, das Wasser prallte gegen eine Mauer, drang nicht mehr bis zu ihr durch. Der Sog ließ nach, der Schwall versiegte. Zwischen Jenya und dem schwarzen Loch ragte ein rieser Panzerhandschuh empor. In der Handfläche öffnete sich ein Auge und sah Jenya an; es blickte ernst, aber nicht streng.

»Verzweifle nicht, meine Tochter, sondern wisse, dass ich über dich wache, so wie du über die Deinen. Denn du bist mein.«

Jenya erhob sich. Ihre Glieder zitterten immer noch. Sie atmete tief durch. Sie sah den Morgenstern auf dem Tisch, packte ihn. Der Griff schien heiß, und die Wärme strahlte durch ihren Körper, verbrannte die letzten Reste ihrer Verzweiflung zu Dampf. Der Morgenstern war gar nicht so schwer, wie sie gedacht hatte. Man konnte sich an sein Gewicht gewöhnen. Er fühlte sich gut an. Er fühlte sich richtig an.

Jenya setzte sich wieder an den Tisch und nahm ein neues Blatt Papier hervor. Sie musste einen Brief schreiben.
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Gecko

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Stadt in Ketten 2: Flutzeit
« Antwort #29 am: 10. April 2005, 12:53:14 »
 Ganz großes Kino Berandor. Ich muss schon sagen, deine SH liest sich wie ein gutes Buch.
Wie kommst du auf diese ganzen Zwischenspiele? Zum Beispiel wie Jenya den Brief schreibt. Überlegst du dir sowas, oder kommt dir das einfach so in den Sinn? Würde ja mal gerne bei eurer Runde zuschauen.
Nur weiter so und spielt so oft es geht  :)

Hab erst jetzt entdeckt das "The Second Coming" von dir ist. Hat mir auch sehr gut gefallen.

Grüße
Gecko